Zinsverbot

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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ar26
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von ar26 »

@ Protasius
Selbst wenn Deine letzte Annahme zuträfe, wäre es eine Beihilfe zur Sünde. Wenn ich den Kredit unter diesen Bedingungen nicht nehme, dann kann der Kreditgeber auch kein Geld gegen Zinsen an mich verleihen. Zur Ausnahme hiervon hatte ich ja schon etwas gesagt. Roberts ostentativ knappe Antwort sei durch seine vielfältigen Aufgaben als Familienvater im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest an dieser Stelle entschuldigt, zumal sie im Kern zum Thema Zinsverbot und der Frage, wie Christen damit umgehen, gehört und gern an dortiger Stelle weitergeführt werden kann. Klar ist für mich jedenfalls, daß man als verantwortungsvoller Staatslenker dieser Tage an diesem Schneeballsystem nicht mehr teilnehmen darf. Logisch wäre aber wohl auch, daß man in diesem Fall mit ner Kugel im Kopf (oder etwas Adäquatem) aus dem Amt entlassen wird.

Die 2. These unterfällt einer gewissen Wertung, die am Stadtrand Berlins anders ausfallen mag, als etwa am Stadtrand Münchens oder Stuttgarts.

Was den 3. Punkt angeht, ist gewiss anderes denkbar. Nicht plausibel ist jedoch, daß Private dem Staat Kapital zur Verfügung stellen, ohne einen wirtschaftlichen Nutzen zu erhalten. Projekte, wie Robert sie sich vorstellt, lassen sich sicher auch im Rahmen eines puplic-private-partnership o.ä. realisieren. Dort wo die öffentliche Hand bislang mit gepumpten Geld Unrentables finanziert hat, wie sie dies eben zukünftig nur mit eigenen Mitteln (und damit in geringerem Umfang) tun können.


PS: Da mich selbst die Pflichten als Familienvater langsam rufen, werde ich hier leider heute und morgen nicht mehr umfangreich weiterdiskutieren können.
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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Protasius hat geschrieben:Du sagst, Zinsnehmen ist sündhaft. Wenn ich einen verzinsten Kredit ausgebe, nehme ich Zinsen, versündige mich also; wenn ich also um einen verzinsten Kredit ersuche, verleite ich damit zur Sünde. Oder wolltest du mit deiner gewohnt knappen Antwort ausdrücken, daß es sich nicht um ein Anstiften handeln kann, weil der Kreditgeber sowieso Zinsen verlangt hätte?
ar26 hat geschrieben:Selbst wenn Deine letzte Annahme zuträfe, wäre es eine Beihilfe zur Sünde.
Kein Mensch verlangt vom Darlehensgeber, Zinsen zahlen zu dürfen. Das ist ja ein aberwitziger Gedanke. Selbstverständlich darf man sich Geld leihen. Wenn der Darlehensgeber dafür Zinsen verlangt, ist er auch dafür verantwortlich. Der Wucher ist verkehrt, nicht das Darlehen. Was für eine Idee, das Opfer hier zum Anstifter zu erklären. Jungs, tut mir leid, aber das ist nach den Gesetzen der Logik und des gesunden Menschenverstandes ausgemachter Schwachsinn.
ar26 hat geschrieben:Wenn ich den Kredit unter diesen Bedingungen nicht nehme, dann kann der Kreditgeber auch kein Geld gegen Zinsen an mich verleihen.
Und wenn ich nicht in der Bronx spazieren gegangen wäre, hätte der Räuber mich nicht überfallen können. Also bin ich der Anstiftung oder Beihilfe schuldig, ja?
:vogel:
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Sempre
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Sempre »

@Robert Ketelhohn

Es ist doch ebenso, wie wenn man wissentlich Hehlerware kauft. Wenn ich weiß, dass der Händler seinen Nachbarn bestiehlt oder gar umbringt, um mir dessen Gut zu verkaufen, dann kann ich mich nicht damit rausreden, dass ich bloß Ware kaufe oder dass ich ja zuerst um einen moralisch einwandfreien Handel gebeten hätte.
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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Es ist doch ebenso, wie wenn man wissentlich Hehlerware kauft.
Schwachsinn, wie ich schon sagte, und zwar allmählich ärgerlicher Schwachsinn. Getret’ner Quark wird breit, nicht stark. Wenn ich ein Darlehen nehme, kaufe ich keine Hehlerware. An einem Darlehen ins nichts Schlechtes.

Ich schädige auch nicht indirekt einen Dritten. Ich selber bin das Opfer des Wucherers. Der Wucherer handelt sündhaft, nicht das Opfer. Der Vergewaltiger handelt sündhaft, nicht das vergewaltigte Mädchen. Die Kindsmörderin handelt sündhaft, nicht ihr Kind, das sie aus dem Fenster geworfen hat. Und so weiter.
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Sempre
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Es ist doch ebenso, wie wenn man wissentlich Hehlerware kauft.
Schwachsinn, wie ich schon sagte, und zwar allmählich ärgerlicher Schwachsinn. Getret’ner Quark wird breit, nicht stark. Wenn ich ein Darlehen nehme, kaufe ich keine Hehlerware.
Sagt ja niemand. Ich vergleiche: "Es ist ebenso, wie ... ".

Robert Ketelhohn hat geschrieben:An einem Darlehen ins nichts Schlechtes.
Ja, Deine Voraussetzung war: An einem zinslosen Darlehen ist nichts Schlechtes. Aber Zinsen nehmen sei sündhaft.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich schädige auch nicht indirekt einen Dritten.
Das ist richtig. Das war aber nicht der Einwand. Der Einwand war: Du schaffst bewusst die konkreten Voraussetzungen dafür, dass jemand im konkreten Fall sündigt. Ohne Deine Einwilligung in das Geschäft würde die Sünde nicht begangen.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich selber bin das Opfer des Wucherers.
Nein, denn niemand zwingt Dich, das Geschäft zu tätigen. Du stimmst freiwillig zu.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der Wucherer handelt sündhaft, nicht das Opfer. Der Vergewaltiger handelt sündhaft, nicht das vergewaltigte Mädchen. Die Kindsmörderin handelt sündhaft, nicht ihr Kind, das sie aus dem Fenster geworfen hat. Und so weiter.
Das vergewaltigte Mädchen stimmt der Vergewaltigung nicht zu und handelt nicht freiwillig. Das Kind der Kindsmörderin auch nicht. Derjenige aber, der einen Kredit mit Zinsen aufnimmt, hat hingegen die freie Wahl, dies zu tun oder zu unterlassen. Er ist kein wehrloses Opfer. Er handelt bewusst und sagt: Ja, ich will dieses Geschäft, ich nehme die Sünde des Geldhändlers inkauf.

