EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

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RomanesEuntDomus
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von RomanesEuntDomus »

overkott hat geschrieben:Die Bundeskanzlerin will die Annäherung der EU an Kirgisistan fördern.
An Dolmetschern wird es dort nicht mangeln.

Hier ein Gebetshaus deutscher Einwanderer, die sich, wie man sieht, schon seit jeher überall bestens integriert und an die Landessitten angepaßt haben, ...

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... im malerisch gelegenen Dorf "Rot Front", das sich auch durch die Namensgebung wunderbar in die Landschaft Nordkirgisiens einfügt, ...

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... und das man auf keinen Fall mit dem Ort "Luxemburg" verwechseln sollte, der heute einen Stadteil von "Kant" bildet:

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overkott
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von overkott »

Vor dem europäisch-asiatischen Wirtschaftsforum ASEM am Freitag und Samstag hat EU-Kommissionschef Juncker für intensiveren Austausch an Gütern und Information zwischen den Kontinenten geworben. Dabei hat er die Bedeutung der Harmonisierung von Regeln sowie der Entwicklung des Internets hervorgehoben. Vor allem gehe es um den Schutz der Privatsphäre und den Aufbau von Vertrauen. Zuvor ging er auch auf die neue Partnerschaft zwischen Großbritannien und der EU ein, die er weiterhin als freundschaftlich und kooperativ bezeichnete. Die EU sei der zweitgrößte Wirtschaftsraum und der größte Handelsblock der Welt. Insbesondere hob er auf das Investitionsvolumen für den Klimaschutz und eine Modernisierung der Wirtschaft ab. Für den Präsidenten der parlamentarischen Demokratie Mongolei hatte er noch eine Botschaft: And to you Mr President, I have another message. We are welcomed here in Mongolia like princes, you are a man who knows the world. You are a man who is a great leader of his country. And so I am looking to the future of this great nation with optimism. Long live Mongolia. ( Es gilt das gesprochene Wort. )

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overkott
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von overkott »

Der ASEM-Gipfel steht im Schatten eines tragischen LKW-Unfalls in Südfrankreich. Ein geistig verwirrter Einzeltäter hatte dort offenbar die sittliche Orientierung verloren. Die Bundeskanzlerin hat auf dem Gipfel den Betroffenen ihr Beileid bekundet und ausgesprochen, was eigentlichen allen am Herzen liegt. EU-Behördenchef Juncker nimmt auch teil. Seine Botschaft vor der Versammlung war gestern schon Thema im Kreuzgang. Im Gespräch mit China und Russland hat Merkel die Gelegenheit, noch einmal über die weltweit wichtigsten Handelsfragen zu sprechen.

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martin v. tours
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von martin v. tours »

…."ein geistig verwirrter Einzeltäter hatt dort offenbar die sittliche Orientierung verloren"…
sag mal geht's noch? :vogel:
Bist Du so vernagelt oder willst Du es in deiner Villa Kunterbunt nicht sehen?
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

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Edi
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Edi »

overkott hat geschrieben:Der ASEM-Gipfel steht im Schatten eines tragischen LKW-Unfalls in Südfrankreich.
Weder tragisch noch Unfall. So einen Aussage erinnert einen an die verharmlosende Lügenpresse.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Interessant!

Merkel nahm den Schweizer Bundespräsidenten in ihrer Luftwaffenmaschine mit zurück nach Berlin, weil sein Flug mit Turkish Airlines aufgrund des Putsches unsicher war.
Was für die unbefangenen Beobachter wie eine freundliche Geste aussieht, dürfte politisch bedeutend gewesen sein:
Statt nach Istanbul flog Schneider-Ammann nach Berlin-Tegel. 7½ Stunden lang sass der Bundespräsident bei Merkel in der Kanzlerkabine. «Es war womöglich das längste Gespräch, das ein Schweizer Bundespräsident je mit einem deutschen Regierungschef hatte», sagt Erik Reumann, Sprecher des Wirtschaftsdepartements (WBF). Auf dem langen Flug hätten Merkel und Schneider-Ammann die Zeit genutzt, um sich «über verschiedene Themen» auszutauschen. «Der Bundespräsident hat die Bundeskanzlerin über das Resultat des Gesprächs mit Jean-Claude Juncker informiert.» Vereinbart wurde in Ulan-Bator im Zusammenhang mit der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative die technischen Diskussionen in den nächsten Wochen zu intensivieren. Die politische Würdigung der Diskussionen soll am 19. September stattfinden, wenn Juncker die Schweiz besucht. Das tut er im Zusammenhang mit dem Gedenken an die Europa-Rede von Winston Churchill vor 7 Jahren an der Uni Zürich am 19. September 1946.
http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/ ... l_zurueck/

Die Schweiz muß aufgrund eines Plebiszits die sog. "Masseneinwanderungsinitiative" umsetzen und damit eine Beschränkung der Einwanderung aus der EU umsetzen. Das verstößt gegen die sog. "Bilateralen". Ein solcher Verstoß würde die EU berechtigen, das gesamte Paket und damit den Zugang der Schweiz zum Binnenmarkt zu kündigen. Die Schweiz befindet sich damit in einer ähnlichen Situation wie GB - nach dem Brexit.

Da über die Konditionen des Brexits offensichtlich nicht mehr in Brüssel, sondern in Berlin und Berlin entschieden wird, dürfte das Gespräch nicht "belanglos" gewesen sein.

