Griechenland nach den Wahlen

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Insbesondere Frankreich und Großbritannien stehen nicht vor einem aktuellen, sondern vor einem strukturellen Problem:

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Die Debatte über das Reformpaket für die nächsten drei Jahre läuft emotional. Da geht es um die Vor- und Nachteile für die Menschen in Griechenland und Deutschland. Da geht es um Mitmenschlichkeit, um die europäische Idee. Aber wo steht die Eurogruppe voraussichtlich in drei Jahren?

Frankreich als wichtigster Handelspartner Deutschlands wird dann so verschuldet sein wie Griechenland vor Eintritt in die Eurogruppe. Und Frankreichs Verschuldung wächst.

Griechenland lebt vor allem vom Tourismus. Dann kommen Schifffahrt, Versorgung, Transport und der Bau. Bei Eintritt in die Eurogruppe erlebte Griechenland einen Bauboom. Die Wirtschaft wuchs wie noch nie. Für öffentliche Aufträge verschuldete sich der Staat. Schon vor der weltweiten Finanzkrise wuchsen ihm die Zinsen über den Kopf. Die Zinslast überstieg die Einnahmen. Die Krise vor acht Jahren gab Griechenland den Rest. Das Risiko für die Banken machte die Kredite für Griechenland immer teurer. Die öffentlichen Aufträge gingen zurück. Die Wirtschaftsleistung brach ein. Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung stieg die Verschuldung ins Unermessliche.

Griechenland bekam von der Eurogruppe Hilfe. Heute werden die Weichen für die nächsten drei Jahre gestellt. In drei Jahren braucht Griechenland die nächste Hilfe.

Banken versorgen die Wirtschaft mit Geld. Sie leihen sich das Geld bei den Sparern und verleihen es den Unternehmen. Wenn diese ihr Geld verdient haben, zahlen sie die Kredite zurück. Die Griechen hatten wenig Vertrauen in ihre Banken. Die Banken hatten dem Staat sehr viel Geld geliehen. Schon vor der Krise war das Risiko für die griechischen Banken hoch. Deshalb legten die Griechen ihr Geld lieber im Ausland an. Ohne Spareinlagen können die Banken kein Geld verleihen. Ohne Geldverleih aber gibt es kein Wirtschaftswachstum und keine Staatseinnahmen. Deshalb wird der Bankensektor saniert.

Geld wollen alle Länder mit Geldverleih verdienen. Wenn man sein Geld verschenkt, bekommt man irgendwann selbst Probleme. Deshalb muss man Geschäfte zu beiderseitigem Vorteil abschließen. Das ist die Idee der Hilfe für Griechenland.

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

In Frankreichs Wirtschaft ist der Wurm. Die anhaltende Wachstumsschwäche geht mit steigender Arbeitslosigkeit einher. Und der Druck auf den Arbeitsmarkt wächst. Immer mehr Menschen strömen in Frankreich auf den Arbeitsmarkt. Mehr Erwerbstätige ohne Arbeit bedeuten weiter wachsende Arbeitslosigkeit bei einer Verschuldung von griechischem Ausmaß. Damit wächst auch die Unzufriedenheit bei den Wählern. Die Eurogruppe sollte das Griechenland-Problem nicht isoliert betrachten.

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Siard
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Siard »

umusungu hat geschrieben:die griechischen Wutbürger sollen sich freuen, dass es in Deutschland und einigen anderen Ländern keine Volksabstimmungen über die Griechen-Hilfen gibt.
Solch Sprüche von finanziell sehr gut Ausgestatteten …
Hungernde Menschen in Griechenland sind anscheinend weniger wert, als in Afrika.

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Die Griechenlandisierung Frankreichs hat Kennzeichen: Wachstumsschwäche, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Erwerbsquote, hohe Staatsquote, hohe Staatsverschuldung. Im Weltmarkt produziert Frankreich ineffizient oder mit anderen Worten: zu teuer. Frankreich gehört zu den teuersten Standorten weltweit. Löhne und Lohnnebenkosten belasten die Unternehmen und tragen zur abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit bei. Reformen im Bereich der sozialen Absicherung lassen sich in Frankreich nur schwierig umsetzen. Verbesserungen werden daher voraussichtlich nur graduell erfolgen.




Reiche Hauptstadt - armes Land. Trotz der hohen Arbeitskosten ist die Kaufkraft in Frankreich sehr unterschiedlich verteilt. Zum besseren Vergleich hat Eurostat das regionale Pro-Kopf-Einkommen errechnet.

Dabei fällt auf: Griechenland schreit zwar am lautesten, ist jedoch nicht am meisten bedürftig.

http://ec.europa.eu/eurostat/web/nation ... llustrated

Dass für die Schweiz keine Daten vorliegen, ist in einer Europa-Statistik nicht akzeptabel.

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Juergen
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Juergen »

http://www.tagesspiegel.de/medien/nazi- ... 68326.html

Nazi-Vergleich in Griechenland
Karikatur: Bundesregierung will Vernichtung der Griechen
Eine Karikatur in der griechischen Wochenzeitung "To Pontiki" zieht einen weiteren Nazi-Vergleich. Wer es als Erster bemerkt hat? "Bild"-Chef Kai Diekmann


Gruß Jürgen

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

5. Tote haben in Griechenland Rente kassiert. Auf dem Papier waren sie nämlich noch lebendig. Soll nie wieder vorkommen, sagte die Regierung und beschloss vor zwei Jahren, dagegen vorzugehen.

Ab Oktober sollen im Rentensystem auch andere Leichen aus dem Keller geholt werden: die Frühverrentung im öffentlichen Dienst sowie die Zusatzrenten in halbstaatlichen Betrieben. Diese Regelungen verursachen nicht nur hohe Kosten, sondern sorgen im Sozialsystem auch für extreme Ungleichheit.