Aus diesem Grund ziehen Deine Vergleiche nicht, während der Vergleich mit dem Kaufen von Hehlerware die Sachlage erhellt.
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cantus planus
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von cantus planus »

Es ist vielleicht besser, wenn es dir jemand sagt, bevor Robert hier wieder mitliest ( ;D ): deine Vergleiche werden zunehmend hanebüchen und gehen in der Sache vollkommen fehl. Frohes Fest!
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Sempre
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Sempre »

cantus planus hat geschrieben:Es ist vielleicht besser, wenn es dir jemand sagt, bevor Robert hier wieder mitliest ( ;D ): deine Vergleiche werden zunehmend hanebüchen und gehen in der Sache vollkommen fehl. Frohes Fest!
Ich habe nur einen einzigen Vergleich gebracht. Daher ist es ausgeschlossen, dass "meine Vergleiche zunehmend hanebüchen" werden.

Trotzdem Danke für den guten Wunsch! Gleichfalls!
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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Deine Voraussetzung war: An einem zinslosen Darlehen ist nichts Schlechtes.
Falsch. Weder habe ich derlei gesagt, noch ist das korrekt. Darlehen ist Darlehen und Wucher ist Wucher. Das Darlehen ist voll in Ordnung. Der Wucher nicht. Darlehen darf man geben und nehmen. Zinsen darf man zahlen, aber nicht nehmen. Punkt.
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Tritonus
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Tritonus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: ... Darlehen darf man geben und nehmen. Zinsen darf man zahlen, aber nicht nehmen. Punkt.
Völlig einverstanden, aber wie komme ich persönlich da raus, ohne gleich das ganze System abzuschaffen?

Was ich meine: Wenn ich beispielsweise ein bisschen Geld habe, das ich später noch mal brauche, dann habe ich doch im Prinzip nur wenige Möglichkeiten, es anzulegen:

1. Ich trage es zur Bank, zahle es auf ein Sparbuch ein oder lege es sonstwie an und erhalte automatisch Zinsen dafür. Damit mache ich mich zum Sünder.

Dem kann ich mich sowieso kaum entziehen, denn schon wenn mein Gehalt über ein Girokonto läuft, erhalte ich oft (sehr wenig, aber immerhin etwas) Zinsen dafür.

2. Ich investiere das Geld in Unternehmensanteile. Aktien haben eigentlich mit Zinsen nichts zu tun, aber beim Aktienhandel scheint es inzwischen mehr um "Hebel", "Streuen von Gerüchten" und diverse Taschenspielertricks zu gehen als um reale Unternehmenswerte. Eine Zockerei also, bei der sich die Frage stellt, ob es dort weniger sündhaft abläuft als bei Zinsnahme.

3. Ich lege mein Geld unters Kopfkissen. Dann werde ich nicht zum Täter, aber ausschließlich zum Opfer des Systems, da mein Erspartes durch Inflation usw. kontinuierlich abnimmt. (Dasselbe gilt im Prinzip, wenn ich jemandem ein zinsloses Darlehen gebe: Das ist für mich in jedem Fall ein Verlustgeschäft, weil ja erstens die Inflation weiterläuft und weil zweitens ein gewisses Risiko besteht, dass ich mein Geld nicht wiedersehe.)

Raphael

Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Deine Voraussetzung war: An einem zinslosen Darlehen ist nichts Schlechtes.

Falsch. Weder habe ich derlei gesagt, noch ist das korrekt. Darlehen ist Darlehen und Wucher ist Wucher. Das Darlehen ist voll in Ordnung. Der Wucher nicht. Darlehen darf man geben und nehmen. Zinsen darf man zahlen, aber nicht nehmen. Punkt.
Deine Voraussetzung war, daß wenn es bei dem Darlehen um die Sache "Geld" geht, die Zinsnahme moralisch verboten sei. Das Wesen des Darlehens würde sozusagen in Wucher verwandelt, wenn der Gläubiger in diesem Falle Zins nimmt.

Diese Voraussetzung ist jedoch aus ökonomischer Perspektive nicht haltbar, denn der Darlehensgeber gibt bei einem Darlehen zweierlei Dinge:
1. den Gegenstand an sich und
2. den Nutz- oder Gebrauchswert dieses Gegenstandes.

Nur für diesen Nutz- oder Gebrauchswert verlangt er während der Darlehensdauer die Zinsen und nicht für den Gegenstand an sich.

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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:Deine Voraussetzung war, daß wenn es bei dem Darlehen um die Sache "Geld" geht, die Zinsnahme moralisch verboten sei. Das Wesen des Darlehens würde sozusagen in Wucher verwandelt, wenn der Gläubiger in diesem Falle Zins nimmt.
Nein. Darlehen ist Darlehen. Wucher kommt obendrauf und ist ungerecht. Das Darlehen müßte ich auch zurückzahlen, wenn ein gerechtes Gericht (was es nicht gibt) entschiede, der im Kontrakt festgesetzte Zins sei ungerecht und in toto nichtig.
Raphael hat geschrieben:Diese Voraussetzung ist jedoch aus ökonomischer Perspektive nicht haltbar, denn der Darlehensgeber gibt bei einem Darlehen zweierlei Dinge:
1. den Gegenstand an sich und
2. den Nutz- oder Gebrauchswert dieses Gegenstandes.

Nur für diesen Nutz- oder Gebrauchswert verlangt er während der Darlehensdauer die Zinsen und nicht für den Gegenstand an sich.
Erstens reden wir hier aus moraltheologischer Perspektive. Zweitens ist das auch ökonomisch falsch, denn einerseits ist Geld kein Gegenstand, anderseits aber ist eine (vertraglich vereinbarte) Entschädigung des Darlehensgebers etwa für entstandenen Schaden (damnum emergens), entgangenen Gewinn (lucrum cessans) oder Kapitalrisiko (periculum sortis) wie auch eine Vertragsstrafe für Verzug (pœna conventionalis) auch nach der kirchlichen Sittenlehre legitim; also ein Augleich für tatsächliche und nachgewiesene Nachteile des Darlehensgebers.

