aus Qâra in Syrien. - (dort mit einigen Bildern)
Ich habe sie mal übersetzt, weil sie einen sehr lebendigen, realen Eindruck geben, wie es dort zugeht:
Liebe Freunde,
Freitag Abend wurde das Kloster bombardiert, worüber ich ausführlich berichte. Leider wurden wir am Dienstag wieder bombardiert. Jetzt reicht es. Wir haben beschlossen, das Kloster zu verlassen. Es ist jetzt Nacht, eine günstige Zeit, um uns für die Abreise bereit zu machen. Wir werden einen sichereren Ort aufsuchen, hoffentlich nur für eine begrenzte Zeit. Lasst uns für einen dauerhaften Frieden in Syrien beten.
P. Daniel OPraem
Freitag, 21. – Freitag 27. Juni 2013
Freitag Abend erleben wir bange Stunden. In der Abendrekreation wird von den meisten noch der Vorrat an gepflückten Aprikosen verarbeitet, bis etwa Viertel nach 10. Beim Aufräumen hören wir einen Hubschrauber langsam über das Kloster fliegen und das kann immer Gefahr bedeuten. Plötzlich hören wir ganz nahe einen heftigen Knall. Die Kinder fangen an zu weinen und alle flüchten zurück ins Refektorium. Vermutlich ist wieder ein Hof außerhalb der Umzäunung das Ziel, wo sich viele Terroristen versteckt halten. Keine halbe Stunde danach folgt eine gewaltige Explosion nahe am Vorderseite, wobei das große Eingangstor zertrümmert wird und in der Halle fliegt, ein Holztor mit Messingbesatz, gut 3 mal 2 Meter groß, das innen mit einem Holzbalken und zwei Stahlträgern verriegelt war. Auch die Innentüren der Halle und das Glas fliegen herum. Über allem hängt eine dicke Staubwolke. Glücklicherweise waren die meisten noch im Refektorium und einige waren gerade an der Treppe nach oben. Ein paar Sekunden früher, und es hätte Tote gegeben. So wurde jetzt niemand getroffen. Die muslimische Familie des Mannes, der eine unserer Wachen ist, und der jetzt an dem Eisentor an der Straße wohnt, kommt mit seiner Frau und drei kleinen Kindern ins Refektorium und sucht dort Zuflucht. Als danach noch eine kleinere Explosion folgt, flüchten wir alle durch die Halle in einer der Grotten unter dem Refektorium. Die Kinder beruhigen sich und fangen an, mit den muslimischen Kindern zu spielen, und Fadia, das Baby, schläft wie Röslein in den Armen ihrer Mama. Wir beten ein Vaterunser und ein Ave Maria. Es wird aufgeregt telefoniert. Offenbar haben Rebellen direkt am Kloster auf einem Militärhubschrauber geschossen. Unsere muslimischen Hausmeister nimmt Kontakt mit dem General der Armee auf, und der versichert uns dass die Aktion um das Kloster abgebalsen ist. Um Mitternacht ziehen alle wieder in ihre Zimmer. Während bisher alles hermetisch verschlossen war, haben wir in dieser Nacht eine riesigen Öffnung an der Vorderseite des Klosters. All dies ist vielleicht das schlimmste für Mutter Agnes-Mariam und Sr. Carmel. Der Hass einiger, die am liebsten heute noch Syrien zerstört sehen würden, ist so groß, dass die beiden tatsächlich bedroht sind und seit Juni letzten Jahres untertauchen mussten. Und das Schlimme ist, dass einige fromme Christen durch Verleumdung dabei mitwirken. Man kann Menschen wohl trennen, aber man kann ihre Einheit nicht zerbrechen. Man kann Gebäude beschädigen, aber dadurch noch keine Gemeinschaft verniechten. Im Gegenteil.
