Ritalin und ADHS

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Pit
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Pit »

Sind autistische Kinder einfach nur schlecht erzogene Kinder und Kinder,die am Asperger-Syndrom leiden auch?
Zumindest kann man hier den Eindruck bekommen, wenn man manche Beiträge liesst :( .
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Nueva
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Re: Die Lufthoheit über den Kinderbetten

Beitrag von Nueva »

anneke6 hat geschrieben:Leidest Du an Rechthaberei, Nueva?
Halten wir einmal fest:
• Die Wissenschaft ist nicht unfehlbar, und Lehrmeinungen ändern sich immer wieder. Was heute als "bewiesen" gilt, ist in ein paar Jahren meist schon überholt. Nicht überholt sind allerdings die Grundsätze einer Erziehung von Kindern, die sowohl autorität als auch liebevoll ist.
• ADS ausschließlich auf Dopaminmangel zurückzuführen halte ich für gefährlich. Ich halte es für möglich, daß dies eine Ursache ist, aber dasselbe Krankheitsbild kann auch aus anderen Gründen auftreten. Einnässen kann nach dem gegenwärtigen Verständnis der Schulmedizin (Definitiion: Regelmäßiges Einnässen durch ein Kind, das älter ist als 5 Jahre) sehr viele Ursachen haben, von einer erblichen Disposition über Epilepsie, Erkrankungen der Harnwege, Angstzuständen usw. zu Trotzverhalten. Kein Arzt, auch kein noch so strikter Schulmediziner wird bei dem Krankheitsbild ohne das Kind zu untersuchen gleich sagen: Das ist angeboren, oder das macht der, weil er Angst vor der Dunkelheit hat.
• Selbst wenn eine Funktionsstörung des Gehirns als kryptogen gesehen wird, heißt das nicht, daß sie keine externe Ursache hätte. Es heißt lediglich, daß keine auszumachen ist…dies schließt aber nicht aus, daß es eine gibt, und das können sehr wohl äußere Einflüsse wie Ernährung, seelische Verfassung usw. sein.
Ich bin, wie ich ein paar Male im Forum erwähnt habe, Epileptikerin. Meine Epilepsie ist kryptogen, im Gegensatz zu den Anfallsleiden die die meisten meiner "Kollegen" in der Hamburger Klinik hatten. In den meisten Fällen waren die Ärzte oder die Betroffenen selbst davon überzeugt, daß es einen äußeren Einfluß gegeben hatte. Das reichte vom Trinken von Kaffee über daß der Freund Schluß gemacht hatte zum Hören bestimmter Musik. Wenn also bestimmte Nervenleiden eine äußere Ursache haben können, wieso sollte ein neurologisch bedingtes ADS davon ausgenommen sein?

Liebe Anneke,

du kannst doch Epilepsie nicht mit AD(H)S vergleichen, ebensoweing wie die Bettnässer. Es ist absolut wichtig, dass bei AD(H)S genau durchgetestet wird, woher diese Verhalten kommt. Bei der Diagnose "AD(H)S heißt es, es liegt ein Dopaminmangel vor. Entsprechend wird dann der Therapieplan und die Elternschulung laufen. Hat die Verhaltensauffälligkeit eine andere Ursache, gibt es eben
entsprechend andere Therapien. Bei meiner 3.Tochter war ich mir sicher, die hat ADS, sie ist so ruhig verträumt, bewegt sich nicht viel - Irrtum hinter diesem Verhaltensmuster steckten Allergien und Asthma.

tja und das Thema Erziehung bei ADHS-Kindern ist ein Problem. Da möchte ich dir als Mutter von 8 Kindern mal meine Erfahrung dazu schreiben: Meine 1.Tochter war schon im Mutteleib unruhig und zappelig, noch bevor sie überhaupt erzogen werden konnte. Im zarten Alter von 8 Monaten rannte sie nur noch herum, das Krabbeln lies sie einfach aus. Sich mit ihr hinsetzen Bilderbücher anschauen oder was basteln -no go. Den wohlmeinenden Rat vom Kinderturnen/Klettern/Ballett nahm ich gerne an, flog jedoch überall nach ein paar Stunden raus, da das Kind sich nicht mehr stoppen lies und auf niemanden hörte...natürlich schlechte Erziehung. Ich wär damals ja frohgewesen, wenn überhaupt eine schlechte Erziehung möglich gewesen wäre, es war nämlich überhaupt gar keine Erziehung möglich. Das Kind konnte sich nämlich nichts merken, hatte ein Gedächtnis wie ein Sieb. Ihre 3 jüngeren Schwestern waren seltsamerweise unauffällig und erziehbar. Mit ihnen gab es keine Schweirigkeiten Sie malten, bastelten liesen sich gerne aus Bilderbüchern vorlesen und hatten viele Freunde.und waren in sämtlichenTurn/Sport/Musikvereinen beliebt ..nur meine Älteste war ein unzähmbarer Wildfang. Klar, von überall gab es Schuldzuweisungen, jeder wußte es besser und meinte er könnte ja mit ihr umgehen. Solche ratgebenden Menschen verzweilten schon nach 20 Minuten mit meiner Tochter. Aber gut, lange weigerte ich mich Ritalin zu nehmen. Ich versuchte es zuerst mit Ernährungsumstellung, keinen Zucker, keine Phosphate, das ganze Programm halt, ja auch mit Bakterien versuchten wir, hatten einen guten Arzt - Erfolg =0! Inzwischen war sie in der 3.Klasse und wenn sie so weitermacht, dann packt sie nicht mal die Sonderschule. Schweren Herzens entschloß ich mich, mit ihr zu den diversen Anlaufstellen für AD(H)S Kinder zu gehen. Dort wurden alle Untersuchungen gemacht - und die Gabe von Medikinet als sinnvoll erachtet. Schweren Herzens gab ich ihr dieses Medikament - es war, wie wenn ich einen Schalter umdrehte, sie war auf einmal ruhig, ausgeglichen, ansprechbar und konzentriert.
Es war eine Erleichterung für die ganze Familie. Zusätzlich bekam sie noch begleitend Ergotherapie. Auf einmal war auch Erziehung möglich. Ab da ging es mit ihr nur noch bergauf. An ihrem 16. Geburtstag entschloß sie, Medikinet abzusetzen und Neurofeedback zu machen. Inzwischen ist sie 18 und braucht keine Medikamente mehr. In einigen Monaten wird sie ihr Abi machen und anschließend studieren. Sie ist vollkommen integriert und hat eine Menge guter Freunde. Ohne die "Stütze" Medikinet , Ergotherapie und Neurofeedback hätte sie gar nichts geschafft. Wild und zappelig ist sie immer noch, aber sie hat gelernt das Beste aus sich zu machen und mit ihrer Impulsivität bewußt umzugehen.

Unerzogenheit und AD(H)S sind zwei unterschiedliche Dinge. In den letzten Jahren habe ich durch meine Tochter sehr viele verzeifelte Eltern kennengelernt. Da waren keine dabei, die ihr Kind nicht erziehen wollten, im Gegenteil sie waren alles sehr besorgt und bemüht um ihr Kind. Im Nachhinein muss ich sagen, es gibt kaum kreativere, witzigere und ideenreicher Kinder als AD(H)S-Kinder.

Stilus
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Stilus »

...un ich in diesem Zusammenhang empfehle das Buch:

Eine andere Art die Welt zu sehen von Thom Hartmann

und

"Warum unsere Kinder Tyrannen werden"
von Michael Winterhoff

:daumen-rauf: ..nicht immer angenehem - aber viel Wahres darinnen.
Uns ist geschenkt sein Heilger Geist
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Niels
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Niels »

"Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen werden in Deutschland oft falsch diagnostiziert. Die eigentliche Ursache kann auch eine Schlafstörung sein": http://www.welt.de/gesundheit/article13 ... angel.html
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Cath1105
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Cath1105 »

Kilianus hat geschrieben:
Pit hat geschrieben: Um mal bei Wilhelm Busch zu bleiben:
Ein Mediziner hat mal die Synptome des "Zappelphilips" untersucht, weisst Du, was das Kind- hätte es gelebt - gehabt hätte:ADHS
Jep. Daß es in Pädagogenkreisen (ebenso wie in Jugendämtern) mittlerweile als Binsenweisheit gilg, daß man unter dem Schlagwort ADHS - nicht immer, aber häufig genug - simple Erziehungsmängel pathologisiert (und darauf mit massiver Medikation reagiert) hat, sollte in dem Zusammenhang aber auch nicht unerwähnt bleiben.

Die Zahl der ADHS-Diagnosen sinken ja mittlerweile auch wieder. Dafür soll jetzt die Diagnose Autismus stark im Kommen sein.
Was schlagen Sie denn vor? Sozialstunden? Eine Gesellschaft, in der nichts mehr heilig ist, muss sich doch nicht über solche Auswüchse wundern. Außerdem ist die Einsicht in eine Pathologisierung eher gering, wie ich meine.
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Lilaimmerdieselbe
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Weder Jugendamtsbeamte noch Pädagogen sind aber fachlich qualifiziert, solche Diagnosen zu erstellen. Für so was gibt es Jugendpsychiater, die nach standardisierten Verfahren testen. Dass gerade Jugendämter sich das trotzdem trauen und dann auch Therapien, ebenfalls ohne medizinische Aufsicht, finanzieren, ist nur zu wahr. Bei Autisten kommt das allerdings nicht vor, weil es nur sehr wenige Therapeuten gibt, die sowas überhaupt therapieren und die aufgrund ihrer ganz anderen Ausbildung auch wesentlich teurer sind.
Zuletzt geändert von Lilaimmerdieselbe am Montag 12. Mai 2014, 12:46, insgesamt 1-mal geändert.

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Cath1105
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Cath1105 »

Da stimme ich zu. Das ist eine Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiater. Aber, wie gesagt, es fehlt hier an der Einsicht eines pathologischen Zustandes.
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Lilaimmerdieselbe
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Ich verstehe immer noch nicht, was Sie damit sagen wollen, Cath1105. Finden die Eltern das Verhalten für nicht besonders schlimm (kann ich mir bei Autisten nicht vorstellen), halten sie es für durch vernünftige, strengere Erziehung regelbar oder nicht für eine Krankheit, bei der man etwas tun kann? Beziehen Sie vielleicht gar nicht auf die Eltern sondern vielleicht auf den Jugendlichen selbst oder seine Schule und das sonstige Umfeld?

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Pit
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Pit »

Cath1105 hat geschrieben:Da stimme ich zu. Das ist eine Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiater.....
D`accord,wobei es schon beim Autismus nicht "den" Autismus gibt,sondern verschiedene - ich nenne es mal so - Formen.
Leider gab es de facto in der Bundesrepublik eine Zeit in der bei fast jedem Kind,dass sich nicht "normal", verhielt ADHS "diagnostiziert" wurde,während es vorher und auch nachher Zeiten gab,in denen bezogen auf Kinder,die eindeutig an ADHS erkrankt waren,selbstredend die Rede davon war,die Eltern sollten die Kinder einfach besser erziehen.
Leider wurden nicht selten die "Diagnosen" von den Jugendämtern gestellt und nicht von Kinder-und Jugendpsychiatern idealerweise welchen,die auf AD(H)S spezialisiert waren.
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Cath1105
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Cath1105 »

Lilaimmerdieselbe hat geschrieben:Finden die Eltern das Verhalten für nicht besonders schlimm (kann ich mir bei Autisten nicht vorstellen),
ADHS mag als Krankheit nicht erkannt werden, das ist beim Authismus anders. Auch Eltern mögen hier Leidensdruck verspüren, wenn eine Kommunkation mit dem eigenen Kind nur schwer bis gar nicht möglich ist.
halten sie es für durch vernünftige, strengere Erziehung regelbar
Das habe ich nicht behauptet, sehe es auch nicht so. Obwohl, bei ADHS mag auch die Erziehung eine Rolle spielen. Ich kann das allerdings nicht abschließend beurteilen, bin ja kein Kinder- und Jugendpsychiater.
oder nicht für eine Krankheit, bei der man etwas tun kann?
Die Einsicht in eine Krankheit mag bei ADHS nicht vorliegen. Anders ist es beim Athismus (s. oben).
Beziehen Sie vielleicht gar nicht auf die Eltern sondern vielleicht auf den Jugendlichen selbst oder seine Schule und das sonstige Umfeld?
Hier sind die Eltern und die Fachleute gefragt. Ob das Umfeld bei ADHS und/oder Authismus eine Rolle spielt, müssen Fachleute beurteilen.

Ich hoffe, Ihnen meine momentane Meinung erschöpfend dargestellt zu haben.
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Niels
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Re: Ritalin und ADHS

Beitrag von Niels »

Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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