Galileo Galilei, die x-te

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Erich
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Die Sache mit Galileo

Beitrag von Erich »

Gerade dieses Beispiel illustriert doch hervorragend, wie die Kirche Fakten geleugnet hat oder doch zumindest neue Erkenntnisse nicht mal in Betracht ziehen wollte, weil sie befürchtete, Jesus und Gott und die christliche Lehre werden dadurch überflüssig

*Walter Krämer und Götz Trenkler,*
*Lexikon der populären Irrtümer. *


Pieper IB 2446 Leseprobe

Galilei

*Galileo Galilei war ein Opfer der katholischen Kirche*
*(s.a. ,,Und sie bewegt sich doch!)*

Wenn man Historikern wie Gerhard Prause glauben darf, war der große Galileo Galihe (1564-1542) durchaus nicht das unglückliche Opfer der katholischen Kirche, als das ihn die nachfolgenden Jahrhunderte bis heute gerne sehen. Sein berühmtes Scharmützel mit der lnquisition ist aus heutiger Sicht wohl eher als Spiegelfechterei zu werten, und der Mantel des Märtyrers, der ihm von seinen Jüngern umgeworfen wurde, paßt dem guten Galilei hinten und vorn nicht.

Anders als der unglückliche, nur wenige Jahrzehnte vorher auf dem Scheiterhaufen verbrannte Giordano Bruno befand sich Galilei zeit seines Lebens mit den Mächtigen in Staat und Kirche in durchaus gutem Einvernehmen. Auch wenn er von letzterer, wie Papst Johannes Paul 11.1979 formulierte, ,,viel zu leiden" hatte: Galileis größte Feinde waren seine weltlichen Kollegen, die Professoren auf den Universitätskathedern, nicht die Mönche auf den Kirchenkanzeln. Vor allem aus Angst vor dem Spott der anderen Physikprofessoren, nicht aus Angst vor der Kirche, wagte Galilei erst als über 50 jähriger öffentlich für die Lehren des Kopernikus zu werben; als er die Monde des Jupiter entdeckte, lehnten es die Physikerkollegen ab, zum Beweis durch Galileis Teleskop zu sehen - nach dem Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, erschienen Experimente und Naturbeobachtungen den meisten Gelehrten des frühen 17. Jahrhunderts reichlich überflüssig.

Die Kirche dagegen behandelte den unkonventionellen Physikprofessor aus der Toskana mit bemerkenswerter Toleranz; er wurde vom Papst zur Audienz empfangen, von den Jesuiten sogar für seine wissenschaftlichen Verdienste ausgezeichnet, und anders als die weltlichen Gelehrten ließen sich die Jesuiten auch durch Fakten (nämlich durch die Monde des Jupiters) überzeugen, daß das ptolemäische Weltbild wissenschaftlich nicht zu halten war.

Erst als Galilei nicht nur das ptolemäische Weltbild als falsch, sondern darüber hinaus sein eigenes als das einzig richtige bezeichnete (was nicht stimmt, wie wir spätestens seit Einstein wissen), wurde diese Toleranz der Kirche ernsthaft auf die Probe gestellt. Denn als Arbeitshypothese hätte man Galileis Thesen durchaus gelten lassen, aber als endgültige Wahrheit nicht Hier sah die Kirche ihren Monopolanspruch verletzt, und als Galilei trotz Abmahnung immer dezidierter von dem System des Kopernikus als einer ,,bewiesenen Wahrheit" sprach, den Beweis aber nicht beibringen konnte (was auch gar nicht geht, denn wissenschaftliche Theorien lassen sich nur widerlegen, aber nicht beweisen), reagierte die Kirche auch ihrerseits recht überzogen mit einem Dekret, das die Lehre von der Bewegung der Erde für ,,falsch und in allen Punkten der Heiligen Lehre widersprechend" erklärte.
Persönlich wurde Galilei jedoch nicht belangt. Weder wurden seine Bücher verboten noch seine guten Beziehungen zu den Mächtigen ernsthaft angegriffen. Hätte er hinfort von seinen Thesen als Theorien und nicht letzten Wahrheiten gesprochen, wäre es wohl nie zu der berühmten Vorladung vor die lnquisition nach Rom gekommen.
Diese Vorladung erging aufgrund eines neuen Buches, in dem Galilei weiter und allen Abmahungen zum Trotz von absoluter Wahrheit sprach. Sie wurde im Oktober 1632 zugestellt, wegen Krankheit Galileis aber aufgeschoben, erst im Februar 1633 reiste Galilei dann nach Rom.
Dort wohnte er zunächst als Gast des florentinischen Botschafters in der Villa Medici, dann während des eigentlichen lnqusitionsverfahrens vom 12. April bis 22. Juni 1633, in einem Drei-Zimmer-Apartment im Vatikan, mit Diener und Blick auf den Garten. Er wurde weder eingekerkert noch gefoltert.
Wie vielen genialen Menschen war es auch Galilei immer schwergefallen, seine weniger begabten Zeitgenossen ernst zu nehmen. Auch in seinem lnqusitionsverfahren ging er wohl davon aus, nach Klarstellung einiger strittiger Passagen, welche die dummen Kardinäle nicht verstehen würden, nach Hause geschickt zu werden.
Erst als die gar nicht so dummen lnqusitoren durch keine wissenschaftliche Argumente davon abzubringen waren, daß Galilei verbotenerweise und falsch von absoluten Wahrheiten geschrieben habe, geriet Galilei in Panik; vielleicht dachte er dabei an Giordano Bruno, vielleicht wollte er nur seine Ruhe haben - wie auch immer: Unaufgefordert und ohne Druck von außen stritt er seine Lehren en bbc einfach ab. Das Urteil lautete auf Ungehorsam. Die Strafe waren sieben Bußpsalmen jede Woche für drei Jahre, plus eine Kerkerstrafe, die Galilei aber niemals anzutreten brauchte. Nach dem Verfahren lebte er als Gast beim Großherzog der Toskana, dann beim Erzbischof von Siena, dann als Staatsrentner in dem kleinen Dorf Arcetri, wo er unbelästigt seine Forschungen weiterführte und 1642 starb.

[Es folgen im Buch 6 Zeilen Literaturnachweise.]
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

So isses. Das umstrittene Werk von Galileo hatte ja auch zunächst die kirchliche Druckerlaubnis. Erst durch eine gezielte Kampagne gegen ihn wurde der Papst unsicher und es kam zu der unglückseligen Auseinandersetzung.

Ehrlich gesagt - das ist eine Kamelle, die so alt ist ...im Keller hört mandas dumpfe Geräusch der Bartaufwickelmaschine, gähn)
Für die Sichtweise ist es nicht nützlich, seine Meinung an Ereignissen zu bilden, die längst Geschichte sind; dadurch verliert man leicht aus dem Auge, dass sich die Welt inzwischen weitergedreht hat ...

Geronimo

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Wie gut, daß man sich zu manchen Themen hin und wieder selber zitieren kann. Das folgende ist aus einem Forum, das es inzwischen nicht mehr gibt. Es gab da in dem Moment das gleichlautende Thema. Vielleicht gibt dieser Text dem einen oder anderen noch etwas. Robert hatte da auch etwas in petto auf seiner Seite.
Mein Alter Ego hat geschrieben:Die Kirche stritt (nicht nur im Mittelalter) alles ab, das irgendwie nach Heidentum aussah. Im Kampf oder sogar in der Furcht vor heidnischen Umtrieben ist vor allem anderen der Grund für die ablehnende Haltung z.B. gegen das kopernikanische Weltbild zu suchen. Der Heliozentrismus der Humanisten hatte nämlich durchaus den einen oder anderen "okkulten" Hintergrund. Es ist eine normale religiöse Vorstellung, wenn man angesichts der Zustände in der Welt annimmt, daß unsere Sphäre des Lebens zwar von der Sünde heimgesucht wird, aber irgendwo "da droben" die *wahre Welt* existiert. Nun, im 16./17. Jh. wurde mit der beginnenden Säkularisierung auch gleich ein Symbol für dieses "wahre Sein" eingeführt: die Sonne. Sowohl Kepler als auch Kopernikus nannten die Sonne als den Ort, an dem der "Weltintellekt" beheimatet ist (s. z.B. in L.M. Kosarevas Werk "Die Kopernikanische Revolution"). Der Heliozentrismus der Humanitarier hatte als Grundlage durchaus auch die Begeisterung am Neoheidentum. Das "Himmlische Feuer" setzten sie ins Zentrum der Schöpfung. Giordano Bruno war überzeugt davon, daß die einzig wahre Religion die des alten Ägypten ist, wie sie in den Traktaten des Hermes Trismegistos überliefert war (s. z.B. ebd.). DAS war der vorwiegende Grund für das Nein der Kirche, nicht das angebliche Nichtübereinstimmen christlicher Dogmen mit der "wissenschaftlichen Realität". Und eben das Interesse dissidententischer Intelligenz am kopernikanischen Weltbild, und besonders philosophische Spekulationen auf der Grundlage dieses Weltbildes bewegten den Vatikan ein halbes Jahrhundert nach Erscheinen der Werke des Kopernikus, diese auf den Index verbotener Schriften zu setzen.

Was die Protestanten angeht, so mag deren ablehnende Haltung auch darin begründet liegen, daß sie in diesem Weltbild ein Beispiel für inhaltslose Spekulationen sah (...) Die katholische Kirche hat sich anfangs sogar viel herablassender zu Kopernikus verhalten als die Protestanten...

Mit Galilei sieht die Sache ein wenig anders, komplizierter aus. In seinem Konzept gab es nichts direkt heidnisches. Er hatte auch nicht vor, in Disput mit der Glaubenslehre zu geraten. "Die Bibel lehrt uns, wie wir in den Himmel gelangen, und nicht, wie dieser beschaffen ist", ist eine seiner recht oft zitierten Aussagen zu seinen Ansichten. Nach jüngsten Forschungen in dieser Sache war das "Vergehen" des Galilei nicht seine Postulation des Heliozentrismus, sondern die "eucharistische Häresie"...:
Die Inquisition bekam eine Klage gegen Galilei, in der dieser des Atomismus bezichtigt wurde. Eine Sache, die unter heutigen Umständen harmlos ist, konnte in der damaligen Zeit durchaus traurig enden.