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overkott
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von overkott »

Der Verzicht der Briten auf die Ratspräsidentschaft ist konsequent. Was mit Schottland passiert, müssen die Schotten selber wissen.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Dass die Schaffung eines europäischen Bundesstaats unter freiheitlich-demokratischen Bedingungen ein Experiment mit offenem Ausgang sein muss, ist für einen Teil der europäischen Elite nicht akzeptabel.
Weshalb unternahm eine kleine Gruppe von EG-Funktionären und Staatschefs alles Menschenmögliche, damit der Euro trotz grossen Bedenken Tatsache wurde? Auch diese Frage diskutierte Mervyn King in seiner kürzlich an der Universität Zürich gehaltenen Vorlesung. Der ehemalige Governor der Bank of England nannte vor allem zwei Gründe: fehlende Geduld und die Weigerung zu akzeptieren, dass historische Entwicklungen niemals alternativlos sind.
Die Vorstellung, dass es bei der Schaffung eines europäischen Bundesstaats um ein Experiment geht, dessen Ausgang unter freiheitlich-demokratischen Bedingungen stets offenbleiben muss, ist für einen Teil der europäischen Elite bis heute inakzeptabel. Diese Intransigenz verursachte nicht nur wirtschaftliche Stagnation und hohe Arbeitslosigkeit, sondern förderte auch das Aufkommen xenophober Bewegungen am rechten politischen Rand. Damit schwindet auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Europas Bürger in absehbarer Zeit freiwillig in einer politischen Union organisieren.
http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/eu ... -ld.1785

Das erklärt auch, warum z.B. der Maastricht-Vertrag zur Euroeinführung keine Austrittsklausel für ein Mitglied kennt und warum von Kommission und Parlamentspräsident sofort der Ruf erhoben, ein Mitglied, das von seinem vertraglich vereinbarten Recht aus der EU auszutreten, zu "bestrafen". Man wagt sich überhaupt nicht vorzustellen, wie die Vertreter der "Rechtsgemeinschaft Europa" mit einem kleineren Mitgliedsland umgesprungen würden, wenn es austreten will.

Man will eine "immer enger werdende Union" - egal ob die Bevölkerung "mitgenommen" werden will oder nicht. Vorwärts immer, rückwärts nimmer oder alternativlos - wie die Kanzlerin bemerkte.

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overkott
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von overkott »

Die Entscheidung für mehr Freihandel in Europa war bisher Wachstumsmotor zum Nutzen aller. Grenzübergreifende Probleme erfordern auch grenzübergreifende Lösungen. Das geht nicht ohne grenzübergreifende Institutionen. Die Debatte um CETA hat jedoch gezeigt, dass man den eigenen Europaabgeordneten nicht so ganz traut und auch dem Rat der Staats- und Regierungschefs nicht so ganz. Das ist natürlich albern. Über die Handelsverträge wird erst einmal weiter debattiert mit offenem Ausgang. Die Wahlen in den USA tragen sehr zum Schicksal der Handelsverträge bei. Und damit auch zum Wachstum in der EU.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Europas Institutionen - Die Lebenslüge der EU
Der Euro und der freie Personenverkehr mögen als zwei sehr unterschiedliche Streitpunkte erscheinen. Die beiden Themen verbindet aber eines: Sie nehmen einen Zustand vorweg, den es nicht gibt und auf absehbare Zeit auch nicht geben wird: eine europäische Staatlichkeit. Ähnlich wie eine Einheitswährung nur unter dem Dach einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung sinnvoll erscheint, ist völlig freier Personenverkehr nur schwer vereinbar mit national sehr unterschiedlichen Sozialsystemen. «Man kann einen Sozialstaat haben, und man kann freie Zuwanderung haben. Aber man kann nicht beides gleichzeitig haben», meinte dazu der liberale Ökonom Milton Friedman. Diese ökonomischen Anreizprobleme dürften auch Brüssel bewusst sein. Dennoch verknüpft man den Binnenmarkt mit unbeschränkter Wanderungsfreiheit – wohl im Bestreben, Fakten zu schaffen und das Ziel einer Sozialunion vorwegzunehmen.
Solche Politik ist unaufrichtig. Sie hat aber System in Brüssel. Die Existenz autonomer Nationalstaaten wird seit den frühen 1990er Jahren zusehends zu kaschieren versucht. Weil sich in Europa die meisten Bürger auch 65 Jahre nach Gründung der Kohle- und Stahlunion noch immer primär als Franzosen, Deutsche oder Italiener fühlen, nicht aber als Europäer, wird der erhofften Identitätsbildung von oben herab nachgeholfen. Deutlich spiegelt sich dies im Vertrag von Maastricht, der über die Schaffung einer Währung ein neues Staatsgebilde zu kreieren versucht – mit verheerenden ökonomischen Folgen, wie man heute weiss. Eine affektive Bindung an Europa lässt sich nicht per Währung oder Dekret oktroyieren, und auch nicht über freien Personenverkehr. Wird Letzterer von einer Mehrheit der Landesbevölkerung als nachteilig empfunden, resultiert eher das Gegenteil, nämlich die Zunahme nationaler Abwehrreflexe.
Beim freien Personenverkehr wäre auch noch die Fehlkonstruktion von Schengen hinzuweisen. Wenn die Binnengrenzen wegfallen, müssen die Außengrenzen so geschützt werden wie früher die Binnengrenzen. Nur so kann eine Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht werden. Lassen Staaten wie IT und GR aber die illegale Migration zu, halten sich dabei nicht an Vereinbarungen und winken einfach Richtung Norden durch, fehlt die Akzetanz.
Verheerend auch die Politik der Kanzlerin, die in der "Flüchtlings"frage allein entschied und dann die übrigen "Partner" aufforderte, einen Teil der Last zu tragen. Daß ein solches Verhalten nicht nur beim Urnenpöbel sondern auch bei der "politischen Elite" auf Mißfallen stößt, kann man sich denken - sofern man vom "Ende her denkt". :breitgrins:
Der Brexit war die erste Quittung und weitere werden folgen.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Ein Blick auf die Lage in Italien. Heute treffen sich dort Renzi, Hollande und Merkel und wollen versuchen, ein wenig Ordnung in das angerichtete Chaos zu bringen. Es steht nicht gut, besonders IT ist ein Problem:
Wieder einmal wächst die Angst, dass Italien ein ökonomischer Brandherd für Europa werden könnte. Seit Jahren versinke das Land "in Agonie", schrieb in diesen Tagen das britische Wirtschaftsmagazin "Economist". Es leide "an bürokratischen Exzessen und schwacher Produktivität". Das Beschäftigungsniveau sei "niedriger als in Griechenland". Ganz ähnlich beschreiben es "New York Times", "Wall Street Journal" und "Financial Times". Für die spanische Zeitung "El País" ist Italien gar "Europas krankes Land". Tatsächlich liegt die Wirtschaftsleistung des Landes heute in etwa auf dem Niveau der Jahrtausendwende - ein verheerender Befund.
Den im Falle einer Ablehnung des Referendums in Aussicht gestellten Rücktritt hat Renzi inzwischen zurückgenommen. Zu groß ist die Gefahr, daß er das Referendum verlieren wird. Das könnte noch schlimmer als der Brexit sein. Aus diesem Grunde wird bereits an eine Verwässerung der Schuldenregel (früher: Stabilitätspakt) nachgedacht.
Darum will Renzi im Herbst mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm noch einmal Stimmung machen. Dazu müsste er allerdings neue üppige Kredite aufnehmen. Zusätzlich zu denen, die ihm die EU-Kommission erst jüngst als außergewöhnliche Maßnahme zugebilligt hatte.
Angela Merkel in Berlin und EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker in Brüssel hatte bislang jedes weitere Schuldenmachen kategorisch abgelehnt. Aber wenn sie nun die Folgen so richtig bedenken - auch die für ihre eigene Zukunft - ist ein Meinungswechsel wohl nicht ausgeschlossen.
Die neue Achse der langen Bank könnte nicht nur den Briten-Abgang sondern auch die Anwendung der EU-Schuldenregeln auf bessere, fernere Zeiten verschieben. Das ist verständlich. Denn was wäre denn, wenn Renzi das Referendum verliert?
Dazu gibt es verschiedene Szenarien. Die meisten enden nicht gut: Sollte Renzi die Abstimmung verlieren, wird er womöglich auch sein Amt verlieren. Bei Neuwahlen käme dann vielleicht die Populistentruppe der Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo an die Macht. Die liegt derzeit nur knapp hinter Renzi und seinen Sozialdemokraten.
Deshalb sei das Referendum über Italiens Parlamentsreform für Europa "vermutlich wichtiger als der Brexit", schreibt das "Wall Street Journal".
http://www.manager-magazin.de/politik/w ... ml#ref=rss

Zur Erinnerung:
Nur weil der Stabilitätspakt und die Schuldenregeln eingeführt wurden, hat der Bundestag seine Zustimmung für die Haftung D. im Rahmen von ESM und EFSF gegeben. Aber das kennen wir ja schon: Was interessieren die Kanzlerin Verträge, Verfassung und Gesetze, wenn es - in ihren Augen - um etwas "Höheres" geht.....

Entsprechend auch dieser Bericht:
Renzi will die Schuldengarantien der Rettungsfonds ohne die Versprechen des Fiskalpakts, die stabilisierende Wirkung der Bankenunion ohne die Regeln des Bail-in der Gläubiger für die Bankenrettung, die Vorteile des gemeinsamen europäischen Marktes ohne die Verbote für marktverzerrende Staatssubventionen. Dabei sind die geltenden Verträge Gesamtpakete – und wurden als solche auch von Italien unterzeichnet.
Nachdem Italien die Vorteile der Währungsunion, der Schuldengarantien und der neuen Bankenunion einkassiert hat, will Renzi nun alle anderen Bedingungen leugnen oder wegverhandeln. Weil Deutschland an dieser Stelle nicht sofort bedingungslos nachgibt, gibt es nun seit Monaten eine Kampagne gegen die angebliche Hegemonie Berlins und gegen die angeblich kleinkarierten Nordeuropäer.
Leider können sich die Journalisten noch immer nicht zu der Feststellung durchringen, daß bei der Währungsunion etwas zusammengebunden wurde, was nicht zusammengehört. IT und D sind von ihrem wirtschaftlichen Selbstverständnis und der Wirtschaftsgeschichte vollkommen konträr - das paßt nicht.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Asselborn fordert Ausschluss Ungarns aus der EU
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat den Ausschluss Ungarns aus der Europäischen Union gefordert. „Wir können nicht akzeptieren, dass die Grundwerte der Europäischen Union massiv verletzt werden. Wer wie Ungarn Zäune gegen Kriegsflüchtlinge baut oder wer die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz verletzt, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden“, sagte Asselborn der „Welt“ wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten EU-Sondergipfel zur Zukunft der Union in Bratislava.
Die EU könne ein „solches Fehlverhalten“ wie im Fall Ungarns nicht tolerieren. Der Ausschluss sei „die einzige Möglichkeit, um den Zusammenhalt und die Werte der Europäischen Union zu bewahren“. Asselborn forderte zugleich, die bei einer Suspendierung der Mitgliedschaft nötige Einstimmigkeit im EU-Vertrag zu ändern: „Es wäre hilfreich, wenn die Regeln so geändert würden, dass die Suspendierung der Mitgliedschaft eines EU-Landes künftig keine Einstimmigkeit mehr erfordert.“
Gibt es da nicht ein Verfahren gegen Polen, dem man die Stimmrechte entziehen will und hat Orban nicht signalisiert, er würde dem nicht zustimmen? :hmm: Deswegen soll also die Einstimmigkeit abgeschafft werden, damit man schneller "durchregieren" kann....

Ein Land tritt freiwillig aus, weil die mutmaßlichen Vorteile einer Mitgliedschaft nicht überzeugend sind, zwei andere will man unter Kuratel stellen, in vielen Ländern wachsen EU-kritische Bewegungen.... - die EU hat fertig, sie merkt es nur noch nicht.

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DarPius
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von DarPius »

Die EU ist tot.

Wenn jemand die Presse ostwärts der Oder liest, merkt es sofort.
Heute wurde z.B debatiert über die Demokratie in Polen. Man beachte die Bilder. 65 von 736 Abgeordneten im Saal. :-D

Tusk hat man in Polen nach einer Stunde abblitzen lassen. Ein Politiker hat geplaudert, dass es gewartet wird, bis Hofer die Wahlen gewinnt. Man hat schon darüber gesprochen, dass siech Österreich der V4 Staaten anschließt. Game over.

http://wpolityce.pl/polityka/38165-pe- ... e-o-polsce
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Thomas +
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Thomas + »

DarPius hat geschrieben:Man hat schon darüber gesprochen, dass siech Österreich der V4 Staaten anschließt. Game over.
Das glaube ich aber erst, wenn es so weit ist, ohne die Sache näher zu bewerten.

Thomas +
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Thomas + »

DarPius hat geschrieben:Die EU ist tot.
Link hat geschrieben: "Einiges lässt vermuten, dass wir in Teilen mit einer existenziellen Krise der EU zu tun haben. Die Zahl der Bereiche, wo wir nicht spontan zusammenfinden, ist zu groß und wo wir solidarisch zusammenarbeiten, zu klein." Allzu oft werde exklusiven Nationalinteressen die Vorfahrt eingeräumt. Die europäische Integration dürfe aber "nicht zulasten der Nationen forciert" werden. "Die Brechstange ist kein Instrument der europäischen Einigung", so Juncker. "Europa darf nicht zum Schmelztiegel, zum farblosen uniformen Integrationsmagma werden", forderte er. Europa lebe von seiner Vielfalt. "Die Kommission hat nicht vor, die Nationalstaaten plattzuwalzen".

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Thomas + hat geschrieben:
DarPius hat geschrieben:Man hat schon darüber gesprochen, dass siech Österreich der V4 Staaten anschließt. Game over.
Das glaube ich aber erst, wenn es so weit ist, ohne die Sache näher zu bewerten.
Österreich ist z. Zt. diplomatisch viel aktiver als vor wenigen Jahren und läßt sich dabei auch von Berlin nicht beirren. Man hat die Sicherung der Grenzen der Balkanstaaten koordiniert, hat Mazodenien Hilfe bei der Grenzsicherung angeboten und Polizeiexperten nach Ungarn zur Grenzsicherung entsandt.

Eine engere Zusammenarbeit und ggfs. eine Mitgliedschaft mit den Visegrad-Staaten ist da nur ein logischer nächster Schritt. Wie bedrohlich die EU die Lage für ihr Fortbestehen inzwischen einschätzt, schildert dieser Artikel:

Die EU-Skepsis ist kein „spezifisch britisches Problem“
Tusk beschreibt in neun Punkten sehr ausführlich die schwierige Lage, die die Briten mit ihrem Nein zum Verbleib in der EU verschärft hatten. „Business as usual ist keine Option“, betonte Tusk mit Blick auf das Brexit-Votum. Heute glaubten viele Menschen - nicht nur in Großbritannien -, dass die EU Stabilität und Sicherheit eher verhindere als fördere.
(...)
„Die Migrationskrise war der Kipppunkt“, schrieb Tusk. Chaotische Szenen und die Bilder von Hunderttausenden, die unkontrolliert ins Land kamen, hätten bei vielen Europäern ein Gefühl der Bedrohung genährt. „Bratislava muss zum Wendepunkt werden mit Blick auf die Sicherung unserer Grenzen“, heißt es in dem Schreiben.
Besonders bemerkenswert:
Eine engere Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen soll dagegen erst im Dezember wieder Thema werden, die Bankenunion und die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion noch später.
Wie man sich erinnert, war die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion vor einem guten Jahr - direkt nach dem GR-Theater - die wichtigste Baustelle der Union. Sie wurde als unbedingt notwendig bezeichnet; eine geplante Vergemeinschaftung der Einlagensicherung wurde kontrovers diskutiert. Tempi passati. Allerdings kann das Thema schneller als geplant wieder vorn auf der Agenda stehen: Die Instabilität in Italien könnte dort zu einer Regierungskrise führen und wie lange unsere gr. Freunde mit dem zur Verfügung gestellten Geld auskommen, wissen wir auch nicht.... :breitgrins:
Auch bei Verteidigungsfragen könnten neue Handlungsalternativen plötzlich notwendig werden, wenn Donald Trump neuer US-Präsident wird. Er würde auf eine substantielle Erhöhung des Verteidigungshaushaltes drängen.

Dazu kommen, die in dem Artikel nicht erwähnten, Brexit-Verhandlungen die innerhalb des nächsten halben Jahres beginnen dürften. Außerdem Wahlen bei den EWG-Gründungsmitgliedern F, NL und D. In allen drei Ländern ist mit einem Erstarken der europakritischen Parteien zu rechnen. Die (noch) amtierenden Regierungen dürften daher wenig Neigung verspüren, "Opfer" für "Europa" zu bringen. Dies wäre zusätzliche Wahlkampfmunition für Le Pen, Wilders und Petry.

"Game over" - kann schon sein...... da helfen auch die Beschwörungsfomeln der Vergangenheit nicht mehr. Euro und "Flüchtlinge" sind die Punkte, die die EU zwischen Nord und Süd (Euro) und West und Ost ("Flüchtlinge") getrennt haben. Eine Lösung? Wie sollte die aussehen? :achselzuck:

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Niels
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Niels »

"In der Flüchtlingsfrage sind sich Österreichs FPÖ-Präsidentschaftskandidat und Tschechiens Präsident einig. Sie basteln an „Habsburg light“.": https://www.welt.de/politik/ausland/art ... dicht.html
:daumen-rauf:
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Sollte es zu einem "Habsburg light" kommen, wird es noch viel schwieriger für Merkel:

Die Visegrad-Staaten, verstärkt um Österreich (und evtl. um Slowenien) im Osten, die sich gegen Merkels "Flüchtlings"politik wehren. Eine neue Allianz der Südländer, bestehend aus GR, F und IT, die sich gegen Merkels Spardiktat wehren. Dazu der Austritt von GB.... - spannende Zeiten kündigen sich an.

Freitag wird es in Bratislava zur Sache gehen: Ich bin mal gespannt, was dort konkret beschlossen wird, bezweifle aber, daß die EU zu einem Kraftakt in der "Flüchtlings"politik in der Lage ist. Die vor Monaten beschlossene Verteilung der "Flüchtlinge" steckt jedenfalls noch in den Anfängen. Zwar haben sich die Innenminister heute auf die Verteilung von 120.000 geeinigt, jedoch haben vier Staaten (Ungarn, Rumänien, Tschechei und Slowakei) dagegen gestimmt.

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DarPius
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von DarPius »

Irgendwelche Verteilung könnt ihr vergessen.

V4 machen nicht mal einen Milimeter Boden. Warum sollen Sie? Deutschland schwächelt und die V4 haben Blut geleckt. Mit der inneren Sicherheit punkten sie gegenüber dem West-Europa und haben keine Leichen im Keller, wie Italien, Spanien oder Portugal.

Es kommen harte Zeiten auf Deutschland zu. Innere Sicherheit, steigende Armut, politische Umwälzung. Deutschland ist auf dem absteigenden Ast. Die wirtschaftliche Leistung sichert zwar noch den Abstand vor den V4-Ländern, gibt noch etwas Spielraum, aber die alte Anziehungskraft ist weg.

Wir leben in bewegten Zeiten.
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

DarPius hat geschrieben: Es kommen harte Zeiten auf Deutschland zu. Innere Sicherheit, steigende Armut, politische Umwälzung. Deutschland ist auf dem absteigenden Ast. Die wirtschaftliche Leistung sichert zwar noch den Abstand vor den V4-Ländern, gibt noch etwas Spielraum, aber die alte Anziehungskraft ist weg.

Wir leben in bewegten Zeiten.
Dazu kommt, daß die bisher von Kanzlerin und Finanzminister praktizierte "Scheckbuch-Diplomatie" an ihre Grenzen stößt. Zwar könnte man weitere Kredite aufnehmen, das AAA-Rating ist noch nicht in Gefahr, zur Not reicht auch AA und Zinsen muß Schäuble nicht zahlen - im Gegenteil. Das Problem ist die AfD, der bei weiteren Unterstützungszahlungen für GR, bei schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen für die Südländer oder trickreichen Bankstützungen durch eine "Vollendung der Bankenunion" (vulgo: Vergemeinschaftung der Einlagensicherung) neben der "Flüchtlings"krise ein weiteres Wahlkampfthema geschenkt würde.

Merkel steht also ohne ihre "Lieblingswaffe" - Geldzahlungen des deutschen Steuerzahlers - ziemlich nackt da. Das letzte Mal hatte es noch beim Türkei-Deal mehr schlecht als recht funktioniert, aber auch hier stieß man schon bei den V4 auf bisher nicht bekannte Schwierigkeiten. Der Umverteilungsbeschluß mußte gegen den Willen mit qualifizierter Mehrheit umgesetzt werden - in einer so wichtigen Frage und bei so deutlichem Widerstand ein einmaliger Vorgang in der EU.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Kisslers Konter:

Jean-Claude Junckers Grundsatzrede - Die EU sagt Adieu
Es war nicht nur Jean-Claude Junckers müde, leise Stimme morgens um neun in Straßburg, waren nicht nur seine hängenden Schultern, seine langsamen Gesten, seine kleinen Augen, die ganz auf Abschied gestimmt waren, ein letztes Salut am Ende aller Psalmen. Es war vor allem seine Rede selbst, die – in der mündlichen stärker noch als in der verbreiteten schriftlichen Fassung – ganz aus der Defensive geboren war und sich nur mühsam aufraffte zur „positiven Agenda konkreter europäischer Maßnahmen für die nächsten zwölf Monate“. Junckers Rede war eine Abschiedsrede und eine Selbstrechtfertigung, vergleichbar den „Letzten Gesprächen“, mit denen ebenfalls in dieser Woche der frühere Papst Joseph Ratzinger aufwartete. Da sagten zwei Lebewohl und kreisten um Vergangenes.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Bericht von einem, der gerne möchte - aber nicht dabei sein darf:
Ebenfalls nicht eingeladen, aber erschienen, ist der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz. Bei klassischen Gipfeln trifft er zu einem Meinungsaustausch mit den Staats- und Regierungschefs zusammen.(...) Während sich die Chefs am Morgen hoch über der Donau in einem mit Stuck verzierten Saal an einer Diagnose der vielfältigen Leiden der EU versuchen, redet Schulz ihnen aus sicherer Distanz – auf der anderen Donauseite in einem schmucklosen Raum des Messezentrums – ins Gewissen.
(...)
Mit auf die Burg und auf das stromaufwärts in Passau angemietete Ausflugsboot „Regina Danubia“ darf er nicht. Immerhin hat ihn der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban empfangen.
http://www.faz.net/aktuell/politik/euro ... ageIndex_2

:D :D :freude:

Die Visegrad-Staaten scheinen - wie Dar Pius hier schon andeutete - mit ihrer ablehnenden Haltung bzgl. der sog. "Flüchtlinge" durchzukommen:
Orban hat mit den Regierungschefs der drei weiteren Visegrád-Staaten – Polen, Ungarn und Tschechien – auf dem Gipfeltreffen eine gemeinsame Position für eine „flexible Solidarität“ in der Migrationspolitik vorgeschlagen. Die sieht ein Ende der von ihnen ungeliebten Pflichtquoten vor. Stattdessen sollen die Staaten einen Beitrag zum Schutz der EU-Außengrenzen leisten können.
(...)
Überraschend ist, dass Schulz vom Seitenrand versöhnliche Töne anschlägt. Er sei für Vorschläge offen. „Wir brauchen eine effektive Lösung, die reine Lehre ist hier nicht hilfreich.“ Das lässt aufhorchen und könnte ein Hinweis auf einen Kompromiss vor Jahresende sein. Tatsächlich zeigt sich später auch Merkel offen für die Idee. „Wir werden darüber sprechen müssen, was sie sich genau darunter vorstellen“, sagt sie. Die Mehrheitsentscheidung für die Quoten sei auf großen Widerstand gestoßen: „Deshalb müssen wir sehen, ob wir auf anderem Wege vorankommen können.“
Die Frage, wie die Flüchtlinge verteilt würden, sei nur eine von vielen offenen Fragen, heißt es anderswo. Zugleich gehe es auch darum, den durch den starken Andrang überforderten Ländern Griechenland und Bulgarien bei der Kontrolle der Außengrenzen zu helfen und nicht zuletzt die Flüchtlingsursachen zu bekämpfen. Wenn man das als Paket betrachte, könne jeder Staat auf seine Weise einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten – flexible Solidarität eben. Offen ist, wie Merkel die flexible Solidarität innenpolitisch verkaufen will. Sie würde eine bisher zentrale Forderung der Bundesregierung aufgeben, ohne dafür neue Zugeständnisse von den Visegrád-Staaten zu erhalten.
In Berlin wie auch in Wien, wo Politiker die Kürzung von EU-Hilfen für die unwilligen Osteuropäer gefordert haben, könnte das auf Widerstand stoßen. Völlige Ruhe dürfte in der Frage des richtigen Umgangs mit den Flüchtlingen so oder so nicht einkehren. Orban stellt noch am Abend klar, dass er an dem Referendum über die Verteilung der Flüchtlinge Anfang Oktober festhält. Dabei gehe es um mehr als die konkrete Flüchtlingspolitik, sagt er. „Es geht um die Verteidigung unserer Identität.“
Da wird es wieder einen dieser ganz faulen "Kompromisse" geben, in denen D. die Lasten trägt, damit die strauchelnde EU nicht implodiert. Grundlegende und zukunftsweisende Lösungen sehen anders aus - aber dazu dürfte die EU kaum noch in der Lage sein. Das Endspiel hat begonnen.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Zwischen Bratislava und Berlin - Europäische Träume und die Grenzen des Möglichen

Der Artikel kommt bgzl der drei wichtigen Themenfelder Außen- und Sicherheitspolitik, Flüchtlingspolitik und Euro zu folgendem Fazit:
In Bratislava konnte ein großer Wurf nicht gelingen, weil die Gegensätze in allen drei Politikbereichen grundsätzlicher Natur sind. Durch das Erstarken euroskeptischer und populistischer Bewegungen in Europa ist eine Einigung noch komplizierter geworden, weil Kompromisse politisch nur noch schwer durchzusetzen sind. Eine europäische Armee wird es in absehbarer Zeit nicht geben. In der Flüchtlingspolitik werden nationale Alleingänge oder ein restriktiver Kurs wohl das wahrscheinlichste Ergebnis sein und in der Wirtschaftspolitik werden es die europäischen Staaten kurz- und mittelfristig weiter der Europäischen Zentralbank überlassen, durch niedrige Zinsen und den Aufkauf von Wertpapieren den Druck auf die Krisenstaaten zu lindern.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Balkan-Gipfel in Wien - Europas Kanzler heißt jetzt Kern
Eine Brücke vom Balkan über Wien nach Berlin, die allerdings eine ganz neue Statik hat. Der südliche Pfeiler ist klar gestärkt. Kerns Politik der Aussöhnung Europas in der Frage der Zuwanderung geht auf Kosten der deutschen Kanzlerin, der nichts übrig bleibt, als diesem Machtverlust mit einem freundlichen Gesicht zu begegnen.
Und mit einer neuen Position. Vor ziemlich genau einem Jahr ließ die deutsche Kanzlerin in einer Talkshow ihre Bevölkerung wissen, dass es ihrer Ansicht nach „nicht in unserer Macht“ liege, „wie viele nach Deutschland kommen“. Nun, beim Wiener Kongress zum europäischen „Burden Sharing“, ließ sich Angela Merkel mit dem Satz vernehmen: „Unser Ziel muss es sein, die illegale Migration so weit wie möglich zu stoppen.“ Zwischen diesen beiden Statements der Kanzlerin liegen etwa 350 Tage, politische Welten, fünf Wahlniederlagen ihrer Partei bei Landtagswahlen sowie eine Bußrede, die ein wohlwollender Beobachter „eine kluge Demutsgeste“ genannt hat.
Das nächste Problem zeichnet sich bereits am Horizont ab. Ob Renzi die Volksabstimmung im November für sich entscheiden kann, ist ungewiß. Allerdings hat er sein politisches Schicksal an einen Erfolg geknüpft. Grillo ahnt bereits, daß Renzi "wackelt" und hat sich zurückgemeldet. Eine Regierungskrise in IT (mit evtl'en Neuwahlen), die Bundespräsidentenwahlen in Österreich und Wahlen in den Niederlanden am 15. 03. 2017 - es könnte ein "heißer" Winter werden, bevor im Mai in F. die Präsidentenwahlen stattfinden. Das Ergebnis der US-Präsidentenwahlen sowie die Erklärung des Brexits durch die britische Regierung, könnten noch dazukommen - und der Wahlkampf in D. nimmt dann allmählich Fahrt auf (NRW-Wahl im Mai 2017).

Ach so - hat GR genug Geld, um bis zum Oktober 2017 über die Runden zu kommen oder muß es in dieser Zeit auch mal wieder "gerettet" werden? :hmm:

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Angela Merkel – zu Hause schwach, in Europa isoliert
Nirgendwo zwischen Bratislava und Bukarest sehen Politiker aller Couleur ein, warum sie Wirtschaftsflüchtlinge aus Pakistan, Bangladesch oder dem Senegal aufnehmen sollen, während Hunderttausende eigene Bürger – oft ohne die eigenen Kinder – nach Westeuropa zum Arbeiten emigrieren mussten.
Außerhalb der Brüsseler Kommission hat Angela Merkel darum für ihren Ansatz einer übernationalen Lösung der vorwiegend in Deutschland kulminierenden Krise kaum noch Verbündete.
(...)
Gerade in Südeuropa formiert sich deshalb eine zweite Front gegen die deutsche Dominanz in Europa – neben der unversöhnlichen Ablehnung im Osten gegen jeden Flüchtlingskompromiss.
(...)
Renzi, der die überteuerte Politik Italiens reformieren muss, ist jetzt in einer Klemme, aus der ihn die deutsche „Austerity“ nicht befreien kann. Warum also sollten sich die verzweifelten Linken in Rom, Lissabon, Athen nicht mit den Orbáns und Kaczynskis vom anderen politischen Rand verbünden?
Das längst hinter Zäunen abgeschottete Iberien kennt ohnehin keinen Migrantenstrom, während man in Budapest, Prag und Warschau keine Probleme mit der Stabilität des Euros hat, weil hier noch mit Forint, Tschechischer Krone und Zloty bezahlt wird.
Nebenbei hat sich zuletzt der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen mit den migrationskritischen Visegrad-Staaten im Osten verbündet. Während neuerdings sogar Schweden keine Migranten mehr aufnimmt, wird einzig Deutschlands Politik zum Sonderweg.
Nach elf Jahren wird die Fehlentwicklung der Merkel-Politik immer deutlicher: D. ist gespalten, Europa ist gespalten. Finanziell wurden durch die Energiewende Mrden-Investitionen wertlos, gleichzeitig ging man bei der Eurorettung Bürgschaften in Mrden-Höhe ein und was der Zuzug der sog. "Flüchtlinge" langfristig kosten wird, weiß niemand. Hoffentlich bleibt es hier nur bei Geldverlusten und es kommt nicht zu inneren Unruhen.....

Bei der Spaltung in Europa fällt eines auf: Soweit Länder den Euro haben, leiden sie unter dieser Währung. Die früher beliebten Abwertungen sind nicht mehr möglich. Ausnahmen sind die Niederlande und Österreich, allerdings waren deren Währungen auch schon früher an die DM gekoppelt.
Länder, die so klug waren, den Euro nicht zu übernehmen, stehen wirtschaftlich besser da. Sie lehnen aber die "Flüchtlingspolitik" der Kanzlerin ab, wollen ihren mühsam erarbeiteten Wohlstand aus verständlichen Gründen nicht opfern.
Und über die deutsche Energiewende ist weder die eine noch die andere Gruppe besonders glücklich, denn durch den überschüssigen Sonnen- und Windstrom aus D., werden ihre Netze instabil.

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Niels
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Niels »

Gastbeitrag von George Soros: "Flüchtlinge in der EU - am Ende rechnet sich das"

Die Frage ist nur: Für wen?
:zirkusdirektor:
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overkott
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von overkott »

Das Problem dieses Artikels, den George Soros nicht selber geschrieben haben dürfte, ist die plumpe Wiederholung einer Behauptung als Bildzeile und im Text. Die Welt präsentiert also ein Ergebnis ohne Rechnung. Gegen die behauptete Lösung spricht: Das Problem der Alterung von Gesellschaften wird nicht durch ihre Beschleunigung gelöst. Wer also Neugeborene durch Erwachsene ersetzt, verschiebt das Problem um eine Generation und beschleunigt das Grundproblem, weil die Erwachsenen schneller alt werden als Neugeborene. Eine entsprechende Politik entspricht also dem Egoismus einer Generation. Die angebliche Lösung funktioniert wie Verschuldung durch Verschiebung der Probleme in die Zukunft über den eigenen Tod hinaus: Nach mir die Sintflut. Vermutlich dürfte die Integration von Migranten schwieriger und teurer sein als die Integration von Neugeborenen in eine Gesellschaft. Zur Vorsicht sollte man einen Schwellwert ausrechnen, wann eine Minderheit ausreichend stark ist, um sich gegen Integration zu wehren und Ghettos zu bilden. Die damit offen sichtlich werdende Desintegration der Gesellschaft dürfte gewaltsame Konflikte zur Folge haben. Ein Beispiel dafür sind Probleme amerikanischer Großstädte und entsprechende Unruhen. Der Mythos des melting pots mag zwar steel worker und ironmonger im Industriegebiet ansprechen, erweist sich aber dort als Wunschdenken, wo die Ghettobildung in gewaltsamen Konflikten eskaliert.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Niels hat geschrieben:Gastbeitrag von George Soros: "Flüchtlinge in der EU - am Ende rechnet sich das"

Die Frage ist nur: Für wen?
:zirkusdirektor:
Das kann sich nicht "rechnen" - die Aufwendungen sind viel zu hoch und es ist ein Traum zu glauben, daß die "Flüchtlinge" diese Kosten durch ihre Steuern und Sozialabgaben decken könnten. Entsprechende Berechnungen wurden bereits angestellt.
„Man darf sich die Dinge nicht schönrechnen“, forderte Sinn. Schon die bisherigen Migranten seien wegen einer oft schwachen Qualifikation eine Belastung für die öffentlichen Kassen gewesen. Während der Ausländeranteil in Deutschland 7,3 Prozent beträgt, machten sie 25 Prozent der Sozialhilfeempfänger und 18 Prozent der Hartz IV-Empfänger aus. Sinn betonte, dass die Zuwanderer überwiegend den Staat mehr kosteten als sie an Beiträgen brächten.
Dazu zitierte er gewaltige Zahlen, die der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen mittels sogenannter Generationenbilanzen errechnet hat. Diese messen, wie viel ein Mensch über ein ganzes Leben an Steuern und Sozialbeiträgen zahlt abzüglich der Sozialtransfers, Renten und der Kosten, die er durch die Nutzung der Infrastruktur verursacht.
Nach dieser Berechnung Raffelhüschens würden 1 Million Flüchtlinge über ihre ganze Lebensdauer den deutschen Sozialstaat netto 45 Milliarden Euro mehr kosten als sie an Beiträgen voraussichtlich leisten könnten. „Je Kopf sind das 45. Euro“, sagte Sinn. Und dies gelte nur unter der Annahme, dass die nun ankommenden Flüchtlinge so schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten wie frühere Einwanderer.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... ageIndex_2

Selbst die Integration der zweiten und mittlerweile dritten Generation muslimischer Einwanderer ist keine Erfolgsgeschichte - nirgendwo in Europa.

Fridericus
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Fridericus »

Caviteño hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:Gastbeitrag von George Soros: "Flüchtlinge in der EU - am Ende rechnet sich das"

Die Frage ist nur: Für wen?
:zirkusdirektor:
Das kann sich nicht "rechnen" - die Aufwendungen sind viel zu hoch und es ist ein Traum zu glauben, daß die "Flüchtlinge" diese Kosten durch ihre Steuern und Sozialabgaben decken könnten. Entsprechende Berechnungen wurden bereits angestellt.
„Man darf sich die Dinge nicht schönrechnen“, forderte Sinn. Schon die bisherigen Migranten seien wegen einer oft schwachen Qualifikation eine Belastung für die öffentlichen Kassen gewesen. Während der Ausländeranteil in Deutschland 7,3 Prozent beträgt, machten sie 25 Prozent der Sozialhilfeempfänger und 18 Prozent der Hartz IV-Empfänger aus. Sinn betonte, dass die Zuwanderer überwiegend den Staat mehr kosteten als sie an Beiträgen brächten.
Dazu zitierte er gewaltige Zahlen, die der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen mittels sogenannter Generationenbilanzen errechnet hat. Diese messen, wie viel ein Mensch über ein ganzes Leben an Steuern und Sozialbeiträgen zahlt abzüglich der Sozialtransfers, Renten und der Kosten, die er durch die Nutzung der Infrastruktur verursacht.
Nach dieser Berechnung Raffelhüschens würden 1 Million Flüchtlinge über ihre ganze Lebensdauer den deutschen Sozialstaat netto 45 Milliarden Euro mehr kosten als sie an Beiträgen voraussichtlich leisten könnten. „Je Kopf sind das 45. Euro“, sagte Sinn. Und dies gelte nur unter der Annahme, dass die nun ankommenden Flüchtlinge so schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten wie frühere Einwanderer.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... ageIndex_2

Selbst die Integration der zweiten und mittlerweile dritten Generation muslimischer Einwanderer ist keine Erfolgsgeschichte - nirgendwo in Europa.
Von Statistiken, Zahlen und vernünftigen Überlegungen lassen sich aber leider viele nicht mehr in ihren Entscheidungen beeinflussen. Stattdessen setzt man auf die Wahrnehmungen aus dem persönlichen (sic!) Erfahrungshorizont, und ist schon zufrieden, wenn ein paar Migranten im Pflegebereich ihre Arbeit verrichten und einem dabei helfen sein Englisch zu verbessern, oder wenn einige einem morgens mit "Servus, wia geht's dir" grüßen.

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Peti
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Peti »

Fridericus hat geschrieben:Stattdessen setzt man auf die Wahrnehmungen aus dem persönlichen (sic!) Erfahrungshorizont, und ist schon zufrieden, wenn ein paar Migranten im Pflegebereich ihre Arbeit verrichten und einem dabei helfen sein Englisch zu verbessern, oder wenn einige einem morgens mit "Servus, wia geht's dir" grüßen.
Es ist gut und christlich wenn man sich so begegnet und nicht überall selbstverständlich.
Mein Nächster ist zunächst einmal der, der schiksalhaft meinen Weg kreuzt.
Natürlich ist das kein Grund auf naive Art zufrieden zu sein.
Die globale Fflüchtlingsproblematik ist dadurch noch lange nicht gelöst.
Was für ein Glück für uns, dass wir wissen können, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
Johannes Maria Vianney

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Die wirtschaftliche Lage in IT ist wohl desolat:

Italiener verlassen scharenweise ihre Heimat
Noch nie haben so viele Italiener ihr Land verlassen wie im Jahr 2015. Im Vorjahr sind 107.000 Personen ausgewandert und haben damit den Rekord der vergangenen 90 Jahre gebrochen, wie die Studie „Italiani nel mondo 2016“ (Italiener in der Welt 2016) von der Fondazione Migrantes (Stiftung für Migration) veröffentliche.
Demnach verließen 6.200 Italiener mehr als im Jahr 2014 ihr Land. Vor allem aus der Regionen Venezien und der Lombardei entschlossen sich im Vorjahr viele zur Auswanderung. Die hohe Zahl der Auswanderer war damit abermals höher als die der Einwanderer.
Da kann man sich die Stimmung vorstellen und es wird für Renzi nicht einfach, das im Dezember geplante Referendum zu gewinnen. Die Oppositionsparteien wollen es zu einer Abstimmung über Renzi machen, der seine politische Zukunft damit verbunden hat.
Käme es bereits 2017 zu Neuwahlen (planmäßig erst 2018) könnte das Jahr für den Fortbestand von Euro und ggfs. sogar EU entscheidend werden. Alle Oppositionsparteien wollen eine Volksabstimmung über den Euro, der zunehmend in IT als Last und Bürde empfunden wird.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

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