Samstag Morgen wurden Bilder von den Schäden gemacht. Eines der Zimmer auf der Vorderseite wurde durch einen große Einschlag zerstört. An mehreren Stellen sind Projektile nach innen eingeschlagen, es müssen etwa zwanzig gewesen sein. Der ganze große Innenhof liegt voll mit Scherben dieser Projektile. Die Kunststoffdach des Atriums ist schwer beschädigt. Über der Kirche ist ein Einschlag und auch auf dem Vorplatz. Es gibt erheblichen Schaden überall am Kloster. Den ganzen Vormittag wird aufgeräumt von Groß und Klein. Wenn auch das Herz Eingen letzte Nacht in die Hose gerutscht war, herrscht heute eher eine heitere Atmosphäre. Jeder ist froh, dass niemand verletzt wurde. Inzwischen haben wir mit der Militärführung Klartext gesprochen. Unsere Frage war: wenn ihr wollt, dass wir das Kloster verlassen, dann sagt es, aber bombardiert uns nicht. Sie entschuldigten sich und sagten, sie würden es als große Beleidigung ansehen wenn wir wegzögen. Sie erklärten, dass ihre Hubschrauber in großer Höhe bleiben müssen, um der Flugabwehr auszuweichen, und dass beim Wechsel der Windrichtung Fehler passieren können. Sie versprachen, die Sicherheitszone um das Kloster zu respektieren. Aber was sind Versprechen wert, in Kriegszeiten und an einem Ort, der voll ist mit Al-Nousrakämpfern ?
Den ganzen Vormittag kommen Menschen aus Qâra, um den Schaden zu begutachten und zu sehen, wie das eine oder andere repariert werden kann. Auch der junge, neue Bürgermeister kommt. Er verspricht zu helfen. Schließlich ist dieses Kloster eine wichtige archäologische Stätte für Syrien. Überall ist jemand im Auftrag der Regierung, der die Schäden einschätzt und angemessene Unterstützung geben kann. Gegen halb zwei kommt Abouna Georges. Er erzählt, dass rund um das Kloster eine Menge Terroristen sitzen. In Qâra jetzt weiß jeder, dass das Kloster schwer beschädigt wurde. Er sagt, dass das auch eine gute Seite hat. Die eigentlichen Bewohner von Qara haben jetzt noch mehr Mitgefühl. Sie sagen: das sind Brüder und Schwestern, die nichts anderes tun als beten und arbeiten und Familien mit Kindern zu betreuen ! Und die Terroristen wissen jetzt, dass sie auch hier nicht sicher sind. Abouna Georges zeigt auf seinem Handy Fotos von seinem Elternhaus in Qousseir das zerstört ist. Und die einst so schöne Kirche ist innen völlig geplündert und verwüstet. Alles innen ist weg. Es bleiben nur Mauern mit großen Löchern über, und innen stehen Parolen wie "die Religion von Mohammed wird siegen". Aber dieser Sieg wurde inzwischen in Qousseir auf unbestimmte Zeit verschoben. Allmählich Leute kommen zurück nach Qousseir.
Alle sind abends müde vom aufräumen und froh, dass es wieder ordentlich ist. Die Vordertür ist provisorisch verschlossen. Mit Beten ist es heute nicht viel geworden. Wir schließen den Tag mit einer Eucharistie, essen zu Abend, reden noch etwas und gehen schlafen.
Sonntag Morgen sind die Jungs wieder dabei beim Frühstück im Innenhof. Zur Überraschung aller taucht unser Syrer wieder auf, der ehemalige Direktor der Schule in Qousseir, der jetzt im Priesterseminar ist. Warum er mehr als zwei Monate weg war ? Er sagt, dass er einfach nicht zurück konnte, weil es zu gefährlich war. Die Armee sperrte die Straßen und wenn man trotzdem durch wollte, wurde man Beute der Terroristen. Er erzählt, wie die Menschen sich an die Anschläge in Damaskus gewöhnt haben. Man hilft und kümmert sich um die Verwundeten, man räumt auf und macht weiter seine Einkäufe. Überall wo er an der Eucharistie teilnahm, gab es viele Leute, einen inbrünstigen Glauben und das Vertrauen: Gott schützt Syrien. Und in Qousseir ist ein ultra modernes, unterirdisches Krankenhaus zu besichtigen, komplett mit amerikanischem Material gebaut, für und durch die Rebellen. Es muss ein Vermögen gekostet haben.
