Die Unfähigkeit zu trauern?

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overkott
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Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Offenbar wird sich die Bundesrepublik Deutschland nicht angemessen von einem Kanzler verabschieden können, der sie epochal geprägt hat. Zum Schluss stand sich Kohl offenbar selbst im Weg. In anderen Staaten wäre das undenkbar. Eine EU-Veranstaltung ist für den Umgang der Bundesrepublik mit sich selbst kein Ersatz.

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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »


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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Der Bundestagspräsident hat Recht, dass die staatliche Würdigung der Leistungen und Grenzen Kohls nicht Privatsache der Witwe ist. Ein Staatsakt steht der Beisetzung im engsten Kreis nicht entgegen. Eine angemessene Würdigung durch die Bundesrepublik bringt den demokratischen Grundkonsens zum Ausdruck über die Grenzen parteilicher und persönlicher Animositäten hinaus.

Lilaimmerdieselbe
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Ich habe in einer der vielen Extrasendungen zum Tod Kohls gehört, dass das Problem außer bei der Witwe auch in einer Festlegung Kohls vor zwei Jahren gelegen habe, wer alles nicht anläßlich seines Todes reden dürfe. Da steht der jetzige Bundespräsident sehr weit oben. Der hatte Kohl bei Übernahme des Amtes als Kanzleramtsminister vorgeworfen, die Verantwortung für verschwundene Akten zu tragen.

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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Natürlich kann Kohl dem Bundespräsidenten nicht den Mund verbieten. Der Bundespräsident muss ihn ja nicht bis zur Geschichtsfälschung loben.

Lilaimmerdieselbe
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Der Bundespräsident hat sich ja schon sehr respektvoll geäußert, aber eben nicht im Rahmen eines Staatsaktes zur Beerdigung. Das liegt aber an Kohl und nicht an ihm. Man kann Kohl halt nicht gegen seinen Willen ehren.

Der Familie Schleyer wurde mit dem Staatsakt Furchtbares zugemutet. Sie hatte die Staatsräson, sich nicht zu verweigern, obwohl sie nicht einverstanden war.

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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Man kann. Der demokratische Staat steht in einer Pflicht seinen Werten gegenüber, seine verblichenen Repräsentanten angemessen zu würdigen. Die Bundesrepublik Deutschland hat es auch geschafft, sich von Genscher gebührend zu verabschieden.

Lilaimmerdieselbe
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Hatte der oder haben seine Angehörigen sich denn dagegen gewehrt? Ist mir gar nicht aufgefallen. Beispiele passender Staatsakte an sich gibt es genug, Schmidt wurde geradezu ausufernd gewürdigt, aber dessen Wünsche dazu wurden auch berücksichtigt.

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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Für Rau gab es einen Staatsakt auch in NRW. Man kann also nicht sagen: Da in Straßburg wird gefeiert. Deshalb brauchen wir den sturen Kohl nicht auch noch groß würdigen. Schweigeminute, betretene Gesichter - das reicht.

Pilgerer
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Pilgerer »

Hannelore war die bessere Ehefrau.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Caviteño
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Caviteño »


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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Es ist tragisch, wie der ehemals frei gewählte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sich nicht nur um den Ehrenvorsitz seiner Partei brachte, sondern auch um die Ehrenkanzlerschaft dieses unseres Landes. Immerhin ist er Ehrenbürger Europas geblieben und hat es noch auf eine Briefmarke geschafft. Außer eine eigene Stiftung wird sogar ein Bundesbeauftragter über Akten für die Nachwelt wachen. Einsam und gedemütigt wollte Hannelore Kohl nach der Spendenaffäre eine Veröffentlichung heikler Mitschnitte nicht mehr verkraften. Das Liebesleben des Kanzlers war nicht so konservativ, wie es den Wählern, aber vor allem seiner Frau lieb gewesen wäre. Zur Beerdigung erschien Sohn Walter mit seiner ersten Ehefrau, deren Name dem Internet in Vergessenheit geraten ist... Auch die Witwe als Gralshüterin ihres Göttergatten vermochte der Tragik keine rühmliche Wende verleihen.

Pilgerer
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Pilgerer »

Lilaimmerdieselbe hat geschrieben:
Donnerstag 22. Juni 2017, 11:16
Ich habe in einer der vielen Extrasendungen zum Tod Kohls gehört, dass das Problem außer bei der Witwe auch in einer Festlegung Kohls vor zwei Jahren gelegen habe, wer alles nicht anläßlich seines Todes reden dürfe. Da steht der jetzige Bundespräsident sehr weit oben. Der hatte Kohl bei Übernahme des Amtes als Kanzleramtsminister vorgeworfen, die Verantwortung für verschwundene Akten zu tragen.
Mit Schäuble, Merkel, Thierse hatte er ähnliche Probleme. Offenbar gehörte Kohl zu den Menschen, die sehr treuherzig sein können, aber auch ebenso sehr nachtragend sein können. In der Politik geht es nicht immer freundlich und friedlich zu. Das ist nicht immer leicht zu bewältigen, vor allem für gutmütige Leute, zu denen Kohl meiner Einschätzung nach eher gehört.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Raphael

Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von Raphael »

Die ganz Angelegenheit wird mehr und mehr zu einer Farce: :hmm:
dpa hat geschrieben:Walter Kohl: Ich finde die bisherige Entwicklung unwürdig

Der ältere Sohn von Ex-Kanzler Helmut Kohl kritisiert die Pläne für die Trauerzeremonien und das Begräbnis seines Vaters. «Ich finde die bisherige Entwicklung unwürdig, für meinen Vater, für
Deutschland und für Europa», sagte Walter Kohl der «Zeit». An der geplanten Beisetzung in Speyer werde er nicht teilnehmen, sagte der Kohl-Sohn und nannte es eine falsche Entscheidung, dass sein Vater
nicht im Familiengrab in Ludwigshafen beerdigt werde. Walter Kohl würde sich außerdem einen Staatsakt am Brandenburger Tor wünschen.

Helmut Kohl war am 16. Juni im Alter 87 Jahren gestorben. Am 1. Juli soll es für den Altkanzler einen europäischen Trauerakt in Straßburg geben, im Anschluss eine Totenmesse und ein militärisches Abschiedszeremoniell in Speyer - und danach die Beisetzung dort.

«Mit der Entscheidung für ein Begräbnis in Speyer soll sein politisches Lebenswerk von seiner Frau Hannelore getrennt werden», beklagte Walter Kohl. Dabei habe seine Mutter Helmut Kohl über Jahrzehnte getragen. «Er selbst hat immer betont, dass sein Lebenswerk ohne seine Frau Hannelore nicht möglich gewesen wäre.»

Walter Kohl schlug vor, nach dem Trauerakt in Straßburg statt der Zeremonien in Speyer am Brandenburger Tor in Berlin eine Verabschiedung mit drei Elementen abzuhalten: einem Staatsakt, einem ökumenischen Requiem und einem Großen Zapfenstreich. «Ich bin überzeugt, dass diese Idee bei voller Gesundheit seine Zustimmung gefunden hätte», sagt er mit Blick auf den Vater. Ihm sei bewusst, dass die Planungen bereits weit fortgeschritten seien, er hoffe aber noch auf eine Änderung.

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overkott
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Re: Die Unfähigkeit zu trauern?

Beitrag von overkott »

Pilgerer hat geschrieben:
Freitag 23. Juni 2017, 15:51
Lilaimmerdieselbe hat geschrieben:
Donnerstag 22. Juni 2017, 11:16
Ich habe in einer der vielen Extrasendungen zum Tod Kohls gehört, dass das Problem außer bei der Witwe auch in einer Festlegung Kohls vor zwei Jahren gelegen habe, wer alles nicht anläßlich seines Todes reden dürfe. Da steht der jetzige Bundespräsident sehr weit oben. Der hatte Kohl bei Übernahme des Amtes als Kanzleramtsminister vorgeworfen, die Verantwortung für verschwundene Akten zu tragen.
Mit Schäuble, Merkel, Thierse hatte er ähnliche Probleme. Offenbar gehörte Kohl zu den Menschen, die sehr treuherzig sein können, aber auch ebenso sehr nachtragend sein können. In der Politik geht es nicht immer freundlich und friedlich zu. Das ist nicht immer leicht zu bewältigen, vor allem für gutmütige Leute, zu denen Kohl meiner Einschätzung nach eher gehört.
Für Polen, für Ungarn, für Osteuropa war Kohl sicher ein Geschenk. Und für die Öffnung im Herzen Europas so wichtig wie Johannes Paul II.. Viele Westeuropäer haben die Attraktivität als Reiseziele noch gar nicht so entdeckt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Tourismus_in_Polen
https://de.wikipedia.org/wiki/Tourismus_in_Polen
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie ... s_(Ungarn)

Wer sich Kohl verbunden fühlt, wird in diesem Sommer sicher der Sonne einfach mal entgegen fahren.

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