Situation der deutschen Medienlandschaft

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ziphen
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von ziphen »

Caviteño hat geschrieben:
Sonntag 5. März 2017, 01:20
Ich habe immer meine Schwierigkeiten, wenn etwas als "unveränderlich" angesehen wird. Wie sollte denn eine allgemeine Rundfunkabgabe aussehen, wenn z.B. vom BVerfG eine individuelle Nutzungsabgabe vorgeschrieben würde? Die wäre heute technisch überhaupt kein Problem mehr, im Gegensatz zu den Möglichkeiten vor zwei, drei Jahrzehnten.
Freilich wäre etwas in der Art denkbar, falls das BVerfG überhaupt zu der Überzeugung kommen sollte, dass die jetzige Regelung nicht in Ordnung ist. Die Frage ist doch, was sich für die Bürger ändern würde. Irgendwo müssen die finanziellen Mittel für den ÖR herkommen. Jeder der Fernseher, Radio, vernetztes Auto, Computer, Mobiltelefon, Tablet und was weiß ich noch alles besitzt, würde sinnvollerweise zur Kasse gebeten werden. Die Personen, die diese Geräte tatsächlich (und nicht etwa nur vorgeblich) nicht haben, dürfte vermutlich bei wenigen dutzend liegen.
Der Unmut über die Gebühren ist in der Bevölkerung vorhanden.
Sag bloß! ;) Das ist nun wirklich nichts neues. Interessiert aber nicht, weil die Anstalten finanziert werden müssen.
Sollte er sich noch verstärken und von einigen Parteien aufgenommen werden, ist mE eine grundlegende Umgestaltung des gegenwärtigen Systems durchaus denkbar. Ob es zur Bestandserhaltung ausreicht, wenn nur in den Feuilletons der "Qualitäts"medien über die Sendungen diskutiert wird, kann man bezweifeln, zumal die "printing press" auch immer mehr Abonnenten (und damit Einfluß) verliert.
Wenn die Einschaltquoten immer weiter sinken, weil der Bürger sich aus dem Netz (oder bei Privaten) "versorgt", gleichzeitig das Unverständnis über eine Gebühr für eine Leistung, die man nicht nutzt, steigt - warum sollte es dann zu keiner Änderung kommen? Wer jetzt meint, der öffentl.-rechtl. Rundfunk sei zu "mächtig" oder zu "einflußreich" verkennt mE, daß diese "Macht" bzw. dieser "Einfluß" bei sinkender Nutzung auch abnimmt. Welchen Einfluß haben denn heute noch Briefträger und Lokführer, die früher staatswichtige Funktionen wahrgenommen und deswegen Beamte waren?
Sicherlich kann man einiges an der jetzigen Organisation und Sendervielfalt der Sendeanstalten ändern. Es ist immer die Frage, ob das gewollt ist. Diesen Willen sehe ich bei der Politik im Moment nicht. Alle wollen für ihr Gebiet so und so viele Regionale Radiosender mit verschiedenen Ausrichtungen. Alle wollen ihren Regionalen Fernsehsender. Evtl. wird noch ein digitaler Fernsehsender eingestampft, wie es bei zdf.kultur und eins-irgendwas zu Gunsten des "Jugendkanals" im Internet passiert ist.
Fraglich ist, ob sinkender Einfluss und sinkende Einschaltquoten, die du siehst, für die Politik und evtl. für Gerichte bzgl. der Abgabenerhebung eine Rolle spielen. Problematisch bei den Einschaltquoten finde ich schon die althergebrachte Art der Messung, die den Mediathekenkonsum nach meinem Wissen ausschließt. Sollte der Empfang der Privaten künftig gänzlich nur noch gegen Bezahlung möglich sein, so ist mMn. beim klassischen Fernsehen ohnehin eine Änderung bzgl. der Verteilung der Einschaltquoten zu erwarten.
Wenn böse Zungen stechen, / mir Glimpf und Namen brechen, / so will ich zähmen mich; /
das Unrecht will ich dulden, / dem Nächsten seine Schulden / verzeihen gern und williglich.

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Caviteño
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Die Erhebung der allgemeinen Rundfunkabgabe resultiert ja aus einer Zeit, als es technisch nicht möglich war, für individuelle Nutzungen Gebühren zu erheben. Das hat sich geändert. Fraglich ist somit, ob diese Veränderung der technischen Möglichkeiten nicht auch zu einer Änderung der Gesetzgebung (durch die Politik) und/oder die Rechtsprechung führen werden.

Für den Bürger würde sich vieles ändern, wenn er nur noch für das bezahlen müßte, was er tatsächlich auch konsumiert und zwar egal ob am TV, am Computer oder auf dem smartphone. Da wären dann verschiedene Modelle denkbar (pay per view, Programmpakete usw.) und der Bürger kann selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang er das Programmangebot der öffentl.-rechtl. nutzen will.

Zum Thema Regionalsender:
In NRW (darauf beziehen sich meine Ausführungen) gibt es im Rundfunkbereich viele Regionalsender für die einzelnen Städte/Kreise, die privatrechtlich organisiert sind. Der WDR bietet nur großflächige Regionen an. Beim Fernsehen könnte ich mir eine ähnliche Entwicklung vorstellen. Ich verstehe z.B. nicht, warum die Lokalzeitungen noch kein Fernsehprogramm für ihre Stadt über das Internet verbreiten und damit der 30minütigen "Lokalzeit" des WDR ein Konkurrenzmodell vorsetzen. Bei einem smart-tv ist es schließlich egal, ob das Sendesignal über das Netz oder Kabel, SAT oa ausgestrahlt und empfangen wird.
Inwieweit dann die Politik noch die Lust und den Mut hat, weitere Regionalsender für den öffentl.-rechtl. Bereich zu genehmigen, ist zumindest zweifelhaft. Warum sollte man einen zweiten Kanal für das gleiche Gebiet zulassen und dadurch die Gebühren und den Unmut erhöhen? :achselzuck:

Im übrigen muß mE keineswegs bundesweit Einigkeit herrschen, um den öffentl-rechtl. Rundfunk zum Umbau zu zwingen. Schon eine einzelne Landesregierung kann das bisherige System ins Wanken bringen. Sollte z.B. Sachsen (unter einer nicht undenkbaren AfD-Regierung) den MDR-Staatsvertrag mit den beiden anderen Bundesländern kündigen, würde das den gesamten öffentl.-rechtl. Rundfunk in D. betreffen. Das gilt auch für den ZDF-Staatsvertrag, der z.B. kurzfristig (Jahresfrist!) gekündigt werden kann. Der öffentl.-rechtl. Rundfunk wäre dann gezwungen, seine Sendungen zu verschlüsseln, um die z.B. in Sachsen lebende Bevölkerung vom Empfang auszuschließen.
Wie würde sich eine Verschlüsselung auf den Rest der Republik auswirken? Was wäre mit Zuschauern z.B. in NRW, die die Gebühr nicht zahlen wollen und dann auch technisch nicht auf die Programme zugreifen können?

Ob man jemanden zur Zahlung einer Leistung verpflichten kann, die er nachweislich nicht in Anspruch nehmen kann - das dürfte zweifelhaft sein. :breitgrins:

PS:
Da die AfD im öffentl.-rechtl. Rundfunk nicht über viele Befürworter verfügt, dürfte sie in dieser Hinsicht wenig Beißhemmung verspüren - ganz im Gegenteil: Ein lauter Kritiker weniger und der Opposition bricht ein großer Unterstützer weg. Für die AfD also eine win-win-Situation - und dazu noch die Einlösung eines Wahlversprechens.

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Sempre
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Sempre »

Caviteño hat geschrieben:
Dienstag 7. März 2017, 02:18
Die Erhebung der allgemeinen Rundfunkabgabe resultiert ja aus einer Zeit, als es technisch nicht möglich war, für individuelle Nutzungen Gebühren zu erheben. Das hat sich geändert. Fraglich ist somit, ob diese Veränderung der technischen Möglichkeiten nicht auch zu einer Änderung der Gesetzgebung (durch die Politik) und/oder die Rechtsprechung führen werden.

Für den Bürger würde sich vieles ändern, wenn er nur noch für das bezahlen müßte, was er tatsächlich auch konsumiert und zwar egal ob am TV, am Computer oder auf dem smartphone. Da wären dann verschiedene Modelle denkbar (pay per view, Programmpakete usw.) und der Bürger kann selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang er das Programmangebot der öffentl.-rechtl. nutzen will.

Zum Thema Regionalsender:
In NRW (darauf beziehen sich meine Ausführungen) gibt es im Rundfunkbereich viele Regionalsender für die einzelnen Städte/Kreise, die privatrechtlich organisiert sind. Der WDR bietet nur großflächige Regionen an. Beim Fernsehen könnte ich mir eine ähnliche Entwicklung vorstellen. Ich verstehe z.B. nicht, warum die Lokalzeitungen noch kein Fernsehprogramm für ihre Stadt über das Internet verbreiten und damit der 30minütigen "Lokalzeit" des WDR ein Konkurrenzmodell vorsetzen. Bei einem smart-tv ist es schließlich egal, ob das Sendesignal über das Netz oder Kabel, SAT oa ausgestrahlt und empfangen wird.
Inwieweit dann die Politik noch die Lust und den Mut hat, weitere Regionalsender für den öffentl.-rechtl. Bereich zu genehmigen, ist zumindest zweifelhaft. Warum sollte man einen zweiten Kanal für das gleiche Gebiet zulassen und dadurch die Gebühren und den Unmut erhöhen? :achselzuck:

Im übrigen muß mE keineswegs bundesweit Einigkeit herrschen, um den öffentl-rechtl. Rundfunk zum Umbau zu zwingen. Schon eine einzelne Landesregierung kann das bisherige System ins Wanken bringen. Sollte z.B. Sachsen (unter einer nicht undenkbaren AfD-Regierung) den MDR-Staatsvertrag mit den beiden anderen Bundesländern kündigen, würde das den gesamten öffentl.-rechtl. Rundfunk in D. betreffen. Das gilt auch für den ZDF-Staatsvertrag, der z.B. kurzfristig (Jahresfrist!) gekündigt werden kann. Der öffentl.-rechtl. Rundfunk wäre dann gezwungen, seine Sendungen zu verschlüsseln, um die z.B. in Sachsen lebende Bevölkerung vom Empfang auszuschließen.
Wie würde sich eine Verschlüsselung auf den Rest der Republik auswirken? Was wäre mit Zuschauern z.B. in NRW, die die Gebühr nicht zahlen wollen und dann auch technisch nicht auf die Programme zugreifen können?

Ob man jemanden zur Zahlung einer Leistung verpflichten kann, die er nachweislich nicht in Anspruch nehmen kann - das dürfte zweifelhaft sein. :breitgrins:

PS:
Da die AfD im öffentl.-rechtl. Rundfunk nicht über viele Befürworter verfügt, dürfte sie in dieser Hinsicht wenig Beißhemmung verspüren - ganz im Gegenteil: Ein lauter Kritiker weniger und der Opposition bricht ein großer Unterstützer weg. Für die AfD also eine win-win-Situation - und dazu noch die Einlösung eines Wahlversprechens.
:klatsch: :klatsch:
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Sind TV-Duelle als künstliche Inszenierung von Politik einfach nur Talkshows auf zu niedrigem Niveau? Wäre das höchste und eigentliche Niveau dafür nicht der Bundestag?

Wenn es sich um eine Spielveranstaltung handelt, dann kann es natürlich ein Hin- und Rückspiel geben. Wenn aber der Bundestag als Wahlgremium für den Bundeskanzler das richtige Forum ist, sollten als Moderatoren die Fraktionvorsitzenden die Fragen an die Kandidaten stellen.