Inmitten des Wahnsinns dieses Krieges suchen wir nach Lichtblicken. Paulo Pinheiro, Vorsitzender der Untersuchungskommission des Hohen Kommissars für Menschenrechte erklärte am Freitag, dass Länder, die den Rebellen in Syrien Waffen liefern, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden können. Eine ähnliche Mahnung Äußerte Vl. Putin auf dem Gipfel der G 8. Dennoch wollen die selbsternannten sogenannten "Freunde Syriens" mehr Waffen als je zuvor liefern, wie es auf ihrem Treffen am 22. Juni in Doha, Katar scheint. Und internationalen Medien geben diese Meldung gerade so wieder, als wäre sie eine gute Nachricht. Das nennt sich nun Journalismus. Glücklicherweise leidet der Club an schwerer Schwindsucht, was die üblichen Medien dann aber nicht erzählen. Am 6. Juli 2012 kamen Vertreter aus 121 Ländern als "Freunde Syriens" zusammen in Paris und jetzt waren es in Doha gerade mal 11 um "General" Salim Idriss der Freien Syrischen Armee. Es waren dann auch der Gipfel der kriminellen Länder, mit Amerika, England und Frankreich in den Hauptrollen, die zu massiven Waffenlieferungen übergehen wollen, obwohl sie offenbar auch keine Einigung erzielt haben. Während diese Länder sich das Recht nehmen, das syrische Volk und Land unbegrenzt abzuschlachten und zu verwüsten, fordern sie ohne rot zu werden, dass der Iran und die Hisbollah sich nicht einmischen sollen, damit sich der Konflikt nicht ausweitet. Das soll heißen: Lasst uns erstmal Syrien vernichten, und dann sehen wir mal, wie wir den Libanon und vor allem den Iran unter unsere Knute bekommen. Unterdessen hat die syrische Regierung beschlossen, die Gehälter aller Staatlichen Beamten, Soldaten und Pensionäre um 40% zu erhöhen, um so gut es geht dem aktuellen, immensen Elend im Land zu begegnen ! Die "demokratischen" Hohepriester des Westens und Kriminellen mit weißem Hemd können sich daran ein Beispiel nehmen. Der Leiter der Französischen Abteilung von Kirche in Not, Marc Fromager, startet einen mutigen Aufruf: Es ist genug ! Er prangert die Haltung des Westens an, dass Syrien, das noch bis vor zwei Jahren ein Wirtschaftswachstum von 8% hatte, entgegen allen internationalen Regeln zur Destabilisierung verurteilt hat, und wie dies von Europa stillschweigend unterstützt wird. Amerika will hier das Öl und das Gas, und gelichzeitig Russland ausbooten. Saudi-Arabien und Katar wollen hier den fanatischen Islam etablieren. Aber Frankreich? Wie kommt Frankreich dazu, jeden Begriff von Souveränität plötzlich zu verlieren ? Syrien war, mit dem Libanon, das Land im Nahen Osten, wo Christen die größte Freiheit genossen.
In Ost und West wird am Montag, dem 24. Juni ist das Fest der Geburt Johannes des Täufers gefeiert (ursprünglich hier am 25. Juni). Dies steht in direktem Zusammenhang mit Weihnachten. So wie Weihnachten zur Wintersonnenwende gefeiert wird als die aufgehende Sonne, so wird zur Sommersonnenwende Johannes der Täufer gefeiert, der gesagt hat, dass er kleiner und Christus größer werden muss. Zu freudigen Überraschung aller kommt Abouna Georges und feiert wieder eine ausführliche byzantinische Liturgie, was lange her ist. In der Wüste lebte Johannes der Täufer und gab Zeugnis von der Wahrheit. Das ist unsere Aufgabe. Das Mittagessen haben wir in der großen Halle, die nach der Bombardierung inzwischen vollständig aufgeräumt und gesäubert ist. Allerdings ist das Kunststoffdach des Innenhofs fast ganz heruntergerissen, und Teile davon können noch herunterfallen und die wollen wir lieber nicht auf unserem Teller haben. Am Abend halten wir noch einmal Anbetung vor dem ausgestellten Allerheiligsten.