Aber warum ist auch nach der Reform in drei Jahren nicht mit nennenswertem Wachstum zu rechnen?

Das liegt an der Struktur der Wirtschaft. Da diese sich seit dem Eurobeitritt nicht großartig verändert hat, ändert sich auch das strukturelle Wachstum nicht. Vielmehr kehrt nach der Blasenwirtschaft Anfang des Jahrtausends wieder Normalität ins Wachstum ein, wenn auch durch die Reform vielleicht auf leicht erhöhtem Niveau.

Wie kam es eigentlich zu der Konjunkturblase?

Rausch und Ruin - als Symbol dafür steht die Olympiade in Athen. Eigentlich sollte sie schon zur 1-Jahrfeier wieder unterhalb der Akropolis stattfinden - wie damals 1896 bei der Wiederbelebung der olympischen Idee. Allein, die Umstände ließen es nicht zu. In Athen musste noch viel gebaut werden. Als Trostpflaster bekamen die Griechen den Zuschlag für 24. Eine Ringautobahn musste her, U-Bahnlinien, die Straßenbahn erlebte eine Renaissance. Athen feierte ein rauschendes Sportfest auf Pump. Zehn Jahre später wuchert Unkraut über die heiligen Stätten des Körperkultes.

Paris will die Spiele 224. Im Juni hat die Seine-Metropole den Hut in den Ring geworfen. Das könnte natürlich wieder Geld in die Hauptstadt bringen. Le péripherieque? Die Ringautobahn? Ouf. C'est une catastrophe. Aber Olympia würde eben auch eine Menge Geld kosten, das Staat und Stadt nicht haben.

http://www.paris-annuaire.net/Wirtschaft-Paris.html

Vielleicht setzt sich - Hl. Bonaventura, bitte für uns! - die Vernunft durch. Und die Spiele finden in Regionen statt, die es sich auch leisten können.

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Was kommt im Herbst?

Zipras tritt nicht zurück, sondern jagt seine Regierung zum Teufel. Von 16 Regierungsmitgliedern entlässt er zehn. Mit einem Minderheitskabinett will er die Reformen einleiten, geduldet von der Opposition. Das sichert Milliarden bis Mitte August. Im September sind Neuwahlen geplant. Werden die Wähler Zipras zum Teufel jagen wie vor ihm die Pasok, Griechenlands Sozialdemokraten?

Pasok war 30 Jahre lang die griechische Volkspartei, stark wie die CDU/CSU in Deutschland: Von 48 Prozent 1981 blieben immerhin noch gut 43 Prozent 2009. Dann kam die Krise, der Sparwille und der Absturz ins Bodenlose. Syriza ( die Linksradikalen ) und Pasok ( die Sozialdemokraten ) tauschten die Plätze. Pasok bekam im Januar nicht einmal mehr 5 Prozent.

Zipras hat ein Viertel seiner Abgeordneten gegen sich und mehr als die Hälfte seiner bisherigen Regierung. Zwar hat er bei Neuwahlen die volle Kontrolle über die Wahlliste, aber nicht über die Wähler. Was ist, wenn diese ihm nach der Achterbahnfahrt den Laufpass geben?

Könnte die Regierung im Herbst wieder eine Koalition aus Nea Demokratia ( Christdemokraten ) und erholter Pasok ( Sozialdemokraten ) als Juniorpartner werden?

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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Auf dem Weg zu Verhandlungen über das Reformpaket für Griechenland stellt die Eurogruppe die Zwischenfinanzierung sicher. Als Sicherheit gegen Ausfall dienen Gewinne mit griechischen Staatsanleihen und künftige Zahlungen aus dem EU-Haushalt. Sollte Griechenland nicht zurückzahlen, steht damit außer der Mitgliedschaft in der Eurogruppe auch die Mitgliedschaft in der EU auf dem Spiel.

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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

Ach guck mal: Krugmännchen hat sich geirrt:
Wirtschaftsnobelpreisträger Krugman: "Habe die Kompetenz der griechischen Regierung überschätzt": Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras verliert einen Verbündeten im Geiste: Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman hat die linksgeführte griechische Regierung in ihrem Kampf gegen die von den internationalen Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen lange unterstützt - inzwischen ist er von Athen offenbar enttäuscht.
:nuckel:
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overkott
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von overkott »

Während in der New York Times ein Plan B nicht zu lesen war, gab es im Kreuzgang nicht nur Plan A.

Der Bundesfinanzminister hat mit seinem beinharten Plan B erst einmal Plan A möglich gemacht.

Sollten die Verhandlungen mit Griechenland Mitte August scheitern, können die Schäuble-Prügler immer noch behaupten: Eigentlich haben wir es immer schon gewusst. Ansonsten natürlich auch.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Frisches Geld und alte Taktik - nichts scheint sich in GR zu ändern:
Wenige Tage nach dem Verhandlungsmarathon über ein drittes Rettungspaket für Griechenland macht die Regierung in Athen schon wieder Abstriche an den Gesetzespaketen, die noch vor Aufnahme von Verhandlungen durch das Parlament gebracht werden sollten. Schon für die vergangene Woche hatte die Regierung von Ministerpräsident Tsipras versprochen, die Mehrwertsteuersätze anzuheben und eine Rentenreform zu beschließen. Nun entstanden aber Zweifel daran, ob in einigen Nebenklauseln die versprochenen Reformen abgeschwächt wurden, etwa mit einer Deckelung von Rentenbeiträgen.
Auch die versprochene Abschaffung der Frührenten ist offenbar noch nicht so in gesetzliche Regeln gegossen worden, wie das ursprünglich schon in der vergangenen Woche erwartet wurde. Auch in dem Gesetzespaket, das vom Athener Parlament am Mittwoch beschlossen werden soll, ist angeblich die geforderte Abschaffung der Frührenten weiterhin nicht enthalten.
(...)
Damit Tsipras für sein Gesetzespaket vom Mittwoch auch wieder die Stimmen der pro-europäischen Oppositionsparteien bekommt, hat er zudem den Konservativen ein Zugeständnis gemacht. Die wollen ihre alte Klientel, die Landwirte, vor Steuererhöhungen beim Traktorenbenzin schützen. Die Sonderbehandlung der Landwirte sollte schon in der vergangenen Woche abgeschafft werden. Nun wird sie in den August verschoben und noch einmal Gegenstand der Verhandlungen über das dritte Rettungspaket.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 14252.html