Diese Debatte muss nicht notwendig das Bundestagsfernsehen übertragen. Vielmehr sollten die Sender in einen echten Wettbewerb treten können, durch Einspieler und Zuschauer-Interaktion die Debatte journalistisch anzureichern. Hier sollte sich zeigen, ob die öffentlich-rechtlichen Sender auch unter der Bedingung einer Grundgesetz konformen Finanzierung im Wettbewerb mit den privaten Sendern standhalten können.

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Medien sollten sich fragen, ob sie mit ihrer Gerichtsberichterstattung informieren oder desinformieren möchten. Jüngstes Beispiel ist die Eilmeldung in der FAZ über das EuGH-Urteil und die so genannte Erlaubnis eines Verbots. Ziel der Berichterstattung sollte sein, dem Leser ein Urteil zu erklären. Dabei geht es auch um die Kompetenz eines Gerichts, dass eine Erlaubnis oder ein Verbot aufgrund einer gesetzliche Vorschrift aussprechen kann. Im konkreten Fall muss also verständlich werden, dass das Gericht erlaubt oder verbietet, sondern die jeweiligen Rechte der Konfliktparteien gegeneinander abwägt. Idealerweise werden nicht nur die Aktenzeichen der Urteile benannt, sondern auch die Gründe dargelegt.

Mit großen Erschrecken liest man die Geschwätzigkeit der Entscheidungsgrundlage:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex ... 022:de:PDF
Diese Geschwätzigkeit fällt vor allem im Vergleich zum Grundrechtekatalog des Grundgesetzes auf.

Entsprechend geschwätzig war auch der Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom vergangenen Mai:
http://curia.europa.eu/juris/document/d ... doclang=DE Man hat den Eindruck, dass vor lauter Herumreden um den heißen Brei, die überbezahlten Juristen das Prinzip von Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz sowie die entsprechende Vertragsfreiheit im Binnenmarkt im Kern nicht verstanden haben.

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Medien sollten sich fragen, ob sie mit ihrer Gerichtsberichterstattung informieren oder desinformieren möchten. Jüngstes Beispiel ist die Eilmeldung in der FAZ über das EuGH-Urteil und die so genannte Erlaubnis eines Verbots. Ziel der Berichterstattung sollte sein, dem Leser ein Urteil zu erklären. Dabei geht es auch um die Kompetenz eines Gerichts, dass eine Erlaubnis oder ein Verbot nur aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift aussprechen kann. Im konkreten Fall muss also verständlich werden, dass das Gericht weder erlaubt, noch verbietet, sondern die jeweiligen Rechte der Konfliktparteien gegeneinander abwägt. Idealerweise werden nicht nur die Aktenzeichen der Urteile benannt, sondern auch die Gründe dargelegt.

Mit großem Erschrecken liest man die Geschwätzigkeit der Entscheidungsgrundlage:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex ... 022:de:PDF
Diese Geschwätzigkeit fällt vor allem im Vergleich zum Grundrechtekatalog des Grundgesetzes auf. Diese Geschwätzigkeit in tausend Sprachen zu übersetzen, ist in hohem Maß ineffizient.

Entsprechend geschwätzig war auch der Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom vergangenen Mai:
http://curia.europa.eu/juris/document/d ... doclang=DE Man hat den Eindruck, dass vor lauter Herumreden um den heißen Brei überbezahlte Juristen das Prinzip von Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz sowie die entsprechende Vertragsfreiheit im Binnenmarkt im Kern nicht verstanden haben.

Caviteño
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

overkott hat geschrieben:
Dienstag 14. März 2017, 11:14
Mit großem Erschrecken liest man die Geschwätzigkeit der Entscheidungsgrundlage:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex ... 022:de:PDF
Diese Geschwätzigkeit fällt vor allem im Vergleich zum Grundrechtekatalog des Grundgesetzes auf. Diese Geschwätzigkeit in tausend Sprachen zu übersetzen, ist in hohem Maß ineffizient.
Das Europarecht orientiert sich in seiner Formalität viel mehr an der französischen als an der deutschen Verwaltungsmentalität. Deswegen unterscheiden sich deutsche Gesetze und europäische Richtlinien oä auch erheblich in Aufbau und Struktur.

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Da fehlen die Worte, jetzt dreht Maas ganz durch:

Bußgeld für soziale Netzwerke - Bis zu 50 Millionen Euro für einen Hasskommentar
Nach dem Willen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sollen gegen die Betreiber sozialer Netzwerke, die sich nicht ausreichend um die Löschung von Hasskommentaren kümmern, drastische Bußgelder verhängt werden. Wer strafbare Inhalte gar nicht, nur teilweise oder nicht rechtzeitig lösche, begehe eine Ordnungswidrigkeit, heißt es in einem von Maas an diesem Dienstag vorgestellten Gesetzentwurf.
Die Ordnungswidrigkeit soll dem Entwurf zufolge mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro gegen den für das Beschwerdeverfahren Verantwortlichen geahndet werden. Gegen das Unternehmen selbst soll die Ordnungswidrigkeit mit bis zu 50 Millionen Euro geahndet werden können. Eine Geldbuße kann auch verhängt werden, wenn das soziale Netzwerk seiner Berichtspflicht nicht oder nicht vollständig nachkommt.
Die Menschen sollen sich nicht mehr in den sozialen Netzwerken äußern, jedenfalls solange ihre Meinung nicht der offiziellen Linie entspricht. Falls das Gesetz Wirklichkeit werden sollte, werden die sozialen Medien "vorsorglich" sperren, um nicht Gefahr zu laufen, mit einer entsprechenden Bußgeldforderung konfrontiert zu werden.

Was geschieht aber mit internet-Seiten, die vom bzw. im Ausland betrieben werden? Da müßte die Drohung von Maas ins Leere laufen, oder? Alternativ können die natürlich vom deutschen Internet gesperrt werden. Die Technik - so nicht bereits verfügbar - können Nordkoreaner oder Chinesen liefern.