Im Atomismus wird angenommen, daß es "unteilbare", atomare Grundlagen für alle Stoffe gibt. Keine Qualität kann folglich kleiner "geschrumpft" werden als auf ihr atomares, kleinstes Volumen. Dieses Volumen ist aber noch größer Null, ergo gibt es für jedes Element Grenzwerte, deren Unterschreitung zu seiner Zerstörung bzw. seinem Verschwinden führt. Die kleinsten sind die Teilchen der "Urstoffe". Entsprechend größer müssen folglich die Teilchen komplizierterer Stoffe sein. Also kann ein komplizierter Organismus nicht zu einem endlos kleinen Raum zusammengeschrumpft werden. Als Beispiel diene der Mensch: da er ein "Mikrokosmos" aus allen vier Urelementen ist, kann er nicht auf ein Minimum an Raum verkleinert werden.

Dieser Gedankengang ist durchaus klar, leider befand er sich aber im heftigen Widerspruch zum gerade stattgefundenen Konzil von Trient (1545-1563). Eines der Anliegen dieses Anti-Reformations-Konzils war die Formulierung eines solchen Verständnisses von der Eucharistie, das klare Grenzen zu der protestantischen Anschauungen aufzeigt. Für die Protestanten war das "symbolische" Verständnis des wichtigsten christlichen Sakraments schon gängig: Eucharistie und Liturgie sind lediglich eine Erinnerung an das Abendmahl Christi und seiner Jünger, in Wahrheit wird das Brot nicht zum Leib und der Wein nicht zum Blut Christi. Als Gegengewicht dazu stellte die röm.-kath. Kirche das Dogma der "Transsubstantiation" auf. Das Brot behält alle äußeren Attribute des Brots, wird der Sache nach aber ... zu Fleisch. (Das zu bewerten gehörte aber nicht hierher.)

Schon das Konzil von Florenz (1439) erklärte in der Bulle "Exultate Deo" folgendes: "Der Stoff des Brotes verwandelt sich in den Leib Christi und der Stoff des Weines ins Blut Christi, allerdings so, daß der gesamte Christus in Gestalt des Brotes und der ganze in Gestalt des Weines enthalten ist". Natürlich konnte keine Rede davon sein, daß man irgend ein Stück eines Körperteils Christi bei der Eucharistie zu sich nimmt. Egal wie klein die Oblate ist - sie ist der ganze Christus. Jeder kleine Krümel enthält dieselbe Fülle der Gaben, wie auch jeder beliebige andere größere Teil. Das verlangt natürlich nach einem ganz bestimmten physikalischen Modell: und das vom Konzil von Trient angebotene Modell nimmt an, daß Raum ein äußeres Kirterium im Verhältnis zu jedem Ding ist, und deswegen ist es möglich (theoretisch, und praktisch in der Eucharistie), daß jeder beliebige Gegenstand jede beliebige Menge Raum einnehmen kann. Das bedeutet die Möglichkeit der Existenz auch kompliziertester Strukturen selbst im kleinsten Punkt im Raum...

Da der Raum nicht das Wesen der Dinge ausmacht, kann auch ein beliebiger Körper beliebig verkleinert werden, ohne sein Wesen zu verlieren - was in der Eucharistie stattfindet. In der Interpretation des Konzils von Trient ist die Kommunion also sowas wie das Aufnehmen von "Milchpulver", konsevierter Leib Christi, reine Materie ohne räumliche Ausdehnung.


Und DAS ist offenbar unvereinbar mit dem Atomismus, der davon ausgeht, daß die Atome einfach sind, und nicht kompliziert, daß ein kompliziertes Ding nicht (nur) einen minimalen Raum einnehmen kann... und genau hier wurde die Anklage gegen Galilei erhoben. Sein Atomismus war eine "eucharistische Häresie". Und nach den Gesetzen der damaligen Zeit war das schlimm genug, um hingerichtet zu werden. FOLGLICH hat die Inquisition, die nicht Galileis Atomismus, sondern sein kopernikanisches Weltbild zum Gegenstand des Prozesses gegen ihn machte, ihn eigentlich GERETTET.

Diese Taktik kannten die römischen Gesetzestreuen natürlich schon lange. Schon Tertullian berichtet von Fällen, in denen Prokonsuln Christen von einer Strafe befreiten, nachdem sie angeschwärzt wurden. Um aber nicht das Procedere zu verletzen, wendeten sie verschiedene Kunstgriffe an: der Herrscher Prudens z.B. baute in den Prozess gegen einen angeklagten Christen die Anschuldigung der Hehlerei ein (darin wurde er aber von niemandem angeklagt). Als es keine Zeugen dafür gab, wurde er einfach entlassen.

Der zeitgenössische französische Galilei-Forscher Pietro Redondi zeigt durchaus überzeugend (z.B. in seinem Werk "Galilei, der Ketzer"), daß die öffentliche Anklage gegen Galilei wegen der "Häresie des Kopernikanismus" die ideologisch viel schwierigere Konzeption des Atomismus maskierte. So wurde Galilei in der Tat vor einer viel schwerwiegenderen Anschuldigung bewahrt - nämlich davor, daß er das Dogma über die Eucharistie unterminierte.

Als Resultat der Untersuchungen faßte das grausame Gericht der Inquisition folgendes Urteil über Galilei: er mußte zwei Monate im Haus des Erzbischofs von Florenz verbringen (das sich außerhalb der Stadt befand und mit dessen Besitzer, dem Erzbischof, er übrigens befreundet war), und mußte jeden Tag 7 (in Worten: sieben) Reuepsalmen lesen. Unter "Inquisition" stellt man sich gemeinhin etwas anderes vor.

NIETENOLAF (sich noch einmal hier umschauend).

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Clown
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Beitrag von Clown »

Trotzdem ist und bleibt es Unrecht.

Denn Recht muss Recht bleiben auch wenn es nur um 7 Bußpsalme geht. Ehrlich gesagt widert mich dieses Relativieren der Schuld der Inquisition bzw. der Kirche an.
Wer sich nicht bewegt, spürt seine Ketten nicht.

LaChatte
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Beitrag von LaChatte »

Und das Dümmste an der Sache ist, dass sich auch die Atomismus-Lehre mit der Lehre der Eucharistie perfekt verträgt - wenn man beachtet, dass "Materie" und "Heiliger Geist" schlicht nicht in der gleichen Dimension stattfinden... Und die Materie ist nun einfach mal nicht perfekt (das wussten Kirchenmenschen damals aber sicher auch schon), der Heilige Geist aber schon.

Also, das Problem ist: ein Stück Brot/Hostie kann man nicht unbegrenzt teilen, irgendwann wird es seine Eigenschaft "Brot" verlieren und etwas anderes werden. Unsere heutigen Erkenntnisse bzgl. Kernspaltung geben dieser Auffassung ja recht.

Daraus aber abzuleiten, dass dann dieses geweihte Stück Materie seine Eigenschaft "Heiliger Geist" verlieren muss, ist ein Fehlschluss...

Das kann man anhand einer Übertragung auf ein zwei/dreidimensionales Modell darstellen. Gegeben sei in einer zweidimensionalen Welt, von der die Bewohner nur zwei Dimensionen wahrnehmen, eine Fläche, die als "Hostie" definiert und geweiht sei. Die Eigenschaft "Heiliger Geist" werde dargestellt als ein Stab, der von der gesamten Fläche aus in der dritten Dimension senkrecht nach oben und unten geht, eine unendliche Säule. Wenn wir die Hostie teilen - verkleinern - so teilt sich die Säule "Heiliger Geist" natürlich mit, und bleibt - da unendlich - in seiner Eigenschaft aber immer gleich. Mathematisch ist es nun auch möglich, einen einzigen Punkt auszuwählen - mathematische Punkte haben bekanntlich keine Ausdehnung - und senkrecht zu diesem Punkt auf der zweidimensionalen Fläche können wir immer noch diese - zur Geraden verdünnte - Säule finden. Leider hat nun die praktische zweidimensionale Welt die Eigenschaft, dass in ihr keine mathematischen Punkte existieren, sondern nur sehr kleine Punkte, die aber immer noch einen gewissen Umfang und Radius haben - bei weiterem "Schrumpfen" löst sich das Ganze auf und wird "etwas anderes". Dennoch wird immer noch jedes neue Teilchen dieses aufgelösten Ganzen immer noch fähig sein, den Heiligen Geist zu tragen...

Und "das Wesen der Dinge" befindet sich auch nicht auf der gleichen Dimension wie "Raum" - also kann nicht aus dem Verschwinden einer Raumstruktur auf das Verschwinden einer Wesensstruktur geschlossen werden. Die Form im Raum ist eine mögliche Manifestation einer Wesensstruktur - aber das Wesen kann auch existieren, ohne sich im Raum zu befinden, umgekehrt braucht aber alles im Raum manifestierte ein Wesen (eine Vorlage, eine Idee, eine Form) in höheren Dimensionen.

Meiner Meinung nach wurde der arme Galilei zu Unrecht verurteilt... und ja, Unrecht bleibt es. Und auch wenn der Galilei nicht so schlecht davon kam, wie ich dachte (danke für den interessanten Text, Olaf :) ), so wurden doch genug Leute gequält und getötet, dass diese Ausnahme nicht die ganze Inqusisition rechtfertigt..
Alles ist erlaubt (Paulus)

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

LaChatte hat geschrieben:Meiner Meinung nach wurde der arme Galilei zu Unrecht verurteilt... und ja, Unrecht bleibt es. Und auch wenn der Galilei nicht so schlecht davon kam, wie ich dachte (danke für den interessanten Text, Olaf :) ), so wurden doch genug Leute gequält und getötet, dass diese Ausnahme nicht die ganze Inqusisition rechtfertigt..
Schon damals galt wahrscheinlich, wie heute auch, daß man eine größere Chance hat, mild behandelt zu werden, wenn man prominent ist.

Galilei war eine berühmte Persönlichkeit, er war befreundet mit den mächtigen Medici und anderen aus der damaligen italienischen High Society, mit denen es sich der Vatikan nicht verderben wollte.

Wäre er wie Kopernikus nur ein einfacher Domherr von der fernen Ostsee gewesen, wäre man sicher weniger zimperlich gewesen, wie viele andere Beispiele zeigen.

Kopernikus hat sich ja auch deshalb nicht getraut, zu Lebzeiten zu seinem Weltbild zu stehen.

Werner

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Clown hat geschrieben:Trotzdem ist und bleibt es Unrecht.