Hand auf's Herz: Hatte irgendjemand nach all den Erfahrungen mit verschiedenen Regierungen in der Vergangenheit etwas anderes erwartet? :nein:

RomanesEuntDomus
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von RomanesEuntDomus »

Caviteño hat geschrieben:Hand auf's Herz: Hatte irgendjemand nach all den Erfahrungen mit verschiedenen Regierungen in der Vergangenheit etwas anderes erwartet? :nein:
Nein, natürlich habe ich nichts anderes erwartet. Und dazu benötige ich nicht einmal Erfahrungen mit den Vorgängerregierungen.

In Brüssel oder in Berlin wird man doch nicht ernsthaft erwartet haben, daß das Parlament eines beliebigen Landes auf Anordnung von außen einen Satz von Maßnahmen beschließen und anschließend auch noch wirklich in ihrem Land durchsetzen wird, wenn in diesem Land wenige Tage vorher eine Volksbefragung stattgefunden hat und aus dieser Volksbefragung eindeutig hervorging, daß die Wähler eben diese Maßnahmen mit einer sehr deutlichen Mehrheit ablehnen? Tsipras kann zwar in seiner Not die Mehrheit seiner Minister entlassen, aber die Mehrheit des Volkes kann er nicht entlassen.

Ganz egal, was Tsipras in Brüssel unterschrieben hat und noch unterschreiben wird, und selbst wenn sich eine Mehrheit im Athener Parlament dafür finden wird, die von Brüssel geforderten Maßnahmen tatsächlich eins zu eins in Gesetze umzusetzen, was ich jetzt schon zu beweifeln wage, dann würden diese Gesetze in Griechenland immer als von außen aufoktroyiert angesehen. Es wären im allgemeinen Bewußtsein folglich Gesetze, an die sich niemand ernsthaft zu halten braucht. Dann wird eben zukünftig in Griechenland noch viel mehr als jetzt schon nicht so heiß gegessen, wie es in Athen gekocht wurde.
overkott hat geschrieben:Der Bundesfinanzminister hat mit seinem beinharten Plan B erst einmal Plan A möglich gemacht.
Bevor du jetzt wie gewohnt in seitenfüllende Extase gerätst, schlage ich vor, daß du erst einmal ein bis zwei Jahre abwartest und einfach mal guckst, wie sich Plan A umsetzen lässt und ob Plan A irgend etwas bringt. Und dann erzählst du uns, wie Plan A, den dein Bundesfinanzminister mit seinem beinharten Plan B erst möglich gemacht hat, bis dahin funktioniert hat. Falls sich bis dahin überhaupt noch jemand für Plan A interessiert.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Sarandanon
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Sarandanon »

Ich meine mich erinnern zu können, dass er sein Parlamentsmandat ebenfalls niederlegen wollte. Sagte er glaub ich in der Jauch-Sendung.
Dich, o Herr, kann nur verlieren, wer dich verlässt.
(Augustinus Aurelius)

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Sarandanon hat geschrieben:Ich meine mich erinnern zu können, dass er sein Parlamentsmandat ebenfalls niederlegen wollte. Sagte er glaub ich in der Jauch-Sendung.
Das hat er nicht ausdrücklich gesagt, sondern, daß er sich das überlegen wolle und bevor er eine solche Entscheidung träfe, er erst Rücksprache halten wolle mit Leuten seines Wahlkreises, den er vertritt. Die Medien aber haben das gleich als Rücktrittsdrohung gesehen. So jedenfalls meine Information.
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maliems
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von maliems »

Sollte er noch mal zur Wahl antreten bei uns, was ich hoffe, würde er über 55prozent kriegen. Leider ist er todkrank, aber glücklicherweise auch lebenslustig ohne Ende.

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Yeti
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Yeti »

Interview mit Natasa Gkara, Syriza-Abgeordneter im griechischen Parlament, die im Parlament für die Sparpakete gestimmt hatte. Ein Kommentar darunter:
"Wir haben nie gesagt, dass wir unsere Schulden nicht zahlen werden. Wir glauben nur, dass die Schuldenlast insgesamt nicht mehr tragbar ist." Bedeutet: Wir haben nie gesagt, dass wir unsere Schulden nicht zahlen werden aber wir werden es nicht. Das gern genommene Klischee. Deutschland ist böse weil es doch tatsächlich sein Geld zurückhaben möchte. Es ist diese Einstellung, die einen wütend macht. Genausogut könnte diese Dame einem ins Gesicht sagen "Jetzt bezahl endlich meinen Lebensstil und halt die Schnauze" Möglicherweise sind wir noch nicht hart genug
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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Yeti hat geschrieben:Möglicherweise sind wir noch nicht hart genug
In den USA hat mich jeder, mit dem ich mich über das Thema unterhalten habe, mehr als deutlich sein Unverständnis darüber geäußert, daß "wir" (= D.) überhaupt noch Geld nach GR schicken.....

