Serafim Rose: Orthodoxie und die Religion der Zukunft, Straelen 2010, »Veröffentlicht mit dem Segen S. E. Mark, Erzbischof von Berlin und Deutschland«, S. 76 ff.:
Serafim Rose hat geschrieben:»Christlicher Yoga«
Hinduistischer Yoga ist im Westen seit Jahrzehnten bekannt. Besonders in Amerika hat er – auch in Form einer beliebten Leibestherapie – unzählige Kulte zum Erstehen gebracht, die in ihren Zielen vermutlich nicht religiös sind. Vor nahezu zwanzig Jahren hat ein Benediktinermönch aus Frankreich seine Erfahrungen dabei niedergeschrieben, um aus Yoga eine »christliche« Disziplin zu machen (J. M. Dechanet. Christian Yoga. New York: Harper & Row, 1971). Die nachfolgende Beschreibung stammt aus diesem Buch.
Hinduistischer Yoga ist eine Disziplin, die ein eher enthaltsames, diszipliniertes Leben voraussetzt. Er setzt sich aus Atemkontrolle und gewissen körperlichen Stellungen zusammen, die einen Zustand der Entspannung bewirken, in dem man meditiert; gewöhnlich mittels eines Mantras oder mittels Äußerung von heiligen Lauten, was zur Konzentration hilft. Essenz des Yoga ist nicht die Disziplin selbst, sondern die Meditation, die sein Ziel ist. Der Verfasser schreibt richtig: »Die Ziele des hinduistischen Yogas sind spirituell. Es ist schlichtweg gleichbedeutend mit Verrat, dies zu vergessen und nur an der rein körperlichen Seite dieser alten Disziplin festzuhalten, um in ihr nicht mehr zu sehen als ein Mittel zu körperlicher Gesundheit oder Schönheit« (a. a. O., S. 54). Dem sollte hinzugefügt werden, die Person, welche Yoga nur zum körperlichen Wohlsein nutzt, hat sich bereits in Richtung auf gewisse spirituelle Haltungen hingeneigt, ja sogar in Richtung von Erfahrungen, derer sie sich zweifellos nicht gewahr ist. Dazu wird im Folgenden mehr ausgeführt.
Derselbe Verfasser fährt fort: »Die Kunst des Yogis besteht darin, sich selbst in vollständige Ruhe zu versetzen, sich selbst aller Gedanken und Illusionen zu entleeren, alles abzulegen und zu vergessen, außer dieser einzigen Idee: Des Menschen wahres Selbst ist göttlich; es ist Gott, und der Rest ist Stille« (S. 63).
Selbstverständlich ist diese Idee nicht christlich, sondern heidnisch. Doch der Zweck »Christlichen Yogas« liegt darin, die Technik des Yogas zu einem anderen spirituellen Zweck zu nutzen, nämlich für »christliche« Meditation. Bei dieser Sicht bildet Gegenstand der Yogatechnik, jemanden entspannt, gesammelt, gedankenlos und zulassend oder empfänglich für spirituelle Ideen und Erfahrungen zu machen: »Sobald man die Körperstellung eingenommen hat, wird man spüren, wie sich der Körper entspannt, und ein Gefühl allgemeinen Wohlseins wird sich selbstin ihnen einstellen« (a. a. O., S. 158). Die Übungen bringen einen »außerordentlichen Sinn für Ruhe« hervor (S. 6). »Am Anfang erhält man ein Gefühl einer allgemeinen Entwirrung, ein Wohlsein gewinnt Halt, ein Gefühl von Euphorie, welches andauern soll, und dies auch tatsächlich tut. Waren die Nerven der Person angespannt und überspannt, beruhigen sie die Übungen, und Müdigkeit verschwindet in kurzer Zeit« (S. 49). »Das Ziel all seiner […] Anstrengungen besteht darin, das denkende Selbst in sich zum Schweigen zu bringen, indem man die Augen gegenüber jeglicher Art von Reiz verschließt« (S. 55). Die Euphorie, die der Yoga bringt, »könnte gut ein ›Zustand von Gesundheit‹ genannt werden, der uns erlaubt, mehr zu tun und damit zu beginnen, es zunächst auf der menschlichen Ebene besser zu machen, um es später auf der christlichen, religiösen und spirituellen Ebene fortzusetzen. Das am besten passende Wort, um dies zu beschreiben, ist sich im Kampf zu behaupten; ein Zustand des Ringens, der Leib und Seele inewohnt und uns […] in Richtung auf spirituelles Leben hin veranlagt« (S. 31). Jemandes ganze Persönlichkeit kann dadurch verändert werden: »Hatha-Yoga hat Einfluss auf den Charakter zum Guten hin. Ein Mann gesteht nach ein paar Wochen Praxis ein, er kenne sich selbst nicht mehr, und jedermann bemerke eine Veränderung in seiner Orientierung und in seiner Reaktionsweise. Er ist sanfter und verständnisvoller. Er stellt sich ruhig der Erfahrung. Er ist zufrieden. […] Seine ganze Persönlichkeit ist verändert worden, und er selbst verspürt, dass sie dabei ist, sich zu festigen und zu öffnen. Daraus erhebt sich eine nahezu fortwährende Verfassung von Euphorie, von ›Gefasstheit zum Kampfe‹« (S. 50).
