Hohmann-Rede

Aktuelle Themen aus Politik, Gesellschaft, Weltgeschehen.
Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Hohmann-Rede

Beitrag von Nietenolaf »

Ich habe da mal eine Frage, wie ihr das seht. Wieso funktioniert das in Deutschland, daß man einen Menschen absägt, nur weil er das Wort "Juden" irgendwie nicht auf eine diese pauschal glorifizierende, oder wahlweise auf eine ebenso pauschal sich-schuldig-fühlende Art verwendet? Findet irgendwer - Hand auf's Herz - wirklich Antisemitismus in Hohmanns Rede? Ich jedenfalls nicht.

Was ich aber finde, ist Anprangerung der Gottlosigkeit, und der Versuch, den Begriff "Nazi" ideell vom Begriff "Deutscher" zu lösen - m.E. völlig zu Recht. Wenn der Zentralrat der Juden (Name der Institution auf Drängen eines der Mods anstelle eines polemischen Ausdrucks eingesetzt) jetzt Strafanzeige stellt (siehe hier), was folgt daraus? Bellen da die getroffenen gottlosen Hunde, oder wird eine christliche, oder auch nur religiöse Sicht auf die Geschichte bald verboten sein?

In diesen Sinne, hiernach der interessante Schluß der Hohmann-Rede. Die vollständige (und absolut lesenswerte) findet man hier.

:N:
[...es erfolgt kurz vorher das Zitieren von Quellen, die belegen, wie weit die Revolutionen des 20. Jh. in Rußland und anderswo von ethnischen Juden mitgetragen wurden.]

Meine Damen und Herren,

wir haben nun gesehen, wie stark und nachhaltig Juden die revolutionäre Bewegung in Rußland und mitteleuropäischen Staaten geprägt haben. Das hat auch den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson 1919 zu der Einschätzung gebracht, die bolschewistische Bewegung sei "jüdisch geführt". Mit einer gewissen Berechtigung könnte man im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der "Täterschaft" der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als "Tätervolk" bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet.

Meine Damen und Herren,

wir müssen genauer hinschauen. Die Juden, die sich dem Bolschewismus und der Revolution verschrieben hatten, hatten zuvor ihre religiösen Bindungen gekappt. Sie waren nach Herkunft und Erziehung Juden, von ihrer Weltanschauung her aber meist glühende Hasser jeglicher Religion. Ähnliches galt für die Nationalsozialisten. Die meisten von ihnen entstammten einem christlichen Elternhaus. Sie hatten aber ihre Religion abgelegt und waren zu Feinden der christlichen und der jüdischen Religion geworden. Verbindendes Element des Bolschewismus und des Nationalsozialismus war also die religionsfeindliche Ausrichtung und die Gottlosigkeit. Daher sind weder "die Deutschen", noch "die Juden" ein Tätervolk. Mit vollem Recht aber kann man sagen: Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien, sie waren das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts. Diese gottlosen Ideologien gaben den "Vollstreckern des Bösen" die Rechtfertigung, ja das gute Gewissen bei ihren Verbrechen. So konnten sie sich souverän über das göttliche Gebot "Du sollst nicht morden" hinwegsetzen. Ein geschichtlich bisher einmaliges millionenfaches Morden war das Ergebnis. Daher, meine Damen und Herren, plädiere ich entschieden für eine Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen. Nur sie werden ähnliche Katastrophen verhindern, wie sie uns Gottlose bereitet haben. Die christliche Religion ist eine Religion des Lebens. Christus hat gesagt: "Ich will, daß sie das Leben haben und daß sie es in Fülle haben" (Joh 10, 10). Damit ist nicht nur das jenseitige, sondern ganz konkret unser reales heutiges Leben und Überleben gemeint. Deswegen ist es auch so wichtig, daß wir den Gottesbezug in die europäische Verfassung aufnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben also gesehen, daß der Vorwurf an die Deutschen schlechthin, "Tätervolk" zu sein, an der Sache vorbeigeht und unberechtigt ist. Wir sollten uns in Zukunft gemeinsam gegen diesen Vorwurf wehren. Unser Leitspruch sei: Gerechtigkeit für Deutschland, Gerechtigkeit für Deutsche.

Ich komme zum Schluß und sage: Mit Gott in eine gute Zukunft für Europa! Mit Gott in eine gute Zukunft besonders für unser deutsches Vaterland!

...
Zuletzt geändert von Nietenolaf am Donnerstag 6. November 2003, 22:37, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Dieser Passage von Hohmanns Rede kann auch ich mich in der Tat nur anschließen. Leider ist es aber so, daß es mit der Freiheit in unserem politischen System nicht allzu weit her ist.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Ketelhohn hat geschrieben: Leider ist es aber so, daß es mit der Freiheit in unserem politischen System nicht allzu weit her ist.
Warum ist es denn - deiner Meinung nach (von der ich mich nachdrücklich distanziere!) - "mit der Freiheit in unserem politischen System" nicht so weit her?