und die Griechen fangen schon wieder mit ihren alten "Tricks" an und versuchen zu verzögern usw. usf......
Die Verhandlungen über das dritte Rettungsprogramm haben noch gar nicht offiziell begonnen, doch schon gibt es den ersten Streit: Entgegen der ursprünglichen Planungen sind Vertreter der Geldgeber-Institutionen am Freitag noch nicht nach Athen gereist.
Vor allem Vertreter des Internationale Währungsfonds (IWF) warten derzeit noch ab. Der Grund: Die Athener Regierung habe den IWF lediglich eingeladen, über das neue ESM-Rettungsprogramm zu verhandeln, erfuhr das Handelsblatt aus dem Umfeld der Institutionen.
Griechenland habe aber keinen Antrag gestellt, dass sich der IWF an dem neuen Programm beteiligen soll. Der Währungsfonds prüft derzeit noch, wie er damit umgehen soll. Eigentlich hatte Premier Alexis Tsipras in der Einigung auf dem Euro-Krisengipfel zugesagt, dass er beim IWF einen Hilfsantrag stellen wird. Das unterbrochene IWF-Programm läuft noch bis März 216 und enthält noch 16 Milliarden Euro.
Doch auch die Vertreter von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Euro-Rettungsfonds ESM lassen offenbar noch auf sich warten. Grund dafür soll ein Streit mit der griechischen Regierung sein. Sie wolle die Experten der Institutionen 2 Kilometer außerhalb Athens unterbringen, sagte ein Vertreter der Euro-Zone dem Handelsblatt. Das verstoße ebenfalls gegen die Vereinbarung des Euro-Gipfels. Dort hatte Tsipras den Institutionen eine Normalisierung der Zusammenarbeit zugesagt, inklusive Arbeitsmöglichkeiten in Athen.
(...)
Denn die Zeit drängt. Eigentlich wollen die Geldgeber die Verhandlungen bis Mitte August abschließen. Am 2. August muss Griechenland bei der EZB 3,5 Milliarden Euro tilgen. Deshalb soll bis dahin die erste Tranche aus dem Rettungsprogramm fließen.
Doch der Zeitplan wackelt bereits. Möglicherweise werde eine weitere Zwischenfinanzierung notwendig, heißt es in Verhandlungskreisen.
http://www.handelsblatt.com/politik/int ... 442-2.html

Muß man sich das eigentlich antun?

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Das Abkommen mit GR ist unrealistisch.

Dem kann man nur zustimmen, wenn man von den Anforderungen liest, die an die gr. Bevölkerung gestellt werden:
So wurden beispielsweise frühere Versuche einer Rentenreform nur teilweise und auch unentschlossen in Angriff genommen, wobei Ausnahmen und Übergangsregelungen deren Wirkung untergruben. Ebenso wenige Fortschritte erzielte man mit den 211 lancierten Versuchen einer Reform der Zivilprozessordnung, die darauf abzielten, die Effizienz des Justizsystems zu verbessern. Gescheitert war man grösstenteils deshalb, weil es der Regierung nicht gelang, dem Widerstand der Anwaltskammern entgegenzutreten, die um ihre überhöhten Gebühren aus sinnlosen Verfahren bangten.
(...)
Der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderungen liegt darin, dass die griechische Bevölkerung Verantwortung für diese Reformen übernimmt, so dass das öffentliche Interesse die Oberhand über Partikularinteressen behält. Aber auch das wird schwierig, angesichts der weit verbreiteten Ansicht, wonach diese Reformen den Griechen von ihren Gläubigern auferlegt wurden. Tsipras muss hier eine Führungsrolle übernehmen und einen breiten Konsens herstellen.
(...)
Das neue Abkommen wurde von vielen Griechen sowie auch von Aussenstehenden als «neokolonialistische Unterdrückung» bezeichnet. Und tatsächlich rief Griechenlands Erniedrigung bei den Verhandlungen Erinnerungen daran wach, wie der indonesische Präsident während der Finanzkrise in Asien im Jahr 1997 vom IWF behandelt wurde. (Manche Gläubiger haben das Gefühl, sie seien die wahren Opfer, ausgenutzt von ihren griechischen Kollegen, die niemals beabsichtigten, ihre Versprechen einzuhalten.)
Die Griechen müssen diese emotionalen Reaktionen allerdings beiseite schieben und die Notwendigkeit vieler vorgeschlagener Reformen erkennen. Denn weil es Griechenland verabsäumte, diese Reformen umzusetzen, konnten Klientelismus, Oligarchentum, Korruption und Steuerhinterziehung, die seiner wirtschaftlichen und politischen Dysfunktion zugrunde liegen, praktisch ungehindert weiterbestehen.
Tsipras macht aber genau das Gegenteil: Er stellt sich nicht vor die Vereinbarung, sondern bekundet bei jeder Gelegenheit, das sie aufgezwungen sei und er nicht an die Wirksamkeit glaube.
Gleichzeitig werden die Vereinbarunge bzgl. der Privatisierung schon wieder unterlaufen. Eine Privatisierung des Netzbetreibers Admie wird vom Energieminister abgelehnt - er sei "unbezahlbar".

http://www.cash.ch/news/top_news/rss/at ... 35356-771

maliems
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von maliems »

ich finde das (spieltheoretisch) ok. Tsipras kennt das Spiel.

Merkle u Co haben der ganzen Welt gesagt, dass es zum Euro keine Alternative gibt. Tsipras hat es jetzt bis fast zur Spitze getrieben, dass er (die Syriza) es doch platzen lassen könnte.

Merkle will das nicht. Aber sie hat immerhin inzwischen den Schäuble dazwischengeschaltet, dass er den Grexit als Alternative ausspricht. Und Merkle liest die Umfragen u weiß, welche Schlüsse sie daraus zu ziehen hat,

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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

maliems hat geschrieben:ich finde das (spieltheoretisch) ok. Tsipras kennt das Spiel.

Merkle u Co haben der ganzen Welt gesagt, dass es zum Euro keine Alternative gibt. Tsipras hat es jetzt bis fast zur Spitze getrieben, dass er (die Syriza) es doch platzen lassen könnte.

Merkle will das nicht. Aber sie hat immerhin inzwischen den Schäuble dazwischengeschaltet, dass er den Grexit als Alternative ausspricht. Und Merkle liest die Umfragen u weiß, welche Schlüsse sie daraus zu ziehen hat,
Ich glaube ohne die Unterstützung Spanien und Portugals wäre Merkel nicht so "hart" gewesen. Wie lange diese Unterstützung anhält, ist mE aber sehr zweifelhaft. Nach den Wahlen dort kann das ganz anders aussehen, insbesondere wenn der gegenwärtige Aufschwung abbricht.
Im Grunde haben doch nur die NL, die baltischen Länder und FIN eine ähnliche Stabilitätskultur wie D. - der Rest hat doch immer gut mit Abwertungen und hohen Inflationsraten gelebt.

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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Scheitern die Verhandlungen über ein drittes "Rettungspaket":
Die beiden Seiten der Gleichung passen nicht zusammen. Die Euro-Staaten wollen ohne den IWF nicht helfen. Der IWF hilft aber nur, wenn die Euro-Staaten die griechischen Schulden "tragfähig" machen, sprich: reduzieren. Was aber umso schwerer ist, weil das dritte Paket den Schuldenberg signifikant erhöhen würde. Die Unlösbarkeit dieser Gleichung ist allen Beteiligten bewusst. Genau dieser Umstand macht das Scheitern so erwartbar.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/e ... -1.2585424

Ein formaler Schuldenerlaß würde - neben der Verletzung des bail-out-Verbots - jedem klarmachen, daß die Eurozone zu einer Transferunion mutiert ist. Wie soll man der Bevölkerung dann noch klarmachen, daß GR "Darlehn" erhält, wenn auf einen Teil dieser "Darlehn" bereits verzichtet wurde?

Es wird Zeit, das Spiel zu beenden.

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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von maliems »

Du hast recht. So siehts ja auch Schäuble. Ich tippe darauf, dass die Merkel-Linie siegt, und dass dann neue Floskeln daherkommen. Aber es wird ein Pyrrhus-Sieg sein, weil dem keiner mehr glaubt.

Aber auf der anderen Seite ist es in D auch allen egal, solange es uns gut geht.

Mag sein, dass ein solches System in einigen Jahren genauso akzepziert wird, wie die Transferuniuon der deutschen Bundesländer.

Wäre das vergleichbar oder sehe ich da etwas falsch?

(Solange es uns gut geht, sind viele Veränderungen möglich, bsp auch ein Einwanderungsgesetz.)

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

maliems hat geschrieben:

Aber auf der anderen Seite ist es in D auch allen egal, solange es uns gut geht.

Mag sein, dass ein solches System in einigen Jahren genauso akzepziert wird, wie die Transferuniuon der deutschen Bundesländer.

Wäre das vergleichbar oder sehe ich da etwas falsch?

(Solange es uns gut geht, sind viele Veränderungen möglich, bsp auch ein Einwanderungsgesetz.)
Einmal abgesehen von der Frage, ob es "uns gut geht" (was wäre da der Maßstab: der Kongo oder die Schweiz?), sollte man bei der Diskussion über eine europ. Transferunion folgendes berücksichtigen:

Die deutsche Transferunion (= Finanzausgleich) beruht auf der Bestimmung des GG zur Schaffung "gleichwertiger Lebensverhältnisse" und der Aufforderung, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder auszugleichen (Art. 72 und 107 GG). Gleichwertige Lebensverhältnisse und Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft zwischen so unterschiedlichen Ländern wie Dänemark/Deutschland und Bulgarien/Griechenland sind wohl nur mit sehr, sehr viel Phantasie vorstellbar.

Aber nicht nur daran würde ein europ. Finanzausgleich scheitern. Viel wichtiger wäre, daß es in Europa in den wesentlichen Punkten keine Vereinheitlichung gibt. Während in D. überall die gleichen Steuer- und Sozialgesetze gelten, ist das im Euroraum nicht der Fall. Ein Finanzausgleich zwischen Ländern, in denen z.B.
- das Renteneintrittsalter,
- die Steuersätze und - erhebung,
- die Sozialgesetze ua

nicht (fast) identisch sind, ist mE nicht vorstellbar. Niemand könnte dem Steuer- und Beitragszahler des Landes erläutern, warum er bis xx Jahre arbeiten muß, während im Empfängerland des Finanzausgleichs das Renteneintrittsalter bei xx-5 Jahren liegt. Entsprechendes gilt für alle Steuersätze, Sozialleistungen oä.
Warum sollte man für staatliche Leistungen bezahlen, wenn diese in einem Empfängerland kostenlos der dortigen Bevölkerung angeboten werden? Die Diskussionen zum Thema Erhebung von Studiengebühren in den unterschiedlichen deutschen Ländern sind ja noch in Erinnerung.

Jede Steuererhöhung bzw. jeder Abbau sozialer Leistungen in D. würde (bzw. - wie ich glaube - wird künftig) immer unter dem Gesichtspunkt "Transferleistung in andere Länder" diskutiert. Langfristig würde daher ein institutioneller Finanzausgleich weit mehr zum Unfrieden zwischen den europ. Völkern beitragen als die "Eurorettung" im Augenblick. Die Gelder flössen nicht als "Darlehn", sondern wären offen als Transferzahlungen im Haushalt auszuweisen. Wahrscheinlich würde dann bei kaputten Straßen, Kürzungen im Gesundheitsbereich oder maroden Schuldächern auf die xx Mrden verwiesen, die in andere Länder geleistet werden müssen(!) - garniert mit entsprechenden Berichten über den dort herrschenden Schlendrian, die grassierende Korruption oder die mangelnde Ausgabenkontrolle. Die Berichterstattung über die "Pleitegriechen" oder Wortspiele wie "PIGS" wären verglichen mit der dann stattfindenden Diskussion innerhalb der Gesellschaft nur "laue Lüftchen".

Ein solcher Finanzausgleich wäre eine Quelle ständiger Zankereien und Vorwürfe. Man würde alle statistischen Tricks anwenden, um die eigene Zahlungspflicht zu mindern bzw. eigene Ansprüche zu erhöhen. Der deutsche Finanzausgleich krankt z.B. ua an einer einheitliche Prüfungspraxis der Finanzbehörden. Während für Geberländer jedes Steuermehraufkommen "weggeglichen" wird, haben die Nehmerländer kein Interesse an einem höheren Steueraufkommen, da es ihre Ansprüche mindern würde (bei höheren Personal- und Pensionskosten für die Prüfungsdienste).
Wenn aber innerhalb eines Staates die Länder so unterschiedliche Strategien fahren - wie sähe es dann erst innerhalb der Eurozone aus? :panisch:

Der Ansatz, all das zu vereinheitlichen bzw. zu "vergemeinschaften" ist und bleibt ein Traum. Einmal abgesehen davon, daß wohl kein Politiker ernsthaft all seine bisherige Macht nach "Brüssel" abgeben will (und nur noch für die Namensgebung von Spielplätzen zuständig ist), wären auch die historisch gewachsenen Unterschiede kaum zu überwinden. Das eine Land hat höhere Umsatzsteuersätze, weil damit ein Teil der Sozialleistungen finanziert wird, das andere setzt auf Versicherungslösungen. Das eine Land zahlt Hartz IV, bei einem anderen ist diese Sozialleistung unbekannt.

Wie soll bei diesen Unterschieden ein europ. Finanzausgleich funktionieren können? :achselzuck:

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Caviteño hat geschrieben:Scheitern die Verhandlungen über ein drittes "Rettungspaket":

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/e ... -1.2585424
Ein ähnlicher Bericht jetzt auch in der FAZ:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 27331.html

Gleichzeitig scheint sich Tsipras mit dem Gedanken an Neuwahlen anzufreunden:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 25858.html

Wer glaubte, mit der Vereinbarung vor wenigen Wochen sei alles in "trockenen Tüchern" dürfte sich getäuscht haben; die Diskussionen um einen Grexit werden weitergehen.

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Dank an den IWF, weil er das Versagen der Griechenland-Hilfe aufdeckt:
Nicht nur die Bundesregierung, vor allem die Linke und die Grünen suggerieren, bislang wäre kein deutsches Geld nach Griechenland geflossen. Das ist so schon deshalb falsch, weil beim ersten Schuldenschnitt 21 immerhin 12 Milliarden Schulden erlassen wurden. Dieser „Haircut“ trifft nicht irgendwelche anonymen und bösen Banken, denen man endlich das Geld weg nimmt, wie die linksblinde deutsche Politik so gern suggeriert. Es sind im wesentlichen Mittel von Lebensversicherungen, Sparkassen und ganz normale Einlagen, die da verloren gegangen sind. Die Bundesregierung hat ihre Beteiligung an der misslungenen Griechenlandhilfe versteckt; und zwar in Form von „Garantien“. Garantien heißt: Es fließt heute kein Geld, aber wenn Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlen kann, wird es fällig. Die Hoffnung war, diesen Tag hinauszuschieben, Zeit zu schinden, wie es eben in der Logik der auf Wahltermine orientierten Politik so üblich ist. Jetzt zwingt der IWF zur Aufdeckung dieser Garantien, indem der IWF einen Schuldenschnitt fordert. Das bedeutet: Je nach Rechnung zwischen 9 bis 13 Milliarden werden teilweise abgeschrieben; die Staatsverschuldung dementsprechend erhöht.
Denn Deutschland haftet über verschiedenste Kanäle: Die Europäische Zentralbank beispielsweise hat Griechenland über 9 Mrd. für erkennbar faule Papiere geliehen – auch da ist Deutschland mit seinem 27-Prozent-Anteil dabei. Verschiedene Europäische Kostenverschleierungssysteme wie der Europäische Stabilitätsfonds wurden errichtet; auch da trägt Deutschland den Hauptanteil. Insofern sind wir dem IWF zum Dank verpflichtet: Er deckt die verdeckten Karten der Politik auf. Die „kostet-ja-nichts-sondern-bringt-uns-Zinsen-Schwindelei“ fliegt auf: Die Garantien sind bares Steuergeld, das dann in Deutschland vorne und hinten fehlt.
(...)
Der IWF kritisiert aber auch die griechische Regierung. Sie habe eben Reformen bislang unterlaufen. Die neue Regierung unter Alexis Tsipras hat diesen Boykott der Erneuerung zum Prinzip erhoben und sich sogar per Volksabstimmung bestätigen lassen. So lange Griechenland so auf Kosten der Kreditgeber weiterwurstelt, ist der IWF nicht mehr dabei. Auch das ist eine Bankrott-Erklärung für Politik und übrigens auch für viele Medien, die ständig die Reformen und großen Opfer der Griechen anführen und beklagen. Griechenland ist ein Sumpf, sagt der IWF. Nach nur 6 Monaten Syriza-Regierung steht Griechenland wirtschaftlich so schlecht da wie noch nie – und das Geld auch des neuen Hilfspakets wird wieder nicht reichen, kann jetzt gar nicht mehr reichen. Denn griechische Unternehmen gingen wegen der Bankschließung pleite, Unternehmen wanderten ab, der Tourismus brach ein. Die Folgen der sozialistischen Politik sind nach Schätzungen griechischer Statistiker ein Einbruch von voraussichtlich weiteren 1 Prozent in nur 6 Monaten. Innenpolitisch ist Griechenland instabil, denn die extreme Linke spielt nicht mehr mit. Auch Tsipras schließt Neuwahlen nicht aus.
Damit ist die Griechenland-Hilfe-Politik auf der ganzen Linie gescheitert. Das Verdecken heimlicher Hilfen vor den Wählern fliegt auf. Der Euro wird zur gigantischen Umverteilungsmaschine. Denn jetzt wird wieder Panik als Argument angeführt werden, um alle möglichen Hilfen loszueisen. Jetzt wird wieder mal die Kriegs-Drohung herausgeholt; und klar ist: Der Unsinn geht weiter. Dagegen gibt es nur eine Möglichkeit: Einen sofortigen Grexit, um das kranke Griechenland von Europa zu isolieren – und vermutlich muß der Euro jetzt wirklich auf den Prüfstand.
http://www.rolandtichy.de/tichys-einbli ... hilfe-auf/

