Verbindlichkeit des II. Vatikanischen Konzils

Allgemein Katholisches.
Benutzeravatar
Maurus
Beiträge: 6813
Registriert: Donnerstag 2. März 2006, 12:56
Wohnort: Kurmainz

Re: Umgang mit Vatikanum II

Beitrag von Maurus »

azs hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:
azs hat geschrieben:Das 2. Vatikanum unterscheidet sich ja besonders darin von anderen Konzilen, dass es ausschließlich pastoral sein möchte. Es wurde kein neuer Lehrsatz verkündet, sondern die katholische Lehre sollte für die Welt von heute dargelegt werden (wenn ich das so richtig verstanden habe). Nun gibt es ja Gruppen wie die FSSPX, welche das Konzil bzw. Teile daraus nicht annehmen. Wenn jemand dies tut, was prangert die Kirche daran an? Prangert sie an, dass man eine Darlegung des Glaubens nicht annimmt, die kein neuen Lehrsatz verkündet hat? Oder wie begründer sie, dass man eine Glaubensdarlegung annehmen muss? Also wenn jemand wie die FSSPX alles glaubt, was bis dahin gelehrt wurde, das Konzil aber gar keinen neuen Lehrsatz verkündet hat...worin genau besteht jetzt das Problem - wenn man von den Bischofsweihen absieht?
Dogmatische Definitionen sind nicht die einzigen Sätze, die in der Kirche Verbindlichkeit beanspruchen.
Es darf auch gern mehr als nur ein Satz geschrieben werden! :daumen-rauf:
Gerne, nur halte ich deine Ausgangsfrage mit diesem Satz im Prinzip für beantwortet. Langfassung: Die Beschlüsse eines Konzils sind nunmal bindend, auf eine dogmatische Definition kommt es in soweit nicht an. Eine dogmatische Definition ist irreversibel, das sind die Konzilsbeschlüsse formal nicht. Daher kann man an den Beschlüssen Kritik üben - dies wird ja auch von "liberaler" Seite nicht versäumt, aber sich einfach nicht an sie zu halten, geht eben nicht.

Auf dem Vatikanum I und in Trient mögen dogmatische Definitionen im Vordergrund und auch sozusagen die "Essenz" des ganzen Konzils ausgemacht haben, auf vielen anderen Konzilien war dis aber nicht der Fall. Sie nahmen zwar auch dogmatische Definitionen vor, diese bildeten aber nicht den Hauptgegenstand auf dem Konzil. So definierte das V. Laterankonzil die Unsterblichkeit der Seele gegen einige aus dem Averroismus hervorgegangene Gegenansichten. Das Konzil an sich beschäftigte sich aber mit der Kirchenreform. Die dogmatische Definition wird in Kurzlehrbüchern zur Kirchengeschichte daher nur am Rande oder überhaupt nicht erwähnt.

azs
Beiträge: 516
Registriert: Mittwoch 2. Juli 2008, 18:16

Re: Umgang mit Vatikanum II

Beitrag von azs »

Aber was genau ist denn dann jetzt am Vatikanum II bindend? Eine verbindende Glaubenserklärung oder wie? Was hat das Konzil denn eigentlich jetzt genau gebracht bzw. gewollt?
ad te suspiramus in hac lacrimarum valle

Benutzeravatar
Maurus
Beiträge: 6813
Registriert: Donnerstag 2. März 2006, 12:56
Wohnort: Kurmainz

Re: Umgang mit Vatikanum II

Beitrag von Maurus »

azs hat geschrieben:Aber was genau ist denn dann jetzt am Vatikanum II bindend? Eine verbindende Glaubenserklärung oder wie? Was hat das Konzil denn eigentlich jetzt genau gebracht bzw. gewollt?
Bindend sind die Dokumente in ihrem Wortlaut, insbesondere die dogmatischen Konstitutionen. In der dogmatischen Konstitution hat die Kirche überhaupt einmal (und erstmals) in einem Konzilsdokument ihr Selbstverständnis definiert. Die dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung hat einen Paradigmenwechsel innerhalb des kirchlichen Offenbarungsverständnisses herbeigeführt. Konkret ging es dabei um eine Abkehr vom instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnis hin zu einem Verständnis von Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus. Die Überlegungen waren Ergebnis eines längeren theologischen Prozesses, der im Prinzip schon auf dem I. Vatikanum "dabei" war und dann von der nouvelle théologie aufgegriffen wurde. Nicht unbedeutende Vorgaben hat auch ein gewisser Ratzinger beigesteuert, auf dessen Einfluss beim Entstehen von Dei verbum der Regensburger Bischof Voderholzer erst kürzlich wieder hingewiesen hat.

