Der Inzest-Fall in Amstetten

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cantus planus
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Der Inzest-Fall in Amstetten

Beitrag von cantus planus »

Nach dem unglaublichen Kampusch-Fall ist jetzt ein Verbrechen noch viel größeren Ausmaßes ans Licht gekommen.

Ein 73-jähriger Familienvater hat seine erwachsene Tochter und seine inzestuös gezeugten Enkel 24(!) Jahre lang in einem Kellerverlies in Amstetten eingesperrt.
Ein nach der Geburt verstorbenes Kind verbrannte er im Heizkessel.

Hier eine Übersicht der entsprechenden Meldungen.

Wie ist so etwas nur möglich?!
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Die Entsetzlichkeit dieser Sünden ist schon kaum zu fassen. Aber was mich auch entsetzt: Wieso hat niemand etwas davon gemerkt. Gab es keine Nachbarn, Freunde oder Verwandten, die gemerkt haben, daß die damals junge Frau verschwunden war?

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tantum ergo
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Beitrag von tantum ergo »

Man steht sprachlos vor diesen Meldungen, Worte können kaum beschreiben, was man denken soll?! Man urteilt im Kopf und weiß doch, dass jedes Urteil zu kurz greifen würde?! Es bildet sich Wut, gegen Täter, Mitwisser, Wegschauende ... und vielleicht ein bisschen die Angst, dass sowas auch in meiner Nachbarschaft passieren könnte und ich morgen interviewt werde, wie es sein kann, dass ich nichts bemerkt habe?!

Was uns Unbeteiligten wohl nur bleibt ist: beten (wie von cantus planus an anderer Stelle bereits angeregt), für die Opfer, die Leidtragenden und auch die Täter

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Linus
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Beitrag von Linus »

anneke6 hat geschrieben:Die Entsetzlichkeit dieser Sünden ist schon kaum zu fassen. Aber was mich auch entsetzt: Wieso hat niemand etwas davon gemerkt. Gab es keine Nachbarn, Freunde oder Verwandten, die gemerkt haben, daß die damals junge Frau verschwunden war?
Mh. In Österreich ist es durchaus möglich alleine vor sich hin zu sumpern. Kleines Beispiel: geh in ein Gasthaus (Kneipe) bestell ein Bier und die Chancen daß drei Stunden keiner mit dir kontaktaufnimmt ist im Gegensatz zu D sehr groß.... (nicht umsonst haben wir ne hohe Suizidrate)
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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

anneke6 hat geschrieben:Die Entsetzlichkeit dieser Sünden ist schon kaum zu fassen. Aber was mich auch entsetzt: Wieso hat niemand etwas davon gemerkt. Gab es keine Nachbarn, Freunde oder Verwandten, die gemerkt haben, daß die damals junge Frau verschwunden war?
Dazu hat sich Josef F., der Täter, wohl eine gute Geschichte einfallen lassen (Sektenzugehörigkeit etc.). Allerdings halte ich es für mehr als verblüffend, dass die Behörden, bei denen die Tochter als vermisst gemeldet war, nicht misstrauisch(er) wurden, als selbige Tochter immer wieder Kinder vor der Tür ihrer Eltern ausgesetzt haben soll.
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Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Tja, was soll man dazu sagen...

Alles Böse was irgendwie denkbar ist, wird auch von Menschen ausgeführt werden. Mord, Totschlag, Gewalt, Missbrauch, Vergewaltigung, Krieg, Völkermord, Holocaust.

Lieber Gott, hilf das die Menschen nicht Nachlassen auch das Böse zu erkennen.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Man muß sich mit dem Bösen eingehend beschäftigt haben, um in aller Tiefe und Eindringlichkeit erahnen zu können, welcher entsetzliche Abgrund sich da auftut. Es ist grenzenlos, zu was der Mensch in einem bestimmten Umstand fähig ist. Und es ist keiner davor geschützt.

Zu diesem Thema hat mich übrigens ein Buch hingeführt, das schon mal in sehr interessanter Art und Weise die Bosheit behandelt, und zwar dienen hier die Briefe Solowjews, in denen dieser das Erscheinen des Antichrist beschreibt, dazu (ohne das die Briefe im Buch vollständig zitiert werden), die Ereignisse und die Verhaltensweisen der Menschen in Erzählform zu beschreibern und zu erklären. Das Geheimnis der Bosheit eben.
Ein fantastisches Buch:
Das Geheimnis der Bosheit, von Antanas Maceina