Frau Merkel dürfte diese Entwicklung kaum gefallen. Zweifelhaft ist auch, ob es erneut ausreicht, die Darlehn zu verlängern und die Zinssätze zu senken, umso - finanzmathematisch - eine Schuldentragfähigkeit herzustellen.
Auch der Privatisierungsfond, aus dem 5 Mrden € kommen sollten, wird jetzt auf eine realistische Größe zurückgestutzt.
EU-Diplomaten zufolge haben die drei Institutionen schon beim EU-Gipfel deutlich gemacht, dass der von Berlin geforderte Wert von 5 Milliarden viel zu hoch angesetzt ist. „Bereits bei den Verhandlungen auf dem EU-Gipfel haben der Internationale Währungsfonds (IWF), die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank einmütig darauf hingewiesen, dass drei bis fünf Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren ein realistischer Wert wären“, sagte ein EU-Diplomat der WirtschaftsWoche.
http://www.wiwo.de/politik/europa/griec ... 24324.html

Mit einem hohen Wertansatz wollte die Bundesregierung den Geldbedarf für das dritte "Rettungspaket" gering halten, um nicht noch mehr Gegenstimmen im Bundestag zu kassieren. Jetzt wird man wohl doch von einem höheren Kreditvolumen ausgehen müssen. Mich würde es nicht wundern, wenn es wieder dreistellig wird.

Peinlich, daß die Wahlen in Portugal und Spanien immer näher rücken. Wenn man GR die Schulden erläßt, warum nicht auch diesen Ländern? :achselzuck:
Diese Länder hätten einen Schuldenerlaß ehr "verdient" als GR, schließlich haben sie die geforderten Reformen durchgeführt. Aber GR hat wohl Narrenfreiheit.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

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Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
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die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Das dritte "Rettungspaket" scheint ja unumstritten zu sein. Ob es nun 8 Mrden oder doch 86 Mrden € werden - geschenkt. Aber Frau Merkel wäre nicht Frau Merkel, wenn sie nicht noch mehr Geld in den Süden leiten würde. Jetzt schlägt sie vor, daß die EU die Schulden der Griechen gegenüber dem IWF garantiert, um die Institution weiterhin "an Bord" zu halten:
Zuerst müsse Athen seine Hausaufgaben erledigen und die von den Geldgebern geforderten Reformen umsetzen. Von den Geldgebern erwartet der IWF wiederum Zugeständnisse in Form von weitreichenden Schuldenerleichterungen bzw. einem Schuldenschnitt.
Hier wird es für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unbequem. Dass sich der Währungsfonds nicht am dritten Hilfspaket beteiligen würde, war für sie nie eine Option. Doch ohne IWF wird es für Merkel nicht leichter, den Bundestag und vor allem die Gegenstimmen in ihrer eigenen Fraktion von einem weiteren Hilfspaket für Griechenland zu überzeugen. Da hilft auch kein Volker Kauder, der als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender die Truppe zur Disziplin aufruft und Abweichlern mit dem Entzug von Ausschussfunktionen droht (siehe: Kauder schizophren - Meinungsfreiheit ad acta gelegt, Disziplinierung der Truppe hat Vorrang).
Gibt es einen Ausweg im Streit um einen Schuldenschnitt für Griechenland? Davon scheint die Bundesregierung überzeugt. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet werde aktuell geprüft, ob die Europäische Union die Rückzahlung der griechischen Schulden an den IWF garantieren könne. Also faktische eine Beteiligung ohne Risiko. Wie das gehen soll? Nun: Sollte Griechenland das Geld ausgehen, würden die Europäer für den Schuldendienst aufkommen. Der IWF hätte keine Verluste zu verzeichnen. Ok, quid pro quo… Was haben die Europäer davon? Laut Plan soll der IWF im Gegenzug auf weiterreichende Forderung einer Schuldenerleichterung verzichten.
http://www.wallstreet-online.de/nachric ... -aufkommen

Es geht ja nicht um "peanuts" - der IWF hat an GR Zusagen über Kredite iHv ca. 5 Mrden € gegeben und die Griechen haben dreist im Juni d. J. nicht gezahlt. Gibt es eine Bürgschaft der Euroländer kann sich jeder vorstellen, wie sich dieser Schuldner verhalten wird, wenn Zahlungen fällig werden: Entweder man zahlt nur, wenn vorher Geld kommt oder man weigert sich und die Europäer dürfen den Betrag direkt an den IWF überweisen.....

