Die Folter im Strafprozeß. Historische Aspekte

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Pit hat geschrieben:Den Beleg dafür, daß Juden Blut trinken oder das Blut christlicher Kinder bei Gottesdiensten benutzen würden, findest Du nirgends, außer in den Aussagen Gefolterter.
Foltern ist gewiß keine schöne Sache und grundsätzlich ist Folter abzulehnen, aber man kann prinzipiell nicht behaupten, daß alle Aussagen falsch sind, die unter der Folter erpreßt worden sind.

Folter kann (sollte nicht, dürfte nicht) durchaus der Wahrheitsfindung dienen.

Im Zeitalter des "Terrorismus" erfährt die Folter jedenfalls eine erstaunliche Renaissance.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
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Pit
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Beitrag von Pit »

Ewald Mrnka hat geschrieben: ...
Foltern ist gewiß keine schöne Sache und grundsätzlich ist Folter abzulehnen, aber man kann prinzipiell nicht behaupten, daß alle Aussagen falsch sind, die unter der Folter erpreßt worden sind.

Folter kann ...durchaus der Wahrheitsfindung dienen.
...
Wenn Dir bekannt ist, worum es sich bei der "Eisernen Jungfrau" oder bei der "Verhörmethode" der Daumenschrauben handelte, dann dürfte Dir auch bewußt sein, daß Folter dazu führte, daß der Gefolterte alles Mögliche aussagte, einfach und allein um die Qualen der Folter nicht mehr ertragen zu müssen.
Hast Du mal "Cautio Criminalis" von Friedrich Spee von Langenfeld SJ, gelesen? Lohnt sich!

Gruß,Pit
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Linus
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Beitrag von Linus »

Pit hat geschrieben:.
Hast Du mal "Cautio Criminalis" von Friedrich Spee von Langenfeld SJ, gelesen? Lohnt sich!

Gruß,Pit
Nö. Aber Originale Daumenschrauben ausprobiert (im Museum Purgstall) Wahrlich kein Vergnügen (gut für Sado/Maso Leute mag das unter Umständen die Vorstellung von Paradies sein,....)
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Pit
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Beitrag von Pit »

Linus hat geschrieben:[
...
Nö. Aber Originale Daumenschrauben ausprobiert (im Museum Purgstall) Wahrlich kein Vergnügen (gut für Sado/Maso Leute mag das unter Umständen die Vorstellung von Paradies sein,....)
Das ist es, was ich meine. Wenn jemandem "richtig" die Daumenschrauben angelegt wurden, sozusagen mit "Nachdruck" (Wortspiel üblerer Sorte!), dann sagte derjenige im Grunde alles aus.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Pit hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben: ...
Foltern ist gewiß keine schöne Sache und grundsätzlich ist Folter abzulehnen, aber man kann prinzipiell nicht behaupten, daß alle Aussagen falsch sind, die unter der Folter erpreßt worden sind.

Folter kann ...durchaus der Wahrheitsfindung dienen.
...
Wenn Dir bekannt ist, worum es sich bei der "Eisernen Jungfrau" oder bei der "Verhörmethode" der Daumenschrauben handelte, dann dürfte Dir auch bewußt sein, daß Folter dazu führte, daß der Gefolterte alles Mögliche aussagte, einfach und allein um die Qualen der Folter nicht mehr ertragen zu müssen.
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Gruß,Pit
Ja, ja, natürlich kann man alles aus Menschen "herausbekommen", was man ihnen suggeriert. Das machten z.B. Bolschewiken, deren Opfer ganz bestimmte Aussagen zu machen hatten. Aber das ist stumpf und hat mit Wahrheitsfindung eigentlich nichts zu tun; im Gegenteil. Die Opfer hatten zu lügen, was auch nicht immer ganz leicht ist. :mrgreen: Da gibt es übrigens auch gute Literatur, aktueller als den alten Jesuiten.

Im Zusammenhang mit den Nürnberger Prozessen, in Landsberg und anderswo wurden deutsche Angeklagte übrigens auch tüchtig gefoltert. Waren nun deren Aussagen nun "richtig" oder "falsch"? :mrgreen:. Da dürfen überhaupt keine Zweifel aufkommen, die Aussagen waren richtig, obwohl gefoltert worden ist. :mrgreen: Der Zweck heiligt nämlich die Mittel :D . Oder etwa nicht? :mrgreen:

Es kommt stets darauf an, was man herauspressen will. Wenn man von vornherein dem Opfer nichts suggeriert, sondern nur "ausquetschen" will ("die Wahrheit, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit"), dann kann man mithilfe von Folter in der Tat vieles herausbekommen. Das ist barbarisch, aber effizient, wenn das wirkliche Profis machen.

Einige Inquisitoren im Mittelalter und im ausgehenden Mittelalter waren in dieser Hinsicht gute Leute; die waren nicht so plump, wie Du Dir & Hollywood das so vorstellst.

Die U$A, Israel und andere demokratische Staaten praktizieren übrigens sehr erfolgreich diverse Foltermethoden. Die "Eiserne Jungfrau", Daumenschrauben und ähnliche Schauerrequisiten haben längst ausgedient, das ist was für die Geisterbahn.

Man verfügt heute über modernere, effektivere Methoden.

Daher sind Geständnisse aus dem Mittelalter genau so gut und genau so schlecht wie Aussagen von Beschuldigten aus dem 20. und 21 Jahrhundert.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
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oblatum
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Beitrag von oblatum »

Ewald Mrnka hat geschrieben: Es kommt stets darauf an, was man herauspressen will. Wenn man von vornherein dem Opfer nichts suggeriert, sondern nur "ausquetschen" will ("die Wahrheit, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit"), dann kann man mithilfe von Folter in der Tat vieles herausbekommen. Das ist barbarisch, aber effizient, wenn das wirkliche Profis machen.
Ewald du hast ganz recht. Ich bin sicher dass du zugibst mit dem Teufel im Bunde zu sein, wenn man dich lange genug in die eiserne Jungfrau presst. Natürlich von Leuten die was davon verstehen.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

oblatum hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben: Es kommt stets darauf an, was man herauspressen will. Wenn man von vornherein dem Opfer nichts suggeriert, sondern nur "ausquetschen" will ("die Wahrheit, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit"), dann kann man mithilfe von Folter in der Tat vieles herausbekommen. Das ist barbarisch, aber effizient, wenn das wirkliche Profis machen.
Ewald du hast ganz recht. Ich bin sicher dass du zugibst mit dem Teufel im Bunde zu sein, wenn man dich lange genug in die eiserne Jungfrau presst. Natürlich von Leuten die was davon verstehen.

Oblatum
Natürlich würde ich auch jede Unsinn "zugeben", aber ich würde eben auch Wahrheiten gestehen; und genau darum geht es! Man kommt eben über Folter auch an Tatsachen, Wahrheiten, Geheimnisse.

Der Rollstuhlfahrer wird es sachte angehen lassen: z.B. mit Wanzen im Beichtstuhl.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
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Pit
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Beitrag von Pit »

oblatum hat geschrieben: ...
Ewald du hast ganz recht. Ich bin sicher dass du zugibst mit dem Teufel im Bunde zu sein, wenn man dich lange genug in die eiserne Jungfrau presst. Natürlich von Leuten die was davon verstehen.

Oblatum
Das war ja das Problem für die Angeklagten, z.B. die der Hexerei angeklagten Frauen, sie hatten praktisch keine Chance.
Beispiel:
Eine Frau, der Hexerei verdächtig, wurde der "Peinlichen Befragung" unterzogen.
Aus welchem Grund auch immer überlebte sie die Tortur.
Weitere Vorgehensweise:
Sie wurde z.B. der "Wasserprobe" unterzogen.
Man band ihr Hände und Füße jeweils zusammen und ließ sie ins Wasser, z.B. im nächsten Fluß.
Schwam sie - was seltenst vorkam, weil kaum jemand schwimmen konnte, erst recht nicht mit verbundenen Armen und Beinen - war sie "mit dem Teufel im Bund" und das "reine Wasser stieß sie ab, und sie wurde - man wollte zumindest ihre Seele retten - "dem reinigenden Feuer" überantwortet.
Ertrank sie, hatte das "reine Wasser" sie von ihrer Sünde erlöst.
Oder man unterzog sie der "Feuerprobe".
Sie mußte barfuß über glühende Kohlen gehen - entsprechend langsam, versteht sich.
Verbrannte sie sich dabei die Fußsohlen oder mehr von ihren Füßen, so zeigte sich die "reinigende" Wirkung des Feuers, daß so etwas Sündhaftes abstieß.Die "Hexe"wurde verbrannt.
Verbrannte sie sich nicht -weshalb auch immer - war sie "mit dem Teufel im Bund" und wurde als "Hexe" dem "reinigenden Feuer" überantwortet.

Gruß,Pit
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Pit
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Beitrag von Pit »

Ewald Mrnka hat geschrieben: ...
Man kommt eben über Folter auch an Tatsachen, Wahrheiten, Geheimnisse.