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Maurus
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Beitrag von Maurus »

cantus planus hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:Die Entsetzlichkeit dieser Sünden ist schon kaum zu fassen. Aber was mich auch entsetzt: Wieso hat niemand etwas davon gemerkt. Gab es keine Nachbarn, Freunde oder Verwandten, die gemerkt haben, daß die damals junge Frau verschwunden war?
Dazu hat sich Josef F., der Täter, wohl eine gute Geschichte einfallen lassen (Sektenzugehörigkeit etc.). Allerdings halte ich es für mehr als verblüffend, dass die Behörden, bei denen die Tochter als vermisst gemeldet war, nicht misstrauisch(er) wurden, als selbige Tochter immer wieder Kinder vor der Tür ihrer Eltern ausgesetzt haben soll.
Hat mich zuerst auch gewundert, aber die Story des Täters klingt schon plausibel, außerdem hat er seine TOchter ja immer erklärende Briefe dazuschreiben lassen. Viel verblüffender finde ich, dass das Verlies und die dort lebenden Personen von den restlichen Hausbewohnern nie bemerkt wurden. Vor allem die Frau des Täters muss ja total unter Kontrolle ihres Mannes stehen, dass sie sich nichtmal den Keller ansieht oder sie sich keine Fragen stellt, als ihr Mann ein 60 qm großes Verlies unter der Erde baut. So 120 Kubikmeter Erdaushub - das muss doch auffallen.

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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

Die Frage stellt sich. Zum einen merkst du sehr richtig an, dass die "Bauarbeiten" hätten bemerkt werden müssen, zum Anderen mussten 4 Personen mit Kleidung, Toilettenartikeln, Medikamenten und Lebensmitteln versorgt werden. Logistisch ein ziemliches Problem!

Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass die Ehefrau des Täters nie etwas bemerkt hat. Es sei denn, er hat wirklich großen sozialen Druck auf sie ausgeübt. Dann ist der Schock für die arme Frau jetzt natürlich um so größer.

Zur Geschichte: mittlerweile ist bekannt, dass die Polizei schon Verdachtsmomente hatte, aber alle Nachforschungen im Sande verlaufen sind. Es konnte nie ein Widerspruch oder eine Lücke in den Lügengebäude gefunden werden. Die Behörden hatten wohl in der Tat keine Chance.
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sofaklecks
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Schlüsselperson

Beitrag von sofaklecks »

Ich bin kein Psychologe, aber ich halte die Mutter für die Schlüsselperson.

Absolut undenkbar, dass sie nichts bemerkt hat. Und keine "arme Frau".

Ich denke, dass das alles mit der Tabuisierung von Verhaltensweisen zu tun hat, die nur deshalb viel weiter verbreitet sind, als man es für möglich hielte. Wir haben alio loco, bei dem Hass-Thread, schon eschütternde Einblicke bekommen.

Es geht los mit dem ersten Missbrauch, der von der Mutter nicht sofort nach der Entdeckung angezeigt wird, um nicht in's Gerede zu kommen. Ab da ist sie Mitwisserin, erpressbar und kann mit dem Hinweis: "Geh doch zur Polizei! Was meinst du was dir dann blüht! Glaubst du, dir glaubt noch einer? Wenn das alles hier rauskommt, nimmt keiner mehr ein Stück Brot von dir!" gefügig gemacht werden.

Und das Ganze ist geradezu teuflisch perfekt geplant. Der Durchgang so eng, dass niemand am öffnenden Vater vorbeikommt. Andererseits perfekt eingerichtet. Man schaue sich mal die Nasszelle an.

Für mich ist das ein Fall von Schizophrenie. Zwei Welten. Die gute für die Nachbarn, die böse für die Familie. Gassenengel und Hausteufel.

Da wird noch manches ans Tageslicht kommen, was erschreckt. Es gibt nirgendwo tiefere Abgründe als in dem, was manche die Seele des Menschen nennen.

sofaklecks

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Linus
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Beitrag von Linus »

cantus planus hat geschrieben:Die Frage stellt sich. Zum einen merkst du sehr richtig an, dass die "Bauarbeiten" hätten bemerkt werden müssen.
In London gabs ja grad den Fall eines Mannes, der Tunnels zu den Nachbarhäusern grub - aufgeflogen ists dann als aufgrund der Statik einige Häuser sachief standen...
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Johannes73
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Beitrag von Johannes73 »

Kann es sein, dass es so viele Gestörte gibt???

Irgendwie gibt es wohl Menschen, die der ganzen Welt den Krieg erklärt haben oder zum absoluten Scheusal verkommen oder einfach nur böse sind, abgrundtief böse.

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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Maurus hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:Die Entsetzlichkeit dieser Sünden ist schon kaum zu fassen. Aber was mich auch entsetzt: Wieso hat niemand etwas davon gemerkt. Gab es keine Nachbarn, Freunde oder Verwandten, die gemerkt haben, daß die damals junge Frau verschwunden war?
Dazu hat sich Josef F., der Täter, wohl eine gute Geschichte einfallen lassen (Sektenzugehörigkeit etc.). Allerdings halte ich es für mehr als verblüffend, dass die Behörden, bei denen die Tochter als vermisst gemeldet war, nicht misstrauisch(er) wurden, als selbige Tochter immer wieder Kinder vor der Tür ihrer Eltern ausgesetzt haben soll.
Hat mich zuerst auch gewundert, aber die Story des Täters klingt schon plausibel, außerdem hat er seine TOchter ja immer erklärende Briefe dazuschreiben lassen. Viel verblüffender finde ich, dass das Verlies und die dort lebenden Personen von den restlichen Hausbewohnern nie bemerkt wurden. Vor allem die Frau des Täters muss ja total unter Kontrolle ihres Mannes stehen, dass sie sich nichtmal den Keller ansieht oder sie sich keine Fragen stellt, als ihr Mann ein 60 qm großes Verlies unter der Erde baut. So 120 Kubikmeter Erdaushub - das muss doch auffallen.
Gestern hieß es dazu, das "Verlies" sei 1983 - also ein Jahr vor Beginn dieser Geschichte - von den Behörden als "Schutzraum" (im Klartext: Luftschutzbunker) offiziell genehmigt worden. Dies würde auch erklären, warum der Eingang so klein und massiv abgesichert sein konnte, ohne daß einer nach dem Grund fragt, und warum vielleicht tatsächlich niemand von den Vorgängen im Keller was mitgekriegt hat, weil nämlich der Bunker womöglich so hermetisch abgeschirmt war, daß nichts nach außen dringen kann. Andererseits - warum baut einer in Österreich (!) einen Luftschutzbunker? Wußte der Mann da vielleicht schon, was er damit vorhat? Das würde auf ein unglaubliches Maß an krimineller Energie schließen lassen.

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tantum ergo
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Beitrag von tantum ergo »

Johannes73 hat geschrieben:Irgendwie gibt es wohl Menschen, die der ganzen Welt den Krieg erklärt haben oder zum absoluten Scheusal verkommen oder einfach nur böse sind, abgrundtief böse.
Auch wenn ich die Emotionen verstehe, die hochkochen, sollten wir doch in einem christlichen Forum bei ein paar Grundsätzen bleiben:

Jesus hat uns durch seinen Tod erlöst, er hat unser "Herz aus Stein" durch ein "Herz aus Fleisch" ersetzt - nach Jesu Leben gibt es keinen von Grund auf bösen Menschen mehr!

Aber: um unsere Seele tobt wohl sowas wie ein Krieg! Ob man das nun "das Böse" nennt oder - wie ich - lieber bei altbekannten Namen wie Teufel oder Satan: der "Versucher" weiß, wie er es anstellen muss, in uns das Böse zu wecken, und jeden Meter Landgewinn gibt er so schnell nicht wieder her.
Und wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, sich eine Begründung zurecht gelegt hat, warum diese oder jene Sünde ja nun eigentlich gar nicht so schlimm ist, umso mehr wird er von uns verlangen - und auch bekommen, wenn wir nicht den Kampf aufnehmen. Der beschriebene Fall ist sicher das Extrem, aber niemand sei sich so sicher, dass der Versucher nicht auch bei ihm schon heftig an der Arbeit ist (auch wenn man vermutlich nie zu einem Verbrechen wie dem beschriebenen fähig wäre). Zum Glück sind wir damit ja aber nicht allein gelassen :pray:

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Linus
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Beitrag von Linus »

taddeo hat geschrieben:Gestern hieß es dazu, das "Verlies" sei 1983 - also ein Jahr vor Beginn dieser Geschichte - von den Behörden als "Schutzraum" (im Klartext: Luftschutzbunker) offiziell genehmigt worden. Dies würde auch erklären, warum der Eingang so klein und massiv abgesichert sein konnte, ohne daß einer nach dem Grund fragt, und warum vielleicht tatsächlich niemand von den Vorgängen im Keller was mitgekriegt hat, weil nämlich der Bunker womöglich so hermetisch abgeschirmt war, daß nichts nach außen dringen kann. Andererseits - warum baut einer in Österreich (!) einen Luftschutzbunker?
Äh ich las was von den 60er und siebziger Jahren... mit der Genehmigung. Da war das sehr aktuell. Abgesehen davon: Österreich ist ja der Neutrale Keil (gemeinsam mit den Käseherstellern) gewesen. Ich kenn einige Privathäuser aus den 60ern und 70ern in denen ein LSR gebaut wurde...
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Linus
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Beitrag von Linus »