Ralf

Beitrag von Ralf »

Wahrscheinlich hat niemand von denen, die an den Schalthebeln sitzen (bspw. Merkel oder Struck), die komplette Rede gelesen.
Dass Journalisten willkürlich verkürzen und lügen, ist ja aus Berichten zur kath. Kirche bekannt.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nein, die haben das sehr genau gelesen. Es ist schlicht so, daß Tabu-Verletzungen, die einmal von der totalitären Meinungsdiktatur öffentlich gemacht worden sind, gnadenlos abgestraft werden. Um die Wahrheit kümmert sich da niemand: Es müssen Köpfe rollen, und das sollen nicht die eigenen sein.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

josef
Beiträge: 317
Registriert: Montag 6. Oktober 2003, 09:20

Beitrag von josef »

Hallo Nietenolaf,

Die Weltöffentlichkeit sollte die Juden in Frieden lassen.

Die sind wegen der schlimmen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern mit ihren Nerven am Ende.



Gruß
josef

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Hallo Josef,

ja, das kann schon sein.

Ich meine jedoch, daß Hohmann statt "Juden" auch Burkina-Fasoer, Kalmyken oder Skythen hätte bringen können, wenn er die historischen Fakten entsprechend recherchieren würde.
In meinem Verständnis ging es ihm um eine Kritik an Begriffen wie "Tätervolk" (den es im Bezug auf Deutsche gibt) und eine ideelle Loslösung von historischen Verbrechen von dadurch gebrandmarkten Volksgruppen; wenn das nicht geht, d.h. Pauschalisierungen als unantastbar gelten, und jetzt solche Konsequenzen ("Köpfe rollen") daraus entstehen, ist die Brandmarkung der Deutschen als ewige Täter und Schuldner vor einer anderen Volksgruppe (meinetwegen den Juden) die verordnete Ideologie einer Meinungsdiktatur ((c) R. Ketelhohn).

Mir ist es Wurscht, ich bin nicht wirklich Deutscher oder auch nur hundertprozentiger Japhetit. Ich finde es nur komisch, daß "Meinungsfreiheit" offensichtlich auch in der Bundesrepublik, und das viel früher als geglaubt, ihre "politisch-korrekten" Grenzen hat; damit unterscheidet sie sich durch gar nichts von der theoretischen Meinungsfreiheit in der ehem. DDR (Artikel 27 der DDR-Verfassung).

Gruß
:N:

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 16:46, insgesamt 1-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Aber genau der Vorwurf des Antisemitismus wurde und wird ihm gemacht, auch vom Zentralrat der Juden. Womit können sie ihn begründen?
Und josefs bezug zu Israel scheint genau das zu zeigen, was viele Juden in Deutschland zu Recht aufregt: sie sind Deutsche, keine Israelis. Nur wird das nicht zur Kenntnis genommen.

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 16:46, insgesamt 1-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

mein problem ist da eine andere in der Rede, die aber rein gar nichts mit Antisemitismus zu tun hat. Nebenbei: ob es ein jüdisches "Volk" gibt, ist ja auch unter Juden umstritten, die Zugehörigkeit wird unterschiedlich definiert...

Nein, mein Problem ist etwas, was nicht im zitierten Auszug auftaucht:

Hohmann lehnt nicht nur die in der Tat absurde Vorstellung der allen gemeinsamen Schuld ab, sondern auch die der gemeinsamen Verantwortung:

"Die Schuld von Vorfahren an diesem Menschheitsverbrechen hat fast zu einer neuen Selbstdefinition der Deutschen geführt. Trotz der allseitigen Beteuerungen, daß es Kollektivschuld nicht gebe, trotz nuancierter Wortneuschöpfungen wie "Kollektivverantwortung" oder "Kollektivscham": Im Kern bleibt der Vorwurf: die Deutschen sind das "Tätervolk"."

Dies halte ich für bedenklich.

Ebenso die genannte Anfrage an die Bundesregierung, ob man denn wegen der wirtschaftlichen Lage nicht die Entschädigungszahlungen einschränken könne. Auch sehr bedenklich.

Aber nicht antijüdisch.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ralf hat geschrieben:»Aber genau der Vorwurf des Antisemitismus wurde und wird ihm gemacht, auch vom Zentralrat der Juden. Womit können sie ihn begründen?«
Gar nicht. Brauchen sie doch auch nicht. Der Vorwurf allein genügt. Er ist das Urteil. – Man lese übrigens die Presse. Wenige nur noch, die (wie die »Frankfurter Allgemeine«) wenigstens von »einer des Antisemitismus geziehenen Rede« schreiben. Meist wird schlicht (wie in der »Welt«) von »Hohmanns antisemitischer Rede« gesprochen.
Margarete hat geschrieben:»an Hohmann's Vortrag stört mich, daß er aus den Bolschewiken die "Juden" isoliert und daran seine weitere Argumentation festmacht. Damit provoziert er "antisemitische" Mißverständnisse.«
Nun ist es schlicht eine Tatsache, daß in der Führung der Bolschewiken Atheisten jüdischer Herkunft weit überproportional vertreten waren. Das hat übrigens seinerzeit schon im Historikerstreit um Nolte eine Rolle gespielt.
»Genauso könnte man die Tatsache, daß auch Katholiken mit Hitler liebäugelten und unter denen waren, die ihm zur Macht verhalfen, dazu mißbrauchen, aus "den Katholiken" erst mal ein "Tätervolk" oder eine "Täterreligion" zu machen«
In der Tat geschieht das. In anderen Foren zum Beispiel. Ohne Aufschreie. Und immerhin waren da viele führende Nazis katholischer Herkunft: Hitler, Göbbels, Bormann, Heydrich und viele mehr. Aber genau diese Beobachtung führt doch zu Hohmanns Schlußfolgerung: Es waren der Kirche entfremdete und vom Glauben abgefallene Menschen. Ebenso die bolschewistischen Juden. Denn Hohmann hat sich doch die Tätervolkthese, die er zunächst in den Raum stellt, gerade und ausdrücklich nicht zu eigen gemacht.
»In diesem Falle würde die Bischofskonferenz mit demselben Recht protestieren wie es der Zentralrat der Juden jetzt tut.«
Das wäre dumm. Begründung wie oben.
»Den Umweg über die Juden hätte sich Herr Hohmann sparen können und sollen«
Kaum. Denn natürlich ist es doch tatsächlich eine gewisse jüdische (übrigens großenteils nicht übermäßig gläubige) jüdische Lobby, die den Tätervolkvorwurf erhebt und benutzt. Wenn Hohmann sich dagegen wendet – und das war offensichtlich seine, meines Erachtens legitime und berechtigte, Absicht –, kann er schlecht von dem Argument absehen, das er gebracht hat. Im Sinne seiner politischen Karriere war es natürlich saudumm, das ist wahr.

Was ich oben mit »jüdischer Lobby« meine, kann man übrigens sowohl bei eher links orientierten, säkularen Juden nachlesen – wie zum Beispiel Norman Finkelstein – als auch bei orthodoxen. Und wer weiß, welche Kämpfe gerade kleine orthodox-jüdische Gemeinschaften durchzumachen haben – hier in Berlin zum Beispiel Addass Jisroel –, um gegen den erbitterten Widerstand jener Lobby wenigstens irgendeine Art sowieso bloß minderen Rechts zu erlangen, der wird vielleicht vorsichtiger werden, besagte Lobby mit „den Juden“ schlechthin zu identifizieren.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ralf, deine Bedenken sind zwar berechtigt. Wenn man allerdings Maßstäbe irdischer Gerechtigkeit anlegt, dann kann man auch diesen Anliegen Hohmanns eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Was die Entschädigungen betrifft, so hat bis heute der übergroße Teil stets die falschen erreicht, und zwar zunächst schon allein innerhalb des jüdischen Volks. (Hast du Finkelstein gelesen? Ein bitteres Buch, aber vieles klärend.)

Wer hat die vertriebenen Deutschen entschädigt? Falls jemand, so gewiß nicht die Täter. Wer hat die ungarischen Opfer von Vertreibung und Besatzung, die Opfer der Zerschlagung des Landes schon seit Trianon entschädigt? Wer die russischen, ukrainischen, polnischen oder tschechischen Opfer der Nazis? Das könnte man endlos fortsetzen, nur um immer zu einem Resultat zu kommen: Die Zahlungen an jüdische Organisationen haben wenig mit irdischer Gerechtigkeit zu tun (und mit himmlischer schon gleich gar nichts).

Als Christen freilich können wir wissen, daß irdische Gerechtigkeit nicht der Name unserer Verheißung ist. Um das zu erkennen, brauchen wir auch keinen Michael Kohlhaas und keinen gescheiterten Hohmann. Darum – und nur darum – ist aus Sicht des Glaubens Hohmanns Forderungen, die du nun referierst, zu widersprechen. Nein, den Forderungen ist gar nicht zu widersprechen. Dem Mann, der sie erhebt, ist vielleicht ein Wechsel der Blickrichtung vom Schein aufs Sein zu raten.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Martin O
Beiträge: 192
Registriert: Dienstag 7. Oktober 2003, 21:53

Beitrag von Martin O »

Hallo,

Hohmann behauptet einige Dinge, die so nicht zutreffen. Er schreibt, Deutschland würde grundsätzlich mehr für das Ausland tun als für das eigene Land. Dass Verträge einzuhalten sind, sollte allgemein bekannt sein. Und dass Deutschland Rechtsnachfolger des Nazistaates ist und daher die Konsequenzen zu tragen hat, auch.