Erst was darüber hinausgeht, ist Zins (usura, Wucher) und darum unbegründet und ungerecht.

(Bloß um Verwirrung unbeteiligter Leser zu vermeiden, stelle ich klar: Aufgrund eines konfusen Spontaneinfalls von Ar26 haben Protasius und Sempre die Ansicht vertreten – auf welche an sich keiner verfallen kann, der halbwegs bei Sinnen ist, außer im Rausch –, das Opfer des Wucher sei Mittäter oder gar Anstifter des Wuchers, weil ohne Einwilligung des Opfers der Wucherer nicht wuchern könne; du dagegen behauptest entgegengesetzt, die kirchliche Verwerfung des Wuchers selber sei verkehrt, weil der Wucher wirtschaftlich vernünftig sei. Beide Ansichten sind, wie ich gezeigt habe, gleichermaßen falsch.)
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ar26
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von ar26 »

Ein Vertrag über ein verzinstes Darlehen setzt zwei zustimmende Willenserklärungen voraus, darunter eben auch die des Darlehensnehmers. Diese Zustimmung zu geben, sind beide nicht verpflichtet. Tut der Darlehensnehmer es doch, so ist nach dem Grund zu fragen. Wenn keine Rechtfertigung vorliegt, so versündigt sich auch der, der einen anderen um ein verzinstes Darlehen ersucht.

Roberts Vergleich vom Überfall im Park taugt nicht, da es nicht um bloße Kausalitäten geht, sondern um das bewußte zustimmen zum Handeln eines anderen. Der Überfallene hat dem Handeln des Räubers nicht zugestimmt, er hat sich lediglich sein Recht genommen, in einem Park spazieren zu gehen. Ein Recht auf ein Darlehen gibt es hingegen nicht.

Wir kommen jedoch mehr und mehr vom Thema ab. Ich hatte gefragt, wo ein Staat, der sich kein Geld am Kapitalmarkt pumpt, die Kohle für große Investitionen herbekommt.
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Pelikan
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Pelikan »

(vgl. ST IIª-IIae q. 78 a. 4. Thomas wählt interessanterweise auch einen Raubüberfall mit kooperativem Opfer als Vergleich, sogar einen biblischen.)

Paulus Minor
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Paulus Minor »

Im Gleichnis von den Minen (Lukas 19, 11 - 27) lässt Jesus den "Mann von edler Abkunft" zu einem seiner Knechte sagen: "Warum hast du mein Geld nicht auf die Bank gegeben, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen abgehoben." In dem Gleichnis findet sich keine Verurteilung der Zinsen...

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Protasius
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Protasius »

Paulus Minor hat geschrieben:Im Gleichnis von den Minen (Lukas 19, 11 - 27) lässt Jesus den "Mann von edler Abkunft" zu einem seiner Knechte sagen: "Warum hast du mein Geld nicht auf die Bank gegeben, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen abgehoben." In dem Gleichnis findet sich keine Verurteilung der Zinsen...
War das nicht derjenige, der erntet, wo er nicht gesät hat?
Robert Ketelhohn hat geschrieben:

(Bloß um Verwirrung unbeteiligter Leser zu vermeiden, stelle ich klar: Aufgrund eines konfusen Spontaneinfalls von Ar26 haben Protasius und Sempre die Ansicht vertreten – auf welche an sich keiner verfallen kann, der halbwegs bei Sinnen ist, außer im Rausch –, das Opfer des Wucher sei Mittäter oder gar Anstifter des Wuchers, weil ohne Einwilligung des Opfers der Wucherer nicht wuchern könne; du dagegen behauptest entgegengesetzt, die kirchliche Verwerfung des Wuchers selber sei verkehrt, weil der Wucher wirtschaftlich vernünftig sei. Beide Ansichten sind, wie ich gezeigt habe, gleichermaßen falsch.)
Ich verwahre mich gegen die Unterstellung des Gebrauches von Rauschmitteln. So wie du das schreibst, klingt das alles sehr vernünftig; mir war lediglich im Forum bisher nur die Behauptung begegnet, daß die Zinsnahme intrinsisch schlecht und sündhaft sei und die Enzyklika Vix pervenit Benedikt XIV. läßt sich gut in diesem Sinne verstehen:
§ 3. Sodann haben sie einstimmig folgendes gutgeheißen:
1. Theoretischer Teil
Definition des Wuchers
I. Die Sünde, die usura (Zinsnehmen, Wucher) heißt und im Darlehensvertrag ihren eigentlichen Sitz und Ursprung hat, beruht darin, daß jemand aus dem Darlehen selbst für sich mehr zurückverlangt, als der andere von ihm empfangen hat und zu diesem Zweck aufgrund des Darlehens selbst irgendeinen Gewinn über die Stammsumme hinaus als geschuldet beansprucht. Denn der Darlehensvertrag verlangt seiner Natur nach lediglich die Rückgabe der Summe, die ausgeliehen wurde. Jeder Gewinn, der die geliehene Summe übersteigt, ist deshalb unerlaubt und wucherisch.

