Ralf hat geschrieben:taddeo hat geschrieben:Der Papst ist kraft seines Petrusamtes der oberste Richter der Kirche in allen Angelegenheiten des Glaubens, des geistlichen Lebens und des kirchlichen Rechts. Daher hat er nicht nur das Recht, dieses Richteramt auszuüben, sondern auch die Pflicht dazu.
24/7?
Ich glaube nicht.
Dem Papst ist jedenfalls die Ausübung des dreifachen Amts aufgegeben, dazu gehören neben der Heiligung auch Lehre und Leitung. Wenigstens mit den letzteren ist es in meinen Augen nicht vereinbar, wenn der Papst den Eindruck erweckt, dass Pflichten und Gebote - deren Ausführung und Beachtung allen Gläubigen durch die Kirche, der er als oberster Hirte vorsteht, aufgegeben wird - eine Verhandlungsmasse in einem politikähnlichen Disputationsprozess darstellen. Eben das aber passiert bei Papst Franziskus dauernd. In der medialen Darstellung wird aus ihm der reformerische Heilsbringer, der den ganzen Dunkelmännern in der Kirche endlich zeigt, wo der Hammer hängt. Welchem Pfarrer kann es denn zugemutet werden, den Gläubigen ein kirchliches Gebot einzuschärfen, wenn der Papst den Eindruck erweckt, dass diese angeblich göttlichen Gebote schon morgen Altpapier sein können?
Gänzlich pulverisiert wird durch dieses Vorgehen die kirchliche Lehre, dass es Gebote geben könnte, die der Kirche unverfügbar sind. Gegenüber jedem Gesetz und jedem Gebot kann dadurch berechtigterweise (und nicht mehr bloß polemisch, wie es ohnehin schon immer geschah) behauptet werden, dass sie bloß Repressionsinstrumente einer Priesterkaste seien, die dadurch ihre Macht und ihre Kontrolle über ein Heer unmüdiger Schafe sichern will. Denn da sie nicht unverfügbar sind, können sie auch potentiell geändert werden. Die Kirche muss sich folglich dafür rechtfertigen, dass bestimmte Gebote bestehen. Ohne Verweis auf die Verbindlichkeit der Offenbarung aber kann das in vielen Fällen nicht gelingen.
Das zweite Problem des Auftretens von Papst Franziskus ist, dass er es den Medien (aber auch allen anderen Beobachtern) ermöglicht, ihn gegen die Kirche auszuspielen. "Den Franziskus find ich toll, aber die Kirche ist unmöglich" - das ist (in Abwandlungen) ein häufig zu hörender Satz. Der Papst aber kann sich zur Kirche nicht wie ein externes Organ verhalten, er ist deren Oberhaupt. Die beschriebene Entwicklung führt dazu, dass die Kirche von der zweifellos vorhandenen Beliebtheit des Papstes auch in nichtkirchlichen Milieus überhaupt nicht profitiert, da es eine Beliebheit ist, die der Papst durch Abgrenzung von der Restkirche erreicht. Je heller der Stern des Papstes strahlt, desto dunkler erscheint ihm gegenüber die Kirche. Diese Entwicklung wird von Franziskus entweder überhaupt nicht erkannt, oder aber eben ignoriert. Beides ist wenig schmeichelhaft. Das Ergebnis dieses Prozesses wird jedenfalls sein, dass am Ende des Pontifikats eine Katerstimmung auf beiden Seiten eintreten wird: Die Kirche wird merken, dass das bißchen Glanz, dessen sie sich erfreuen konnte nur von Franziskus kam, und für den Rest wird nach Tod oder Abdankung ihres Idols die "dunkle" Kirche bleiben, an die er sich keinen Deut angenähert hat.