Mittwoch bekommen wir eine Gruppe städtischer Arbeiter zu Besuch. Dies war das erste konkrete Zeichen der Sympathie nach der Bombardierung. Diese Gruppe kümmert sich um die Instandhaltung und Sauberkeit des Dorfes, dem großen Vorplatz Bereinigung und Reparatur. Es wurden mehrere Streiks der Raketen.
Leider gab es Dienstag Abend gegen 22:00 Uhr wieder ein Bombardierung mit zwei Einschlägen und die Halle war wieder voller Staub, ein Wasser-Reservoir wurde getroffen und hat den Innenhof unter Wasser gesetzt, eine Schwester wurde über dem Auge leicht verletzt. Jetzt reicht es. Wir haben beschlossen, wegzuziehen und den Schutz des Klosters den "Schildwachen" zu überlassen. Mittwoch Morgen werden wir an einen sichereren Ort ziehen, vielleicht für einen Monat oder zwei. Ich weiß nicht, ob ich da noch Internet habe. Jedenfalls wird es dort sicherer sein als hier. Hier rund um das Kloster sitzt tatsächlich alles voll mit den übelsten Terroristen, auch wenn wir den Schutz der eigentlichen Dorfbewohner haben. Außerdem ist zu erwarten, dass in absehbarer Zeit hier doch der Kampf mit voller Wucht ausbrechen wird. Und wenn wir jetzt hier nicht sicher sind, dann ist es überhaupt nicht sicher.
Ich weiß noch nicht, ob wir an dem Ort, wo wir hin gehen zu müssen. Internet haben werden. Aber Ihr braucht Euch nicht unnötig Sorgen machen, auch ohne Internet werden wir dort viel sicherer sein.
Herzlichen Dank für Euer Mitgefühl, mitbeten, mitsorgen und mitleiden. Der Herr hat uns eine wunderbare Zeit hier in dieser Gemeinschaft gegeben. Sein Name sei gepriesen. Er ist der Herr von Zeit und Ewigkeit. Er ist auch der Herr dieser Gemeinschaft und dieses Landes. Er schenke uns Seinen Frieden.
Von Herzen,
P. Daniel Maes
Mittwoch, 26. – Freitag von 28. Juni 2013
Dienstag Abend um 22.00 Uhr wieder zwei Raketen. Die eine schlägt direkt über der Treppe ein, über die die Schwestern in ihr Zimmer gehen. Eine Schwester wurde leicht über ihrem Auge verletzt. Nun liegt nicht nur die Halle, sondern auch der Innehof wieder voller Staub und Schutt. Die Brüder bleiben im Turm, die Schwestern flüchten in die Krypta, die sicherheitshalber dafür heute gerade fertig gemacht worden war. Die Armee sagt, dass sie es nicht getan haben. Wir haben beschlossen, morgen abzureisen. Einige haben die ganze Nacht gepackt. Das Allernötigste nehmen wir mit, das Wertvolle von dem Rest wird bereitgestellt, um später irgendwo an einen sicheren Ort gebracht zu werden. Das Tabernakel wird leer geräumt und das Allerheiligste nehmen wir mit. Unsere beiden Wachen und der Muslim, der und als Hausmeister mit schützt, werden hier bleiben und versuchen, das Kloster zu bewahren. Mittwoch im Laufe des Vormittags hat jeder seine Sachen bereit. Nach einigen Telefongesprächen scheint es auf der Straße, wo wir hinwollen, viel zu gefährlich zu sein. Auch der Taxifahrer mit seinem Kleinbus will nicht fahren. Die Straße ist nicht von der Armee gesichert. Der General, der das Kommando über dieses Gebiet hat, lässt wissen, dass es zu gefährlich ist. Vielleicht ist dies ein Zeichen, dass wir doch bleiben müssen, was die meisten wohl auch wollen. Dann wird nach und nach die Halle doch wieder sauber gemacht. Jeder ist ruhig, eher gelassen und schläfrig. Gegen Mittag kommt Abuna Georges zusammen mit zwei Männern zu Besuch. Da wird immer viel gelacht. Sie machen uns Mut zu bleiben. Sie sagen, dass die Gemeinschaft ein Segen für Qâra ist. Nach einem einfachen Mittagessen gehen wir alle schlafen. Unser Syrer hatte morgens auf seinem Tisch ein Blatt Papier gelegt und darauf geschrieben: "Wir kommen bald zu euch zurück, O St. Jacob der Versehrte, bald...". In der Eile hatte er es selber vergessen und fand als Überraschung am Nachmittag seinen eigenen Text !