II. Von diesem Makel aber wird man sich nicht reinwaschen können durch die Ausrede, der Gewinn sei ja nicht übermäßig und übertrieben, sondern bescheiden, nicht groß, sondern gering, oder dieser Gewinn bloß um des Darlehens willen werde ja nicht von einem Armen, sondern von einem Reichen gefordert und dieser lasse die als Darlehen empfangene Summe nicht brach liegen, sondern lege sie zur Vergrößerung seines Vermögens aufs Vorteilshafteste an, indem er Grundstücke zusammenkaufe oder gewinnbringende Handelsgeschäfte betreibe. Die Rechtsnatur des Darlehens fordert notwendig die Gleichheit von Gabe und Rückgabe. Wer immer, sobald diese Gleichheit einmal hergestellt ist, sich herausnimmt, von einem Darlehensnehmer auf Grund des Darlehens selber, dem durch die Rückgabe des Gleichen doch schon Genüge getan ist, noch mehr zu fordern, handelt offensichtlich gegen die Rechtsnatur des Darlehens. Folglich ist er, falls er etwas darüber hinaus empfangen hat, zur Rückerstattung verpflichtet kraft jener Gerechtigkeit, die man die Tauschgerechtigkeit nennt und deren Aufgabe es ist, in den menschlichen Verträgen die Gleichheit zwischen den Partnern gewissenhaft zu wahren und die nicht gewahrte genau wiederherzustellen.
Legitimer Gewinn aus Darlehens- und anderen Verträgen
III. Damit wird nun aber keineswegs verneint, daß mit dem Darlehensvertrag dann und wann andere sogenannte Titel, die der Natur des Darlehens selber nicht im geringsten angeboren oder innerlich zugehörig sind, etwa zusammentreffen können, aus denen dann ein durchaus legitimer und rechtmäßiger Grund entsteht, über die aus dem Darlehensvertrag geschuldete Summe hinaus mit Recht etwas mehr zu fordern. Ebenso wird nicht bestritten, daß jeder sein Geld durch andere, ihrem Wesen nach von der Natur des Darlehensvertrags durchaus verschiedene Verträge auf manche Art sittlich tadellos anlegen und verwenden kann, sei es um sich Jahreseinkünfte zu sichern, sei es auch, um ein erlaubtes Handels- und sonstiges Geschäft zu betreiben und daraus ehrliche Gewinne zu ziehen.

IV Wird aber bei diesen vielen vom Darlehen verschiedenen Vertragsarten die einem jeden eigentümliche Gleichheit nicht gewahrt, so fällt, was über das Gerechte hinaus genommen wird, zwar nicht unter den Begriff der usura (des Zinsnehmens, Wuchers) - denn es liegt ja kein Darlehen, weder ein offenes noch ein bemänteltes vor -, aber doch sicher und gewiß unter den Begriff einer andern wirklichen Ungerechtigkeit, die gleicherweise die Pflicht der Rückerstattung auferlegt. Ebenso ist unzweifelhaft gewiß, daß bei richtiger Durchführung und Beurteilung nach der Waage der Gerechtigkeit die vielfältige Ausgestaltung dieser erlaubten Verträge vollauf für den menschlichen Verkehr und den erfolgreichen Handel genügt, um das öffentliche Wohl zu erhalten und zu fördern. Fern sei von den Christen der Gedanke, durch Zinsdarlehen oder ähnliche Ungerechtigkeiten bei andern Verträgen könne ein gewinnbringender Handel und Verkehr gedeihen; wir werden ja aus göttlichem Munde selbst belehrt: „Die Gerechtigkeit erhebt ein Volk, die Sünde aber macht die Völker elend." (Spr 14,34)

V Man huldigte aber - das ist wohl zu beachten - einer falschen und sehr gewagten Ansicht, wenn man meinen würde, es fänden sich immer und seien überall verfügbar beim Darlehen andere rechtmäßige Titel, oder es gäbe außerhalb des Darlehens andere gerechte Verträge, und unter dem Schutz dieser Titel oder Verträge sei es immer erlaubt, einen rechtmäßigen Mehrwert über die volle und unverlorene Stammsumme hinaus zu nehmen, so oft man Geld, Getreide oder etwas anderes dieser Art einem andern kreditiert. Wenn jemand so denkt, ist er nicht nur im Widerspruch mit den göttlichen Lehren und der Entscheidung der Kirche über den Darlehenszins, sondern zweifellos auch sogar mit dem allgemeinen Menschheitsbewußtsein und mit der natürlichen Vernunft. Denn wenigstens das kann keinem verborgen sein, daß der Mensch in vielen Fällen verpflichtet ist, dem andern mit einem einfachen und bloßen Darlehen beizuspringen. Lehrt doch Christus der Herr selbst: „Wer von dir borgen will, den weise nicht ab!" (Mt 5,42). Ähnlich kann unter vielen Umständen nur ein Darlehensvertrag und kein anderer wahrer und gerechter Vertrag am Platze sein. Wer also seinem Gewissen Rechnung tragen will, muß zuerst sorgfältig untersuchen, ob mit dem Darlehen wirklich ein gerechter anderer Titel oder ob ein vom Darlehen verschiedener gerechter Vertrag sich wirklich darbietet, durch die der angestrebte Gewinn von jeder Makel frei und ledig wird.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Torsten »

Paulus Minor hat geschrieben:Im Gleichnis von den Minen (Lukas 19, 11 - 27) lässt Jesus den "Mann von edler Abkunft" zu einem seiner Knechte sagen: "Warum hast du mein Geld nicht auf die Bank gegeben, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen abgehoben." In dem Gleichnis findet sich keine Verurteilung der Zinsen...
Es ist ein Gleichnis:
19,11 Während sie aber dies hörten, fügte er noch ein Gleichnis hinzu, weil er nahe bei Jerusalem war, und sie meinten, daß das Reich Gottes sogleich erscheinen sollte. 19,12 Er sprach nun: Ein hochgeborener Mann zog in ein fernes Land, um ein Reich für sich zu empfangen und wiederzukommen. 19,13 Er berief aber zehn seiner Knechte und gab ihnen zehn Pfunde und sprach zu ihnen: Handelt [damit], bis ich [wieder-]komme.
Das ferne Land, in das er zieht, ist der Ort, an dem er sich befindet. Um aber das Reich dort zu empfangen, gilt es zu handeln, um das zu gewinnen, worüber dann Vollmacht zu erteilen möglich ist. Und der eine Knecht verzehnfacht, der andere verfünffacht, und der dritte ist abergläubig. Besitzt weder Vertrauen in sich selbst noch in andere. Sein Pfund, sein Talent, so er damit nicht wuchern es aber doch dienstbringend anlegen kann, ist in dem Fall verschwendet, womit er keinen Anteil am Reich hat. Und die Feinde zeigen sich erschlagen.

Wenn wir in diesem Gleichnis anstelle des hochgeborenen Mannes nicht Jesus sondern Geld, sprich Mammon setzen, was kommt dann heraus? Lauter dritte Knechte, deren Vertrauen ausschließlich auf diesem liegt, und deren Handeln sich ausschließlich auf dessen Handeln beruft. Sie haben nicht anders gehandelt, als sie von Mammon gewusst haben, was er verlangt.