Deutschland auf dem Weg zur DDR 2.0 - das ich das noch erleben darf/muß....... :pfeif:

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Herr Burowski versteht das Skatspiel der Juristen nicht mehr. Äh, und nicht weniger: der Bund, das Land, Europa - und eine bunte Rechtssprechung. Mittelbare und unmittelbare Diskriminierung, die Neutralität und hier noch ( oh! ) ein Rechtchen, das wir mal als Joker ziehen können - die unternehmerische Freiheit. Was bitte schön ist eigentlich neutral? Wenn alle schwarze Anzüge tragen oder gelbe Röcke oder Uniform oder Pluriform? Gut, also wenn Deutschland den neutralen Staat will ( alle schwarz-gelb ), dann kann Europa in Frankreich das neutrale Unternehmen schaffen. Es kommt halt immer, mutmaßt Herr Burowski intuitiv, auf die Karte im Stock an. Liebe Kinder von der FaZ, Herr Burowski, hat Kartenspielen auf der Gesamtschule gelernt. Und das will was heißen.

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Leider ist auch der Artikel in der Zeit zur Religionsfreiheit nicht von Einsicht in Recht, Freiheit und Gewaltenteilung geprägt. Zu oberflächlich ist die Beschäftigung mit den Urteilen von Gerichten. Scheinbar können selbst Journalisten zwischen Politik und Recht nicht differenzieren. Vielfach wird im Einzelfall eine Korrektur einer als Härte oder Ungerechtigkeit empfundenen Gesetzgebung von Gerichten erwartet. Das aber ist allerfalls Aufgabe der abstrakten Normenkontrolle.

Gleichwohl verstehen politisch denkende Richter Unabhängigkeit häufig nicht als Korruptionsfreiheit, sondern als Freiheit vom Gesetz. Anders sind etwa die Fehlurteile des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu erklären.

Die Zeit-Kommentatorin hat das EuGH-Urteil nicht verstanden. Ob der Anpassungsdruck steigt oder nicht, darf das Gericht nicht interessieren. Vielmehr weist das Gericht auf die geltende Gesetzeslage hin, nach der im Binnenmarkt die Unternehmen mit ihren Mitarbeitern ihre Berufskleidung selbst regeln.

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Publizist Prantl von der SZ hat sich über die Karnevalstage erholt und gibt sich wieder ganz dem Recht hin. Er wünscht sich, so scheint es, mehr Weltanschauung an der Kasse: lauthals die Woche anzusagen oder mehr türkisches Flair.

Nun sind Supermärkte jedoch keine weltanschaulichen Tendenzbetriebe, die einen Glauben unter das Volk bringen wollen oder eine Kultur. Sie verkaufen Dauerlutscher, Süßholz, Lebensmittel zum Beispiel. Sicherlich auch an Zuwanderer aus dem muslimischen Kulturkreis. Wenn es daher einem Supermarkt billig erscheint, in einem Stadtteil - sagen wir einmal: Bad Godesberg - mit erhöhtem Anteil muslimischer Gläubiger Dauerlutscher, Baklava und Kartoffeln an einen entsprechend strukturierten Kundenkreis zu verkaufen und daher verstärkt Mitarbeiter mit Migrationskompetenz an der Kasse einsetzt, ist es ihm nach geltendem Recht möglich, sagt Luxemburg.

Nun muss aber ein französisches Softwareunternehmen nicht auf den einen Kunden verzichten, weil die Mitarbeiterin partout Kopftuch tragen will. Das Gericht sagt, schaut mal zu, wie ihr das betriebsintern regelt. Prantl sagt: schade. Wir sagen: schade, Herr Prantl.

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Heulsuse
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Heulsuse »

Caviteño hat geschrieben:
Dienstag 14. März 2017, 13:35

Die Menschen sollen sich nicht mehr in den sozialen Netzwerken äußern, jedenfalls solange ihre Meinung nicht der offiziellen Linie entspricht. Falls das Gesetz Wirklichkeit werden sollte, werden die sozialen Medien "vorsorglich" sperren, um nicht Gefahr zu laufen, mit einer entsprechenden Bußgeldforderung konfrontiert zu werden.

Was geschieht aber mit internet-Seiten, die vom bzw. im Ausland betrieben werden? Da müßte die Drohung von Maas ins Leere laufen, oder? Alternativ können die natürlich vom deutschen Internet gesperrt werden. Die Technik - so nicht bereits verfügbar - können Nordkoreaner oder Chinesen liefern.

Deutschland auf dem Weg zur DDR 2.0 - das ich das noch erleben darf/muß....... :pfeif:
Frei nach Goethe: "Heiko! Mir graut's vor dir"

Gewaltenteilung ist ein Grundprinzip unserer Verfassungsordnung. Wenn jetzt per Gesetz wer anderes als unabhängige Gerichte damit beauftragt werden, darüber zu entscheiden, ob ein Kommentar etc. im Internet strafbar ist oder nicht, halte ich das für sehr bedenklich. Ich fürchte nämlich, dass die Leute, die an den Löschknöpfen sitzen, nicht einmal Juristen, geschweige denn unabhängig sind. Im Grunde wird hier einer neuen Art von Selbstjustiz Tür und 'Tor geöffnet, ideologischer Missbrauch eingeschlossen.

Selbst in der schlimmsten Diktatur haben sich immer Kommunikationswege gefunden. So werden die Server künftig halt im Ausland stehen und es wird anonym und verschlüsselt kommuniziert. Das TMG ist jetzt schon ein zahnloser Tiger: Wozu ein Impressum, wenn der Server für die deutsche Staatsmacht sowieso nicht greifbar ist?