Denn Recht muss Recht bleiben auch wenn es nur um 7 Bußpsalme geht. Ehrlich gesagt widert mich dieses Relativieren der Schuld der Inquisition bzw. der Kirche an.
Keiner relativiert die Inquisition, Clown. Ich kann aber nicht sehen, was ich heutzutage dagegen tun könnte, dass das Blut all der unschuldigen vergossen wurde (nicht nur in der katholischen, sondern auch in der evangelischen Kirche). Wenn dies dazu herangezogen wird, um Kirchenschelte zu betreiben, hab ich was dagegen - denn das demütigt die Opfer ein zweitesmal, weil es ihnen nicht gerecht wird. Dann sind sie nur billiges Opfer, das hervorgezerrt wird, um die eigene Abneigung gegen die Kirche zu untermauern.
Gerecht werden wir ihnen damit nicht.

Geronimo

anselm
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Beitrag von anselm »

Geronimo hat geschrieben:
Clown hat geschrieben:Trotzdem ist und bleibt es Unrecht.

Denn Recht muss Recht bleiben auch wenn es nur um 7 Bußpsalme geht. Ehrlich gesagt widert mich dieses Relativieren der Schuld der Inquisition bzw. der Kirche an.
Keiner relativiert die Inquisition, Clown. Ich kann aber nicht sehen, was ich heutzutage dagegen tun könnte, dass das Blut all der unschuldigen vergossen wurde (nicht nur in der katholischen, sondern auch in der evangelischen Kirche). Wenn dies dazu herangezogen wird, um Kirchenschelte zu betreiben, hab ich was dagegen - denn das demütigt die Opfer ein zweitesmal, weil es ihnen nicht gerecht wird. Dann sind sie nur billiges Opfer, das hervorgezerrt wird, um die eigene Abneigung gegen die Kirche zu untermauern.
Gerecht werden wir ihnen damit nicht.

Geronimo
Im Prinzip Einverstanden. Aber: es könnte ja doch sein, dass es bei den einzelnen Fällen (wie Galilei) um Dinge geht, die in der Struktur der Kirche liegen. Und genau das scheint mir auch der FAll zu sein. Die Kirche (jedenfalls die katholische) hat ihre dogmatisch-autoritäre Struktur so weit ich sehen kann kaum geändert. Aber sie hat nur noch wenig weltliche Macht. Daher, und nicht etwa weil die Kirche jetzt ganz anders wäre, kommt es zu solchen Fällen nicht mehr.

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

anselm hat geschrieben:Im Prinzip Einverstanden. Aber: es könnte ja doch sein, dass es bei den einzelnen Fällen (wie Galilei) um Dinge geht, die in der Struktur der Kirche liegen. Und genau das scheint mir auch der FAll zu sein. Die Kirche (jedenfalls die katholische) hat ihre dogmatisch-autoritäre Struktur so weit ich sehen kann kaum geändert. Aber sie hat nur noch wenig weltliche Macht. Daher, und nicht etwa weil die Kirche jetzt ganz anders wäre, kommt es zu solchen Fällen nicht mehr.
Ohne im konkreten Fall etwas sagen zu wollen: ob es Dir bewusst ist oder nicht, Du kritisierst nicht die Kirche, sondern den Mensch als soziales Wesen. Oder glaubst Du wirklich, unser derzeit herrschendes Gesellschaftssystem würde prinzipiell anders handeln? Wir tun ja in vielen Weltgegenden nichts anderes als unsere Prinzipien absolut zu vertreten, bis hin zu (Stellvertreter-)Kriegen.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

LaChatte
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Beitrag von LaChatte »

Aber es gibt ja doch bessere und schlechtere Möglichkeiten - und die westliche Gesellschaft ist sich grundsätzlich darüber einig, dass Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Gleichberechtigung sinnvoll für ein friedliches Zusammenleben und anzustreben sind. Und zwei dieser Werte, Demokratie und Gleichberechtigung, findet man nun mal nicht in der katholischen Kirche, obwohl viele Menschen sich dies schon lange wünschen.
Alles ist erlaubt (Paulus)

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

LaChatte hat geschrieben:Aber es gibt ja doch bessere und schlechtere Möglichkeiten - und die westliche Gesellschaft ist sich grundsätzlich darüber einig, dass Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Gleichberechtigung sinnvoll für ein friedliches Zusammenleben und anzustreben sind. Und zwei dieser Werte, Demokratie und Gleichberechtigung, findet man nun mal nicht in der katholischen Kirche, obwohl viele Menschen sich dies schon lange wünschen.
Danke für dieses schöne Example.

"... die westliche Gesellschaft ist sich grundsätzlich darüber einig, dass Werte wie ..."

Ganz recht. Und einst war sich die christliche Gesellschaft grundsätzlich darüber einig, dass Werte wie ...

Du verstehst?
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Clown
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Beitrag von Clown »

Keiner relativiert die Inquisition, Clown. Ich kann aber nicht sehen, was ich heutzutage dagegen tun könnte, dass das Blut all der unschuldigen vergossen wurde (nicht nur in der katholischen, sondern auch in der evangelischen Kirche). Wenn dies dazu herangezogen wird, um Kirchenschelte zu betreiben, hab ich was dagegen - denn das demütigt die Opfer ein zweitesmal, weil es ihnen nicht gerecht wird. Dann sind sie nur billiges Opfer, das hervorgezerrt wird, um die eigene Abneigung gegen die Kirche zu untermauern.
Gerecht werden wir ihnen damit nicht.

Natürlich erwarte ich nicht, dass alle Katholiken in Sack und Asche gehen, weil die KK vor 400 Jahren Mist gebaut hat. Wenn ich so denken würde könnte ich als Deutscher nicht mehr aufrecht gehen. Ich erwarte lediglich, dass die KK ihre Opfer ehrt (Was sie ja durch die Erklärung des Papstes angefangen hat) und ihre Schuld nicht nachträglich relativiert.
Dass man mit der Inquisiton die Kirche von heute angreifen kann ist falsch. Das könnte man nur wenn die Kirche von vor 400 Jahren die selbe wäre wie heute. Dies sehe ich jedoch nicht.
Wer sich nicht bewegt, spürt seine Ketten nicht.

anselm
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Beitrag von anselm »

Erich Dumfarth hat geschrieben: Ohne im konkreten Fall etwas sagen zu wollen: ob es Dir bewusst ist oder nicht, Du kritisierst nicht die Kirche, sondern den Mensch als soziales Wesen. Oder glaubst Du wirklich, unser derzeit herrschendes Gesellschaftssystem würde prinzipiell anders handeln? Wir tun ja in vielen Weltgegenden nichts anderes als unsere Prinzipien absolut zu vertreten, bis hin zu (Stellvertreter-)Kriegen.
OK, so kann man das sehen. Ich möchte mich daher etwa korrigieren: das Problem bei der Bekämpfung von potentiellen Irrlehrern oder Abweichlern kann im Prinzip überall vorkommen, wo man davon ausgeht, die absolute Wahrheit schon zu besitzen.

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Erich
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Beitrag von Erich »

Ich möchte mich daher etwa korrigieren: das Problem bei der Bekämpfung von potentiellen Irrlehrern oder Abweichlern kann im Prinzip überall vorkommen, wo man davon ausgeht, die absolute Wahrheit schon zu besitzen.

was geschah eigentlich mit Abweichlern im atheistischen Arbeiter und Bauernstaat??
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Peter
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Beitrag von Peter »

Oder in freidenkerischen Internetforen? (Man muss ja gar nicht so weit gehen. Es reicht, da anzufangen, wo Leute im Besitz der Absoluten Wahrheit (was immer das sein mag) sind.)

Lucia

Beitrag von Lucia »

Erich hat geschrieben:was geschah eigentlich mit Abweichlern im atheistischen Arbeiter und Bauernstaat??
die hatte es nicht zu geben, also gab es sie auch nicht. arbeitslose hatten die ja auch keine.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das Fernrohr des Galiläers

Bemerkungen zur ungebrochenen Popularität eines mittelmäßigen Astronomen

Der Name des Galileo Galilei ruft immer noch Emotionen hervor, obgleich der Mann bald vierhundert Jahre unter der Erde liegt. Gläubige Söhne der Kirche ächzen gequält, sobald die Rede auf die vermeinte Schande ihrer Altvorderen kommt und suchen sich aus der Affaire zu winden, während die Welt ihnen ein ums andere Mal die Schändlichkeit ihres Glaubens vorhält, aufgrund dessen man den großen Galileo, den Märtyrer der Wissenschaft und allen freien Geistes, verurteilt habe.

Kürzlich habe die schändliche Kirche Galilei sogar rehabilitieren und damit ihr Versagen anerkennen müssen: was ihr man natürlich nicht positiv anrechnet, sondern als Bestätigung der eigenen Position wertet, gleichsam als Eingeständnis der Menschenfeindlichkeit und Schädlichkeit des Glaubens und der Kirche durch diese selbst. Seltsame Debatten kann man da beobachten, wenn die scheinbar bloßgestellten Anhänger der Kirche in den Stricken dieser fatalen Konstellation zappeln. Hilfreicher wäre freilich der Blick auf die historischen Fakten. Begeben wir uns darum auf einen kleinen Ausflug zu den Quellen, um zu sehen, »wie es eigentlich gewesen«.

Zunächst ist zu bemerken, daß hier drei Themenkomplexe ineinander verwoben sind. Besser, wir lösen sie voneinander: Der erste nämlich ist der wissenschaftshistorische; der zweite derjenige der kirchlichen Position gegenüber den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen; den dritten endlich, den juristischen, bildet Galileis Prozeß.

Juppiters Satelliten

Beginnen wir mit dem wissenschaftshistorischen Teil. Daß Galilei sich hinsichtlich der naturwissenschaftlichen Welterkenntnis Verdienste erworben hat, ist unbestritten – und war auch immer unbestritten. Nehmen wir als Beispiel seine teleskopische Beobachtung vierer Juppitermonde, die er 161 einigermaßen vollmundig in seinem Sidereus Nuncius verkündete.

Interessant ist hier weniger, wie Galileis Entdeckung von den in striktem Aristotelismus verfangenen Zunftvertretern zurückgewiesen wurde, noch auch der Erfolg, den er damit erntete: nämlich die Berufung des Professors Galilei an die Universität seiner pisanischen Heimat und zugleich zum Hofastronomen des Großherzogs der Toscana. Viel interessanter als dies und höchst lehrreich zu lesen ist vielmehr, wie manch dem heliozentrischen Modell des Copernicus gegenüber aufgeschlossener Gelehrte reagierte; allen voran Kepler, der sich mehrfach aus Prag zu Wort meldete, zuerst in einem Brief vom 19. April 161 an Galilei.