Sie sind in ein fernes Reich gezogen, während sie nicht wissen, wie sie in das Land, das sie dabei nicht verlassen haben, jemals wieder heil zurückkommen sollen.

Raphael

Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Deine Voraussetzung war, daß wenn es bei dem Darlehen um die Sache "Geld" geht, die Zinsnahme moralisch verboten sei. Das Wesen des Darlehens würde sozusagen in Wucher verwandelt, wenn der Gläubiger in diesem Falle Zins nimmt.
Nein. Darlehen ist Darlehen. Wucher kommt obendrauf und ist ungerecht. Das Darlehen müßte ich auch zurückzahlen, wenn ein gerechtes Gericht (was es nicht gibt) entschiede, der im Kontrakt festgesetzte Zins sei ungerecht und in toto nichtig.
Raphael hat geschrieben:Diese Voraussetzung ist jedoch aus ökonomischer Perspektive nicht haltbar, denn der Darlehensgeber gibt bei einem Darlehen zweierlei Dinge:
1. den Gegenstand an sich und
2. den Nutz- oder Gebrauchswert dieses Gegenstandes.

Nur für diesen Nutz- oder Gebrauchswert verlangt er während der Darlehensdauer die Zinsen und nicht für den Gegenstand an sich.
Erstens reden wir hier aus moraltheologischer Perspektive. Zweitens ist das auch ökonomisch falsch, denn einerseits ist Geld kein Gegenstand, anderseits aber ist eine (vertraglich vereinbarte) Entschädigung des Darlehensgebers etwa für entstandenen Schaden (damnum emergens), entgangenen Gewinn (lucrum cessans) oder Kapitalrisiko (periculum sortis) wie auch eine Vertragsstrafe für Verzug (pœna conventionalis) auch nach der kirchlichen Sittenlehre legitim; also ein Augleich für tatsächliche und nachgewiesene Nachteile des Darlehensgebers.

Erst was darüber hinausgeht, ist Zins (usura, Wucher) und darum unbegründet und ungerecht.

(Bloß um Verwirrung unbeteiligter Leser zu vermeiden, stelle ich klar: Aufgrund eines konfusen Spontaneinfalls von Ar26 haben Protasius und Sempre die Ansicht vertreten – auf welche an sich keiner verfallen kann, der halbwegs bei Sinnen ist, außer im Rausch –, das Opfer des Wucher sei Mittäter oder gar Anstifter des Wuchers, weil ohne Einwilligung des Opfers der Wucherer nicht wuchern könne; du dagegen behauptest entgegengesetzt, die kirchliche Verwerfung des Wuchers selber sei verkehrt, weil der Wucher wirtschaftlich vernünftig sei. Beide Ansichten sind, wie ich gezeigt habe, gleichermaßen falsch.)
Wenn Du damit aussagen willst, daß das Zinsennehmen auch für Geldschulden innerhalb eines gewissen Rahmens lehramtlich erlaubt sei, dann ist gegen diese Aussage m.E. nichts einzuwenden. ;D

Wie sagte noch der Übervater aller Banker Hermann Josef Abs: Der Zins ist drei Prozent!
Ein Katholik, wenn ich mich nicht täusche ............

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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Protasius hat geschrieben:Ich verwahre mich gegen die Unterstellung des Gebrauches von Rauschmitteln.
:prost:
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pelikan hat geschrieben:(vgl. ST IIª-IIae q. 78 a. 4. Thomas wählt interessanterweise auch einen Raubüberfall mit kooperativem Opfer als Vergleich, sogar einen biblischen.)
Vielen Dank, Pelikan.
Articulus 4

IIª-IIae q. 78 a. 4 arg. 1
Ad quartum sic proceditur. Videtur quod non liceat pecuniam accipere mutuo sub usura. Dicit enim apostolus, Rom. I, quod digni sunt morte non solum qui faciunt peccata, sed etiam qui consentiunt facientibus. Sed ille qui accipit pecuniam mutuo sub usuris consentit usurario in suo peccato, et praebet ei occasionem peccandi. Ergo etiam ipse peccat.

IIª-IIae q. 78 a. 4 arg. 2
Praeterea, pro nullo commodo temporali debet aliquis alteri quamcumque occasionem praebere peccandi, hoc enim pertinet ad rationem scandali activi, quod semper est peccatum, ut supra dictum est. Sed ille qui petit mutuum ab usurario expresse dat ei occasionem peccandi. Ergo pro nullo commodo temporali excusatur.

IIª-IIae q. 78 a. 4 arg. 3
Praeterea, non minor videtur esse necessitas quandoque deponendi pecuniam suam apud usurarium quam mutuum accipiendi ab ipso. Sed deponere pecuniam apud usurarium videtur esse omnino illicitum, sicut illicitum esset deponere gladium apud furiosum, vel virginem committere luxurioso, seu cibum guloso. Ergo neque licitum est accipere mutuum ab usurario.

IIª-IIae q. 78 a. 4 s. c.
Sed contra, ille qui iniuriam patitur non peccat, secundum philosophum, in V Ethic., unde iustitia non est media inter duo vitia, ut ibidem dicitur. Sed usurarius peccat inquantum facit iniustitiam accipienti mutuum sub usuris. Ergo ille qui accipit mutuum sub usuris non peccat.

IIª-IIae q. 78 a. 4 co.
Respondeo dicendum quod inducere hominem ad peccandum nullo modo licet, uti tamen peccato alterius ad bonum licitum est, quia et Deus utitur omnibus peccatis ad aliquod bonum, ex quolibet enim malo elicit aliquod bonum, ut dicitur in Enchiridio. Et ideo Augustinus Publicolae quaerenti utrum liceret uti iuramento eius qui per falsos deos iurat, in quo manifeste peccat eis reverentiam divinam adhibens, respondit quod qui utitur fide illius qui per falsos deos iurat, non ad malum sed ad bonum, non peccato illius se sociat, quo per Daemonia iuravit, sed pacto bono eius, quo fidem servavit. Si tamen induceret eum ad iurandum per falsos deos, peccaret. Ita etiam in proposito dicendum est quod nullo modo licet inducere aliquem ad mutuandum sub usuris, licet tamen ab eo qui hoc paratus est facere et usuras exercet, mutuum accipere sub usuris, propter aliquod bonum, quod est subventio suae necessitatis vel alterius. Sicut etiam licet ei qui incidit in latrones manifestare bona quae habet, quae latrones diripiendo peccant, ad hoc quod non occidatur, exemplo decem virorum qui dixerunt ad Ismahel, noli occidere nos, quia habemus thesaurum in agro, ut dicitur Ierem. XLI.

