Florianklaus hat geschrieben:Dein Ausgangsbeitrag ist in seiner Diktion unerträglich arrogant und läßt jede Empathie mit den Opfern eines der monströsesten Verbrechen der Weltgeschichte und deren Nachkommen vermissen.
All die Superlative rechtfertigen überhaupt nichts. Das sind auswendig gelernte Worthülsen, die nur der moralischen Verurteilung Anders- oder Weiterdenkender dienen. Und Empathie ist wie Liebe oder Hass überhaupt kein Kriterium für eine Beurteilung irgendeiner Sache, dein Vorwurf der Arroganz und der Empathielosigkeit zeigt außerdem auch, dass du dich zu irgendeiner Gruppe zugehörig fühlst, die
allein den Wert, ja die Existenz eines Gefühls festlegen kann. Shoa hin, Shoa her, das hat damit überhaupt nichts zu tun, ob irgendein geschichtliches Ereignis einzigartig war (was niemand überhaupt nur angesprochen hat), wie groß das Ausmaß einer Verfolgung war oder sonstwas. Ich fürchte, dass Leute wie du einfach nicht denken können. Und um es noch einmal ganz klar zu sagen: Ich will nicht, dass Leute den deutschen Pass bekommen, die sich mit meinem Land überhaupt nicht identifizieren. "Dank", "Wiedergutmachung", "Entschuldigung" (Stichwort "Schuld", ein weiterer neuralgischer Punkt) sind Kriterien, die hier überhaupt nicht greifen. Weshalb willst du das überhaupt? Was erhoffst du dir davon? Was für ein unhinterfragtes Dogma soll das sein?
ziphen hat geschrieben:70 Jahre findest du schnell?
Wenn man den Brexit als Ausgangs- und Angelpunkt der Entscheidung nimmt, na klar.
Yeti hat geschrieben:ziphen hat geschrieben:Die Skepsis der Überlebenden gegenüber der Bundesrepublik sickerte in die nachfolgenden Generationen.
Halte ich für verständlich.
Verständlich ja, trotzdem find' ich's nicht gut und würde ihnen deshalb auch vor lauter Begeisterung nicht die Pässe entgegenwerfen. Tut mir leid, so weit ist mein nationaler Masochismus noch nicht gediehen. Ich würde mich auch wundern, wenn Tschechien mir oder meinen Eltern die tschechische Staatsbürgerschaft anbieten würde, weil sie bzw. meine Großeltern von dort vertrieben wurden.
ziphen hat geschrieben:Nein, das sollte noch mindestens 50 Jahre so bleiben. Das Angebot an die, denen die Staatsbürgerschaft genommen wurde und um ihr Leben fürchten mussten, sowie deren Kinder und Enkel ist doch wohl das Mindeste, was der deutsche Staat als Rechtsnachfolger ihnen ermöglichen sollte.
"Rechtsnachfolger" bedeutet nicht unbedingt die Übernahme der
Schuld, nur der Verantwortlichkeit. Aber auch hier hängt es. Die Zwangsausgebürgerten hätten ja nach Gründung der Bundesrepublik oder der DDR ohne Weiteres die Staatsbürgerschaft bekommen. Sie haben sich dagegen entschieden. Ich weigere mich, das Risiko einzugehen, mir damit eine - sei sie auch noch so klein -
"fünfte Kolonne" ins Land zu holen. Wer die Staatsbürgerschaft hat, soll sich auch zum Land bekennen. Noch einmal: Warum wollen sie nicht nach Belgien, Frankreich, Dänemark, Schweden, nein; ausgerechnet nach Deutschland?! Na?! Ich will
den Grund wissen, nicht irgendeinen Vorwurf von wegen fehlender Empathie, das ist keine Begründung. Wenn ich den Grund kenne, kann ich darüber nachdenken, ob ich ihm zustimme. Darum geht's doch in einem Diskussionsforum. Ob das Ganze dann tatsächlich die nächsten 50 Jahre so bleibt, steht dann trotzdem noch auf einem ganz anderen Blatt. Die Deutschen vor 50 Jahren hätten sich nicht im Traum die gesellschaftlichen Umstände der heutigen Bundesrepublik vorstellen können.
ziphen hat geschrieben:Yeti hat geschrieben:Inwiefern kann die Regierung, ein Staat überhaupt dazu verpflichtet werden, aus rein historischen und moralischen Gründen (im Klartext: also nur moralischen Gründen) einer religiösen Gruppe die Zu- oder Rückwanderung so zu erleichtern?
Es steht dem Staat frei, im Rahmen der Gesetze solche Rechte zu gewähren.Es steht dem Staat frei, im Rahmen der Gesetze solche Rechte zu gewähren.
Natürlich. Und Gesetze können geändert werden, wenn die gewählte Regierung das so beschließt.
ziphen hat geschrieben:Dass du den Handelsblattartikel mit den Aussagen der CSU-Politker zum Doppelpass bringst, halte ich in diesem Spezialfall für vollkommen daneben.
Es steht dir frei, das zu meinen. In einem Forum wie diesem ist aber eine Begründung auch nicht schlecht, sonst beeindruckt mich das Statement überhaupt nicht. Was war denn das Reizwort, welches dein Unbehagen auslöste?
"Loyalität"? So steht man im Staat Israel zu diesem Begriff:
Yfaat Weiss hat geschrieben:Dieses Stichwort griff Prof. Yfaat Weiss von der Hebräischen Universität Jerusalem und dem Franz-Rosenzweig-Minerva-Zentrum für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte auf. Sie betonte die unbestreitbare Verbindung von Loyalität und Staatsbürgerschaft innerhalb demokratischer Staaten.
ziphen hat geschrieben:Schon mal was von dem Rechtsgrundsatz wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln? Außerdem geht es bei der Gewährung der Staatsbürgerschaft hier nicht um die Religion, sondern darum, dass sie vorher der Person bzw. einem Vorfahren aberkannt wurde. Insofern könnte man sogar sagen, dass ein Rechtsstatus nur wieder hergestellt wird.
Gut, dann erläutere mir bitte, was bei diesem Vorgang der Zuerkennung der Staatsbürgerschaft gleich wäre und was ungleich. Zuerst: Ich hoffe doch sehr, dass es nicht um die Religion geht! Dann: Wenn jemandem seine Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, hätte ich
dann nichts dagegen, wenn dieser Wunsch nicht so plötzlich
dann eintritt, wenn's in meiner nach meiner Ausweisung gewählten Heimat plötzlich ungemütlich wird. Das wirkt etwas unglaubwürdig. Dass der deutsche Staat nicht
grundsätzlich solche doppelten Staatsbürgerschaften und Einbürgerungswünsche (wie in diesem Fall) so handhabt (selbst nicht im Falle Israels), zeigt auch
diese Meldung:
Für Israelis gilt eine EU-Staatsbürgerschaft in Zeiten der bedrohten Sicherheitslage im Nahen Osten als Rückversicherung, da sie im Gegensatz zu den israelischen Papieren viele visafreie Reisemöglichkeiten eröffnet. Seit Anfang 2002 verzeichneten die deutschen Behörden einen enormen Anstieg der Anträge auf Staatsbürgerschaft von deutschstämmigen Juden. Von ihnen leben rund 60.000 in Israel.
Es würde mich interessieren, ob da inzwischen eine Ausnahmeregelung getroffen wurde; das halte ich glatt für durchaus denkbar, ohne dass man das in der Presse lesen konnte.
CIC_Fan hat geschrieben:dem ist nichts hinzu zu fügen es ist erschrekend wie in frommen Kreisen der Anti Judaismus in den letzten Jahren zur Mode wurde
Es wundert mich, dass ausgerechnet du diese Keule aus dem Sack holst. Wozu soll das dienen?
Moshe Zimmermann hat geschrieben:Darauf entgegnete Prof. Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem und dem Richard-Koebner-Minerva-Zentrums für deutsche Geschichte, dass sich Geschichte schwer für Inspirationen eigne. Vielmehr diene sie Gruppen und Individuen als Quelle für Denk- und Verhaltensweisen in bestimmten Situationen. Unrecht oder Katastrophen ließen sich verhindern, die durch diskriminierenden Umgang mit Bürgern oder ungerechte Einbürgerungsgesetzte entstehen könnten. Um in der Zukunft bestehen zu können, müsse Israel den Kern seiner Staatsbürgerschaft definieren. Nur so sei die Integration anderer Volksgruppen möglich. Dabei müsse eine solche Definition auf Menschen- und Bürgerrechten aufbauen und Abstand von der ethnischen Konnotation nehmen, die Israel bisher anwendet.
Das gilt auch für Deutschland.