Kepler verteidigte den Kollegen zunächst gegen jene Angriffe der Aristoteliker und gab seiner Hoffnung Ausdruck, »me hac epistola id tibi profuturum, si eam censueris ostendendam, ut contra morosos novitatum censores, quibus incredibile quicquid incognitum, profanum et nefandum quicquid ultra consuetas Aristotelicae angustiae metas, uno proaspiste sis processurus instructior – daß ich dir durch diesen Brief nützen werde, falls du dafürhältst, ihn vorzuzeigen, damit du gegen die trägen Zensoren der Neuigkeiten – denen unglaubwürdig ist, was immer unbekannt, und unheilig und gottlos, was immer die gewohnten Maße aristotelischer Enge überschreitet – durch einen schirmenden Schild besser gerüstet fortschreiten kannst«.

Doch was für ein Brief war das! Kepler fachsimpelt freundschaftlich-plaudernd über seine Erfahrungen mit dem Fernrohr, wolle aber auf seine eigenen, sechs Jahre zuvor erschienenen Bücher zur Optik – die auch bereits davon gehandelt hatten – nicht weiter eingehen (»mea Optica ante annos sex edita praeteream«). Spätestens hier dürfte Galileis Gesicht sich bei der Lektüre des Schreibens verfinstert haben, hatte er sich doch schon auf dem Titelblatt des Sidereus Nunciusselber als Erfinder des Fernrohrs gepriesen.

Das Fernrohr und seine Erfinder

Kepler erzählt fröhlich weiter, wie bereits Jahre zuvor Giambattista Porta die Theorie des Fernrohrs entwickelt habe (»sed tot iam annis antea proditum a Io. Baptista Porta, Magiae Naturalis libro XVII, cap. X, De crystallinae lentis affectibus«); ferner könne man Fernrohre seit einiger Zeit aus Holland beziehen (»nuper a Belgis prodiit«). Galilei muß förmlich geschäumt haben: um so mehr, als Kepler all das ausdrücklich nicht etwa dem in Padua weilenden Kollegen vorwarf, sondern als Argumente gegen die zweifelnden Aristoteliker anführte, die nicht glauben mochten, daß optische Instrumente den von Galilei beschriebenen Effekt haben konnten.

Daß die Fachwelt sehr wohl verstand, wie hier auf feinsinnige Weise ein Großmaul entblößt wurde, zeigen andere Äußerungen von Zeitgenossen: So schrieb am 16. April 161 Georg Fugger, der kaiserliche Gesandte zu Venedig, an Kepler, Galileis Werk sei nach dem Urteil vieler in der Astronomie versierter Gelehrter eine dürftig bemäntelte Abhandlung bar jedes philosophischen Fundaments, die er dem Kaiser nicht zu schicken gewagt habe. Galilei sei einer, der sich mit hier oder da gesammelten fremden Federn schmücke, wie der Rabe aus Æsops Fabel. Dazu verweist Fugger auf Galileis angebliche Erfindung des Fernrohrs, das in den Niederlanden und in Frankreich längst auf dem Markt sei (»Ad Galilaei Nuncium Aethereum quod attinet, dudum ad manus meas devenit: et quia multis, in studio matheseos versatis, discursus aridus seu absque fundamentis philosophicis palliata ostentatio videtur, ad Sac. Caes. Maiestat. mittere ausus non fui. Novit et solet homo ille aliorum pennis hinc inde collectis, uti corvus apud Aesopum, se decorare; quemadmodum et artificiosi illius perspicilli inventor haberi vult, cum tamen quidam Belga, per Galliam in hasce partes profectus, primum huc attulerit, quod ipsum mihi et aliis ostensum fuit, et ut Galilaeus vidit, alia ad imitationem confecit, atque aliquid forsan, quod facile est, inventis addidit«).

Nachdem Fugger Keplers Schreiben an Galilei gelesen hat, meint er in seiner Antwort an Kepler, Galilei werde daraus leicht einsehen, daß ihm von Kepler die Maske vom Gesicht gerissen worden sei (»Dissertationem in Galilaei Nuncium perlegi, ex quo is, si vult, larvam sibi detractam facile deprehendet«).

Den Pfau gerupft

Ganz im selben Sinne äußerte sich auch Keplers Lehrer Michael Mästlin aus Tübingen: »Egregie sane tu in tuo scripto (cuius exemplar, a te mihi missum, lectu iucundissimum est; pro quo etiam ingentes tibi ago gratias) Galilaeum deplumasti: videlicet, quod non ipse novi huius perspicilli primus fuerit autor; quod ipse non primus in luna animadverterit impolitam superficiem; quod non primus mundo ostendat plures in caelo stellas, quam quas hactenus in veterum scriptis annotatas – Fürwahr vortrefflich hast du in deiner Schrift (deren Kopie, die du mir übersandt hast, sehr angenehm zu lesen ist; dafür danke ich dir auch ganz gewaltig) den Galilei gerupft [entfedert]: daß nämlich nicht er der erste war, solch ein neues Fernrohr zu bauen; daß er nicht als erster die unebene Oberfläche des Mondes bemerkt hat; daß er nicht als erster der Welt zeigt, daß es am Himmel mehr Sterne gibt, als bisher in der Schriften der Alten notiert sind«.

Man bestreitet dem Galilei also durchaus nicht, etwas entdeckt und geleistet zu haben; neben den Juppitermonden könnte man hier beispielshalber noch die Sonnenflecken und die Venusphasen erwähnen, nicht zuletzt auch seine Fortschritte im Bereich der Mechanik (Fallgesetze), die er jedoch nicht mit seinen astronomischen Anliegen in Verbindung zu bringen vermochte. Angekreidet wurde Galilei aber seine großsprecherische Art, hinter welcher sich um so weniger Substanz verbarg, je lautstärker er sich aufspielte. Galileis klügste Zeitgenossen haben das, wie die zitierten Beispiele zeigen, recht wohl erkannt: Ihnen war Galilei mehr Prahlhans und eitler Pfau denn Wissenschaftler von mehr als gewöhnlichem Rang.

Wo Galileis eigentliches Talent lag, das läßt sich anhand eines andern Werks vortrefflich studieren: Anhand des Saggiatore nämlich, 1623 in italienischer Sprache als Polemik gegen den Astronomen und Jesuitenpater Orazio Grassi verfaßt. Hintergrund war die Beobachtung dreier Kometen im Jahre 1618, über die Grassi aufgrund umfassender Beobachtungen die die Jesuiten-Astronomen berichtet hatte.

Galilei hatte die Kometen selbst nicht gesehen, doch befürchtete er, daß die beschriebenen, mehr oder weniger linearen Bahnen der Kometen mit dem copernicanischen Modell schlechterdings nicht vereinbar wären. So holte er im Saggiatore zu einem publizistischen Keulenhieb aus, der die Funken stieben ließ. Galilei zeigt sich hier als Litterat, der alle Register seines schriftstellerischen Könnens zu ziehen weiß und der dies Können einsetzt, um den Gegner, namentlich Orazio Grassi, der Lächerlichkeit preiszugeben und publizistisch hinzurichten.

Irrlichternde Kometen

Galilei erntete Begeisterungsstürme. Papst Urban VIII., der ihm schon als Kardinal Verse gewidmet hatte, pries ihn nun in höchsten Tönen. Hatte die wissenschaftliche Substanz des Saggiatore solches Lob verdient? – Galilei bot eine leicht modifizierte Variante ausgerechnet der aristotelischen Kometenerklärung – Feuererscheinungen in der äußeren Atmossphäre infolge von Erdausdünstungen – als Alternative: Lichtphänomene sollten es nun sein, dem Nordlicht vergleichbar.

Daß dies mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand schon damals nicht vereinbar war – zumal seit Tycho Brahes Parallaxenberechnung von 1577 –, focht den Pisaner nicht an. Ihm ging es um die Zerstörung einer als gefährlich erkannten gegnerischen Argumentation. Doch obgleich Galilei gefeiert wurde, machte er sich tatsächlich eher Feinde denn echte Freunde: ein Umstand, der später noch eine Rolle spielen sollte.

Nach all dem wird wohl mancher fragen: Ja, aber hat denn Galilei nicht das heliozentrische Weltbild bewiesen? – Blenden wir an dieser Stelle ein paar Jahrzehnte zurück. 1543 war des Nicolaus Copernicus Schrift De revolutionibus orbium coelestium erschienen: Ausgangspunkt eben jener „copernicanischen Wende“, die heute jedem Kind selbstverständlich ist: als Begriff, der für den Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild steht, jedoch ohne echte Kenntnis dessen, worum es damals eigentlich ging.

Copernicus und seine Revolutionen

Was also hat Copernicus wirklich geleistet? Er hat keinerlei neue Beobachtungen gemacht. Er hat auch mathematisch keine neuen Methoden zur Berechnung seines Weltmodells entwickelt oder angewandt, sondern sich ganz in ptolemaischen Bahnen bewegt. Neu war bei Copernicus die Perspektive: Statt der Erde nahm er die Sonne als festen Punkt und Ausgangsort seiner Betrachtung. Genau genommen war auch dies natürlich nicht wirklich neu; doch seit im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts – parallel zur Aristoteles-Rezeption und vielfach durch arabische Autoren vermittelt – der Almagest des Claudius Ptolemæus von den Gelehrten an den Universitäten verschlungen worden war und sich zudem als wertvolle und zuverlässige Hilfe zur Berechnung und Vorhersage der Planetenbahnen erwiesen hatte, galt seine Autorität praktisch unbeschränkt.

Man kannte zwar gewisse Schwächen und Unzulänglichkeiten. Überdies mußte manches – wie etwa die Epizykeln – als rein geometrische Hilfskonstruktion erscheinen, ohne daß sich der Nachweis erbringen ließ, daß solche Konstruktionen tatsächlich die Natur abbildeten. Zu grundsätzlichem Zweifel sah man jedoch keinen Anlaß, zumal das ptolemaische Modell auch mit den kosmologischen Aussagen der Schrift ohne weiteres in Einklang zu bringen war.

Das Modell des Copernicus kam nun zwar mit dem Anspruch größtmöglicher Einfachheit daher. Die Figuren der Erstausgabe mit ihren konzentrisch angeordneten Planetenbahnen unterstrichen dies noch. Der copernicanische Text erwies das freilich als bloßen Schein: Tatsächlich war des ausgearbeitete Modell nicht minder kompliziert als jenes des Ptolemæus. Wenn es etwa auf die Annahme von Epizykeln verzichten konnte, so wurde damit in der tat die Berechnung der äußeren Planetenbewegungen etwas einfacher; dagegen bedurften die inneren Planeten jedoch zusätzlicher Annahmen und Hilfskonstruktionen, die das Ganze äußerst komplex geraten ließen. Im Ergebnis war das copernicanische Modell zur praktischen Anwendung wohl nicht schlechter, aber auch nicht besser als dasjenige des Ptolemæus.

Hermetische Sonnenmystik

Also durchaus nicht wissenschaftlichen Fortschritt hat Copernicus gebracht, sondern – um es noch einmal zu betonen – den Wechsel der Perspektive. Der gelehrte Frauenburger Kirchenjurist bestätigt dies selbst: »In medio vero omnium residet Sol. Quis enim in hoc pulc‹h›errimo templo lampadem hunc in alio vel meliori loco poneret, quam unde totum possit illuminare? Siquidem non inepte quidam lucernam mundi, alii mentem, alii rectorem vocant. Trismegistus visibilem deum, Sophoclis Electra intuentem omnia. Ita profecto tamquam in solio regali Sol residens circumagentem gubernat astrorum familiam – In der Mitte aber von allen befindet sich die Sonne. Denn wer könnte in diesem wunderschönen Tempel diese Leuchte an einen andern oder beßren Ort setzen als dorthin, von wo aus sie das Ganze erleuchten kann? Zumal einige sie nicht unpassend das Licht der Welt, andere die Seele, wieder andere den Lenker der Welt nennen. ‹Hermes› Trismegistus bezeichnet sie als den sichtbaren Gott, des Sophokles Elektra als den Allessehenden. So regiert in der Tat die Sonne, gleichsam auf königlichem Throne sitzend, die sie umkreisende Familie der Sterne«.

Bemerkenswert ist hier die Berufung auf gnostisch-hermetische Traditionen – Marsiglio Ficino hatte in Florenz den liber XXIV philosophorum des Pseudo-Hermes Trismegistus ediert und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht – als Motivation des Perspektivwechsels. Unverkennbar, wie hier ganz andere als wissenschaftliche Motive den Anstoß bildeten.

Doch zurück zu Galilei. Hat er das Modell des Copernicus wissenschaftlich untermauern können? – Kaum, muß man antworten. Wesentliche Fortschritte hatte zunächst vor allem Tycho Brahes Arbeit gebracht, gestützt auf umfassende Beobachtungen, obgleich der Däne an der geozentrischen Perspektive festhielt. Unter den „Copernicanern“ war es vor allem Kepler, der das Fundament der künftigen Astronomie legte: in ersten Ansätzen schon 1596 in seinem Mysterium Cosmographicum, besonders aber 169 durch seine Astronomia nova mit den beiden ersten „Keplerschen Gesetzen“, ergänzt 1619 in der Harmonice Mundi um das „Dritte Keplersche Gesetz“.

Galilei hat Keplers Entdeckungen faktisch nicht zur Kenntnis genommen, sie jedenfalls nicht verwertet, obgleich er von ihnen wußte. Das mag daran liegen, daß Kepler das copernicanische Modell damit durch ein grundsätzlich neues – freilich auch heliozentrisches – überwunden hatte, während Galilei Zeit seines Lebens am „reinen Copernicus“ festhielt. Es soll immerhin nicht verschwiegen werden, daß auch Galilei dazu beitrug, gewisse anticopernicanische Argumente aus dem Weg zu räumen: und zwar durch seine teleskopische Beobachtung der Venusphasen. Ähnlich konnte Kepler das Argument der zu geringen Schwankungen der Planetenhelligkeit widerlegen.

Kleine Geister und große Geister

Beides aber sind eher Marginalien. Die wirklichen Meilensteine sind Tychos Forschungen, Keplers Planetengesetze, dann Newton und endlich 1838 Bessels Nachweis der Sternenparallaxe. Galileis berühmter Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo tolemaico e copernicano dagegen erörtert lediglich die bekannten Argumente für und wider das eine und das andre System, unter klarer Parteinahme für das copernicanische. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse enthält er ebensowenig, wie er die Weiterentwicklungen beider Modelle durch Tycho Brahe und Johannes Kepler berücksichtigt – ganz zu schweigen davon, daß der Wettkampf beider Systeme mit seiner Frage nach dem wahren Zentrum der Welt in Wirklichkeit ein Scheinproblem ist: vergleichbar jener Ameise, welche – auf einem Fußball herumkrabbelnd – sich auf die Suche nach dem Mittelpunkt der Kugeloberfläche macht.

Daß unsere heutige „Schulweisheit“ unverdrossen im Geleise Galileis einherfährt, ist eigentlich nur kurios. Wer das bemerkt, wird aber schärferen Sinnes die Haltung der Alten beobachten können, die um die Wende des sechzehnten Jahrhunderts ihren Ptolemæus als Glaubensgut ebenso festhielten, wie heute das öffentliche Bewußtsein sich an den Glaubenssatz des Heliozentrismus klammert.

Die Haltung der Kirche

Kann es sein, daß genau darin der Grund liegt, weshalb die Kirche damals Galilei verurteilte, ihn heute hingegen rehabilitiert (falls sie das tatsächlich getan hat, wie man allenthalben hören kann – wir werden darauf noch zurückkommen)? Kann es sein, daß die Kirche damals das eine für Glaubensgut gehalten hat, heute jedoch etwas anderes? In diese Richtung scheint ja ein Zitat des heiligen Robert Bellarmin zu deuten, welches man in nahezu jeder Diskussion über Galileo Galilei vorgehalten bekommt:

  • »Während des Prozesses gegen Galilei schrieb Kardinal Bellarmin (maßgebend in diesem Prozess) am 12. April 1615 an den Karmelitermönch Paolo Antonio Foscarini: Zu behaupten, die Erde drehe sich um die Sonne, „ist genau solch ein Irrglaube, wie wenn jemand behaupten würde, Jesus sei nicht von einer Jungfrau geboren“.«
Nun ist bloß der letzte Teil tatsächlich Originaltext des Kardinals Bellarmin; ist der Kontext vom Zitator korrekt wiedergegeben? Das Stück ist interessant genug, ganz gelesen zu werden:

Der Brief des Kardinals

  • Roberto Bellarmino a Paolo Antonio Foscarini [in Roma].

    Roma, 12 aprile 1615.

    Al Molto R.do P.re M.ro F. Paolo Ant.o Foscarini, Provinciale de’ Carmelit.ni della Provincia di Calabria.

    Molto R.do P.re mio,

    Ho letto volentieri l’epistola italiana e la scrittura latina che la P. V. m’ha mandato: la ringratio dell’una e dell’altra, e confesso che sono tutte piene d’ingegno e di dottrina. Ma perchè lei dimanda il mio parere, lo farò con molta brevità, perchè lei hora ha poco tempo di leggere et io ho poco tempo di scrivere.

    P.° Dico che mi pare che V. P. et il Sig.r Galileo facciano prudentemente a contentarsi di parlare ex suppositione e non assolutamente, come io ho sempre creduto che habbia parlato il Copernico. Perchè il dire, che supposto che la terra si muova et il sole stia fermo si salvano tutte l’apparenze meglio che con porre gli eccentrici et epicicli, è benissimo detto, e non ha pericolo nessuno; e questo basta al mathematico: ma volere affermare che realmente il sole stia nel centro del mondo, e solo si rivolti in sè stesso senza correre dall’oriente all’occidente, e che la terra stia 3° nel cielo e giri con somma velocità intorno al sole, è cosa molto pericolosa non solo d’irritare tutti i filosofi e theologi scholastici, ma anco di nuocere alla Santa Fede con rendere false le Scritture Sante; perchè la P. V. ha bene dimostrato molti modi di esporre le Sante Scritture, ma non li ha applicati in particolare, chè senza dubbio havria trovate grandissime difficultà se havesse voluto esporre tutti quei luoghi che lei stessa ha citati.

    2.° Dico che, come lei sa, il Concilio prohibisce esporre le Scritture contra il commune consenso de’ Santi Padri; e se la P. V. vorrà leggere non dico solo li Santi Padri, ma li commentarii moderni sopra il Genesi, sopra li Salmi, sopra l’Ecclesiaste, sopra Giosuè, trovarà che tutti convengono in esporre ad literam ch’il sole è nel cielo e gira intorno alla terra con somma velocità, e che la terra è lontanissima dal cielo e sta nel centro del mondo, immobile.

    Consideri hora lei, con la sua prudenza, se la Chiesa possa sopportare che si dia alle Scritture un senso contrario alli Santi Padri et a tutti li espositori greci e latini. Nè si può rispondere che questa non sia materia di fede, perchè se non è materia di fede ex parte obiecti, è materia di fede ex parte dicentis; e così sarebbe heretico chi dicesse che Abramo non habbia havuti due figliuoli e Iacob dodici, come chi dicesse che Christo non è nato di vergine, perchè l’uno e l’altro lo dice lo Spirito Santo per bocca de’ Profeti et Apostoli.

    3.° Dico che quando ci fusse vera demostratione che il sole stia nel centro del mondo e la terra nel 3° cielo, e che il sole non circonda la terra, ma la terra circonda il sole, allhora bisogneria andar con molta consideratione in esplicare le Scritture che paiono contrarie, e più tosto dire che non l’intendiamo, che dire che sia falso quello che si dimostra. Ma io non crederò che ci sia tal dimostratione, fin che non mi sia mostrata: nè è l’istesso dimostrare che supposto ch’il sole stia nel centro e la terra nel cielo, si salvino le apparenze, e dimostrare che in verità il sole stia nel centro e la terra nel cielo; perchè la prima dimostratione credo che ci possa essere, ma della 2a ho grandissimo dubbio, et in caso di dubbio non si dee lasciare la Scrittura Santa, esposta da’ Santi Padri.

    Aggiungo che quello che scrisse: Oritur sol et occidit, et ad locum suum revertitur etc., fu Salomone, il quale non solo parlò inspirato da Dio, ma fu huomo sopra tutti gli altri sapientissimo e dottissimo nelle scienze humane e nella cognitione delle cose create, e tutta questa sapienza l’hebbe da Dio; onde non è verisimile che affermasse una cosa che fusse contraria alla verità dimostrata o che si potesse dimostrare.

    E se mi dirà che Salomone parla secondo l’apparenza, parendo a noi ch’il sole giri, mentre la terra gira, come a chi si parte dal litto pare che il litto si parta dalla nave, risponderò che chi si parte dal litto, se bene gli pare che il litto si parta da lui, nondimeno conosce che questo è errore e lo corregge, vedendo chiaramente che la nave si muove e non il litto; ma quanto al sole e la terra, nessuno savio è che habbia bisogno di correggere l’errore, perchè chiaramente esperimenta che la terra sta ferma e che l’occhio non s’inganna quando giudica che il sole si muove, come anco non s’inganna quando giudica che la luna e le stelle si muovano. E questo basti per hora.

    Con che saluto charamente V. P., e gli prego da Dio ogni contento.

    Di casa, li 12 di Aprile 1615.
    Di V. P. molto R.
    Come fratello
    Il Card. Bellarmino.
  • Robert Bellarmin an Paolo Antonio Foscarini [zu Rom]

    Rom, am 12. April 1615

    An den hochwürdigen Pater Magister Paul Anton Foscarini,
    Provinzial der Karmeliter der Provinz Kalabrien

    Mein hochwürdigen Pater,

    gern habe ich den italienischen Brief und die lateinische Schrift gelesen, die Ihr mir zugesandt habt. Ich danke Euch für das eine wie das andere und gestehe, daß sie erfüllt sind von Geist und Lehre. Doch weil Ihr mich nach meiner Ansicht fragt: Das werde ich sehr kurz machen, denn Ihr habt derzeit wenig Zeit zu lesen, und ich habe wenig Zeit zu schreiben.

    1. Mir scheint, sage ich, daß Ihr und Herr Galileo klug daran tut, falls ihr euch damit zufrieden gebt, hypothetisch und nicht absolut zu reden, so wie ich immer gemeint habe, daß Copernicus geredet habe. Denn die Aussage, daß, gesetzt den Fall, daß die Erde sich bewege und die Sonne fest stehe, alle Erscheinungen sich besser erklären ließen als durch die Annahme von Exzentriken und Epizykeln: Diese Aussage ist hervorragend gesprochen und birgt keinerlei Gefahr; und dies genügt den Astronomen.

    Jedoch behaupten zu wollen, daß in Wirklichkeit die Sonne im Mittelpunkt der Welt stehe und sich nur um sich selber drehe, ohne von Ost nach West zu laufen, und daß die Erde sich im dritten Himmel befinde und mit höchster Geschwindigkeit um die Sonne kreise: Das ist eine überaus gefährliche Sache, geeignet nicht nur, alle scholastischen Philosophen und Theologen zu verwirren, sondern auch dem heiligen Glauben Schaden zuzufügen, indem die Heiligen Schriften als falsch dargestellt werden. Diesbezüglich habt Ihr viele Methoden aufgezeigt, die Heiligen Schriften zu erklären, doch habt ihr diese Methoden nicht am konkreten Beispiel angewandt. Ohne Zweifel wärt Ihr auf größte Schwierigkeiten getroffen, hättet Ihr all jene Stellen auslegen wollen, die Ihr selber angeführt habt.

    2. Ich stelle fest, daß das ‹Trienter› Konzil, wie Ihr wißt, verbietet, die Schriften gegen den allgemeinen Konsens der heiligen Väter auszuzlegen; und wenn Ihr es werdet lesen wollen, nenne ich nicht nur die heiligen Väter, sondern die modernen Kommentare über das Buch Genesis, über die Psalmen, über den Prediger, über Josuë: Ihr werdet finden, daß sie alle darin zusammentreffen, es im Litteralsinne dahingehend auszulegen, daß die Sonne sich im Himmel befinde und mit höchster Geschwindigkeit um die Erde kreise, daß die Erde sehr weit entfernt sei vom Himmel und unbeweglich im Zentrum der Welt stehe.

    Erwägt nun Ihr mit Eurer Klugheit, ob die Kirche es unterstützen könne, daß man den Schriften einen Sinn gebe, welcher den heiligen Vätern und allen griechischen und lateinischen Auslegern entgegengesetzt wäre. Man kann auch nicht einwenden, daß es sich hierbei nicht um eine Materie des Glaubens handele. Denn wenn es sich auch nicht um eine Materie des Glaubens ex parte obiecti [von seiten des Gegenstands] handelt, so doch um eine Materie des Glaubens ex parte dicentis [von seiten des Aussagenden, sc. des inspirierten Verfassers der Schrift]. So wäre etwa Häretiker, wer sagte, Abraham habe nicht zwei Söhne und Jakob nicht zwölfe gehabt; ebenso, wer sagte, Christus sei nicht von einer Jungfrau geboren. Denn das eine wie das andere redet der Heilige Geist durch den Mund der Propheten und Apostel.

    3. Ich stelle fest: Wenn es einen echten Beweis gäbe, daß die Sonne im Zentrum der Welt stehe und die Erde im dritten Himmel, und daß die Sonne nicht die Erde umrunde, sondern die Erde die Sonne – dann bedürfte es eines sehr bedachten Vorgehens, um die Schriften zu erklären, die dem entgegenzustehen scheinen; und zwar müßte man eher sagen, daß sie das nicht beabsichtigen, als für falsch zu erklären, was bewiesen ist. Doch werde ich nicht glauben, daß es einen solchen Beweis gibt, solange er mir nicht aufgezeigt wurde. Zu beweisen, daß unter der Voraussetzung, die Sonne stehe im Mittelpunkt und die Erde im Himmel, die Erscheinungen sich erklären ließen, das ist auch nicht dasselbe, als ob man bewiese, daß in Wahrheit die Sonne im Mittelpunkt stehe und die Erde im Himmel. Denn vom ersten Beweis meine ich, daß er möglicherweise vorliegen könnte; hinsichtlich des zweiten jedoch hege ich größte Zweifel, und im Falle des Zweifels darf man nicht von der Heiligen Schrift lassen, wie sie die heiligen Väter ausgelegt haben.

    Ich füge noch an, daß jener, der da schrieb: „Oritur sol et occidit, et ad locum suum revertitur etc.“ [Die Sonne geht auf und geht unter und kehrt an ihren Ort zurück usw.], Salomo war, der nicht nur von Gott inspiriert sprach, sondern ein über alle andern hinaus weiser und in den menschlichen Wissenschaften und in der Erkenntnis der geschaffenen Dinge gelehrter Mann war; und all diese Weisheit hatte er von Gott. Daher ist es nicht wahrscheinlich, daß er etwas behauptete, was der bewiesenen oder beweisbaren Wahrheit entgegengesetzt wäre.

    Und wenn Ihr mir sagen werdet, Salomo rede gemäß der Erscheinung, so daß es uns so scheine, daß die Sonne kreise, während ‹in Wahrheit› die Erde kreise – so wie dem, der vom Ufer ablegt, es scheint, als ob das Ufer sich vom Schiff entferne –, so erwidere ich, daß wer vom Ufer ablegt, wiewohl ihm scheint, daß das Ufer sich von ihm entferne, nichtsdestotrotz doch erkennt, daß das ein Irrtum ist und ihn korrigiert, denn er sieht klar, daß das Schiff sich bewegt und nicht das Ufer. Was aber Sonne und Erde betrifft, so gibt es keinen Weisen, der es nötig hätte, den Irrtum zu korrigieren, denn die Erfahrung lehrt ihn klar, daß die Erde fest steht und das Auge sich nicht täuscht, wenn es urteilt, daß die Sonne sich bewege, wie es sich auch nicht täuscht, wenn es urteilt, daß der Mond und die Sterne sich bewegen. Und dies genüge für jetzt.

    Ich grüße Euch mit Liebe und erbitte Euch von Gott alle Zufriedenheit.

    Rom, am 12. April 1615
    Euer Hochwürden als Bruder
    Kardinal Bellarmino.
Das oft kolportierte Zitat aus diesem Schreiben, wie wir es oben wiedergegeben hatten, ist also nicht korrekt. Bellarmin setzt keineswegs die Behauptung, die Erde drehe sich um die Sonne, mit seinen Beispielen ausdrücklicher Häresie gleich. Was er mit den Beispielen vielmehr bezweckt, ist die Wiederlegung des Arguments, es handele sich nicht um eine Glaubensangelegenheit; und zwar deswegen betreffe es doch den Glauben, weil die Heilige Schrift für die Kosmologie relevante Aussagen enthalte.

Er verlangt zweierlei als Voraussetzung dafür, die heliozentrische Hypothese als gesichterte Wahrheit zu vertreten: den wissenschaftlichen Beweis und die plausible Auslegung der scheinbar entgegenstehenden Schriftstellen; er selbst hält das ausdrücklich für möglich, wenn auch nicht für wahrscheinlich. Die Begründung für diese Anforderung spricht der Kardinal ebenfalls klar aus: Wer anders verfährt, bezichtigt – gewollt oder nicht – die Heilige Schrift der Unwahrheit. Dies würde die Glaubwürdigkeit der Schrift generell mit Zweifeln belasten: ohne Frage eine schwere Gefahr für den Glauben – was, so können wir anfügen, die Geschichte bestätigt hat.

Dem Zeitgeist unterworfen

Dies erklärt die Motivation der Kirche, solche Schriften wie die Galileis auf dem Index zu setzen, die munter behaupteten, ohne beweisen zu können, und die die Autorität der Heiligen Schrift untergruben, anstatt sie in Einklang mit Wissenschaft und Glauben zugleich auszulegen. Keine Frage: Nur wer den Glauben der Kirche teilt, wird Bellarmins Haltung – die wir im übrigen mehr oder weniger als repräsentativ für die Kirche insgesamt ansehen dürfen – für weise halten.

Man wird aber auch als Gläubiger einräumen müssen, daß die Anwendung jener Regeln Bellarmins in der Praxis eben doch allzu oft zeitbedingten Ansichten und menschlichen Unzulänglichkeiten unterworfen ist. Schon an der vom Kardinal postulierten Einmütigkeit der Kirchenväter sind Zweifel möglich – ohne daß wir diese Frage hier vertiefen könnten. Es wurden später auch Schriften indiziert, die durchaus keine absoluten Behauptungen aufstellten.

Umgekehrt ist aber auch wieder die sogenannte Rehabilitierung Galileis durch Johannes Paul II. nichts anderes als ein Zugeständnis an die Forderungen des Zeitgeistes: Wenn etwa der Papst in seiner berühmten Ansprache vom 31. Oktober 1992 von der »experimentellen Methode« redete, die Galilei »genial eingeführt« habe, so offenbart er – oder sein Redenschreiber, sei es hier P. Georges Cottier gewesen oder Kardinal Poupard – eine bemerkenswerte Ignoranz der Wissenschaftsgeschichte. Abgesehen davon kann von einer Rehabilitierung im engeren Sinne nicht die Rede sein, da Galilei angesichts geänderter Zeitumstände bereits mehr als hundertfünfzig Jahre zuvor vom Index genommen worden war, gerade noch rechtzeitig vor Bessels Parallaxenmessung.

Nun könnte man es damit bewenden lassen, Galileis Verurteilung mit der Anwendung jener Regeln Bellarmins zu erklären. Oder man geht mit dem Zeitgeist einen Schritt weiter, erklärt das damalige Urteil für zeitgeistbedingt und Galilei zum braven, treuen Sohn der Kirche, der das Unglück hatte, mit einem widrigen Zeitgeist konfrontiert zu sein (so ungefähr die Argumentation des päpstlichen Historikers Walter Brandmüller, Galilei und die Kirche. Ein „Fall“ und seine Lösung, Aachen 1994).

Der Prozeß des Galileo

Doch je näher man die juristische „Sache Galilei“ betrachtet, desto merkwürdiger erscheint sie. Lassn wir den ersten Prozeß – den von 1616 – hier beiseite, den er beinhaltet keine nennenswerten Besonderheiten. Galilei wurde ein partielles, thematisch begrenztes Veröffentlichungsverbot auferlegt, was dieser gezwungenermaßen akzeptierte. Dies behinderte aber, wie wir oben gesehen haben, keineswegs seine weiteren publizistischen Erfolge. 162 feierte Kardinal Barberini ihn in einer langen Ode. 163 verschaffte derselbe Maffeo Barberini, inzwischen unter dem Namen Urban VIII. Papst von Rom, seinem alten, bewunderten Freund die einträgliche Pfründe eines Pisaner Domherrn, und zwar zusätzlich zu den ohnehin schon fetten Einkünften unseres Star-Professors.

Weshalb um alles in der Welt begann man angesichts dieses Stands der Dinge nur drei Jahre später, 1633, erneut einen Prozeß gegen Galilei? Nun, es lag offenbar (mindestens) eine Anzeige wegen des Dialogo sopra i due massimi sistemi vor. Zwar ist über deren Inhalt ebensowenig bekannt wie über den oder die Verfasser. Doch läßt sich einiges erschließen. So hat Pietro Redondi hat vor zwanzig Jahren in den Akten des Heiligen Offiziums eine anonyme Anzeige gegen Galileis Saggiatore von 1623 aufgefunden und die Handschrift des Autographen als diejenige Orazio Grassis identifiziert, jenes Astronomen vom päpstlichen Collegium Romanum, den Galilei im Saggiatore so verächtlich gemacht hatte (Pietro Redondi, Galilei eretico, Turin 1983).

Der Vorwurf gegen Galilei in dieser Anzeige besteht nicht etwa im Copernicanismus des Bezichtigten, sondern in seinem „Atomismus“ – was wir heute, wenngleich etwas vereinfachend, als Materialismus bezeichnen können. Solcher Atomismus jedenfalls war mit der kirchlichen Lehre über die Eucharistie nicht zu vereinbaren. Grassis anonyme Anzeige von 1623 hatte man an der Kurie noch ohne Skandal und mit Zustimmung Urbans VIII. niedergeschlagen.

Im Sommer 1632 jedoch hatte sich die Situation gewandelt. Das Problem des Atomismus war erneut virulent geworden, auch im Innern der Gesellschaft Jesu. Verschiedene Jesuiten wurden ordensintern gemaßregelt, wobei vermutlich Orazio Grassi eine maßgebliche Rolle spielte. Andererseits war der Papst als Vertreter der franzosenfreundlichen Partei unter erheblichen Druck des spanischen Flügels der Kurie geraten und konnte es sich keinesfalls leisten, dogmatische Blößen zu offenbaren.

Galilei, der Ketzer

Richtete sich die Anzeige – wohl noch aus dem Sommer oder Herbst 1632 – also gar nicht oder nicht primär gegen den Copernicanismus des Dialogo sopra i due massimi sistemi, sondern gegen den Atomismus? – Letzte Sicherheit läßt sich nicht gewinnen, doch spricht alles dafür. Die oben geschilderten und weitere Merkwürdigkeiten wären so zu erklären. Denn der Atomismus berührte den Kern des Glaubens. Der Prozeß hätte in ähnliche Richtung steuern können wie derjenige gegen Giordano Bruno, auch wenn den Galilei doch Welten vom esoterischen Hocus-Pocus eines Bruno trennten.

Eine Verurteilung Galileis hätte aber auch den Papst als dessen öffentlich bekannten Bewunderer und Förderer kompromittiert. Was also lag näher, als Galilei möglichst unauffällig aus dem Verkehr zu ziehen, ohne daß der Atomismus-Vorwurf zur Sprache kommen konnte? Und genau dies geschah. Der Fall wurde nicht nach dem ordentlichen Verfahren abgewickelt. Vielmehr zog Urban VIII. die Sache an sich und setzte zur Untersuchung eine Sonderkommission unter Vorsitz seines Neffen ein, des Kardinals Francesco Barberini. Die Kommission tagte in fünf geheimen Sitzungen, deren Inhalt nicht überliefert ist. Wir kennen lediglich das Resultat: die Anklage, aufgrund derer das Heilige Offizium Galilei ohne weitere Untersuchung verurteilte.

Gegenstand der Anklage war, was ohnehin offen zutage lag: die copernicanische Ausrichtung des Dialogo und somit die Verletzung der Auflagen von 1616 – im Kern also, juristisch betrachtet, trotz starker Worte eine eher disziplinarische Angelegenheit. Von Atomismus kein Wort. Entsprechend milde war das Urteil: ein luxuriöser Hausarrest. Der Verfasser der anonymen Anzeige von 1623 und vielleicht auch der Anzeige von 1632, P. Grassi, war kurz vor Prozeßbeginn sicherheitshalber nach Savona versetzt worden.

Galilei, das Opfer?

Galilei also ein Opfer römischer Intrigen? – Teilweise gewiß, doch muß man solches Urteil relativieren. Erstens ging es dem „Opfer“ bis zum Schluß wirtschaftlich hervorragend. Man ging stets so milde mit ihm um, daß von einem Opfer kaum die Rede sein kann. Zweitens vertrat Galilei tatsächlich heterodoxe – nämlich atomistische – Ansichten, vielleicht ohne sich über die Konsequenzen klar zu sein, wurde dafür jedoch nie belangt. Drittens gab es offensichtlich Intrigen gegen ihn, jedoch hat er sich dies zu einem guten Teil selber zuzuschreiben, hatte er doch seinen hauptsächlichen Kontrahenten, Orazio Grassi, mehrfach wüst beschimpft und verleumdet – so etwa in der Kometendebatte –, obwohl er, Galilei, sachlich im Unrecht war.

Härter als die Prozesse traf Galilei das Schicksal, das ihn erblinden ließ. Das wäre es gewesen – wären nicht lang nach seinem Tode die Gegner der Kirche dahergekommen, ihn aufs Podest zu stellen und zum Märtyrer ihres eigenen Kampfes zu machen. Auf diesem Podest steht Galilei bis heute, und überall gilt das ungeschriebene Gesetz, daß, wer der Kirche angehört – bis hin zum Papst –, vor diesem Podest wie vor Geßlers Hut sich zu verneigen habe.

Wer freilich das Haupt vor solchen Götzen nicht neigt, der erkennt schnell, wie wenig Ähnlichkeit das zu verehrende Bild mit dem vermeintlich Dargestellten hat. Wer sich für die damaligen Koryphäen der Wissenschaft interessiert, der ist bei Tycho Brahe und Johannes Kepler besser bedient. Wer Märtyrer esoterischer Lehren sucht, der findet sie von Hypatia über Giordano Bruno bis Alfred Rosenberg. Galileo Galilei eignet sich weder für die eine, noch für die andere Rolle. Der Historiker allerdings, der sei herzlich eingeladen, im Archiv der römischen Glaubenskongregation nach möglicherweise noch unsortierten oder falsch abgelegten Akten über Galilei zu stöbern: Vielleicht findet sich ja doch noch einmal die Anzeige von 1632.

Quelle: http://www.domus-ecclesiae.de/tractatus/galilaeus.html[/color]
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

anselm
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Beitrag von anselm »

Erich hat geschrieben:Ich möchte mich daher etwa korrigieren: das Problem bei der Bekämpfung von potentiellen Irrlehrern oder Abweichlern kann im Prinzip überall vorkommen, wo man davon ausgeht, die absolute Wahrheit schon zu besitzen.

was geschah eigentlich mit Abweichlern im atheistischen Arbeiter und Bauernstaat??
Das meinte ich ja damit. Historische Beispiele gibt es leider relativ viele, und zwar in allen Richtungen.

anselm
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Beitrag von anselm »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:... Die Begründung für diese Anforderung spricht der Kardinal ebenfalls klar aus: Wer anders verfährt, bezichtigt – gewollt oder nicht – die Heilige Schrift der Unwahrheit. Dies würde die Glaubwürdigkeit der Schrift generell mit Zweifeln belasten: ohne Frage eine schwere Gefahr für den Glauben – was, so können wir anfügen, die Geschichte bestätigt hat....
Wird das in der kath. Theologie heute noch ähnlich gesehen? Gibt es noch immer eine Verbindung zwischen Kosmologie und christl. Aussagen? Wenn ja, besteht dann nicht die Gefahr, dass die Kirche immer den neuesten wiss. Ergebnissen hinterher hechelt?

Andererseits, die Annahme "Gott" könnte Wunder tun, in den Lauf der Welt eingreifen etc. ist natürlich noch immer ein Weltbild, das auf dem Stand von vor 2000 Jahren ist.