IIª-IIae q. 78 a. 4 ad 1
Ad primum ergo dicendum quod ille qui accipit pecuniam mutuo sub usuris non consentit in peccatum usurarii, sed utitur eo. Nec placet ei usurarum acceptio, sed mutuatio, quae est bona.

IIª-IIae q. 78 a. 4 ad 2
Ad secundum dicendum quod ille qui accipit pecuniam mutuo sub usuris non dat usurario occasionem usuras accipiendi, sed mutuandi, ipse autem usurarius sumit occasionem peccandi ex malitia cordis sui. Unde scandalum passivum est ex parte sua, non autem activum ex parte petentis mutuum. Nec tamen propter huiusmodi scandalum passivum debet alius a mutuo petendo desistere, si indigeat, quia huiusmodi passivum scandalum non provenit ex infirmitate vel ignorantia, sed ex malitia.

IIª-IIae q. 78 a. 4 ad 3
Ad tertium dicendum quod si quis committeret pecuniam suam usurario non habenti alias unde usuras exerceret; vel hac intentione committeret ut inde copiosius per usuram lucraretur; daret materiam peccanti. Unde et ipse esset particeps culpae. Si autem aliquis usurario alias habenti unde usuras exerceat, pecuniam suam committat ut tutius servetur, non peccat, sed utitur homine peccatore ad bonum.
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Sempre
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Sempre »

St. Thomas sagt, was auch ar26 geschrieben hat, und widerspricht Robert, der meinte, lediglich derjenige, der Wucherzins nimmt, begehe eine Sünde, nicht aber, wer ein Geschäft abschließt, bei dem er Wucherzins zahlt. Auf ein solches Geschäft darf man sich aber nur einlassen, um einer Not Abhilfe zu schaffen:

St. Thomas von Aquin hat geschrieben:Ist es erlaubt, Geld leihweise unter Zins zu nehmen?
Obgleich es keineswegs erlaubt ist, irgendwen zum Darleihen unter Zinsen zu verführen, so ist es doch nicht unerlaubt, den Borg unter Zinsen von dem anzunehmen, der bereit ist, ihn zu leisten, und ihn ausübt, wofern der Entleihende das zur Abhilfe seiner Not tut.
(IIª-IIae q. 78 a. 4, knappe Zusammenfassung von Joseph Bernhart)


IIª-IIae q. 78 a. 4 (englisch)
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Vielleicht liest du mal den ganzen Artikel 4, zu dem von dir zitierten Stück insbesondere ad 1:
Ad primum ergo dicendum quod ille qui accipit pecuniam mutuo sub usuris non consentit in peccatum usurarii, sed utitur eo. Nec placet ei usurarum acceptio, sed mutuatio, quae est bona.
Thomas stimmt meiner Argumentation vollumfänglich zu. Wenn du den Aquinaten nicht verstehst, brauchen wir die Diskussion auch nicht weiterzuführen.
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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Torsten »

Sempre hat geschrieben:St. Thomas sagt, was auch ar26 geschrieben hat, und widerspricht Robert, der meinte, lediglich derjenige, der Wucherzins nimmt, begehe eine Sünde, nicht aber, wer ein Geschäft abschließt, bei dem er Wucherzins zahlt. Auf ein solches Geschäft darf man sich aber nur einlassen, um einer Not Abhilfe zu schaffen:

St. Thomas von Aquin hat geschrieben:Ist es erlaubt, Geld leihweise unter Zins zu nehmen?
Obgleich es keineswegs erlaubt ist, irgendwen zum Darleihen unter Zinsen zu verführen, so ist es doch nicht unerlaubt, den Borg unter Zinsen von dem anzunehmen, der bereit ist, ihn zu leisten, und ihn ausübt, wofern der Entleihende das zur Abhilfe seiner Not tut.
(IIª-IIae q. 78 a. 4, knappe Zusammenfassung von Joseph Bernhart)
Wenn er mit Geld seiner Not Abhilfe tut, und er dieses Geld unter Zinsen geborgt hat, dann hat er seine Not, zum Preis ihrer Vergrößerung, nur verzögert. Er begibt sich in einen Teufelskreis. Zusammen mit seinem Gläubiger. Der Ausweg daraus liegt im Verzicht. Der Verzicht auf die Not fällt von Herzen leichter als das Gewicht der Zinsen in Form von Habsucht auf ihm liegt.

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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Torsten hat geschrieben:Wenn er mit Geld seiner Not Abhilfe tut, und er dieses Geld unter Zinsen geborgt hat, dann hat er seine Not, zum Preis ihrer Vergrößerung, nur verzögert.
Quatsch.
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ar26
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von ar26 »

@ Pelikan
Danke für den Hinweis auf St. Thomas Summe.

Tatsächlich ist St. Thomas nicht meiner Auffassung, in der Anmerkung ad primum, tritt er dem Bedenken entgegen (gleichwohl in angemessenerer Art und Weise als Robert ;) ). Jedoch scheint er, wie sempre zurecht angemerkt hat, das Leihen von verzinstem Geld nicht zu jedem Grund als erlaubt zu erachten, ohne dies näher auszuführen.

Möglicherweise ließe sich das so verstehen: Zwar ist das Entleihen von verzinstem Geld keine Zustimmung zur Sünde des (gewerbsmäßigen) Geldverleihers jedoch kann es auf Seiten des Entleihers wiederum eine zweite Sünde sein, wenn es ohne gerechten Grund erfolgt. Der Fall schließlich, daß in unseren Breiten das Entleihen von verzinstem Geld alternativlos zur Existenzsicherung ist, dürfte zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch auch nicht häufig.

Ausgangspunkt war aber die Frage, ob der Staat dies dürfe, um Roberts Wachstumsträume zu erfüllen. Es lässt sich ja gegenwärtig sehen, wohin das führt. Manchmal werden solche Fragen dann auch durch die normative Kraft des Faktischen beantwortet.