Etc pp - das ganze füllt Regalkilometer und aberdutzende Bildschirmmeter in diesem Forum...

Benutzeravatar
Protasius
Moderator
Beiträge: 7121
Registriert: Samstag 19. Juni 2010, 19:13

Re: Verbindlichkeit des II. Vatikanischen Konzils

Beitrag von Protasius »

Habe auf die Schnelle keinen passenderen Strang gefunden:
Die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium ist in der promulgierten Fassung mit relativ wenigen Fußnoten versehen (42, quasi ausschließlich Bibel und Kirchenväter). Die Fassung, die den Konzilsvätern mit Ausnahme der beiden letzten Sitzungen vorlag, war wesentlich umfangreicher mit Fußnoten versehen und enthielt reichlich Verweise auf die Werke Pius' X. und Pius' XII. In englischer Sprache ist eine Version mit den ursprünglich vorhandenen Fußnoten (und dem endgültig promulgierten Text) veröffentlicht worden, im Adoremus Bulletin. Der dazugehörige Artikel mit dem Titel Footnotes for a Hermeneutic of Continuity - Sacrosanctum Concilium's Vanishing Citations beginnt auf Seite 8, der eigentliche Text kommt ab Seite 10.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Benutzeravatar
Libertas Ecclesiae
Moderator
Beiträge: 3054
Registriert: Montag 15. Juni 2009, 10:46

Re: Verbindlichkeit des II. Vatikanischen Konzils

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

Benutzeravatar
Libertas Ecclesiae
Moderator
Beiträge: 3054
Registriert: Montag 15. Juni 2009, 10:46

Re: Verbindlichkeit des II. Vatikanischen Konzils

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Wen es noch interessiert:

Erzbischof Carlo Maria Viganò und Weihbischof Athanasius Schneider sowie Roberto de Mattei haben in den letzten Wochen die Diskussion um Verbindlichkeit und Lesart der Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils neu angefacht.

Michael Charlier hat die Debatte in einer losen Artikelreihe zusammengefasst. Dabei verweist er u. a. auf einen aktuellen Beitrag von Peter Kwasniewski sowie auf einen älteren Vortrag von Joseph Ratzinger aus dem Jahr 1975:

Vaticanum II am Ende?

Warum Viganós Konzilskritik ernst zu nehmen ist

Vaticanum II - ein großes „Umsonst“?

Prof. Ratzinger kritisiert das Konzil
Joseph Ratzinger (1975) hat geschrieben:Nicht alle gültigen Konzilien sind auch kirchengeschichtlich zu fruchtbaren Konzilien geworden, von manchen bleibt am Ende nur ein großes Umsonst.
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

Benutzeravatar
Libertas Ecclesiae
Moderator
Beiträge: 3054
Registriert: Montag 15. Juni 2009, 10:46

Re: Verbindlichkeit des II. Vatikanischen Konzils

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Kardinal Zens Beitrag zur Konzils-Debatte:

Wirken Gottes in der Kirche
Kardinal Joseph Zen hat sich mit einem Beitrag in die Debatte über das II. Vatikanum eingeschaltet, die kürzlich von Erzbischof Carlo Maria Viganò und Bischof Athanasius Schneider begonnen worden ist. Der 88-jährige emeritierte Bischof von Hongkong betrachtet das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) letztendlich als ein Wirken Gottes in der Kirche. „Das Zweite Vatikanum ist vor 50 Jahren passiert, aber es gehört sicherlich nicht der Vergangenheit an. Sein Licht führt die Kirche noch heute durch die Dunkelheit ihrer Reise“, schrieb er am 19. Juli in seinem Blog, und nimmt damit eine etwas andere Position als Schneider und Viganò ein.
:roll:
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

Benutzeravatar
Libertas Ecclesiae
Moderator
Beiträge: 3054
Registriert: Montag 15. Juni 2009, 10:46

Re: Verbindlichkeit des II. Vatikanischen Konzils

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Peter Winnemöller:

„Wir brauchen eine Debatte über das jüngste Konzil“
Mag man ein Fan von Erzbischof Viganò sein oder ihn diabolisieren wollen, eines scheint dem Erzbischof immer wieder zu gelingen: Unruhe zu bringen. Wenn es Erzbischof Viganò schaffen sollte, eine echte Debatte über das jüngste Konzil und dessen Folgen, die bis hinein in das gegenwärtige Pontifikat wirken, auszulösen, ist das zu loben.
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema