- die "Eurokrise" mit den verordneten Sparmaßnahmen, die in den Südländern auf erheblichen Widerstand stoßen;
- die Volksabstimmung in GB über einen Austritt;
- der Zerfall des Schengenraumes.
Dieser Artikel sieht die Ursachen in einem "Europa der Eliten", die einfache Bevölkerung blieb außen vor und wurde bei wesentlichen Entscheidungen nicht gefragt. Gleichzeitig wurden Regeln von den Regierungen nicht eingehalten, fällige Sanktionen durch den Rat bzw. die Kommission auf die Rechtsbrüche unterbleiben. Statt nach Recht und Vertrag entschied man von Fall zu Fall nach Gutdünken und politischen Interessen.
Lösungen sind kaum zu finden:
Beispiele für den vermeintlichen Ausweg, die Krisen durch eine "immer enger werdende Union" lösen zu können, gibt es zuhauf. Da wird eine Bankenunion eingeführt, die das Ziel einer gemeinsamen Einlagensicherung hat und dadurch die bisher verantwortungsvoll handelnden Länder bestraft. Da redet man über eine gemeinsame Fiskalpolitik mit einer - tlw. bereits eingeführten - Haushaltsaufsicht durch die Kommission, ohne der Bevölkerung klar zu sagen, daß dann nicht mehr der gewählte Abgeordnete sondern vom eigenen Volk nicht gewählte Regierungschefs im Rat bzw. die nicht demokratisch legitimierte Kommission über Staatsausgaben (= Sozialkürzungen) und -einnahmen (= Steuererhöhungen) entscheiden. Man will eine einheitliche Mindestarbeitslosenversicherung, um dadurch die Haushalte der Länder mit hoher Arbeitslosigkeit zu entlasten und daß der Euro als Gemeinschaftswährung langfristig nur mit einem Finanzausgleich zwischen den Nationalstaaten bestehen kann, weiß man, aber sagt es der Bevölkerung nicht.Beim Blick in die Zukunft der EU ist das Schlimmste jedoch, dass nicht erkennbar ist, worin eine Lösung für die aufgeführten Krisen und Probleme bestehen könnte. Die Standardantwort, durch die Vertiefung der Union und deren weitere Demokratisierung werde sich alles wie von selber lösen, hat sich als falsch erwiesen. Es waren nämlich gerade die Vertiefungsprojekte, vom Euro bis zu den gemeinsamen Außengrenzen, die zum Anwachsen der Zentrifugalkräfte geführt haben, und die weitere Demokratisierung von Entscheidungsabläufen in der EU würde derzeit nur die Vetomacht populistischer Politikakteure vergrößern.
Das wirtschaftliche und politische Zusammenwachsen Europas war ein Elitenprojekt, bei dem lange die Zustimmung der nationalen Bevölkerungen nicht gefragt war. Solange "Europa" ein Projekt der Wohlstandssteigerung war, konnte man an den demoskopischen Daten eine große Zustimmung ablesen. Als der Entschluss zur "Demokratisierung Europas" gefasst wurde, ging man davon aus, dass das auch in Zukunft so sein werde.
Wäre es bei den Mitgliedern der EWG (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Benelux) geblieben, hätte das zutreffen können. Die Gleichzeitigkeit von Süd- und Osterweiterung mit dem Prozess der Demokratisierung hat jedoch die Leistungsfähigkeit der europäischen Institutionen überfordert. Inzwischen gilt: Wer seine Verhandlungsposition in Brüssel verbessern will, erklärt, dass er die dort gefundenen Ergebnisse zu Hause einem Referendum aussetzen werde. Er droht mit dem Volk, um bei der Kompromisssuche weniger einbringen zu müssen.
Die rechts- wie linkspopulistischen Regierungen haben aus dieser Verhandlungstaktik inzwischen eine politische Strategie gemacht. Sie machen nicht nur für alles, was ihnen misslingt, die EU und die Brüsseler Bürokraten verantwortlich, sondern betreiben eine Politik, die gegen die Verträge und die ihnen zugrunde liegenden Werte gerichtet ist.
Gleichzeitig lassen sie sich jeden Kompromiss, den sie eingehen, teuer abkaufen. Sie haben die Kompromissbereitschaft der anderen Mitglieder in deren Erpressbarkeit verwandelt, stehen dabei als entschlossene Wahrer der nationalen Interessen da und können weiterhin EU-finanzierte Wohltaten an ihre Klientel verteilen.
Dass ein solches Europa keine Zukunft hat, ist klar. Es muss umgebaut werden oder es wird eher früher als später auseinanderbrechen.
Es ist aber fraglich, ob diese Maßnahmen wirklich zu einer "immer enger werdenden Union" führen werden. Die letzten Jahre haben gezeigt, daß die Problemlösung der Eliten von der Bevölkerung nicht akzeptiert wird und zu einer Abwendung von "Europa" geführt hat. In GB ist die Situation so zugespitzt, daß man die EU-Mitgliedschaft in einem Referendum zur Disposition stellt.
In vielen Ländern der EU gibt es links- oder rechtspopulistische Parteien, deren Zulauf größer wird, je mehr die sog. "politischen Eliten" den Weg zu einem europ. Einheitsstaat forcieren. Man will Freihandel, man will problemlos reisen - aber schon bei der freien Auswahl des Arbeitsplatzes innerhalb der Union gibt es Gegenbewegungen, die umso stärker werden, je höher die Sozialleistungen sind, auf die andere Unionsbürger einen Anspruch haben.Die falsche Theorie hatte zur Entstehung eines strukturellen Problems geführt, das man mit Hilfspaketen zeitweilig entschärfen, aber nicht beseitigen kann und das auf Jahre den Nährboden für linkspopulistische Parteien und Bewegungen in Südeuropa darstellen wird. Der mittelosteuropäische Rechtspopulismus (den es freilich auch in Westeuropa gibt) und der südeuropäische Linkspopulismus sind zu Zentrifugalkräften geworden, die das Europaprojekt zu zerreißen drohen.
Alles in allem keine guten Aussichten. Vielleicht sollte man, wie Cameron es fordert, die EU zurückstutzen, denn manches hat sich als Fehler erwiesen.