Der Rollstuhlfahrer wird es sachte angehen lassen: z.B. mit Wanzen im Beichtstuhl.
Deiner Meinung nach wäre es annehmbar, Folter - in welcher Form auch immer - wieder als "Ermittlung"smethode in Deutschland einzuführen?

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Pit hat geschrieben: Deiner Meinung nach wäre es annehmbar, Folter - in welcher Form auch immer - wieder als "Ermittlung"smethode in Deutschland einzuführen?
Gibt es eh, das heißt heute "Dauerverhör" und "Untersuchungshaft".
Zuletzt geändert von Peregrin am Dienstag 29. Januar 2008, 20:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Pit hat geschrieben: Das war ja das Problem für die Angeklagten, z.B. die der Hexerei angeklagten Frauen, sie hatten praktisch keine Chance.
Die Hexenprozesse sind ein denkbar schlechtes Beispiel, weil da meistens viel Hysterie und Gerücht und wenig Fakten im Spiel waren.
Beispiel:
Eine Frau, der Hexerei verdächtig, wurde der "Peinlichen Befragung" unterzogen.
Aus welchem Grund auch immer überlebte sie die Tortur.
Weitere Vorgehensweise:
Sie wurde z.B. der "Wasserprobe" unterzogen.
Man band ihr Hände und Füße jeweils zusammen und ließ sie ins Wasser, z.B. im nächsten Fluß.
Schwam sie - was seltenst vorkam, weil kaum jemand schwimmen konnte, erst recht nicht mit verbundenen Armen und Beinen - war sie "mit dem Teufel im Bund" und das "reine Wasser stieß sie ab, und sie wurde - man wollte zumindest ihre Seele retten - "dem reinigenden Feuer" überantwortet.
Ertrank sie, hatte das "reine Wasser" sie von ihrer Sünde erlöst.
Oder man unterzog sie der "Feuerprobe".
Sie mußte barfuß über glühende Kohlen gehen - entsprechend langsam, versteht sich.
Verbrannte sie sich dabei die Fußsohlen oder mehr von ihren Füßen, so zeigte sich die "reinigende" Wirkung des Feuers, daß so etwas Sündhaftes abstieß.Die "Hexe"wurde verbrannt.
Verbrannte sie sich nicht -weshalb auch immer - war sie "mit dem Teufel im Bund" und wurde als "Hexe" dem "reinigenden Feuer" überantwortet.
Das ist eine groteske Karikatur historischer Prozesse, die wohl eher aus irgendwelchen drittklassigen Sadofilmchen stammt. Erstens waren Richter damals genauso ernsthaft um Wahrheitsfindung bemüht wie heutige Richter. Prozesse wurden auch akribisch dokumentiert, den Prozeßakten kann man heute durchaus entnehmen, wie es zu den Geständnissen kam, ob die "in den Mund gelegt" oder Gemeinplätze waren, oder neue Informationen. Zweitens brauchte der Inquisitionsprozeß einen geständigen Angeklagten, der noch selbständig vor Gericht erscheinen konnte, daher haben die die Tortur natürlich typischerweise überlebt und sind auch nicht testweise ersäuft oder vorverbrannt worden. Drittens wurden "Hexen" meistens sowieso nicht verbrannt, sondern erwürgt und nur ihre Leichen verbrannt.
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Pit hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben: ...
Man kommt eben über Folter auch an Tatsachen, Wahrheiten, Geheimnisse.

Der Rollstuhlfahrer wird es sachte angehen lassen: z.B. mit Wanzen im Beichtstuhl.
Deiner Meinung nach wäre es annehmbar, Folter - in welcher Form auch immer - wieder als "Ermittlung"smethode in Deutschland einzuführen?

Gruß,Pit
Das habe ich niemals behauptet; ich lehne Folter grundsätzlich ab.
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Linus
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Beitrag von Linus »

Zweitens brauchte der Inquisitionsprozeß einen geständigen Angeklagten, der noch selbständig vor Gericht erscheinen konnte, daher haben die die Tortur natürlich typischerweise überlebt und sind auch nicht testweise ersäuft oder vorverbrannt worden
.

Abgesehen davon sollte nach der Tortur ja ein weiterleben möglich sein, wenn auch eingestanden werden muß nach längerer Rekonvaleszenz
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Pit
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Beitrag von Pit »

Peregrin hat geschrieben:
Pit hat geschrieben: Deiner Meinung nach wäre es annehmbar, Folter - in welcher Form auch immer - wieder als "Ermittlung"smethode in Deutschland einzuführen?
Gibt es eh, das heißt heute "Dauerverhör" und "Untersuchungshaft".
Peregrin, Dauerverhöre gibt es leider in so manchen Länder und sie sind unangemessen und werden nicht nur aus meiner Sicht, sondern ebenso u.A. aus der Sicht der Europäischen Menschenrechtskommision zu Recht als Folter (als psychische Folter) betrachtet.
Wieso Du die Untersuchungshaft (korrekt - auch, was den zeitlichen Rahmen betrifft) als Folter einstufst, ist mir allerdings schleierhaft.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pit, du vermischst wild und kenntnislos Gottesurteil mit Folter im In-
quisitionsverfahren.

Ferner sind exzeptionelle Vorkommnisse wie Zaubereiverfahren für
die historische Rolle der Folter nahezu bedeutungslos. Der normale
Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kri-
minelle.

Ich habe derzeit allerdings keine Muße, meine berühmte Vorlesung
über die Folter zu halten. Vielleicht in der Fastenzeit. Gegen eine Ein-
schreibegebühr.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Linus
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Beitrag von Linus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich habe derzeit allerdings keine Muße, meine berühmte Vorlesung
über die Folter zu halten. Vielleicht in der Fastenzeit. Gegen eine Ein-
schreibegebühr.[/color]
Schade. Wollte wieder mal dem Flagellantentum fröhnen. :D
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oblatum
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Beitrag von oblatum »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Der normale
Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kri-
minelle.
Robert, waren die gefolterten Hexen Normale Kriminelle?
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Maurus
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Beitrag von Maurus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der normale
Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kri-
minelle.
Ein Strafrechtsprofessor sagte mir mal, die Folter wäre aber erst dann angewendet worden, wenn die Schuld des Angeklagten erwiesen gewesen wäre, da man ein Geständnis brauchte. Er meinte also, dass die Folter zu einem Zeitpunkt eingesetzt wurde, zu dem ein Richter heute aufgrund der Sachlage einen Angeklagten verurteilen würde.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Maurus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der normale
Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kri-
minelle.
Ein Strafrechtsprofessor sagte mir mal, die Folter wäre aber erst dann angewendet worden, wenn die Schuld des Angeklagten erwiesen gewesen wäre, da man ein Geständnis brauchte. Er meinte also, dass die Folter zu einem Zeitpunkt eingesetzt wurde, zu dem ein Richter heute aufgrund der Sachlage einen Angeklagten verurteilen würde.
Ja, das ist korrekt. Man brauchte Geständnisse, selbst wenn die Schuld erwiesen war.

Die Sozialisten dagegen praktizierten die Folter für politisch-propagandistische Zwecke.
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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ferner sind exzeptionelle Vorkommnisse wie Zaubereiverfahren für die historische Rolle der Folter nahezu bedeutungslos. Der normale Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kriminelle.
oblatum hat geschrieben: Robert, waren die gefolterten Hexen Normale Kriminelle?
Ist das eine ernst gemeinte Gegenfrage? Robert spricht doch von "Zaubereiverfahren" ausdrücklich im Gegensatz zu "normalen Strafverfahren".

Wie ich weiter oben auch schon bemerkt habe, hat die Hexenverfolgung mit dem Inquisitionsprozeß direkt gar nichts zu tun. Inquisitionsprozesse wurden halt nur auch gegen Hexen durchgeführt, weil die gerade das Rechtsinstrument du siècle waren, und einige ihrer Schwächen - insbesondere das Fehlen eines Rechtsbeistandes, der kühlen Kopf behalten hätte - wurden dabei offensichtlich und in der Folge ja auch beseitigt.

Wo immer in der Geschichte der Hexenwahn ausbrach, wurden Hexen und "Hexen" vom Mob mit oder ohne Tortur umgebracht und meistens auch noch gleich ihre Hütte abgefackelt. Der Inquisitionsprozeß hat das Wüten der Hysteriker allenfalls in etwas geordnetere Bahnen gelenkt und - wer weiß? - vielleicht sogar manchen Beschuldigten das Leben gerettet oder zumindest ihren Verwandten.

Wer sich vom Ablauf eines Inquisitionsprozesses gegen eine "Hexe" abseits Pit'scher Übertreibungen ein Bild machen möchte, kann sich hier exemplarisch den den Fall Anna Gribbenis anschauen, der mir recht plausibel geschildert vorkommt, allerdings auch kein Happy End hat. Wohlgemerkt wurde dieser Prozeß von einer weltlichen Behörde durchgeführt und ist nur der Form nach ein Inquisitionsprozeß. Man beachte die doch beträchtliche Mühe der Richter, alle Aussagen mithilfe von Zeugen zu überprüfen (aber wenn alle spinnen, nützt das halt auch nichts).
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Beitrag von Peregrin »

Pit hat geschrieben: Wieso Du die Untersuchungshaft (korrekt - auch, was den zeitlichen Rahmen betrifft) als Folter einstufst, ist mir allerdings schleierhaft.
Es hängt vom Charaktertyp ab. Es gibt kontemplative Charaktere, denen das wurscht ist, aber es gibt auch Charaktere, die es ganz schlecht vertragen, wochen- und monatelang eingesperrt zu sein. Heutzutage hindert aber ein Anwalt den Beschuldigten daran, sich aus Verzweiflung zu unüberlegten Geständnissen hinreißen zu lassen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

oblatum hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Der normale
Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kri-
minelle.
Robert, waren die gefolterten Hexen normale Kriminelle?
LG Oblatum
Meist sehr wahrscheinlich nicht. Aber Hexenprozesse waren ein seltener Ausnahmefall. Nur ein winziger Bruchteil der Untersuchungsverfahren vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, in denen Folter angewandt wurde, hatte mit Hexerei zu tun. Das sagte ich doch oben.

Ergänzen will ich aber, daß es neben der „normalen“ Kriminalität noch einen zeitweise nicht unbedeutenden weiteren Anwendungsbereich der Folter gab, nämlich den politischen Faktionenkampf in den italienischen Kommunen seit spätstaufischer Zeit (zwischen Guelfen und Ghibellinen, Popolanen und Magnaten, Schwarzen und Weißen etc.); das konnte so weit gehen, daß z. B. die zur Macht gelangte demokratische Partei der „Popolanen“ in Bologna in den 1282 erlassenen ordinamenti sacrati e sacratissmidekretierte, daß ihre Angehörigen der Folter nicht mehr unterworfen werden durften, die Folter also tatsächlich auf die Aristokratie („Magnaten“) und die Unterschicht (servi und homines viles beschränkt wurde. Insgesamt gesehen ist aber auch derartiges eher die Ausnahme – und erst recht, daß tatsächlich politische Verfahren davon Gebrauch machten.

Der eigentliche Platz der Folter war das Ermittlungsverfahren gegen Kriminelle. Nur von daher läßt sich die Funktion der Folter begreifen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ewald Mrnka hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Der normale
Platz der Folter war das normale Strafverfahren gegen normale Kri-
minelle.
Ein Strafrechtsprofessor sagte mir mal, die Folter wäre aber erst dann angewendet worden, wenn die Schuld des Angeklagten erwiesen gewesen wäre, da man ein Geständnis brauchte. Er meinte also, dass die Folter zu einem Zeitpunkt eingesetzt wurde, zu dem ein Richter heute aufgrund der Sachlage einen Angeklagten verurteilen würde.
Ja, das ist korrekt. Man brauchte Geständnisse, selbst wenn die Schuld erwiesen war.

Die Sozialisten dagegen praktizierten die Folter für politisch-propagandistische Zwecke.
Die Kernaussage ist korrekt. Die Einschränkung »erst dann« trifft allerdings nicht zu, jedenfalls nicht generell. So war unter Bedingungen zum Beispiel auch die peinliche Befragung selbst gar nicht beschuldigter Zeugen möglich.

Richtig ist aber, daß man zur Verurteilung Beschuldigter generell deren Geständnisses bedurfte, auch wenn einer durch Indizien und Zeugen überführt und gar auf frischer Tat betroffen worden war. Heute würde man sofort verurteilen, damals glaubte man, niemanden ohne Geständnis verurteilen zu dürfen und half darum bei Leugnung mit der peinlichen Befragung nach.

Freilich galt eine Aussage unter Folter generell nicht als gerichtsfestes Beweismittel, sie mußte ohne Folter bestätigt werden, meist ausdrücklich an anderm Ort – und konnte also auch widerrufen werden. Ob in einem solchen Widerrufsfall die Folterung wiederholt werden durfte; falls ja, wie oft; ob einer, der widerrufen hatte, gleich freizulassen war oder ob er in Haft blieb und weiter ermittelt wurde; etc. pp.: über all solche Fragen gab es detaillierte, örtlich und zeitlich teils sehr verschiedene Regelungen. Einschließlich Strafdrohungen gegen Untersuchungsrichter für den Fall rechtswidrig angewandter (oder sogar bloß angedrohter) Folter.

All diese Einschränkungen waren zunächst recht wirksam. Erst mit der zunehmenden Brutalisierung des Strafvollzugs vor allem im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert brachen die Dämme immer mehr. Freilich erwuchs dann auch innerhalb der Kirche die immer stärkere Gegenbewegung.
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