PS: St. Thomas Summe ist nicht unfehlbar, darauf weist Robert sonst ja auch hin, hier tu ich es einmal.
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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Torsten »

ar26 hat geschrieben:Der Fall schließlich, daß in unseren Breiten das Entleihen von verzinstem Geld alternativlos zur Existenzsicherung ist, dürfte zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch auch nicht häufig.

Ausgangspunkt war aber die Frage, ob der Staat dies dürfe, um Roberts Wachstumsträume zu erfüllen. Es lässt sich ja gegenwärtig sehen, wohin das führt. Manchmal werden solche Fragen dann auch durch die normative Kraft des Faktischen beantwortet.
Alles Geld, was beispielsweise auch an Lohn und Gehalt gezahlt wird, ist entliehenes und verzinstes Geld. Das Entleihen von verzinstem Geld zur Existenzsicherung ist die Norm, und es gibt in unseren Breiten kaum Ausnahmen, bis auf ein paar Aussteiger. Niemand arbeitet für "sein" Geld, alle arbeiten für das Geld - für eine Schuld, für eine stetig wachsende Schuld, die der erwartete und zu erbringende Gewinn darstellt. Ewiges wirtschaftliches Wachstum ist innerhalb dieses Systems keine Träumerei, keine gefährliche Illusion, sondern eine nicht verhandelbare Bedingung. Wirtschaftliches Wachstum entschleunigt die Entwicklung, dass immer mehr Menschen ihre Existenz, sprich ihre Möglichkeit für das entliehende und verzinste Geld zu arbeiten, verlieren. Und wenn es einen Einbruch im Wachstum gibt, dann stehen mehr Menschen auf der Straße als zuvor.

Wenn du sagst, der Staat soll keine Schulden machen, um Wachstum zu befördern, dann musst du aber auch sagen, wie ein stetig wachsender Teil der Bevölkerung seine Existenz denn sichern soll? Mit fünf anderen am Bahnhof konkurrieren, um die Schuhe eines Reisenden putzen zu dürfen, da ist irgendwann mal die Grenze erreicht?

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Torsten »

>Der Fall schließlich, daß in unseren Breiten das Entleihen von verzinstem Geld alternativlos zur Existenzsicherung ist, dürfte zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch auch nicht häufig.<

Um dir deinen Denkfehler zu verdeutlichen: "Der Fall schließlich, dass in unseren Breiten das zinsbringende Anlegen von Geld alternativlos zur Alterssicherung ist, wird immer weniger häufig ausgeschlossen."

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ar26
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von ar26 »

@ Torsten
Ich sprach vom Entleihen nicht vom Anlegen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

ar26 hat geschrieben:Tatsächlich ist St. Thomas nicht meiner Auffassung, in der Anmerkung ad primum, tritt er dem Bedenken entgegen (gleichwohl in angemessenerer Art und Weise als Robert ;) ). Jedoch scheint er, wie sempre zurecht angemerkt hat, das Leihen von verzinstem Geld nicht zu jedem Grund als erlaubt zu erachten, ohne dies näher auszuführen.
Davon steht bei Thomas nichts. – Vielleicht paraphrasiere ich das doch noch einmal: Thomas sagt völlig zurecht – das zitiert Sempre –, man dürfe keinen dazu verführen, Zinsen zu nehmen. Dies jedoch, sagt Thomas ad 1, tue auch keineswegs, wer Geld als Darlehen unter Zinsen aufnehme. Ein solcher nämlich stimme nicht der Sünde des Wucherers zu, sondern nutze diese nur (erlaubtermaßen, wie zuvor ausgeführt, da selbst Gott die Sünde zum Guten nutze); auch gefalle dem Darlehensnehmer nicht, daß Zinsen genommen würden, sondern die Gabe des Darlehens, was etwas Gutes sei.

Weiter führt Thomas ad 2 aus, daß wer Geld als Darlehen unter Zinsen aufnehme, dem Wucherer durchaus nicht Gelegenheit zur Zinsnahme gebe, sondern Gelegenheit zur Darelehensausgabe. Der Wucherer selber ergreife aus Bosheit seines Herzens die Gelegenheit zu sündigen. Es handle sich um einen passiven Anstoß von seiner Seite, nicht um aktiven Anstoß seitens dessen, welcher das Darlehen begehrt. Wegen solchen passiven Anstoßes brauche gleichwohl ein anderer ‹als der Wucherer› nicht Abstand nehmen, ein Darlehen zu begehren, wenn er dessen bedürfe, denn solch passiver gehe nicht aus Schwäche oder Unwissenheit hervor, sondern aus Bosheit.

Ad 3 geht es darum, wann man einem notorischen Wucherer Geld überlassen dürfe. (Generell dürfe man, etwa zur sicheren Aufbewahrung, nicht jedoch zum direkten Zweck der Ausgabe als Darlehen an Dritte gegen Zinsen.)

In der Darlegung zuvor mit dem von Pelikan angesprochenen Beispiel vom unter die Räuber Fallenden geht es um den Punkt, daß einer in solch einer Bedrohungssituation den Räuber (sogar ohne direkt gefragt zu sein) ohne Sünde etwa mitteilen dürfe, wo er Wertsachen verborgen habe. Wer mag, darf das auch noch ausführlich paraphrasieren oder übersetzen.
ar26 hat geschrieben:Möglicherweise ließe sich das so verstehen: Zwar ist das Entleihen von verzinstem Geld keine Zustimmung zur Sünde des (gewerbsmäßigen) Geldverleihers, jedoch kann es auf Seiten des Entleihers wiederum eine zweite Sünde sein, wenn es ohne gerechten Grund erfolgt. Der Fall schließlich, daß in unseren Breiten das Entleihen von verzinstem Geld alternativlos zur Existenzsicherung ist, dürfte zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch auch nicht häufig.
Nochmals: darum geht es bei Thomas nicht. Um Existenzsicherung auf Pump sowieso nicht (was ohnehin bloß kurzfristig möglich ist, als Überbrückung), aber auch nicht um die Sinnhaftigkeit dessen, wozu der Darlehensnehmer das geliehene Geld einsetzen will. Einfach bloß: Ich darf Geld liehen, wenn ich welches brauche, und wenn der Darlehensgeber mit Zinsen abverlangt, fällt das allein ihm zur Last.
ar26 hat geschrieben:Ausgangspunkt war aber die Frage, ob der Staat dies dürfe, um Roberts Wachstumsträume zu erfüllen. Es lässt sich ja gegenwärtig sehen, wohin das führt. Manchmal werden solche Fragen dann auch durch die normative Kraft des Faktischen beantwortet.
Das gehörte in die neue Frage, wann und wozu man sich Geld leihen darf. Natürlich darf man das nur zu gerechten oder wenigstens sittlich neutralen Zwecken, und man darf es nur, wenn sich vernünftigerweise annehmen läßt, daß man die Schulden auch bedienen kann. (Das hat aber mit der Zinsfrage direkt nicht zu tun, allenfalls indirekt, weil Zinsen natürlich die aufnehmbare Darlehenssumme schmälern.)
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