Peter
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Beitrag von Peter »

anselm hat geschrieben:Andererseits, die Annahme "Gott" könnte Wunder tun, in den Lauf der Welt eingreifen etc. ist natürlich noch immer ein Weltbild, das auf dem Stand von vor 2000 Jahren ist.
Wie meinst du das? Ist das schlimm? Worin exakt besteht dieses Weltbild? Worin siehst du den Unterschied zwischen einem Weltbild vor 2000 Jahren, vor 3000 Jahren, – und dann vor 1000 Jahren und vor etwa 500 bis 150 Jahren? Wie würde sich ein Weltbild zur Wende vom 20ten zum 21ten Jahrhundert dagegen ausnehmen? Kann man überhaupt von einem Weltbild reden?

Ich bitte dich um ein kurzes Statement zu diesen Fragen, da mir sonst deine Aussage etwas nullwertig vorkommt.
:mrgreen:

Peter
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Beitrag von Peter »

Ich vermute nämlich folgendes: Dein Vorstellung von einem Eingerifen Gottes besteht ungefähr in der Annahme, ein numinoses Etwas griffe in einen vorgefundenen Ablauf ein – etwa wie ein Kind, dass eine Modelleisenbahn geschenkt erhält und eingreift, indem es eine Modell-Lokomotive aus voller Fahrt von den Gleisen hebt.

Romano Guardini hat zum Verhältnis Gottes zur Welt folgendes gschrieben: «Denn Gott ist Schöpfer, und sein Erkennn ist der Akt, durch welchen er das Wesen seines Geschöpfes begründet. Gott erkennt nicht, weil etwas so ist, sondern es ist so, weil gott es erkennt. Durch Gottes schöpferisches erkennen ist die Wahrheit wahr; durch seinen Willen hat das Geschöpf Wesen und Eigensein» (Guardini, Bekehrung des Hl. Augustinus, Leipzig 1935). Auch wenn das Thema dieses Zitats eigentlich das «Erkennen» ist und somit unser Thema nur am Rande berührt: Könnte dir dieser Satz vielleicht helfen, zu einer etwas anderen Vorstellung, einer Korrektur deines etwas mechanistischen Gottesbildes zu finden?

Sonst könnte ich dir von Anfang an den Blancoscheck ausstellen, dass alles, was du vorbringst, um die Nichtexistenz des von dir vorgestellten Göttleins zu beweisen, zutrifft. Weil dieses Göttlein tatsächlich eine Witzfigur ist.

In Bezug auf den Gott und Schöpfer aller Dinge würden wir allerdings immer aneinander vorbei reden. Und das wäre doch schade um die Zeit.
Zuletzt geändert von Peter am Donnerstag 22. Juli 2004, 11:53, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Peter hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:Andererseits, die Annahme "Gott" könnte Wunder tun, in den Lauf der Welt eingreifen etc. ist natürlich noch immer ein Weltbild, das auf dem Stand von vor 2000 Jahren ist.
Wie meinst du das? Ist das schlimm? Worin exakt besteht dieses Weltbild? Worin siehst du den Unterschied zwischen einem Weltbild vor 2000 Jahren, vor 3000 Jahren, – und dann vor 1000 Jahren und vor etwa 500 bis 150 Jahren? Wie würde sich ein Weltbild zur Wende vom 20ten zum 21ten Jahrhundert dagegen ausnehmen? Kann man überhaupt von einem Weltbild reden?

Ich bitte dich um ein kurzes Statement zu diesen Fragen, da mir sonst deine Aussage etwas nullwertig vorkommt.
:mrgreen:
Ja, es ist so eine Sache mit "DEM" Weltbild.
Erst gestern hat Stephen Hawking seines revidieren müssen. ...

Cicero
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Beitrag von Cicero »

Juergen hat geschrieben: Erst gestern hat Stephen Hawking seines revidieren müssen. ...
Neue Variable in der Weltformel :kratz: :?:

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Cicero hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben: Erst gestern hat Stephen Hawking seines revidieren müssen. ...
Neue Variable in der Weltformel :kratz: :?:
- Spiegel
- Stern
- FAZ
- extrasolar-planets.com
Zuletzt geändert von Juergen am Donnerstag 22. Juli 2004, 13:37, insgesamt 1-mal geändert.

anselm
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Beitrag von anselm »

Peter hat geschrieben:Wie meinst du das? Ist das schlimm? Worin exakt besteht dieses Weltbild? Worin siehst du den Unterschied zwischen einem Weltbild vor 2000 Jahren, vor 3000 Jahren, – und dann vor 1000 Jahren und vor etwa 500 bis 150 Jahren? Wie würde sich ein Weltbild zur Wende vom 20ten zum 21ten Jahrhundert dagegen ausnehmen? Kann man überhaupt von einem Weltbild reden?
Ich bitte dich um ein kurzes Statement zu diesen Fragen, da mir sonst deine Aussage etwas nullwertig vorkommt.[/color] :mrgreen:
Hallo Peter,
ok, ok,
ich meine mit meiner (missverständlichen Aussage), dass Wunder, Eingreifen Gottes etc. nicht in das vorherrschende Weltbild passen, das auf rein innerweltlichen Ursache-Wirkungszusammenhängen aufbaut. Gott wird in einem solchen Weltbild nicht benötigt, da er nichts bewirken würde/könnte. Jede Hypothese (X) ist in diesem Fall identisch mit (X und Gott).
Letztlich wird der Platz für Gott auf den Anfang verschoben, über den man nichts weiss und nichts wissen kann. Aber selbst dann ist es ziemlich egal, ob dieser rätselhafte Anfang nun Gott oder Welt heisst, der Name spielt keine Rolle.
Es ist mir ein völliges Rätsel, wie nach christlicher Auffassung in einem solchen Weltbild Gott eingreifen könnte, ohne dass dieses Weltbild völlig erschüttert wird. Aber gibt es eine alternative christliche Kosmologie?

anselm
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Beitrag von anselm »

Juergen hat geschrieben:
Cicero hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben: Erst gestern hat Stephen Hawking seines revidieren müssen. ...
Neue Variable in der Weltformel :kratz: :?:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/welt ... 46,00.html

http://www.stern.de/wissenschaft/kosmos ... v=cp_L1_tt

http://www.faz.net/s/Rub163D8A690801495 ... ntent.html

http://www.extrasolar-planets.com/news/ ... 072202.php
Hallo Juergen,
du hattest irgendwo hier im Forum einmal etwas zu zwei Büchern von Hattrup geschrieben. Wären die in diesem Zusammenhang empfehlenswert?

Peter
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Beitrag von Peter »

Lieber Anselm,

zur Kosmologie und Kosmogonie möchte ich gerade nichts schreiben, weil ich mich hier präziser ausdrücken müsste, als ich es in zwei Minuten tun kann.

Aber nur kurz zu deiner Aussage, Gott würde in dem von dir sicherlich auch nur angerissenen Weltbild nicht «benötigt». (Ist das übrigens das aktuelle Weltbild der Naturwissenschaften und der Wissenschaftsphilosophie? Dann wäre mir der positivistische Begriff des «innerweltlichen» etwas erklärungsbedürftig.) Gott wird sicherlich nicht benötigt, wenn ich wissen möchte, was dazu führt, dass ein Apfel auf den Boden fällt. Das hätte sicherlich auch ein Paulus nicht anders gesehen. Auch er erbat gegen Kälte einen Mantel und empfahl zur Kräftigung ein Glas Wein.

Aber wenn ich persönlich wissen möchte, warum überhaupt ein Apfel wird – und nicht, was doch viel wahrscheinlicher wäre, überhaupz nichts, oder warum mich dieses oder jenes Los getroffen hat … oder welcher Art meine Perspektiven sind, wenn ich weiß, dass ich innerhalb der nächsten fünf Wochen sterben muss, oder innerhalb der nächsten fünf, zehn oder dreißig Jahre … dann helfen mir auch die schönsten Gravitationsgesteze nicht weiter.

Ich weiß – hier geht es nicht um Lebenshilfe, aber ich finde mein Beispiel relativiert deine Behauptung vom Nicht-Benötigt-Werden etwas.
Zuletzt geändert von Peter am Donnerstag 22. Juli 2004, 13:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

anselm hat geschrieben:Hallo Juergen,
du hattest irgendwo hier im Forum einmal etwas zu zwei Büchern von Hattrup geschrieben. Wären die in diesem Zusammenhang empfehlenswert?
Bild
Dieter Hattrup: Einstein und der würfelnde Gott. An den Grenzen des Wissens in Naturwissenschaft und Theologie. Freiburg u.a. 2001.

Dazu schrieb ich an anderer Stelle:

Der Autor - selbst Dr. theol und Dr. rer. nat. - ruft dem Lesen in einem groß angelegten Druchgang durch die Naturwissenschaften entgegen "Nicht alle Wirklichkeit ist Natur". Er zeigt, daß es in den von ihm untersuchten Naturwissenschaten (Mathematik, Physik, Biologie etc.) keine Letztbegründungen gibt; es gibt keine Erklärungen bzw. Theorien, die ihr eigenes Entstehen beschreiben. Seine Kritik setzt aber nicht von außen an, sondern er beurteilt die Naturwissenschaten mit ihren eigenen naturwissenschatlichen Methoden.
Sein Urteil: "Nicht alle Wirklichkeit ist Natur" - und dies, so kann man hinzufügen, ist aus der Natur erkennbar

Peter
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Beitrag von Peter »

Hi Jürgen, könntest du vielleicht deinen langen Link etwas verpacken, damit er das Format nicht so sprengt. Kann doch nicht jeder einen solchen Luxusbidschirm haben wie wir. Friede den Dreizehnzöllern!

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Bild . Bild

Auch interessant und (nicht ganz unwichtig) gut zu lesen.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Peter hat geschrieben:Hi Jürgen, könntest du vielleicht deinen langen Link etwas verpacken, damit er das Format nicht so sprengt. Kann doch nicht jeder einen solchen Luxusbidschirm haben wie wir. Friede den Dreizehnzöllern!
Bitte auch noch im Zitat bei Anselm! Das sprengt selbst ’nen flachen 19"er noch.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

@Robert Ketelhohn

Ich weiß nicht ob man Galilei tatsächlich zuviel der Ehre angedeihen lässt, aber dem Jupiter lässt man auf alle Fälle zuviel der Ps angedeihen, wenn man ihn "Juppiter" schreibt. Jupps gibt's nur in Köln!
:D
Werner

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