Doch all dies ist nur eine Vorbereitung auf einen »spirituellen« Zweck hin. Dieser macht sich in sehr kurzer Zeit spürbar: »Indem ich binnen einiger Wochen zum kontemplativen Menschen geworden bin, wurde meinem Gebet eine einzigartige und neue Ausstrahlung gegeben« (S. 7). Da er außerordentlich ruhig wurde, bemerkt der Autor »die Leichtigkeit, die ich beim Eintritt ins Gebet empfand, und wenn ich mich auf einen Gegenstand sammelte« (S. 6). Man wird »empfänglicher üfr Impulse und Eingaben vom Himmel« (S. 13). »Die Praxis von Yoga bewirkt gesteigerte Geschmeidigkeit und Empfänglichkeit, und so erwirkt sie Offenheit gegenüber jenem persönlichen Austausch zwischen Gott und der Seele, der den Weg des spirituellen Lebens kennzeichnet« (S. 31). Selbst für den Yoga-Lehrling wird das Gebet »süß« und »umfasst das Ganze des Menschen« (S. 183). Man ist entspannt und »bereit, bei der Berührung durch den Heiligen Geist zu erzittern und willkommen zu heißen, wovon Gott in seiner Güte denkt, es wäre gut, dass wir es erfahren« (S. 71). »Wir machen unser Dasein dazu bereit, ergriffen, in Besitz genommen zu werden –, und dies ist tatsächlich die höchste der Formen christlicher Kontemplation« (S. 72). »Tägliche Übungen und zumal die ganze asketische Disziplin meines Yogas machen es der Gnade Christi leichter, in mich hineinzufließen. Ich verspüre, wie mein Hunger nach Gott wächst, aber auch mein Durst nach Gerechtigkeit und mein Verlangen, in voller Kraft des Wortes ein Christ zu sein« (S. 11).
Noch ein jeder, der das Wesen von Preles oder spiritueller Verblendung begreift, wird in dieser Beschreibung »Christlichen Yogas« genau die Charakteristika derer wiedererkennen, die spirituell in die Irre gelaufen sind, ob in heidnische religiöse Erfahrungen oder ob in sektiererische »christliche« Erfahrungen hinein. Das ist ein und dasselbe Bestreben nach »heiligen und göttlichen Gefühlen«, dieselbe Offenheit und Bereitschaft, von einem Geist »ergriffen« zu werden, dasselbe Suchen nicht nach Gott, sondern ach »spirituellen Tröstungen«, dieselbe Selbstvergiftung, die als »Gnadenzustand« missdeutet wird, dieselbe unglaubliche Leichtigkeit, anhand derer jemand zu einem »kontemplativen« oder »mystischen« Menschen wird, und es sind ein und dieselben »mystischen Offenbarungen« und pseudoreligiösen spirituellen Zustände. Dies sind die gemeinsamen Charakteristika all derer in diesem besonderen Zustand geistlicher Verblendung. Doch der Verfasser von Christian Yoga – ein Benediktinermönch – fügt noch einige besondere »Meditationen« bei, die ihn als jemanden offenbaren, der vollauf im Geist Römisch-Katholischer »Meditationen« jüngst vergangener Jahrhunderte steht mit ihrem freien Spiel von Phantasien über christliche Themen. So hat er beispielsweise über ein Thema zur Christmette meditiert, wobei er beginnt, das Kind in den Armen Seiner Mutter zu sehen: »Ich schaue, nichts mehr. Bilder, Ideen (Assoziationen zu Ideen: wieder und wieder: Retter, König, Heiligenschein, Hirte, Kind, Licht) kommen eines nach dem andern und ziehen vorbei. […] All diese Stücke eines heiligen Puzzles zusammengenommen erheben eine Idee in mir […] eine stille Vision des ganzen Mysteriums von Weihnachten« (S. 161 ff.). Noch ein jeder – auch mit dem geringsten Wissen über Orthodoxe Spirituelle Disziplin*) – wird sehen, dieser beklagenswerte »christliche Yogi« ist greifbar in eine Falle getappt, die einer der geringeren Dämonen gestellt hatte, welche nach einem Sucher »spiritueller Erfahrungen« auf der Lauer liegen. Er hat nicht einmal einen »Engel des Lichts« gesehen, sondern er hat einfach seinen eigenen religiösen Verschrobenheiten den Weg frei gegeben; dem Erzeugnis eines Herzens und eines Verstands, der zum geistigen Krieg und gegenüber den Verblendungen seitens der Dämonen vollständig unvorbereitet war. Solche »Meditationen« werden heutzutage in einer Anzahl Römisch-Katholischer Konvente und Klöstern praktiziert.
Die Tatsache, dass das Buch mit einem Artikel des Übersetzters der Philokalie ins Französische in Verbindung mit Auszügen aus der Philokalie schließt, offenbart nur den Abgrund, der die Dilettanten von der wahrhaftigen Spiritualität der Orthodoxie trennt, welche dem modernen, »weisen Menschen« vollkommen unzugänglich ist, da er ihre Sprache nicht mehr versteht. Eine hinlängliche Anzeige der Inkompetenz des Verfassers, die Philokalie zu verstehen, ist die Tatsache, dass er die Bezeichnung »Herzensgebet« für den leicht zu erreichenden Kniff anführt, Silben in einem Rhythmus zusammen mit dem Herzschlag zu rezitieren (S. 196); denn Herzensgebet ist in der Orthodoxen Tradition das höchste, geistige Gebet, das nur von sehr wenigen erlangt wird, und zwar nach vielen Jahren asketischen Ringens mittels Verdemütigung unter der Führung eines wahrhaftig Gott tragenden Altvaters.
Wir werden die Gefahren dieses »Christlichen Yogas« noch ausführlich kommentieren, wenn wir feststellen, was er mit andern Formen »fernöstlicher Meditation« gemeint hat, die heutigen Christen angeboten werden.
*) Die Gedanken assoziativ um ein erbauliches Thema kreisen zu lassen, setzt unser Vorstellungsvermögen, unsere Phantasie als »Meditation« oder Betrachtung in Bewegung. Gemäß Überlieferung der Väter kam der Mensch erst durch den Sündernfall zum Vorstellungsvermögen und zu seiner Phantasie. Der hl. Nikodemos der Hagiorit mahnt deshalb an: »Der Teufel weist eine enge Bezeihung zu und Vertrautheit mit dem Vorstellungsvermögen auf. Und von allen Kräften der Seele verfügt er über diese als das geeignetste Organ, um den Menschen zu täuschen und dessen Leidenschaften und Übel in Gang zu setzen. So ist der Teufel mit der Natur des Vorstellungsvermögens – der Phantasie – vertraut. Denn ursprünglich war er ein lauterer und einfacher Geist ohne Form und Abbild, und genauso wie die andern göttlichen Engel kam er später dazu, Formen und Phantasie zu lieben. Er stellt sich nämlich vor, seinen Thron noch über die Himmel hinan setzen zu können und wie Gott werden zu können. Da fiel er (aus dem Zustand) herab, ein Engel des Lichtes zu sein, und wurde zu einem Teufel der Finsternis. Der hl. Dionysius sprach über diesen Teufel: ›Was ist das Böse in den Teufeln= Der vernunftlose Zorn, die vernunftlose Begierde, die ungehaltene Phantasie‹ (Göttliche Namen, Kap. 4). Und der hl. Gregorios der Sinaite schrieb dazu ebenfalls: ›Ursprünglich waren die Teufel Gesiter, und sie fielen aus dieser Unstofflichkeit und aus dieser Verfeinerung herab, und ein jeder von ihnen empfing eine gewisse stoffliche Grobschlächtigkeit.‹ So benutzt der Teufel die Phantasie als sein Organ. Er hat Adam mittels dem Vorstellungsvermögen getäuscht, indem er in dessen Verstand die Phantasievorstellungen sich erheben ließ, er sei Gott. Denn vor seinem Ungehorsam hatte Adam noch nicht die Eigenschaft des Vorstellungsvermögens, wie dies der hl. Maximos sagt: Am Anfang waren Leidenschaft und Schmerz nicht zusammen mit dem Leib erschaffen; auch keine Vergesslichkeit und kein Unwissen zusammen mit der Seele; und auch keine sich immer wieder verändernden Ereignisse im Verstand. Zu all dem kam es durch den Ungehorsam des Menschen. […] Denn Adams Verstand wurde zu Anfang nicht von der Phantasie beeindruckt. Sie steht zwischen dem Verstand und dem Gedanken und errichtet so eine Mauer rings um den Verstand herum, um ihm nicht zu erlauben, noch in die einfachsten und bildlosen Ursachen der erschaffenen Dinge einzudringen. Die leidenschaftsbestimmten Wahrnehmungen des Leibes sind Ablagerungen, welche die Hellischtigkeit der Seele bedecken und ihr Fortkommen bis zum ureigentlichen Wort der Wahrheit verhindern. […] Schenk den schändlichen und furchterregenden Bildern der törichten und vernunftlosen Phantasie keine Aufmerksamkeit« (Nicodemos of the Holy Mountain, A Handbook of Spiritual Counsel. New York: Paulist Press, 1989, S. 149 ff.; Anm. d. Übers.)