Als wir am Abend Eucharistie zu feiern wollten, haben wir die größte Mühe, das Nötige zu finden. Alles ist so verpackt und eingeladen, dass wir kaum noch daran kommen. Allmählich werden wir alles wieder auspacken müssen, aber es fehlt uns im Moment der Schwung. Auch all der ganze Dreck in den Innenhof und auf den Treppen bleibt einfach liegen. In der Eucharistie haben wir gebetet wie die ersten Christen, die Petrus und Johannes aufnahmen, als sie aus dem Gefängnis kamen (Apg 4, 23-31): erste einmütig Gott loben und preisen, weil Er der Herr ist über alles, dann bitten dass wir Kraft bekommen, treu zu bleiben dem Zeugnis seiner Liebe hier, dann bitten dass auch bei uns die Wunder und Heilungen, die wir brauchen, geschehen mögen. Ihr könnt den Baum an seinen Früchten erkennen, sagt Jesus heute im Evangelium. Wir sind uns sehr bewusst, dass "Früchte tragen" überhaupt nicht heißt "Erfolg zu haben", im Gegenteil. Etliche Gruppen und Gemeinschaften in der Kirche sind schon in diese Falle getappt. Wenn man ein Modell sucht für ein erfolgreiches irdisches Leben, musst man das ganz bestimmt nicht bei Jesus suchen, der in diesem Punkt das Beispiel für den größten Fehlschlag aller Zeiten ist.
Wir haben allerdings beschlossenen, wie die Hühner eher "ins Nest" zu gehen. Gemeinsame Abendrekreation findet vorerst nicht mehr statt. Zwischen acht und halb neun ist ab jetzt jeder in seinem Schutzraum. Die Bombenardierungen sind ja offenbar immer abends. Die Schwestern gehen in die Krypta, wohl dem sicherste Platz. Bei ihnen ist auch die Mutter mit ihrem Baby. Die Männer gehen in der "Kapelle" des römischen Turm schlafen, die zweigeteilt ist. Das ist der sicherste Platz unter dem Turm. Bevor wir auseinander gehen, bekommt jeder noch ein breites weißes Band, ein Tuch, das man gegen den Staub vor Mund und Nase binden kann, denn inzwischen hat es praktisch jeder bereits stark mit dem Hals, durch den Staub nach den Bombardierungen. Nach einigen komischen Übungen mit diesen Tüchern suchen die zwei Gruppen ihr Lager auf und machen es sich so angenehm wie möglich, in der Hoffnung, dass kein Lagerfeuer aus der Luft kommt.