Wenn Hohmann im Übrigen "die Atheisten" als die Übeltäter bezeichnet, so ist das eine ebenso pauschale Beurteilung, wie "die Juden" oder "die Deutschen" als Tätervolk zu bezeichnen oder "die katholische Kirche" als Täterreligion, weil viele Nazis als Katholiken geboren wurden und nie aus der Kirche austraten. Zu Massenmord führen kann religiöser Fanatismus (Kreuzzüge, islamischer Terrorismus) ebenso wie politischer Fanatismus (NS-Zeit)

Im Übrigen ist es Unsinn (über Antisemitismus mag man streiten) Juden, die ihre Religionsgemeinschaft verlassen haben, als Beispiel aufzuzählen, dass Juden "Tätervolk" seien. Trotzki und andere waren - wie Lenin -
a) der Nationalität nach Russen
b) der Weltanschauung nach Kommunisten
c) der Religion nach Atheisten
Jude war Trotzki nach seiner Erziehung, er selbst hat sich nie zum Judentum bekannt. Ebenso kann man sagen, dass "die Orthodoxie" Tätervolk sei, denn Lenin und Stalin waren orthodox getauft, Stalin sogar zeitweise im Priesterseminar.

Gruß
Martin

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 16:47, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Margarete G. hat geschrieben:Der Holocaust hat im übrigen KEINE Entsprechung. Deswegen halte ich es für falsch, irgendwelche Parallelen zur irgendetwas nicht vergleichbarem, hier in der russischen Geschichte, herzustellen und darauf dann irgendeine Argumentation aufzubauen. Herr Hohmann hat ja wohl eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit gehalten. Da kann ich nur sagen: Thema verfehlt!

Margarete
Ohne mich bzgl. der Hohmann-Rede äussern zu wollen - ich habe sie nicht gelesen, zudem ist mir als Österreicher Hohmann vollkommen unbekannt - sei nur zu diesem Punkt - "Der Holocaust hat im übrigen KEINE Entsprechung" - angemerkt, dass dies, wenn man's denn so genau nehmen will, für kein einziges geschichtliches Ereignis gilt. Jedes ist einzigartig. Und dennoch wird mit gutem Grund zusammengefasst, klassifiziert, werden Parallelen aufgezeigt. Nur dadurch ist es uns möglich aus der Geschichte zu lernen. Tatsächlich einzigartige Ereignisse stehen für sich alleine, es könnten von ihnen her keinerlei Schlußfolgerungen gezogen werden, auch bräuchten wir nicht vor der Wiederholung schrecklicher Geschehnisse zu warnen, da einzigartiges sich eben nicht wiederholt.

Nun wird aber mit gutem Grund vor einer möglichen Wiederholung dessen gewarnt, was sich vor 60, 70 Jahren bei uns zutrug. Eben weil zwar nicht gleiche, aber doch vergleichbare Geschehnisse möglich sind. Und vergleichbare Geschehnisse zum Holocaust hat es in der Geschichte wiederholt gegeben. Für mich ist der fast schon vergessene Holocaust an den Armeniern, jener an den Tutsi, der Schrecken von Pol Pot - um nur einige zu nennen - vergleichbar, im Schrecken, der Unmenschlichkeit und dem Grauen dem Holocaust an den Juden vergleichbar.

Yehuda Bauers, Direktor des Internationalen Forschungsinstituts für Holocaust-Studien am Yad Vashem, begründet die "Einzigartigkeit" des Holocaust hier unter anderem mit folgendem Hinweis: Bei allen anderen Völkermorden, die wir kennen, war das Motiv irgendwie realistisch, wie bei dem Mord der Armenier, wo ein nationalistischer Beweggrund da war, oder in Ruanda, wo ein Streit um die Macht und um Land ausschlaggebend ist. Bei der Shoa ist die völkermordende Ideologie auf reiner Phantasie aufgebaut, zum erstenmal in der Geschichte.

Ich halte das für ein schwaches Argument. Wer möchte denn Pol Pots Steinzeitkommunismus, die dahinter stehenden "völkermordende Ideologie" als "irgendwie realistisch" bezeichnen? Oder den Mord an den Tutsis? Was war an deren versuchter Ausrottung realistisch?

Ich persönlich meine, dass die Gemeinsamkeiten, die Entsprechungen, bei derlei Greuel überwiegen.

(Abgesehen davon irritiert mich auch Bauers Urteil über die Kirchen und deren Rolle im Holocaust:"... Und die Kirchen? Der Holocaust hat eine tiefe Krise des Christentums ans Licht gebracht: 1900 Jahre nach dem Erscheinen des christlichen Messias, der die Botschaft der Liebe brachte, wurde sein Volk von getauften Heiden ermordet. Die Kirchen schwiegen, insofern sie nicht mitmachten. ... "

Nun lässt sich nicht leugnen, dass Angehörige der Kirche, Vertreter der Amtskirche ebenso wie Angehörige der Gesamtheit der Gläubigen, Schuld auf sich luden. Aber dass die Kirche "mitmachte", ist imo eine vollkommene Fehleinschätzung - um nicht von Verleumdung und Anti"kirchismus" zu schreiben.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Margarete G. hat geschrieben:Der Holocaust hat im übrigen KEINE Entsprechung.
Dazu fällt mir ein Satz von Immanuel Levinas ein. Er stellt seinem Werk Jenseits des Seins oder anders als sein geschieht eine Widmung vorran:

Dem Gedenken der nächsten Angehörigen unter den sechs Millionnen Menschen der von den Nationalsozialisten Ermordeten, neben den Millionnen und Abermillionnen von Menschen aller Konfessionen und aller Nationen, Opfer desselben Hasses auf den anderen Menschen, desselben Antisemitismus.

(Hervorhebung von mir)

Ich denken I. Levinas kann man wohl ebensowenig antisemitische Tendenzen vorwerfen wie den Vorwurf machen, den Holokaust verharmlosen zu wollen.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Falls jemand die Rede mal nachlesen will:

Die Tagesschau bietet den Text an.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Gast

Beitrag von Gast »

Zuletzt geändert von Gast am Freitag 4. Februar 2005, 16:48, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Margarete, aus der Süddeutschen Zeitung zitierend, hat geschrieben:»Die Täter der russischen Geheimpolizei, so sie überhaupt Juden waren, handelten nicht als Juden, sondern als Bolschewiken«
Aber genau das, Margarete, hat Hohmann doch auch gesagt.

Aber ich will noch einmal einen allgemeineren Gedanken äußern. Ich weiß über Hohmann nichts weiter – bloß mit einem früheren, ungleich bedeutenderen Fuldaer Abgeordneten hatte ich mal die Ehre mancher Gespräche –, aber ich vermute, daß er weniger aus einer kirchlichen denn aus einer national gesinnten Haltung heraus redet und schreibt. Das ändert aber nichts daran, daß wahr bleibt, was Hohmann sagt: daß die Wurzel der nationalsozialistischen Verbrechen ebenso wie der bolschewistischen Gottlosigkeit heißt. Das beginnt, um in der Neuzeit zu bleiben, schon bei den Jakobinern. Ich halte das für einen ganz fundamentalen Gesichtspunkt. Das darf nicht in den Strudel jener künstlichen Antisemitismushysterie geraten und untergehen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Im übrigen halte ich die Trenneung des Handlungsmotives schon für absurd (wenn auch für realistisch): wenn die SZ schreibt, dass die jüd. Bolschewiken als Bolschewiken handelten, dann ist das zwar richtig, zeigt aber auch die persönlichkeitsspalterische Auffassung des Menschen.
Wenn ich irgendwie handele, dann als Arzt, Deutscher, Europäer, Rheinländer, Düsseldorfer, Mann, Christ, Katholik, Ralf.
Und zwar immer und jederzeit.

Wenn ich das nicht behaupte, dann lüge ich, denn keine dieser Eigenschaften kann ich "abwerfen", da sie durch Erfahrungen etc. mein Sein konstituieren.

Rollentrennungen können nach außen hin sein, im Inneren sind sie jedoch unwirksam. Alles andere ist Illusion.

Gast

Beitrag von Gast »

Ketelhohn hat geschrieben:
Margarete hat geschrieben:»Die Täter der russischen Geheimpolizei, so sie überhaupt Juden waren, handelten nicht als Juden, sondern als Bolschewiken«
Aber genau das, Margarete, hat Hohmann doch auch gesagt.


Und "genau das", wie Du meinst, hat er eben nicht SO gesagt, sondern er hat - um mich noch einmal zu wiederholen - die jüdische Herkunft einiger Täter zum Anlass für eine höchst überflüssige Aufrechnerei genommen.

Ausserdem, das Zitat stammt nicht von mir sondern aus einem Pressekommentar! :(

Herr Hohmann hätte es sich und uns allen einfacher machen können: "Die Täter der russischen Geheimpolizeit waren Bolschewiken." Das wussten wir allerdings auch vorher - und ob und wieviele unter ihnen jüdischer Herkunft waren ist für mich ebenso unerheblich wie der Anteil derer, die christlich getauft waren. Hohmann hätte am 3. Oktober auch einfach was zum Tag der Deutschen Einheit sagen können...

Margarete
Zuletzt geändert von Gast am Samstag 8. November 2003, 13:21, insgesamt 3-mal geändert.

Gast

Beitrag von Gast »

Ralf hat geschrieben:Wenn ich irgendwie handele, dann als Arzt, Deutscher, Europäer, Rheinländer, Düsseldorfer, Mann, Christ, Katholik, Ralf.
Und zwar immer und jederzeit.
Wenn ich das nicht behaupte, dann lüge ich, denn keine dieser Eigenschaften kann ich "abwerfen", da sie durch Erfahrungen etc. mein Sein konstituieren.
Rollentrennungen können nach außen hin sein, im Inneren sind sie jedoch unwirksam. Alles andere ist Illusion.
Ralf, hier geht's um was anderes: Wenn Du als Arzt einen Kunstfehler machst, wird Dir das als Arzt zur Last gelegt und - hoffentlich - nicht "den Katholiken", etwa so: Es ist unbestritten, dass sich unter den Ärzten, die pfuschen, überproportional viele Katholiken befinden...

Margarete

Ralf

Beitrag von Ralf »

Was mir wer zur Last legt, ist nicht wichtig. Wichtig ist was ich tue und wer ich bin. Und wenn ich ärztlich pfusche, dann natürlich auch als Katholik. Denn der bin ich schließlich, 24h am Tag.

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Ketelhohn hat geschrieben:Das ändert aber nichts daran, daß wahr bleibt, was Hohmann sagt: daß die Wurzel der nationalsozialistischen Verbrechen ebenso wie der bolschewistischen Gottlosigkeit heißt. Das beginnt, um in der Neuzeit zu bleiben, schon bei den Jakobinern. Ich halte das für einen ganz fundamentalen Gesichtspunkt. Das darf nicht in den Strudel jener künstlichen Antisemitismushysterie geraten und untergehen.
Solche Verbrechen, wie sie hier diskutiert werden, wurden in der Geschichte (und in der Gegenwart) sowohl von Atheisten als auch von religiösen Menschen jeglicher Konfession/Religion begangen. Es kann sein, dass bestimmte Verbrechen eher von "Gottlosen" und andere eher von Gläubigen begangen werden.

Ob die weltanschauliche / religiöse Ausrichtung dabei eine Rolle spielt wäre im Einzelfall zu überprüfen. In jeder dieser Gruppen gab und gibt es aber auch Menschen, die Verbrechen dieser Art ablehnen und verabscheuen. Ich kann ehrlichgesagt nicht erkennen, dass im realen Leben die Gläubigen im Durchschnitt besser handeln als die "Gottlosen".

Anselm

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Noch eine Anmerkung zu der hier geführten Diskussion:
ich würde nicht unbedingt zwischen Gottlosen und religiösen Menschen unterscheiden, wie dies ja Hohmann tut, sondern zwischen Gläubigen und - nennen wir sie mal - "Skeptikern".

In einem gewissen Sinne werden Verbrechen, der hier diskutierten Art (Massenmorde von Nazis und Bolschewiken + .......) von "Gläubigen" begangen. Gläubig in dem Sinne, dass sie an eine bestimmte Theorie, Utopie, Weltanschauung glauben und die Gegner dieser "Heilsversprechen" vertreiben oder umbringen.

Insofern muss man auch bei den religiösen Menschen die Fanatiker, die zur Durchsetzung ihrer Glaubensvorstellungen auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken von den anderen Anhängern der jeweiligen Religion unterscheiden.

Anselm

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Margarete hat geschrieben:»Und "genau das", wie Du meinst, hat er eben nicht SO gesagt, sondern er hat - um mich noch einmal zu wiederholen - die jüdische Herkunft einiger Täter zum Anlaß für eine höchst überflüssige Aufrechnerei genommen.«
Ich verstehe die hauptsächlich inkriminierte Redepassage nach wie vor so, daß Hohmann gezeigt hat, zu welchem Ergebnis es führen kann, wenn man die Methode, die von gewissen Interessengruppen tatsächlich immer wieder pauschal gegen die Deutschen angewandt wird, analog auf die vielen Juden in der bolschewistischen Führung überträgt. Denn von da aus gelangte Hohmann zu der Feststellung, daß die Methode in dem einen wie dem andern Falle unangemessen ist.

Also keine Aufrechnerei in dem Sinne, das Untaten der einen Seite durch die der andern aufgewogen werden sollten, sondern Widerlegung der Pauschalverdammungsmethode und Hinweis auf die wirklichen Wurzeln jener Untaten.

Übrigens ist in der Weimarer Zeit dieselbe Methode ja auch tatsächlich gegen die Juden verwendet worden. Ja, ohne die tatsächliche Präsenz jener Juden unter den bolschewistischen Führern hätten die antisemitischen Propagandisten in Deutschland, wo der Schock des aus dem Osten berichteten Grauens tiefe Wirkung hinterließ, nicht mit solchem Erfolg das Zerrbild des ewig-bolschewistischen Juden zeichnen können.

Darm kann ich gut verstehen, wenn jemand heftig reagiert, sollte nun dieselbe Propaganda widerbelebt werden. Es ist aber ebenso verständlich und nachvollziehbar, wenn jemand sich dagegen wendet, daß ähnliche Methoden gegen andere (und zumal gegen das eigene Volk) angewendet werden. Statt also laut aufzuschreien – noch dazu in vielen Fällen aus reiner Heuchelei oder im eigenen Karriereinteresse –, sollte man noch einmal hinschauen und merken: »Aha! der Mann hat ja gar nicht die Juden bezichtigt, sondern bloß klargestellt, weshalb man ebensowenig „die“ Juden pauschal bezichtigen darf wie „die“ Deutschen.«
Margarete hat geschrieben:»Außerdem, das Zitat stammt nicht von mir sondern aus einem Pressekommentar!«
Dachte, das sei auch so klar. Habe es oben verdeutlicht.
Margarete hat geschrieben:»Herr Hohmann hätte es sich und uns allen einfacher machen können: "Die Täter der russischen Geheimpolizei waren Bolschewiken."«
Der Pauschalvorwurf gegen die Deutschen wird aber heute nicht von Bolschewiken erhoben. Hohmann mußte schon auf die zielen, deren Methode er sich zu kritisieren vorgenommen hatte. Diese Absicht kann man natürlich für illegitim halten; dem würde ich jedoch widersprechen. Jüdische Abstammung kann ja nicht zur Exemption von jeder Kritik führen.

Man kann natürlich auch einfach sagen, die Gelegenheit sei unpassend gewesen:
Margarete hat geschrieben:»Hohmann hätte am 3. Oktober auch einfach was zum Tag der Deutschen Einheit sagen können... «
Mir persönlich würde zu diesem dämlichen Feiertag auch nicht viel „Passendes“ einfallen. Nun ja, ich hätte vielleicht über die neoliberal vermurksten Chancen geredet und ein paar Möglichkeiten zum Aufschwung aufgezeigt, wirtschafts- und finanzpolitische Desiderate genannt, Investitionen in Infrastruktur und Forschung gefordert, den Transrapid gepriesen, das leuchtende Bild eines zusammenhängenden Wirtschaftsraums vom Atlantik bis an den Amur, vom Nordmeer bis zum Hohen Atlas gemalt.

Dabei hätte ich vermutlich auf einige Kriegstreiber und internationale Finanzhaie geschimpft und Rußlands Maßnahmen gegen Beresowskij, Gussinskyj und nun Chodorkowskij gelobt: und wäre dessenthalben prompt mit Schimpf und Schande als Antisemit durch die Arena getrieben worden.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Anselm hat geschrieben:»In einem gewissen Sinne werden Verbrechen, der hier diskutierten Art (Massenmorde von Nazis und Bolschewiken + .......) von "Gläubigen" begangen. Gläubig in dem Sinne, dass sie an eine bestimmte Theorie, Utopie, Weltanschauung glauben und die Gegner dieser "Heilsversprechen" vertreiben oder umbringen. «
Das ist durchaus richtig.
Anselm hat geschrieben:»ich würde nicht unbedingt zwischen Gottlosen und religiösen Menschen unterscheiden, wie dies ja Hohmann tut, sondern zwischen Gläubigen und - nennen wir sie mal - "Skeptikern".«
Nein, hier würde ich zwischen Anhängern des wahren Gottes und jenen unterscheiden, die an die Stelle Gottes einen bösen Dämon gesetzt haben.

Richtig ist schon, worauf du hinweist, daß wir als Gläubige nicht minder ungerecht und sündig sind. Wir sind durchaus nicht die besseren Menschen. Daß der Glaube, statistisch betrachtet und aufs ganze gesehen, die Sünde vielleicht doch eher hemmt, stehe einmal dahin.

Vor allem scheint mir sehr deutlich zu sein, daß staatliche Systeme, die sich von Gott lösen und wohl gar noch fanatisch Ersatzgöttern hinterherlaufen, unermeßliche Ausbrüche der Sünde geradezu herbeiführen. Da werden Bande gelöst, die der ganz unvollkommene irdische Staat unserer sündigen Menschennatur immerhin noch anlegt, wenn er sich halbwegs aufrichtig um Recht und Frieden müht.

Darum überstiegen die Greueltaten seit der ideologischen Loslösung des neuzeitlichen Menschen von Gott immer wieder jedes vorstellbare Maß. Trotz aller Schrecken, die die Geschichte durchgängig kennt, begann mit der Französischen Revolution eine neue Qualität des Grauens.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Gast

Beitrag von Gast »

Ketelhohn hat geschrieben:Also keine Aufrechnerei in dem Sinne, das Untaten der einen Seite durch die der andern aufgewogen werden sollten, sondern Widerlegung der Pauschalverdammungsmethode und Hinweis auf die wirklichen Wurzeln jener Untaten.
Die "Pauschalverdammungsmethode" kann auch mit weniger unglücklich gewählten Beispielen widerlegt werden.
Ketelhohn hat geschrieben:Übrigens ist in der Weimarer Zeit dieselbe Methode ja auch tatsächlich gegen die Juden verwendet worden. Ja, ohne die tatsächliche Präsenz jener Juden unter den bolschewistischen Führern hätten die antisemitischen Propagandisten in Deutschland, wo der Schock des aus dem Osten berichteten Grauens tiefe Wirkung hinterließ, nicht mit solchem Erfolg das Zerrbild des ewig-bolschewistischen Juden zeichnen können.
Nicht nur in der "Weimarer Zeit". Der "ewig-bolschewistische Jude" gehörte fatalerweise eben auch zum Vokabular des Herrn Goebbels.
Ketelhohn hat geschrieben:»Aha! der Mann hat ja gar nicht die Juden bezichtigt, sondern bloß klargestellt, weshalb man ebensowenig „die“ Juden pauschal bezichtigen darf wie „die“ Deutschen.«
Na ja, sooo pauschal werden "die" Deutschen ja nicht bezichtigt. Die Herren Goldhagen etc. sind auch zu widerlegen, ohne zu alten anti-jüdischen Klischees Zuflucht zu nehmen und sich damit auf's Glatteis zu begeben.
Ketelhohn hat geschrieben:Hohmann mußte schon auf die zielen, deren Methode er sich zu kritisieren vorgenommen hatte.
Sorry, als "Methodenkritik" kann ich Herrn Hohmanns Ausführungen nun wirklich nicht verstehen. Eher eben als wenig durchdachtes Politikergeschwätz...

Und da der Anlass so unpassend ist: Wir schreiben heute den 9. November 2003. Die "Tätervolkthese" ist seit mindestens 65 Jahren widerlegt.

"Was gestern war, wissen wir, was morgen ist, wissen wir nicht, aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt: draußen brennt der Tempel – das ist auch ein Gotteshaus."

(Bernhard Lichtenberg am 9.11.1938)
Zuletzt geändert von Gast am Sonntag 9. November 2003, 15:34, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Margarete G. hat geschrieben:Und da der Anlass so unpassend ist: Wir schreiben heute den 9. November 2003.
= Der (Deutsche) Universalfeiertag - da ist für jeden ein passender Anlass dabei:
etwa die Weihe der Lateranbasilika
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Margarete hat geschrieben:»Nicht nur in der "Weimarer Zeit". Der "ewig-bolschewistische Jude" gehörte fatalerweise eben auch zum Vokabular des Herrn Goebbels.«
Versteht sich doch ohnehin, Margarete. Nur wäre ein Göbbels an der Macht ohne die propagandistische Vorbereitung in der Weimarer Zeit kaum möglich gewesen. Das meinte ich.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Gast

Beitrag von Gast »

Okay. Trotzdem halte ich Hohmanns "Beweisführung", vorsichtig ausgedrückt, für äusserst ungeschickt. Sie wird eben nicht nur abgelehnt, sondern spricht darüberhinaus - ganz egal, welche Bögen er hinterher schlägt - weiter bestehende antisemitische Ressentiments in unserer Gesellschaft an.

Ein Brief vom 20.04.1933, Verfasserin: Edith Stein

Heiliger Vater!

Als ein Kind des jüdischen Volkes, das durch Gottes Gnade seit elf Jahren ein Kind der katholischen Kirche ist, wage ich es, vor dem Vater der Christenheit auszusprechen, was Millionen von Deutschen bedrückt.
Seit Wochen sehen wir in Deutschland Taten geschehen, die jeder Gerechtigkeit und Menschlichkeit – von Nächstenliebe gar nicht zu reden – Hohn sprechen. Jahre hindurch haben die nationalsozialistischen Führer den Judenhass gepredigt. Nachdem sie jetzt die Regierungsgewalt in ihre Hände gebracht und ihre Anhängerschaft – darunter nachweislich verbrecherische Elemente – bewaffnet hatten, ist diese Saat des Hasses aufgegangen. Dass Ausschreitungen vorgekommen sind, wurde noch vor kurzem von der Regierung zugegeben. In welchem Umfang, davon können wir uns kein Bild machen, weil die öffentliche Meinung geknebelt ist. Aber nach dem zu urteilen, was mir durch persönliche Beziehungen bekannt geworden ist, handelt es sich keineswegs um vereinzelte Ausnahmefälle. Unter dem Druck der Auslandsstimmen ist die Regierung zu „milderen“ Methoden übergegangen. Sie hat die Parole ausgegeben, es solle „keinem Juden ein Haar gekrümmt werden“. Aber sie treibt durch ihre Boykotterklärung – dadurch, dass sie den Menschen wirtschaftliche Existenz, bürgerliche Ehre und ihr Vaterland nimmt – viele zur Verzweiflung: es sind mir in der letzten Woche durch private Nachrichten 5 Fälle von Selbstmord infolge dieser Anfeindungen bekannt geworden. Ich bin überzeugt, dass es sich um eine allgemeine Erscheinung handelt, die noch viele Opfer fordern wird. Man mag bedauern, dass die Unglücklichen nicht mehr inneren Halt haben, im ihr Schicksal zu tragen. Aber die Verantwortung fällt doch zum großen Teil auf die, die sie so weit brachten. Und sie fällt auch auf die, die dazu schweigen.

Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich „christlich“ nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland – und ich denke, in der ganzen Welt – darauf, dass die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Missbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun. Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers, der allerseligsten Jungfrau und der Apostel? Steht nicht dies alles im äußersten Gegensatz zum Verhalten unseres Herrn und Heilands, der noch am Kreuz für seine Verfolger betete? Und ist es nicht ein schwarzer Flecken in der Chronik dieses Heiligen Jahres, das ein Jahr des Friedens und der Versöhnung werden sollte?

Wir alle, die wir treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Schweigen nicht imstande sein wird, auf die Dauer den Frieden mit der gegenwärtigen deutschen Regierung zu erkaufen. Der Kampf gegen den Katholizismus wird vorläufig noch in der Stille und in weniger brutalen Formen geführt wie gegen das Judentum, aber nicht weniger systematisch. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird in Deutschland kein Katholik mehr ein Amt haben, wenn er sich nicht dem neuen Kurs bedingungslos verschreibt.

Zu Füssen Eurer Heiligkeit, um den Apostolischen Segen bittend

Dr. Editha Stein
Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik
Münster i.W. Collegium Marianum


Übrigens: für mich gehört sie zu den größten Deutschen.

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema