phylax hat geschrieben:
Das Problem ist das Unkontrollierte....das bei einer Renationalisierung nach Deiner Facon zu befürchten wäre.
Ein Eurozerfall könnte weitaus unkontrollierter ablaufen als eine Renationalisierung und teilweise Rückabwicklung der EU. Bei einem Eurozerfall würde die gesamte EU in ihren Grundfesten erschüttert werden. Eine Renationalisierung kann gesteuert erfolgen.
Der Euro ist mE nicht langfristig überlebensfähig, weil der Währungsraum zu heterogen ist. Auch die Politik kann sich gegen ökonomische Gesetze auf Dauer nicht durchsetzen. Wie soll GR, Zypern, Malta oder auch Portugal in einer Währungsunion mit D und den NL wettbewerbsmäßig auf Dauer bestehen können?
Bereits die einmaligen Zahlungen haben zu viel bösem Blut geführt. Dauernde Transferzahlungen oder Alimentierungen der Südländer sind politisch im Norden nicht durchsetzbar.
Auch Deutsche haben das Recht, sich gegen diese Zahlungen und gegen eine immer enger werdende EU zu wehren. Sie sind weder der Zahlesel noch die Sklaven der EU.
Edi hat geschrieben:Bisher will kein einziges Land seine Souveränität an einen nicht einmal demokratisch gewählten EU-Moloch abgeben.
Wenn Du "Land" (und hier zu verstehen als Parlament und Regierung) durch "Volk" (= Souverän) ersetzen würdest, könnte ich Dir zustimmen.
Die Souveränitätsübertragung geht schleichend vor sich, hat aber inzwischen solche Ausmaße angenommen, daß man sich wohl fragen darf, inwieweit ein Mitgliedsland der EU eigentlich noch souverän ist. Sie wird von den Regierungen immer schneller vorangetrieben und von den willigen Helfern in vielen Parlamenten freudig abgenickt. Das Volk wird nur dann befragt, wenn es sich verfassungsrechtlich nicht umgehen läßt und selbst dann wird solange abgestimmt, bis das Ergebnis paßt oder der geplante Vertrag wird geringfügig geändert, damit er keiner Volksabstimmung mehr bedarf.
Hinsichtlich der Abgabe von Hoheitsrechten beziehe ich mich jetzt nicht auf die allgemein bekannten Beispiele Glühbirne, Olivenölkännchen oder Schnullerband-Verordnung.
Der größte Souveräntitätsübertragung war natürlich die Aufgabe der eigenen
Währung - bezeichnenderweise auch der größte Fehler. Ein Land, das seine währungspolitischen Geschicke an ein anderes Land (wie z.B. Argentinien damals an den USD) oder eine supranationale Organisation bindet, ist praktisch nicht mehr Herr im eigenen Haus. Es kann keine eigene Wirtschaftspolitik (Zinsen, Auf- und Abwertungen oder wie früher in anderen EU-Staaten üblich, der Aufkauf von Staatsschulden durch die eigene Notenbank) mehr betreiben, ist von fremden Geldinstitutionen abhängig. Daß die Bundesbank als deutscher Vertreter im EZB-Rat demnächst aufgrund der Rotation zeitweise kein Stimmrecht hat, ist dabei das Sahnehäubchen und macht den Souveränitätsverzicht ganz deutlich. Trotz des großen Fehlers ist man (noch?) nicht bereit, die eigene Souveränität auf diesem Gebiet wiederherzustellen.
Die Auswirkungen einer anderen Souveränitätsübertragung werden gerade sichtbar:
Einwanderung. Soweit EU-Bürger betroffen sind, hat D. im Grunde überhaupt keinen Einfluß mehr, wer sich in seinem Hoheitsgebiet niederlassen kann. Ob es alle Niederlassungswilligen auch alimentieren muß, ist noch ungeklärt. Inwieweit D. das selbst noch entscheiden darf, wird z. Zt. vom EuGH geklärt. Die eigene Gestaltungsmöglichkeit könnte hier gegen Null tendieren.
Für die Einreise aus Drittstaaten kann D. zwar noch Visa ausstellen, die rechtlichen Grundlagen und das Verfahren richten sich jedoch nach den Vorgaben der EU. Es kann also nicht mehr einseitig beschließen für bestimmte Länder eine Visapflicht einzuführen oder aufzuheben. Vor 5 Jahren waren Anwerbeverträge notwendig, damit die Gastarbeiter in D. arbeiten konnten. Sie konnten - als die Wirtschaft nicht mehr gut lief - einfach gestoppt werden. Heute wäre so etwas ebenso undenkbar wie damals ein Anspruch auf Sozialhilfe für "arbeitssuchende Rotationseuropäer". Im Rahmen der Familienzusammenführung werden EU-Ausländer definitiv besser behandelt als Deutsche, ihr Ehepartner wird - auch wenn er aus Drittstaaten kommt - nicht zu einer Deutschprüfung vor Einreise verpflichtet. Grund ist das EU-Recht (Niederlassungsrecht, EU-FamilienzusammenführungsVO), man spricht von Inländer-Diskriminierung. Das Verständnis bei den betroffenen deutschen Ehemännern, die ihrer künftigen Frau einen mehrwöchigen Deutschkurs beim Goethe-Institut (befindet sich auch nicht immer "nebenan") bezahlen müssen, kann man sich vorstellen.
Das
Haushaltsrecht gilt als Königsrecht des Parlaments und wird natürlich nicht angetastet - wird jedenfalls behauptet. Schaut man sich die Wirklichkeit an, sieht es schon anders aus. Neben den unbeschränkten Nachschußverpflichtungen beim ESM, die der Bundestag eingegangen ist (und die nur vom BVerfG begrenzt wurden), ist der
SKS-Vertrag (vulgo: Fiskalpakt) als Einschränkung zu sehen. Welche Freiheit hat denn noch ein Parlament, wenn es aufgrund eingegangener Verpflichtungen weder neue Schulden machen darf und ggfs. Sanktionen fürchten muß? Welche Möglichkeit hat es denn noch gestaltend tätig zu werden, wenn ein großer Teil des Haushaltsvolumens durch Garantien verpfändet ist? Werden die eingegangenen Verpflichtungen von allen Ländern strikt eingehalten werden?
Gerade das Haushaltsrecht bietet ein gutes Beispiel, wie die Souveränität scheibchenweise übertragen wird. Es ist nicht die Übertragung in einem Stück, denn diese wäre verfassungsrechtlich bedenklich und hätte einen Aufschrei der Bevölkerung zur Folge. Deswegen wird von den Eurokraten die Salamitaktik angewandt, das eigene Haushaltsrecht verdunstet durch viele kleine Schritte, Vereinbarungen, Abkommen. Zunächst unterwirft sich das Parlament nur einer Informations- bzw. Berichtspflicht, später "prüft" die Kommission den Haushalt auf Übereinstimmung mit dem SKS und in der Endphase werden Vorschläge (tatsächlich: Vorgaben) gemacht, denen das Parlament - theoretisch - widersprechen kann/könnte. Das geschieht natürlich nicht/nie, die Brüsseler Vorgaben werden umgesetzt. Im Endeffekt bestimmt nicht mehr das eigene Parlament, sondern die Hohen Herren Kommissare und der Rat, die über keine demokratische Legitimation verfügen bzw. Exekutive sind. Die eigene Souveränität eines Landes wird so auch in beim Königsrecht ausgehöhlt. Ein solcher Weg würde vermutlich auch in D. vom BVerfG abgenickt werden, weil ja die Letztentscheidung - das theoretische Widerspruchsrecht - beim Bundestag verbliebe.
Gründe für die Übertragung zusätzlicher Hoheitsrechte (= Souveränitätsverlust) lassen sich immer finden. Besonders beliebt sind die "Nachbesserungsgründe" wie z.B.: Um die bereits vorhandene gemeinsame Währung erfolgreich werden zu lassen, ist eine Fiskal- und/oder Bankenunion unbedingt notwendig. Schon sitzt man weiter im Schnellzug zur Vergemeinschaftung, der meist in Richtung Sozialisierung der bereits angefallenen Verluste fährt. Dem staunenden Publikum wird nicht bewußt, das es wieder Einflußmöglichkeiten (= eigene Souveränität) verliert - Europa ist gut, die Alternative bedeutet Krieg, so die häufige Vorstellung.
Es gibt wahrscheinlich noch unzählige andere Beispiele, die man aufführen könnte, wie z.B. die z. Zt. diskutierte Bankenunion. Warum verzichtet ein Land auf sein Recht, die Kapitalausstattung, die Sicherung der Kundeneinlagen und ggfs. die Folgen einer Insolvenz einer Bank
selbst für sein Hoheitsgebiet gesetzgeberisch zu regeln und unterwirft sich einer EU-Regelung - egal wie schlecht diese ist?
Ist das nicht auch eine Form des Souveränitätsverzichtes?
Wenn Du mal in irgendwelche beliebigen Gesetzesbegründungen schaust, wirst Du sehr häufig den Satz finden: "Anpassung notwendig aufgrund von EU-Vorgaben". Ich nehme einmal an, daß der Alltag des Normalbürger inzwischen von mehr EU-Bestimmungen geprägt ist als von originär deutschen Gesetzen. Man leistet sich noch immer einige "Leuchttürme" der eigenen Souveränität, wie einen Außenminister, um dem Publikum den Eindruck zu vermitteln, daß es durch Bundesregierung und Bundestag regiert wird. Die folgenschweren Entscheidungen (Beispiel: Euro, Bankenunion) werden ganz undemokratisch in den Brüsseler Hinterzimmern ausgekungelt und wenn sie zur Entscheidung anstehen oder gar wirken, können die ausgekungelten Verträge nicht mehr geändert werden. Dann kann der Bundestag nur noch abnicken, was er auch gern als "Europäer" tut, weil es "alternativlos" ist.
Wie erfrischend war dagegen der Kommentar in einer Schweizer Zeitung nach der Volksabstimmung: Der Souverän hat dem Bundesrat den Auftrag erteilt, die Verträge neu zu verhandeln. Der Bundesrat hat dem Folge zu leisten, egal ob es seiner Auffassung entspricht oder nicht.
Hier wird deutlich, wer Koch und wer Kellner ist. Roger Köppel brachte es auf den Punkt:
Die EU ist ein zutiefst demokratiefeindliches Gebilde mit einer unsympathischen Geringschätzung des Bürgers. Demokratie ist für die EU eine Bedrohung, weil Demokratie bedeutet, dass das Volk der Chef ist und nicht der vom Volk bezahlte Berufspolitiker. Deshalb bezeichnet sich die EU lieber als «Wertegemeinschaft» denn als Demokratie. Werte setzen Wahrheit vor Mehrheit. Wer dauernd von Werten spricht, will die Demokratie beseitigen.
http://www.weltwoche.ch/ausgaben/214- ... 7214.html