Ich bin gerade auf etwas gestoßen, was mir sehr bedeutsam erscheint:
Wenn alle untreu werden,
So bleib' ich dir doch treu;
Daß Dankbarkeit auf Erden
Nicht ausgestorben sei.
Für mich umfing dich Leiden,
Vergingst für mich in Schmerz;
Drum geb' ich dir mit Freuden
Auf ewig dieses Herz.
Oft muß ich bitter weinen,
daß du gestorben bist,
Und mancher von den Deinen
Dich lebenslang vergißt.
Von Liebe nur durchdrungen
Hast du so viel getan,
Und doch bist du verklungen,
Und keiner denkt daran.
Du stehst voll treuer Liebe
Noch immer jedem bei;
Und wenn dir keiner bliebe,
So bleibst du dennoch treu;
Die treuste Liebe sieget,
Am Ende fühlt man sie,
Weint bitterlich und schmieget
Sich kindlich an dein Knie.
Ich habe dich empfunden,
O! lasse nicht von mir;
Laß innig mich verbunden
Auf ewig sein mit dir.
Einst schauen meine Brüder
Auch wieder himmelwärts,
Und sinken liebend nieder,
Und fallen dir ans Herz.
Aus den ersten beiden Zeilen dieses eigentlich ja wunderbaren Kirchenliedes (Quelle:
Wenn alle untreu werden) von Novalis machte Max von Schenkendorf 1814, während der Zeit der Befreiungkriege:
"Wenn alle untreu werden,
So bleiben wir doch treu;
..."
Wo der Treueschwur Novalis' noch den Erlöser zum Gegenstand hatte, bezog er sich in der Version von Schenkendorfs plötzlich auf Deutschland — auf das erträumte, weil es damals in dem Sinne ja noch gar nicht bestand.
Die Version Schenkendorfs wurde ihrerseits dann 1923 zur Vorlage des sog. Treueliedes der SS: Aus dem leidenschaftlich patriotischen Volkslied der Befreiungskriege war ein Bürgerkriegslied geworden.
Bezeichnend ist, daß schon in der Version von 1814 der Erlöser durch Deutschland ersetzt worden war. In gewisser Weise kann ich das freilich nachvollziehen, weil Napoleons Joch schlicht erniedrigend war.
Entscheidend ist aber, daß diejenigen, die in dieser Generation den Ton angaben, noch unter dem Eindruck der Französischen Revolution standen, die sie zunächst selbst noch bejubelt(!) hatten — bis dann die abscheulichen Gräueltaten unter Robbespierre bekannt wurden. Das sorgte für ein Umkippen der Stimmung, wodurch der revolutionäre Eifer dann ins "Deutsche" gewendet wurde.
Als Beispiele kann man Hegel oder auch den Begründer des politischen Katholizismus Joseph Görres nennen.
Hegel hatte dann in seiner Philosophie der Weltgeschichte die Weltgeschichte in Epochen aufgeteilt, deren dritte von "den Germanen" getragen würde. Ihre historische Mission sei es das Reich der "konkreten Freiheit" zu schaffen, das die Vollendung der Geschichte sein müsse. Auf die Weise wurde mit Hegel der lebendige Glaube an Christus durch einen diesseitigen "Glauben" an die Heilsmission der Deutschen philosophisch-akademisch "abgesichert" ...
Hegel betätigte sich hier als waschechter Revolutionär gegen die von Gott eingesetzte Ordnung und beging dann auch noch die Freveltat, seine Philosophie in einem Zerrbild der allerheiligsten Dreifaltigkeit zu verdrahten!
Nach dem Aufruhr deutschtümelnden März 1848 und dem schändlichen November 1918 war es daher nur noch eine Frage der Zeit, wann irgendein Hitler sich zum obersten Priester des als Gottesersatz dienenden "deutschen Volksgeistes" machen würde.
Wo Hitler von der "Vorsehung" palaverte, war eigentlich der Hegelsche "Weltgeist" gemeint ...
Insofern war Hegel bedeutsamer als Nietzsche, der sonst meist als "geistiger Wegbereiter" genannt wird. Nietzsche würde ich eher als einen sehen, den die Verquickung der alles durchdringenden "Vernunft" mit Fragmenten des christlichen Glaubens krank gemacht hatte und der dann dagegen rebellierte.
Soweit ich das überschaue, hatte Franz Rosenzweig schon 1920 in seiner Schrift
Hegel und der Staat auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Meine Vermutung ist, daß er auch den Ausbruch des ersten Weltkrieges damit in Verbindung bringt. Genau weiß ich das aber erst, wenn ich das Buch gelesen habe. Hab's erst gestern bestellt
Das einzige, was man zu Hegels Verteidigung sagen kann, ist, daß er Monarchist war. In gewisser Weise läßt sich daraus folgern, daß man in einer Monarchie freier denken kann
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)