ar26 hat geschrieben:PS: St. Thomas Summe ist nicht unfehlbar, darauf weist Robert sonst ja auch hin, hier tu ich es einmal.
Hier aber hat er völlig recht, und sogar Aristoteles (im contra angeführt) ist hier zuzustimmen.

Celatim gaudens
assecla doctoris angelici

:doktor: :P
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Vielleicht liest du mal den ganzen Artikel 4, zu dem von dir zitierten Stück insbesondere ad 1:
Ad primum ergo dicendum quod ille qui accipit pecuniam mutuo sub usuris non consentit in peccatum usurarii, sed utitur eo. Nec placet ei usurarum acceptio, sed mutuatio, quae est bona.
Thomas stimmt meiner Argumentation vollumfänglich zu. Wenn du den Aquinaten nicht verstehst, brauchen wir die Diskussion auch nicht weiterzuführen.
Nein, St. Thomas stimmt Deiner Argumentation nicht umfänglich zu. Vielleicht liest Du mal nicht nur einzelne Sätze sondern den ganzen Text.

Die Antwort ad 1 kommt, nachdem bereits erklärt ist, dass der Wucherkreditnehmer nur aus Not so handeln darf, und damit vorausgesetzt ist, dass er das und nur das tut. Du aber hattest den Wucherkreditnehmer bedingungslos freigesprochen. St. Thomas folgend darf ich zwar in Not einen Wucherkredit aufnehmen, nicht aber, um z.B. den ausreichenden Gewinn aus meinen Geschäften zu steigern, weil irgendeine Gelegenheit das gerade erlaubt.

Solange Du nicht in Not bist, bist Du kein "Opfer des Wucherers", wie Du sagtest. Es gilt auch nicht "Zinsen darf man zahlen, aber nicht nehmen. Punkt", wie Du ebenfalls sagtest.

Die Begründung, warum das so ist, ist dieselbe wie beim "Fringsen".
Zuletzt geändert von Sempre am Dienstag 27. Dezember 2011, 05:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Sempre »

ar26 hat geschrieben:Tatsächlich ist St. Thomas nicht meiner Auffassung, in der Anmerkung ad primum, tritt er dem Bedenken entgegen (gleichwohl in angemessenerer Art und Weise als Robert ;) ). Jedoch scheint er, wie sempre zurecht angemerkt hat, das Leihen von verzinstem Geld nicht zu jedem Grund als erlaubt zu erachten, ohne dies näher auszuführen.
Er spricht klar von Not.

ar26 hat geschrieben:Ausgangspunkt war aber die Frage, ob der Staat dies dürfe, um Roberts Wachstumsträume zu erfüllen.
Nein, das darf er nicht, solange keine Not herrscht.

ar26 hat geschrieben:Thomas Summe ist nicht unfehlbar, darauf weist Robert sonst ja auch hin, hier tu ich es einmal.
Ich sehe nicht, in welchem Punkt St. Thomas hier irren sollte.
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Robert Ketelhohn
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich komme mir allmählich vor, als redete ich hier mit Legasthenikern. – Du meinst offenbar jenes «licet … mutuum accipere sub usuris, propter aliquod bonum, quod est subventio suae necessitatis vel alterius», hier konkret den Begriff der necessitatis. Der ist freilich mit „Not“, wie wir das verstehen, nicht treffend übersetzt. Es geht vielmehr schlicht um des Darlehensnehmers oder eines Dritten Bedürfnis oder Bedarf. Was wir heute als wirkliche Notlage bezeichneten, ist nicht gefordert.

Wäre es so, würfe das im übrigen ganz neue Probleme auf: Wo begänne solcherlei „Not“? Wer entschiede das? – So etwas wie periculum mortis – in welcher Lage man nottaufen darf oder selbst ein laisierter Priester die Sterbesakramente spenden – ist hier ja offensichtlich nicht anwendbar. Doch wie gesagt, brauchen wir diese Nuß nicht zu knacken, sondern Thomas redet hier schlicht vom Bedarf des Darlehensnehmers und nicht von Notlagen.

Doch abgesehen davon spielt diese Frage für die Beurteilung des Darlehensbegehrens keinerlei Rolle. Was Thomas ad 1 & 2, wie oben ausgeführt, über die Intention des Darlehensnehmers und den Anlaß zur Sünde des Wucherers sagt, ist generell gesagt und steht keineswegs unter irgendeiner Bedingung, auch nicht jener eines bestehenden Bedarfs.

Natürlich ist – wie ich selber oben ausgeführt habe, jedoch von mir aus, nicht nach dem Aquinaten – zur sittlichen Beurteilung einer Darlehensaufnahme auch die Frage nach dem Zweck des Darlehens zu stellen, ebenso die Frage nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bedienung der Zinses- und Tilgungsraten. Das sind aber Fragen, die mit dem Wucher und seiner Unerlaubtheit nichts zu tun haben.

Darum redet Thomas im hier diskutierten Artikel auch nicht darüber. Da geht es einzig darum, ob ein Darlehensnehmer als Anstifter des Wucherers zur Zinsnahme anzusehen sei, was Thomas klar und bedingungslos verneint. Das ist auch völlig logisch, denn die Art der Argumente des Aquinaten ad 1 & 2 schließt a priori aus, daß sie irgend von der objektiven wirtschaftlichen Lage des Darlehensnehmer abhängen könnten.
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