Ach so - 5 Mrden € - deutscher Anteil ca. 27% = 13,5 Mrden. Macht pro Kopf der Bevölkerung ca 17 € - aber das sollten uns die Griechen und ihr Verbleib im Euroverbund dort wert sein, oder?

Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Das dritte "Rettungspaket" für GR wird in der Presse und der Politik bejubelt - jedoch findet man auch Beschreibungen, die am Erfolg zweifeln lassen bzw. die zeigen, daß die Verhandlungspartner sich wohl wieder haben über den Tisch ziehen lassen:
Tsipras erwägt, schon für September Neuwahlen ausschreiben zu lassen. Die Regierung hat das Interesse, die Einschnitte erst nach den Wahlen wirken zu lassen. Das betrifft zum einen die Abschaffung der Frühverrentung. Bevor diese auslaufen, soll es noch Zehntausende von Kandidaten geben, die gerne noch schnell mit den alten Regeln in Rente gehen würden.
Der Wunsch nach Vertagung betrifft auch die Restrukturierung der faulen Kredite der griechischen Banken. Die Regierung hat bekanntgegeben, dass die Rekapitalisierung bis Ende 215 abgeschlossen sein solle und dass sofort 1 Milliarden Euro für die Banken zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Inhaber von Bankeinlagen von mehr als 1. Euro – vor allem mittelständische Unternehmen – kämen damit um die Regel herum, die von 216 an eine Beteiligung von größeren Bankkunden an den Kosten der Bankensanierung vorsieht. Zugleich wird aber versucht, mit säumigen Kreditkunden der Banken schonend umzugehen. Die Regierung betont, man habe ausgeschlossen, dass Forderungen von Banken an andere Gesellschaften weiterverkauft werden dürften. Verarmte oder arbeitslose Bürger, die in ihrem eigenen Haus wohnen und die Hypothekenraten nicht bezahlen, sollen vor einer Pfändung verschont werden. Doch wird gleichzeitig von Fällen berichtet, in denen auch wohlhabende Griechen einfach nicht bezahlen und ihre Immobilien behalten wollen, weil ja die Finanzlücken der Banken ohnehin von andere finanziert werden.
(Hervorhebung von mir)
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/g ... ageIndex_2

Das alles ist menschlich verständlich, nur frage ich mich, warum die Steuerzahler anderer Länder das bezahlen sollen.... :hmm:
Warum dürfen die Banken ihre Sicherheiten nicht verwerten? Warum dürfen notleidende Kredite nicht verkauft werden, um wenigstens etwas Geld in die Kasse zu bekommen? Ist es wirklich angebracht, das bereits jetzt schon Hilfsmittel in Anspruch genommen werden, bevor alle eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden? Die gr. Regierung kann gerne Sozialpolitik betreiben - nur sollte sie es dann auch selbst bezahlen.
Was die Renten betrifft - man könnte die Welle der Frühverrentungen stoppen, wenn man den Antragsstichtag auf den heutigen oder einen früheren Tag legen würde. Aber offensichtlich hat die Regierung, weil es ihre Wählerklientel betrifft, daran kein Interesse. Also zahlen die anderen Länder - für die Wahlgeschenke der Syriza-Regierung. Wenn das jemand vor sechs Wochen gesagt hätte - er wäre für verrückt erklärt worden.

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Edi
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Edi »

Andere Länder zahlen doch angeblich nichts, das sind doch nach Aussagen der meisten Politiker lediglich Kredite, die wieder zurückgezahlt werden und wenn man bestimmten Presseorganen glaubt, hat Deutschland schon 100 Milliarden an Zinsen inzwischen eingespart, weil die Zinsen durch die Krise ja heruntergefahren wurden.

Nur wer's glaubt.........

Wenn ich recht sehe, hat GR bereits um die 320 Millarden Schulden, jetzt sollen nochmals um die 80 Milliarden hinzukommen und selbst wenn GR mal ohne die Zinsen, die es zu zahlen hat, einen Überschuß machen sollte, wie sollte das Land je eine solche Summe ohne einen Schuldenschnitt wieder zurückzahlen können ? Wohl erst am Skt.-Nimmerleinstag.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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Caviteño
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Re: Griechenland nach den Wahlen

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben:
Wenn ich recht sehe, hat GR bereits um die 320 Millarden Schulden, jetzt sollen nochmals um die 80 Milliarden hinzukommen und selbst wenn GR mal ohne die Zinsen, die es zu zahlen hat, einen Überschuß machen sollte, wie sollte das Land je eine solche Summe ohne einen Schuldenschnitt wieder zurückzahlen können ? Wohl erst am Skt.-Nimmerleinstag.
Wobei ich Zweifel habe, ob die ELA-Kredite und die Target-II-Salden da bereits eingerechnet sind.

Davon abgesehen: Natürlich werden mit einem Teil der Neukredite irgendwelche Altschulden (iHv 35 Mrden) bei der EZB und beim IWF umgeschuldet, ein weiterer Teil (ca. 25 Mrden) geht an die maroden Banken und der Rest von immerhin weit über 30 Mrden €? :achselzuck:
Richtig - der soll in der Konjunktur stimulieren - also zusätzliche Ausgaben, um die Wirtschaft "anzukurbeln". Das hat schon in den Industrieländern nur in der Weise funktioniert, daß man anschließend mehr Schulden hatte als vorher. Wie soll das in einem Land funktionieren, dessen Hauptwirtschaftszweig der Tourismus ist? Bekommt man jetzt eine Steuervergünstigung (analog zum Handwerkerbonus), wenn man in GR Urlaub macht? :hae?: Oder werden neue Straßen gebaut bzw. ein neues Elephantenhaus im Athener Zoo errichtet? :breitgrins:

Zurückzahlen dürfte doch kein Problem sein - sind ja schließlich nur ca. 30 TEURO pro Kopf der Bevölkerung.......

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