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Erste Reaktionen im Netz zu den Plänen von Justizminister Maas:

Politik nach Maas: Rückfall in den Vormärz

In dem Artikel wird die lange Tradition der Rede- und Pressefreiheit dargestellt und eine einfache Lösung angeboten:
Es geht vielmehr darum, dass in einem Rechtsstaat ausschließlich unabhängige Gerichte darüber zu befinden haben, ob und wann ein Rechtsverstoß vorliegt. Dieses ist weder Aufgabe stasi-erprobter Nazi-Jäger noch irgendwelcher Mitarbeiter in den Verwaltungsstuben der Netzwerkbetreiber. Es ist auch nicht Aufgabe angeblicher Redaktionsstuben, die Bewertung sogenannter „FakeNews“ vorzunehmen und deren Löschung zu veranlassen.
All das ist, so es als notwendig erachtet wird, ausschließliche Aufgabe der Staatsanwaltschaft in der Ermittlung und der Gerichte in der Aburteilung. Wird dieser rechtsstaatliche Weg – wie derzeit zu erleben– zerstört, dann wird der Rechtsstaat vernichtet.
Dabei wäre es doch ganz einfach – wäre es dem Bundesminister der Zensur ein juristisches und kein ideologisches Anliegen. Maas müsste nichts anderes tun, als in den oft wenig sozialen Netzwerken per Gesetz die Klarnamenpflicht einzuführen und die Betreiber auf die entsprechende Überprüfung der Teilnehmer an ihren Angeboten zu verpflichten. Nicht nur, dass damit schlagartig Schluss wäre mit dem überbordenden geistigen Müll, den manche Zeitgenossen dort anonym verbreiten – die allein zuständigen Strafverfolgungsbehörden wären endlich auch in der Lage, ihre Aufgaben gegenüber den kriminellen Postern effektiv wahrzunehmen.
Darüber hinaus hätte die Klarnamenpflicht noch einen weiteren Vorteil: Die Pseudo-Teilnehmer der sogenannten „Bots“ – computergenerierte Meinungsmacher – wären ebenfalls schnell ausfindig zu machen und zu unterbinden, womit sich die Frage der FakeNews dann ebenfalls recht schnell klären dürfte.

Diesen unmittelbaren Weg jedoch, der uneingeschränkt auf dem Boden deutscher Verfassungen stehen würde, wagt der Bundesminister der Zensur wohl nicht einmal anzudenken. Da muss die Frage nach dem „Warum?“ erlaubt sein.

Spontan fallen einem dazu nur zwei Antworten ein:
1. Heiko Maas fürchtet seine politische Stammklientel, die wie jene von der anderen politischen Seite ihre Psychosen anonym im Netz ausleben – allerdings ungehindert von Gedankenpolizei und Zensur, da sie ja auf der „richtigen“ Seite posten.
oder
2. Heiko Maas kommt das unregulierte Chaos im Netz sehr gelegen, weil es ihm die Möglichkeit einräumt, die bürgerlichen Freiheitsrechte Schritt für Schritt abzuräumen und einen meinungstotalitären Staat zu etablieren, wie die Deutschen ihn schon wiederholt in ihrer Geschichte erdulden mussten.
Welche dieser beiden Möglichkeiten die Wahrscheinlichere ist – oder ob vielleicht beide Aspekte gleichermaasen zum Tragen kommen – darüber mag der geneigte Leser selbst entscheiden.
Die Frage ist wohl berechtigt - wird aber im "Kampf gegen rechts" nicht gestellt werden.....

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Deutschland wird veräppelt: Die Wahl in den Niederlanden offenbart reine Desinformation. Ein Parteiensystem pulverisiert sich. Und die Medien feiern den Ministerpräsidenten, dessen Regierung gerade die Hälfte der Sitze verloren hat, als strahlenden Sieger. Dass er selbst ein Viertel der Sitze verloren hat, kümmert die Medien nicht. Mit seinem relativen Wahlsieg wird er umjubelt, als hätte er die absolute Mehrheit erreicht. Dass der Kanzleramtsminister aus diesem Anlass ein Indianertänzchen aufführt, kann man irritiert zur Kenntnis nehmen. Vielleicht verleitet ihn die leichte Erholung der Christdemokraten zur Überreaktion. Vielleicht freut ihn die Demontage der Sozialdemokraten. Das Pushen der Populisten durch Fernsehduelle mit Ministerpräsident Rutte hat dazu beigetragen. Antieuropäer Wilders kann sich die Hände reiben. Die Kritik an ihm hat ihn erst einmal stärker werden lassen, wenn auch der Wind seit Sonntag nachgelassen hat. Die wiederholte Überschätzung in den Umfragen scheint System zu haben. Auch in Frankreich hat Populistin Le Pen die Funktion des Watschenmanns. Die Medien werden sie als Antiheldin aufbauen. Wie das funktioniert, hat der Mitbewerber des republikanischen Kandidaten Fillon schon vorgemacht. Trotz Affären im Umfeld könnte sich Macron gegenüber dem nicht minder belasteten Fillon ins Präsidentenamt stolpern.

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Edi »

Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

overkott hat geschrieben:
Donnerstag 16. März 2017, 08:39
Die wiederholte Überschätzung in den Umfragen scheint System zu haben.
In der Tat, jetzt scheint es eine andere Strategie zu geben:
Man schreibt die sog. "Rechtspopulisten" hoch, stellt die schlimmsten Szenarien vor, bringt damit viele Wähler an die Urne, um die "drohende Gefahr" abzuwenden (Schicksalswahl) und freut sich anschließend, daß diese pöse Partei trotz Zugewinne "verloren" hat.

Vorteil: Man "gewinnt" in jedem Fall - (fast) egal, wie hoch die eigenen Verluste sind (die dann im Kampf gegen "rechts" mannhaft getragen werden). Ob die Wilders überhaupt die Chance hatte, stärkste Partei werden - wie die Wahlumfragen in den NL vor der Wahl behauptet haben - werden wir wohl nie erfahren.

Michael Klonovsky bringt es schön auf den Punkt:
Bei den Wahlen in den Niederlanden haben die regierenden Rechtsliberalen um Premier Mark Rutte fünf Prozentpunkte und acht Parlamentssitze verloren (33 statt 41), der sozialdemokratische Koalitionspartner PvdA kollabierte nahezu und büßte 29 von 38 Mandaten ein. Zusammen haben die Regierungsparteien also 37 Parlamentssitze abgeben müssen, ungefähr die Hälfte ihrer Macht. So sehen medial umgarnte und beklatschte Wahlsieger aus, seit es den Rechtspopulismus gibt! Wir erinnern uns an die Landtagswahlen 2016 in Groß-Schilda, wo die Repräsentativdemokraten trotz aller Stimmverluste ebenfalls insgesamt glorreich gewonnen hatten. Die holländischen Rechtspopulisten legten übrigens von 15 auf 20 Sitze zu und wurden zweitstärkste Partei. Sie sind der klare Wahlverlierer und sollten eigentlich kollektiv in die Nordsee gehen.
http://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna - 16. März 2016

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Dieses Video ist nicht gelistet, darum solltest du dir genau überlegen, ob du es teilen möchtest:



Seit einer Woche versteckt sich Rainer Woelki im Internet. Der sympathische Kardinal, der zum Bedauern der Karnevalisten so wenig Angriffsfläche bietet, spricht ein Wort zum Tag. Jeden Tag hat er bisher zehn Menschen erreicht, möchte man meinen. Aber vielleicht war ja einer dabei, der zuhört, der weiter erzählt. Manchmal schickt einem der liebe Gott einen Engel, der die Botschaft in die Welt hinausträgt. Wer weiß. Das könnte zum Beispiel die Suchmaschine von Youtube sein. Aber dazu müsste man das Video einfach listen. Gut, die Medienprofis in Köln wissen wahrscheinlich besser, warum sie den freundlichen Kardinal Rainer lieber in einer Nische des Internets verstecken möchten. Leichter als 3D videos hat er es dort allerdings nicht. Dabei sind auch die 3D-Videos gar nicht mal schlecht gemacht. :umkuck:

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Beim Zwangsfernsehen ist wohl der Reichtum ausgebrochen. Warum turnt eigentlich die Leiterin des Berliner ARD-Büros in Washington herum? Wird das Studio Washington aufgelöst? Oder hat Frau Hassel zu viel Freizeit? Oder sind das Bluescreen-Fake News? Die ARD kann einen Reisezirkus bei Privatisierung aufmachen. Die Grundgesetz widrige Finanzierung ist sobald wie möglich zugunsten freiwilliger Abonnements zu beenden.

Raphael

Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Raphael »

Ein hoch interessantes Interview mit dem Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz:
Weltbösewicht Trump, Mythos Merkel, Medienkonstrukt Schulz und die Hysteriemaschine

Prädikat: Hörens- und anschauenswert! :ja:

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Wirklich ein sehr interessantes Interview, insbesondere der letzte Teil, in dem die immer wichtigere Rolle der sog. "sozialen Medien" besprochen wird. Die Beobachtung, daß Zeitungen ihre Leser verlieren und die 20:00Uhr-Tagesschau-Konsumentenschar schmilzt, habe ich auch gemacht.

Ich lese z. Zt. das Buch von Robin Alexander "Die Getriebenen", in dem er die Grenzöffnung durch Merkel und die folgenden Monate beschreibt. Darin gibt er die "Geburtsstunde" der sozialen Medien für den politischen Betrieb und eine Gegenöffentlichkeit mit dem Oktober 2015 an:
Robin Alexander - Die Getriebenen hat geschrieben: Am ersten Oktoberwochenende gelangt ein Szenario von Beamten aus dem Innenministerium an die Öffentlichkeit, dem zufolge bis Jahresende noch 920000 weitere Asylbewerber in Deutschland zu erwarten seien. Im Internet kursieren Verschwörungs-Theorien: Die Regierung betreibe mit der Masseneinwanderung bewusst eine Veränderung der ethnischen Zusammensetzung des deutschen Volkes. Vor allem auf Facebook entsteht, zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, eine markante Gegenöffentlichkeit.

Die Begeisterung, mit der viele klassische Medien die Grenzöffnung begleitet haben, löst hier einen gegenteiligen Reflex aus. Asylbewerbern werden echte Fluchtgründe pauschal abgesprochen, sie werden als Sozialschmarotzer, Kriminelle, Vergewaltiger und religiöse Fanatiker hingestellt. So verbreiten sich die entsprechenden Schauergeschichten, egal, ob sich die genannten Klischees teilweise widersprechen oder die Gerüchte jeder Faktengrundlage entbehren. Ein wachsender Teil der Bevölkerung, der sich nur noch bei Gleichgesinnten im Netz informiert, glaubt zu wissen, dass jeder Flüchtling 1000 Euro Begrüßungsgeld erhalte, dass Supermärkte Diebstähle durch Flüchtlinge mit einem Schaden von bis zu 50 Euro zu akzeptieren hätten und Polizisten angewiesen seien, nach Anzeigen prinzipiell keine Ermittlungen aufzunehmen.

Merkel ist über die auf Facebook verbreitete Hasskritik so besorgt, dass sie dessen Gründer und Chef Mark Zuckerberg persönlich bittet, deren Verbreitung einzustellen. Die Ängste, die den Hass befeuern, heften sich an den Umstand, dass 70 Prozent der Neuankömmlinge junge Männer und fast alle Muslime sind. Noch im Sommer hatte die islamfeindliche Pegida-Bewegung ihren Höhepunkt überschritten und verebbte als ostdeutsches Regionalphänomen. In der Flüchtlingskrise verbreitet sich die Angst vor einer »Islamisierung« Deutschlands aber so schnell, dass sie schließlich auch von öffentlich-rechtlichen Medien aufgegriffen wird.
Diese Angst vor den sozialen Medien und der fehlenden Kontrolle über ihre Inhalte treibt die Bundesregierung offensichtlich noch immer um. Die Wahlerfolge der AfD werden mit "fake news" begründet, die ihre Verbreitung über die facebook & Co nähmen. Auch für Brexit und Donald Trump werden mit "fake news" in den sozialen Medien verantwortlich gemacht. Wie sehr sich dies zur fixen Idee gesteigert hat, zeigt der Gesetzentwurf von Heiko Maas, mit dem er als letzte Mittel Verbote, Löschungen und Geldbußen von bis 50 Mio €([Punkt]), verhängen will. Dabei entblödet er sich nicht, als Begründung in seinem Gesetzentwurf die Wahl von Donald Trump indirekt anzugeben:
Nach den Erfahrungen im US-Wahlkampf hat überdies auch in der Bundesrepublik Deutschland die Bekämpfung von strafbaren Falschnachrichten („Fake News“) in sozialen Netzwerken hohe Priorität gewonnen. Es bedarf daher einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, um objektiv strafbare Inhalte wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung oder Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschen von Straftaten unverzüglich zu entfernen.
MaW: So etwas wie die Wahl von Trump darf nie wieder passieren....

Kisslers Konter: Gesetzentwurf zu Fake News - So wird das nichts!

Raphael

Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Raphael »

Erstaunlich an der Initiative aus dem Hause des Juristen Maas ist insbesondere, wie schnell und ohne Not der Staat bereit ist (oder zu sein scheint), sein Gewaltmonopol zu delegieren. :erschrocken:

In den Zeiten, in denen in Europa die Zensur durch den Staat noch zum guten Ton der Politik gehörte, hat auch wirklich der Staat dann diese Zensur durchgesetzt. In der Regel mit Methoden, die einem heutigen Verständnis von Rechtsstaat Hohn spricht; aber so war das damals und es ist nicht an mir, hier und jetzt darüber ein moralisches Urteil zu fällen.

Heute aber sieht sich der Staat noch nicht einmal mehr dazu in der Lage zu zensieren, und delegiert mehr oder weniger notgedrungen an Facebook, Google und Co. genau das, was eigentlich seine originäre Aufgabe ist. Diejenigen, die sonst das Hohelied der Demokratie singen, sind schnellstens bereit, eine strikte Meinungszensur an ökonomische Einheiten zu delegieren, die naturgemäß nach anderen Gesetzmäßigkeiten funktionieren als ein Gemeinwesen, welches sich auf eine bestimmtes Territorium auf diesem Planeten beschränkt.

Das Vertrauen in die demokratischen Fähigkeiten der Bürger in Deutschland ist beim Juristen Maas offenbar sehr schwach ausgeprägt. :daumen-runter:

Caviteño
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Für mich stellt sich die praktische Frage: Was geschieht eigentlich, wenn das soziale Netzwerk seine Server bzw. seine Verwaltung nicht mehr in D. betreibt und sich einen Dreck um Berichtspflicht usw. schert?

Wird es dann gesperrt? Ist das der erste Schritt zu einer Internet-Zensur?

Raphael

Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Raphael »

Caviteño hat geschrieben:
Samstag 18. März 2017, 10:51
Für mich stellt sich die praktische Frage: Was geschieht eigentlich, wenn das soziale Netzwerk seine Server bzw. seine Verwaltung nicht mehr in D. betreibt und sich einen Dreck um Berichtspflicht usw. schert?

Wird es dann gesperrt? Ist das der erste Schritt zu einer Internet-Zensur?
Möglicherweise so wie Erdogan das vorgemacht hat! :anton:

Es wurde berichtet, daß er während des Putsches und kurz danach mißliebige Internet-Seiten wie bspw. Facebook hat sperren lassen. Wie das im Einzelnen technisch abläuft, weiß ich auch nicht, aber China kriegt doch Ähnliches hin. :unbeteiligttu:

[zynisch]Von Diktaturen lernen heißt siegen lernen![/zynisch]

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overkott
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
Samstag 18. März 2017, 10:59
Caviteño hat geschrieben:
Samstag 18. März 2017, 10:51
Für mich stellt sich die praktische Frage: Was geschieht eigentlich, wenn das soziale Netzwerk seine Server bzw. seine Verwaltung nicht mehr in D. betreibt und sich einen Dreck um Berichtspflicht usw. schert?

Wird es dann gesperrt? Ist das der erste Schritt zu einer Internet-Zensur?
Möglicherweise so wie Erdogan das vorgemacht hat! :anton:

Es wurde berichtet, daß er während des Putsches und kurz danach mißliebige Internet-Seiten wie bspw. Facebook hat sperren lassen. Wie das im Einzelnen technisch abläuft, weiß ich auch nicht, aber China kriegt doch Ähnliches hin. :unbeteiligttu:

[zynisch]Von Diktaturen lernen heißt siegen lernen![/zynisch]
Maas macht mobil.

Caviteño
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:
Samstag 18. März 2017, 10:59
Möglicherweise so wie Erdogan das vorgemacht hat! :anton:

Es wurde berichtet, daß er während des Putsches und kurz danach mißliebige Internet-Seiten wie bspw. Facebook hat sperren lassen. Wie das im Einzelnen technisch abläuft, weiß ich auch nicht, aber China kriegt doch Ähnliches hin. :unbeteiligttu:

[zynisch]Von Diktaturen lernen heißt siegen lernen![/zynisch]
Klar, das ist technisch möglich. Man kann von China oder Nordkorea viel lernen, wenn man will.

Aber noch gilt Art. 5 GG, d.h. man kann sich aus "allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten." Den Fall Erdogan und Staatsstreich kann man mE - losgelöst von der technischen Möglichkeit - auch nicht heranziehen, denn die Sperre soll ja in Friedenszeiten greifen. Schon im Augenblick hat man offensichtlich Schwierigkeiten, streaming-portale und das ganze darknet zu sperren - egal ob nun aus Urheberrechtsgründen oder weil es rechtlich (wahrscheinlich nicht technisch) nicht machbar ist.
Im übrigen auch ein Gesichtspunkt i.S. Verhältnismäßigkeit: Waffenverkäufe und andere unschöne Geschäfte im darknet werden nicht verfolgt, weil es schwierig ist. Das verspätete oder unterbliebene Löschen von sog. "Hasskommentaren" soll mit einer Buße von bis zu 50 Millionen € belegt werden..... Wie sieht es da mit dem Schutz derjenigen aus, die schon länger hier leben?

Aber egal: Nachdenklich hat mich heute ein Leserbrief gestimmt. Der Verfasser ging davon aus, daß facebook & Co wohl gegen eine solche Regelung klagen würden und schloß (sinngemäß) mit der Feststellung: Ich habe mir vor vier Jahren auch nicht träumen lassen, das google, facebook & Co sich für meine Freiheitsrechte an das BVerfG wenden müssen.
Dem muß nichts mehr hinzugefügt werden, zeigt die Bemerkung doch, wo D. nach (fast) zwölf Jahren unter Merkel angekommen ist.

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Caviteño »

Die Zensur ist wieder da

Nicolaus Fest untersucht das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und kommt zu überraschenden Erkenntnissen.

Bemerkenswert ist, daß nur bestimmte Straftatbestände, die mutmaßlich vorliegen könnten, zu einer Löschungspflicht der privaten Unternehmen führen sollen. Nicht dazu gehört z.B. die Verbreitung kinderpornographischen Materials. Damit hatte Frau von der Leyen ("Zensursula") noch im Wahlkampf 2009 für die Einschränkung und Kontrolle des Internets geworben und der Piratenpartei einen unerwarteten Zulauf beschert. Die Verbreitung kinderpornographischen Materials ist also weniger schutzwürdig als sog. "hate speech", die sich auf unbestimmte Rechtsbegriffe beschränken soll.

Weiterhin soll nur gelöscht werden, ein Strafantrag ist nicht vorgesehen. Das zeigt den Ziel des Gesetzes: Einschüchterung - eine Vermutung, die sich auch bei der Höhe des Bußgeldes zeigt. Hier sind - m.W. nach einmalig im deutschen Recht - Bußgelder bis zu Fünzig (50) Millionen Euro möglich.

Man sollte den verlinkten Artikel unbedingt lesen und kann nur hoffen, daß das Gesetz nicht bis zur BTW verabschiedet wird und die Bürger mit dem Stimmzettel noch die Möglichkeit zur Korrektur haben.

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Sempre
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Sempre »

Außer der Reihe zur US-amerikanischen Medienlandschaft vor dreizehn Jahren:

George W. Bush verhöhnt hunderttausende ermordete Iraker beim Radio and TV Correspondents Dinner, 24.03.2004, und die Medienhuren amüsieren sich:

https://www.youtube.com/v/SYN1ZZ7j2SM
George W. Bush hat geschrieben:[zeigt Fotos] Jene Massenvernichtungswaffen müssen irgendwo sein. — Nein, keine Waffen dort drüben. — Vielleicht hier drunter? — Huch, dieses Foto hätte hier nicht dabei sein sollen. Das ist ein Skull&Bones-Geheimzeichen.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Torsten
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Torsten »

Sempre hat geschrieben:
Mittwoch 29. März 2017, 20:19
George W. Bush verhöhnt hunderttausende ermordete Iraker beim Radio and TV Correspondents Dinner,
Er verhöhnt nicht, er zeigt sich geistig behindert. Und die, die "ihm" folgten?

Nicht alles lässt sich so entschuldigen. Und irgendwas androhen bringt auch nichts.

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Torsten
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Torsten »

"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot." Das andere aber ist dem gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst."
In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Das, was man eigentlich nur als menschlich verkommensten, verbrecherischsten und abscheulichsten Abschaum bezeichnen kann, so von Investmentbanker an der Wallstreet über die belgische bis zur saudischen Königsfamilie, unter Vernachlässigung der X-hundert Millionen Toten, die andere gekrönte Häupter zu verantworten haben. Auch die soll man nun lieben, wie man sich selbst liebt.

Ihr Denken und Tun, ihre Vorstellung von der Welt, von anderen Menschen, nichts davon wird die Liebe überleben, die ich Gott entgegenbringe. Wenn ich sie ihm entgegenbringe.

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Torsten »

Wessen Denken und Tun der Tod ist, der ist tot.

In Ewigkeit.

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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Sempre »

Torsten hat geschrieben:
Mittwoch 29. März 2017, 21:47
Sempre hat geschrieben:
Mittwoch 29. März 2017, 20:19
George W. Bush verhöhnt hunderttausende ermordete Iraker beim Radio and TV Correspondents Dinner,
Er verhöhnt nicht, er zeigt sich geistig behindert.
Der Verbrecher macht sich offensichtlich über seine eigenen Schandtaten lustig. Die Medienmeute lacht und applaudiert. Aber im Kreuzgang findet sich doch noch jemand, der ihn als Opfer ("geistig Behinderter") entschuldigt.

Nein. Geistige Behinderung geht anders. Das hier ist Boshaftigkeit.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Torsten
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Re: Situation der deutschen Medienlandschaft

Beitrag von Torsten »

Sempre hat geschrieben:
Mittwoch 29. März 2017, 22:06
Nein. Geistige Behinderung geht anders. Das hier ist Boshaftigkeit.
Es ist Schwäche. Die wirkliche Boshaftigkeit liegt - wie anderes auch - außerhalb menschlicher Vernunft, und zeigt sich mit aller Macht unterlegen in ihrem Überlebenskampf. Das Leid, das Elend, der Tod, von der Lüge gebracht, und zwar sprichwörtlich mit den Lügen, mit denen u.a. Kriege begründet werden, das alles wächst nie auf dem Mist eines einzelnen Menschen, so sehr er auch dämonisiert und verteufelt wird. Von Menschen.

An die persönliche Verantwortung zu erinnern ist aber auch kein Fehler, da hast du mehr als recht.

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