In der Zwischenzeit geht das Theater der "internationalen Gemeinschaft" einfach weiter. Es gibt einen sehr langen Bericht des Gipfels der G8 (Lough Erne). Das Schlüsselwort ist Transparenz in Verwaltung, Finanzen, Wirtschaft, Handel, internationale Beziehungen, das Verhältnis untereinander und gegenseitige Hilfe. Der Inhalt ist ungefähr dies: wir haben fast das irdische Paradies verwirklicht, aber noch nicht ganz. Wir haben hier und da noch das ein oder andere versuchen zu erreichen. Das Lob das sich die G8 selbst zufächelt, ist gewaltig, vor allem in dem, was sie in Nordafrika erreicht haben, von Mauretanien bis Somalia und im Nahen Osten. Für Syrien sehen sie Genf 2 in trockenen Tüchern und, jawohl, völlig im Licht von Genf 1. Sie weisen natürlich kategorisch jeden Einsatz chemischer Waffen zurück, und die Menschenrechte müssen uneingeschränkt geachtet werden. Sie wollen dann eine Übergangsregierung, die vollständige Befugnisse bekommt (die sie natürlich einsetzen). Unterdessen wird der Kampf gegen den Terrorismus gesteigert. Wie können diese Länder derartige Prahlerei, Unsinn und Irreführung problemlos in der Welt schicken, während sie alles tun, um die Morde und Verwüstungen noch zu steigern, um dieses Land endlich doch kaputt zu kriegen ? Der syrische Außenminister hat deutlich und ganz zu Recht deutlich zu verstehen gegeben, dass diejenigen, die als Voraussetzung daruf bestehen, dass die Regierung und der Präsident in Syrien verschwinden müssen, sich die Mühe sparen können, zur Friedenskonferenz von Genf 2 zu kommen. Von dieser Konferenz brauchen wir also mit all der Heuchelei nicht viel zu erwarten.
Dann gebt uns lieber Papst Franziskus, der auf dem Kongress der Diözese Rom einige krasse Aussagen riskiert: "Ein Christ, der heute kein Revolutionär ist, kein Christ", "Ich verstehe die christlichen Gemeinschaften, die sich abkapseln nicht". Eine knackiges Wort spricht er auch über das Gleichnis vom verlorenen Schaf und die 99 anderen, und er gibt zu verstehen, dass es jetzt eher umgekehrt ist und dass wir nicht das eine Schaf weiter pflegen und betreuen müssen, sondern dass wir losziehen müssen zu den 99 anderen.
Donnerstag wird das normale Leben und Arbeit allmählich wieder aufgenommen. Die meisten scheinen gut geschlafen zu haben. Der Dreck im Innenhof und auf den Treppen wird endlich aufgeräumt. Und die Kinder bekommen auch ihre Arbeit zugewiesen, so dass sie sich endlich wieder für einen Teil des langen Vormittags mit etwas Nützlichem beschäftigen können. Dadurch dass jeder dort durchläuft, wird der Staub durch das ganze Haus getragen. Der Wassertank auf der Seite der Schwestern muss dringend repariert werden. Bis dahin gibt es auf dieser Seite kein Wasser für die Toiletten und Duschen. Dazu kommen noch die regelmäßigen, unerwarteten und langen Stromausfälle (hinderlich für die Küche) und die Einschränkungen von Telefon, Handy und Internet abends, dann sind das doch so einige Einschränkungen. Bis auf weiteres ist die Arbeit im Innenhof auch ausgeschlossen. Die Entspannung durch Holz sägen oder hacken im Innenhof fällt also auch weg. Wir müssen immer wieder etwas einfallen lassen, um die gute Stimmung zu erhalten. Die Witze aus dem Weinkalender vom letzten Jahr können da manchmal helfen. Und in der Küche hängt ein ähnlicher Kalender von diesem Jahr mit arabischen Witzen. An diesem Abend sitzen wir mit den Jungs schon um halb zehn auf der Matratze in unserem Schutzraum. Es ist eine Gelegenheit, um in Ruhe an unserer Bildung weiter zu arbeiten. Einer hat eine Arbeit über den Kirchenvater Origenes gemacht. Er gibt seine Erläuterungen und wir folgen den Text auf unserem Computer. Eine bescheidener, aber zugleich sehr mutiger Kerl, dieser Origenes. Er zeigt uns, wie wir aus dem Herzen des Evangeliums gegen den Strom schwimmen können. Und zwischendurch hören wir wieder Hubschrauber über unseren Köpfen kreisen. Die Bombardierungen sind allerdings weiter weg.
Von Herzen,
P. Daniel Maes