Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

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lifestylekatholik
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von lifestylekatholik »

Juergen hat geschrieben:
Haiduk hat geschrieben:...Hedonismus, der sich durch die gesamte Gesellschaft zieht.
Falsch!
In welchen Teilen der Gesellschaft gibt’s denn keinen Hedonismus? *interessiertkuck*
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

Evagrios Pontikos
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Haiduk hat geschrieben:... daß er das "aus Spaß" gemacht habe...
Das ist eine sehr interessante Notiz! Sie scheint zu bestätigen, dass bei diesem Amokläufer die Bedeutungsschwere und Letztgültigkeit dieses einen Lebens, das uns gegeben ist, völlig gefehlt hat: ein Opfer der Spaßgeneration, die das Leben als Spiel ansieht. Zum Spiel gehört wesentlich der Spaß, das Ausprobieren, das Spielerische, die Möglichkeit der Wiederholung.

Den Futurismus kenne ich bisher nur durch einzelne Gemälde. Seine theoretische Grundlegung ist mir weniger bekannt. War er nicht für den italienischen Faschismus der 20er und 30 Jahre sehr wichtig? Die technische Moderne, der Fortschrittsgedanke und die Welt als Objekt eines radikalen menschlichen Gestaltens sind wesentlich für ihn. Wobei im Unterschied etwa zum Barock, wo die uns gegebene Welt gestaltet wurde (Beispiel: die barocken Schlossgärten), die futiristische Gestaltung quasi eine gewalttätige Neuschöpfung bedeutet, der beinahe die Vernichtung des Gegebenen vorausgeht. Aus Marinettis "Futuristischem Manifest" (1909) die These 9:
Futuristisches Manifest hat geschrieben:"Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes."
"... die Vernichtungstat der Anarchisten..." Vernichtung um der Vernichtung willen. Das ist wohl auch eine wesentliche Antriebsfeder eines Amokläufers, gepaart mit einem abgrundtiefen dämonischen Hass gegen "die Welt", gegen das Sein, letztlich gegen Gott.

Allerdings, und hier scheint ein deutlicher Unterschiet zu sein, zielt der Futurismus auf "Zukunft". Er will ja eine neue Welt gestalten, während der Amoklauf keine Zukunft kennet, nur vernichten will.

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Haiduk
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Haiduk »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Haiduk hat geschrieben:... daß er das "aus Spaß" gemacht habe...
Das ist eine sehr interessante Notiz! Sie scheint zu bestätigen, dass bei diesem Amokläufer die Bedeutungsschwere und Letztgültigkeit dieses einen Lebens, das uns gegeben ist, völlig gefehlt hat: ein Opfer der Spaßgeneration, die das Leben als Spiel ansieht. Zum Spiel gehört wesentlich der Spaß, das Ausprobieren, das Spielerische, die Möglichkeit der Wiederholung.

Den Futurismus kenne ich bisher nur durch einzelne Gemälde. Seine theoretische Grundlegung ist mir weniger bekannt. War er nicht für den italienischen Faschismus der 20er und 30 Jahre sehr wichtig? Die technische Moderne, der Fortschrittsgedanke und die Welt als Objekt eines radikalen menschlichen Gestaltens sind wesentlich für ihn. Wobei im Unterschied etwa zum Barock, wo die uns gegebene Welt gestaltet wurde (Beispiel: die barocken Schlossgärten), die futiristische Gestaltung quasi eine gewalttätige Neuschöpfung bedeutet, der beinahe die Vernichtung des Gegebenen vorausgeht. Aus Marinettis "Futuristischem Manifest" (1909) die These 9:
Futuristisches Manifest hat geschrieben:"Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes."
"... die Vernichtungstat der Anarchisten..." Vernichtung um der Vernichtung willen. Das ist wohl auch eine wesentliche Antriebsfeder eines Amokläufers, gepaart mit einem abgrundtiefen dämonischen Hass gegen "die Welt", gegen das Sein, letztlich gegen Gott.

Allerdings, und hier scheint ein deutlicher Unterschiet zu sein, zielt der Futurismus auf "Zukunft". Er will ja eine neue Welt gestalten, während der Amoklauf keine Zukunft kennet, nur vernichten will.
Der Faschismus wurde in der futuristischen Küstlerszene geboren und zog daraus sein Image der Fortschrittlichkeit. Mit unserem Fortschrittsbegriff läßt sich das freilich nicht vereinbaren. Damals war die Empfindung (in diesen Kreisen) aber eben so, daß diese Aggressivität und diese falschen Vorstellungen von Männlichkeit zu mehr Macht verhelfen und daher irgendwie gut sein müßten. Wirklich in die Zukunft gerichtet war das aber auch nicht, weil es inhaltlich ja keinerlei Pläne gab. Als fortschrittlich sah man es nur deshalb an, weil klar war, daß sich die alte Welt damit zerstören und somit überwinden lassen würde. Ein reiner Gefühlsimpuls also, ein dämonischer.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Haiduk
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Haiduk »

Juergen hat geschrieben:
Haiduk hat geschrieben:...Hedonismus, der sich durch die gesamte Gesellschaft zieht.
Falsch!
... nahezu durch die gesamte Gesellschaft zieht ...
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Haiduk
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Haiduk »

lifestylekatholik hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Entschuldigung? Du bildest dir deine Meinung nach einer Diskussion im PARLAMENT?! :patsch:
Da wundert mich allerdings nichts mehr.
Nein, nicht nach einer Diskussion, sondern nachdem ich über mehrere Jahre im Grunde jede Debatte dazu im Hause miterleben durfte, und ja, da äußern sich im Grunde ausschließlich die bildungspolitischen Fachleute, großenteils selbst ehemalige Lehrer. Und Jürgens Forderungen laufen doch darauf hinaus: Mehr Geld. Wer muss das zur Verfügung stellen? -- Das Parlament.
Daß sich das Problem weder mit mehr Lehrern noch etwa mit Verboten von Videospielen lösen lassen wird, steht für mich ebenfalls fest. Es liegt so tief in unserer Alltagskultur, daß man es kaum wahrnimmt. Ich bin auch recht skeptisch gegenüber diesen Reden, wonach die Mitmenschen eine Schuld träfe. Das Phänomen des Amoklaufs läßt sich ja nur als Besessenheit von Dämonen begreifen: Tertullian sprach von "Raserei" als einem Merkmal der Besessenheit. Aber wer kann heute schon Dämonen austreiben? Wenn sich nicht mal die Kirchen auf diese Ebene der Wahrnehmung begeben, wie will man das denn dann von Mitschülern oder Lehrern erwarten? Von einer Mitschuld kann man deshalb nur in dem Sinne sprechen, wie unser Erlöser es anläßlich des Einsturzes des Turms von Siloah tat:
Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen. (Lk. 13, 4-5)
(Hier nimmt Er direkten Bezug auf das, was wir als Urschuld kennen.)

Für mich folgt aus alledem, daß man erst mal einen Erklärungsansatz für Amokläufe aufbauen und etablieren muß. Solange man das nicht hat, können politische Debatten über Maßnahmen kaum mehr als wildes Geschnattere sein. Hier eine Skizze für ein wissenschaftliches Erklärungsmodell, mit dem ich arbeiten würde.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
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Evagrios Pontikos
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Haiduk hat geschrieben:...Daß sich das Problem weder mit mehr Lehrern noch etwa mit Verboten von Videospielen lösen lassen wird, steht für mich ebenfalls fest. Es liegt so tief in unserer Alltagskultur, daß man es kaum wahrnimmt. Ich bin auch recht skeptisch gegenüber diesen Reden, wonach die Mitmenschen eine Schuld träfe. Das Phänomen des Amoklaufs läßt sich ja nur als Besessenheit von Dämonen begreifen: Tertullian sprach von "Raserei" als einem Merkmal der Besessenheit ... Für mich folgt aus alledem, daß man erst mal einen Erklärungsansatz für Amokläufe aufbauen und etablieren muß. Solange man das nicht hat, können politische Debatten über Maßnahmen kaum mehr als wildes Geschnattere sein...
In eine ähnliche Richtung denke ich. Auch ich kann mir diesen Nihilismus, diese Verblendung und diesen Hass nur als ein dämonisches Phänomen erklären. Wobei "erklären" schon zu viel sagt. Denn jeder Versuch, diese Phänomene zu "erklären", muss sie zwangsläufig in den Kategorien des vergegenständlichenden Denkens entmythologisieren. Und dann sind wir wieder bei der Soziologie, der Psychologie etc.

Zur Kategorie des Dämonischen gehört für mich aber auch, dass das Problem nicht individualistisch gedeutet wird. Auch das wäre eine Reduzierung, in diesem Fall auf den von Dämonen besessenen Menschen. Der Amokläufer ist ja selber auch, wenn auch nicht nur, Opfer seiner Erziehung, frühkindlichen Prägungen, vielleicht auch okkulten Verstrickungen anderer usw. Mir scheint, dass ein Volk, eine Gesellschaft ernten muss, was sie gesät hat. Deshalb glaube ich auch nicht, dass das Problem Amoklauf "gelöst" werden kann. Erst wenn "geerntet" wurde, wenn das Gericht Gottes durchlitten wurde und eine Umkehr stattgefunden hat, ist ein Neuanfang möglich. Im biblischen Sprachgebrauch ist öfters davon die Rede, dass der Kelch des Zornes Gottes ausgetrunken werden müsse "bis zur Hefe", also bis zum Bodensatz im Kelch. Allerdings befürchte ich, dass die gegenwärtige Entwicklung erst der Anfang ist. Eine gesamtgesellschaftliche Umkehr ist ja bei weitem nicht in Sicht.
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Samstag 13. März 2010, 12:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Juergen »

Haiduk hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:
Haiduk hat geschrieben:...Hedonismus, der sich durch die gesamte Gesellschaft zieht.
Falsch!
... nahezu durch die gesamte Gesellschaft zieht ...
Auch das ist noch falsch.

Der Anteil der "Hedonisten" mag heute hörer sein als früher, und bei Jugendlichen höher als bei Erwachsenen, aber selbst bei Jugendlichen ist es nicht die Mehrheit, sondern die Quote liegt eher bei rund 1/4.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Haiduk
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Haiduk »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Haiduk hat geschrieben:...Daß sich das Problem weder mit mehr Lehrern noch etwa mit Verboten von Videospielen lösen lassen wird, steht für mich ebenfalls fest. Es liegt so tief in unserer Alltagskultur, daß man es kaum wahrnimmt. Ich bin auch recht skeptisch gegenüber diesen Reden, wonach die Mitmenschen eine Schuld träfe. Das Phänomen des Amoklaufs läßt sich ja nur als Besessenheit von Dämonen begreifen: Tertullian sprach von "Raserei" als einem Merkmal der Besessenheit ... Für mich folgt aus alledem, daß man erst mal einen Erklärungsansatz für Amokläufe aufbauen und etablieren muß. Solange man das nicht hat, können politische Debatten über Maßnahmen kaum mehr als wildes Geschnattere sein...
In eine ähnliche Richtung denke ich. Auch ich kann mir diesen Nihilismus, diese Verblendung und diesen Hass nur als ein dämonisches Phänomen erklären. Wobei "erklären" schon zu viel sagt. Denn jeder Versuch, diese Phänomene zu "erklären", muss sie zwangsläufig in den Kategorien des vergegenständlichenden Denkens entmythologisieren. Und dann sind wir wieder bei der Soziologie, der Psychologie etc.

Zur Kategorie des Dämonischen gehört für mich aber auch, dass das Problem nicht individualistisch gedeutet wird. Auch das wäre eine Reduzierung, in diesem Fall auf den von Dämonen besessenen Menschen. Der Amokläufer ist ja selber auch, wenn auch nicht nur, Opfer seiner Erziehung, frühkindlichen Prägungen, vielleicht auch okkulten Verstrickungen anderer usw. Mir scheint, dass ein Volk, eine Gesellschaft ernten muss, was sie gesät hat. Deshalb glaube ich auch nicht, dass das Problem Amoklauf "gelöst" werden kann. Erst wenn "geerntet" wurde, wenn das Gericht Gottes durchlitten wurde und eine Umkehr stattgefunden hat, ist ein Neuanfang möglich. Im biblischen Sprachgebrauch ist öfters davon die Rede, dass der Kelch des Zornes Gottes ausgetrunken werden müsse "bis zur Hefe", also bis zum Bodensatz im Kelch. Allerdings befürchte ich, dass die gegenwärtige Entwicklung erst der Anfang ist. Eine gesamtgesellschaftliche Umkehr ist ja bei weitem nicht in Sicht.
Aber was spräche denn eine solche Entmythologisierung? Wenn es gelänge, ein Erklärungsmodell für Phänomene wie Amoklauf und andere Todessehnsüchte, wie das Eifern um eine Selbstansteckung mit HIV, zu etablieren, dann hätte man das Grundwerkzeug zur Bezwingung von Dämonen in die Sprache der zeitgenössischen Wissenschaften übersetzt. Man könnte daran gehen, sich eingehend mit der Erforschung der Namen dieser Dämonen befassen (die Voraussetzung zur Austreibung eines Dämons!) und dürfte hoffen, daß das von den etablierten Schulwissenschaften wenigstens als Impuls ernst genommen wird. Man käme damit in Richtung einer Einsegnung von Soziologie und Psychologie :breitgrins:

Es ist beileibe kein Individualproblem! Ideologien wie Hedonismus und Futurismus prägen ja ganze Zeitalter. Und natürlich ist der Täter gleichzeitig auch ein Opfer - ein Opfer des Dämons, der ihn besitzt. Richtig ist auch, daß wir das ernten, was wir gesäht haben. Ich wüßte auch nicht, weshalb man sich nicht gedanklich mit der Lösung des Problems von Amokläufen befassen sollte. Wenn Du skeptisch bist, daß wir die Lösung noch erleben, dann kann ich es verstehen. Aber vom Grundsätzlichen her kann man doch nur daran glauben. Es hat ja einen Grund, daß Christus, unser Herr, der Erlöser heißt :)
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Linus
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Linus »

cantus planus hat geschrieben:
Linus hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Der Beitritt zur Lissabondiktatur hat eben seinen Preis. Unsere Kinder werden uns in zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren für diese Bildungsreformen verfluchen.
Wenn die dann überhaupt noch sprechfähig sind.
Neulich in Osnabrück in der Fußgängerzone: "Alder, hadda Handy ausse Tasche geklaut? Gehsu Bollizei und machsu anzeigen."
In der Tat muss man sich erhebliche Sorgen um die Sprechfähigkeit des größeren Bevölkerungsteiles machen. Klar und deutlich sprechen kann eh kaum noch jemand. :roll:

Das schlimme: teilweise hat sich das auch im universitären Lehrpersonal breitgemacht. Ich erinnere mich an eine Vortragende, deren bevorzugte Satzkonstruktion aus "....tu(n).... +infinitiv..." bestand.

Irgendwann ist da mal ein mW türkischstämmiger Kommilitone aufgestanden und meinte "Ich tu mir schwer tun mit solchem Deutsch" :D
Juergen hat geschrieben:
Mir scheint diese Art der "Jugendsprache" teilweise nur eine Masche oder Modeerscheinung zu sein.
Das "verwächst sich", wenn sie älter werden.
:)
Durchaus, ich denke nur an das österreichische Krocha -Phänomen samt dazugehörigem Soziolekt

Siehe Wikipedia:

Die Szene definiert sich durch die Verwendung und Kreation eigener Wörter und Verwendung eines eigenen Sprachstils, die sich großteils aus der Wiener Umgangssprache und Teilen von Sprachen Eingewanderter ableiten. So steht „Kroch' ma' eine“ (Krachen wir hinein) ganz einfach für Spaß haben oder einfach nur für das Betreten einer Diskothek. Zur Betonung und Bejahung ist das Wort „fix“ gebräuchlich. Allgemeiner Ausdruck der Gefühlserregung ist das Wort „Bam“ (Baum). „Pock i ned“ (Fass ich ja nicht) dient zum Ausdruck der Fassungslosigkeit; das „Oida“ (Alter) wird auch ohne sichtbaren Zusammenhang fast jedem Satz vor- oder hintangestellt.


Linus:" Bam, Oida bist deppat, oda fix?"
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

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Juergen
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Juergen »

Es ist aber schon interessant:

Spricht wer einen rheinländer Dialekt, so ist es Brauchtum;
spricht ein Jugendlicher seine eigene Sprache, so ist es mangelnde Sprachkompetenz.
:roll:





Apropos Dialekt:

Ein Kölner fuhr mit der Bahn nach Aachen, fand aber unterwegs seine Fahrkarte nicht.
Ärgerlich fluchend durchsuchte er seine Taschen: "Der Düwel weiß, wo ich ming Billjett han, - den Düwel ooch! - ich han doch en Billjet gehatt..."
Ein Geistlicher im Abteil sagte: "Wenn sie weiter so fluchen, kommen sie nicht nach Aachen, sondern in die Hölle!"
"Dat eß mer ejaal!", sagte der Kölner, "ich han en Retourbilljett!"
:kugel:
Gruß Jürgen

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Marcus Hamburgensis
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Marcus Hamburgensis »

Zur Ursache von Amokläufen finde ich die in folgender Rezension referierten Gründe ganz einleuchtend:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/941483/

@Evagrios Pontikos
Reinkarnation ist einfach eine populäre Vorstellung, die durch verschiedene Kanäle aus dem Buddhismus und Hinduismus zu uns herüberflutet: Theosophie, Anthroposophie, Esoterikwelle seit den 1970er, der zzt. modische Buddhismus etc.
Es ist heute einfach sehr schwierig jung zu sein und sich unter so vielen Verlockungen, Ängsten, konkurrierenden Leitbildern etc. "selbstverwirklichen" zu müssen. Vielleicht wird die Vorstellung, man könne es ja nochmal versuchen, wenn's mit dem eigene Leben nicht richtig klappt, für manchen entlastend ...?

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songul
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von songul »

Vielleicht auch ein Impuls für das Geschehen solcher Ereignisse:

http://www.youtube.com/v/fLOZDpE1rkA&hl ... a&border=1

LG Songul

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Nassos
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Nassos »

Hat man mitbekommen, dass der Prozess gegen den Vater des Amokläufers begonnen hat (seit geraumer Zeit)?
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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holzi
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von holzi »

Nassos hat geschrieben:Hat man mitbekommen, dass der Prozess gegen den Vater des Amokläufers begonnen hat (seit geraumer Zeit)?
Hat man - war aber seeehr dezent.

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Nassos
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Re: Winnenden - erster Jahrestag und die Frage nach dem Warum

Beitrag von Nassos »

Habe heute gehört, dass ein Schöffe in der Verhandlung gegen den Vater ausgetauscht worden ist, wegen Befangenheit.

Die Polizei hat ihn vor kurzem rotzbesoffen auf der Straße gefunden mit den Gerichtsakten um ihn herum verstreut (oder zumindest zugänglich im Koffer).

:vogel:
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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