tantum ergo hat geschrieben:Jesus hat uns durch seinen Tod erlöst, er hat unser "Herz aus Stein" durch ein "Herz aus Fleisch" ersetzt - nach Jesu Leben gibt es keinen von Grund auf bösen Menschen mehr!
von Grund auf Böse Menschen gab es nie, daß wär protestantische Theologie. Und das Herz aus Fleisch ist eine Sache die nur dem getauften und in der Nachfolge stehendenMenschen zukommt. Der Rest ist größtenteils dennoch versteinert. (Sonst wär ja die Entscheidung für Jesus obsolet.)
Zuletzt geändert von Linus am Mittwoch 30. April 2008, 11:30, insgesamt 1-mal geändert.
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tantum ergo
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Beitrag von tantum ergo »

Linus hat geschrieben:von Grund auf Böse Menschen gab es nie, daß wär protestantische Theologie. Und das Herz aus Fleisch ist eine Sache die nur dem getauften und in der Nachfolge stehendenMenschen zukommt. Der Rest ist größtenteils dennoch versteinert. (Sonst wär ja die Entscheidung für Jesus obsolet.)
Okay, zugegeben zu kurz gedacht / beschrieben. Meine Botschaft möchte ich dennoch aufrecht erhalten: sich selbst nicht zu sicher sein!
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WiTaimre
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es geht ja noch weiter

Beitrag von WiTaimre »

Hi :.)
Also das mit dem Bunker bot eben die Gelegenheit - und es hiess ja, dass dieser Mann ja auch offiziell als kinderreich bekannt war, und er habe immer, wenn die Frau und Kinder irgendwie woanders oder abgelenkt waren, ausserhalb des Ortes eingekauft und es im Keller sogar so bevorratet, sogar selbst mal 3 Wochen wegfahren zu koennen. Wenn jemand etwas regelmaessig tut, jahrzehntelang, wer achtete da noch drauf?
Das Wunder der menschlichen Kraft ist doch andererseits diese gepeinigte Tochter, der er 3 ihrer Kinder liess - vermutlich gab das ihr die Energie, all das zu tragen
Diese Woche kam die Nachricht, dass ihre aelteste Tochter, wegen deren Krankheit das Ganze ja herauskam, nun wieder geweckt worden ist und zur Familie mit der Grossmutter hinzugefuegt worden ist - sie sei "erstaunlich kommunikativ" und gut erholt.

- Es sind ja keine vereinzelten Wolfskinder, sondern die 4 im Bunker hatten einander und konnten ab irgendwann fernsehn und dadurch vom Rest der Welt einiges hoeren und sehen. Der aelteste Sohn soll sich dann als erstes gewundert haben, dass es sowas wie den Mond tatsaechlich gibt.
Man weiss ja nicht, was der Gefangenhalter ihnen erzaehlt hat, was mit der Aussenwelt los ist. Vielleicht erfand ja auch die junge Mutter immer wieder etwas, schon um sich selbst zu troesten. - Vielleicht lehrte sie jemand zu beten, als sie ein Kind war und sie nutzte auch das. Darueber wird man in den Medien wohl kaum etwas erfahren?

Es ist jedenfalls gut, dass diese furchtbare Not sich nun geaendert hat. Fuer die Betroffenen wird es noch ein langer Weg, ihren Ort unter der Sonne zu finden.
Es war die Rede davon, ihrer aller Namen zu aendern, damit die Sensations-Medien sie in Ruhe lassen. Das wird aber Kreise betreffen, die 6 ersten Geschwister und die 3 offiziellen Bunker-Kinder - und die Gross-und-Stiefmutter lebten ja auch nicht in einem luftleeren Raum.

Dieser Mann hat also seiner ganzen Familie Schlimmes angetan.
Doch ist die moderne Form des gesellschaftlichen Miteinanders schon andererseits so einmischungs-feindlich, dass man sich nicht wundern darf, wenn einer sogar im selben Haus nicht wuesste, was andere da im Keller oder ihrer Wohnung tun.
Ist das nicht gar das Bedenklichste daran?

mfG WiT

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Linus
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Beitrag von Linus »

Es sind ja keine vereinzelten Wolfskinder, sondern die 4 im Bunker hatten einander und konnten ab irgendwann fernsehn und dadurch vom Rest der Welt einiges hoeren und sehen. Der aelteste Sohn soll sich dann als erstes gewundert haben, dass es sowas wie den Mond tatsaechlich gibt.
Psychologen kommentierten das ganze mit "außerhalb der Lebensweltlichen Erfahrungshorizonte" der Kinder, daher irgendwie "unrelevant". Ist in etwa so wie wenn wir vom Leben am Mars spekulieren.
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WiTaimre
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Beitrag von WiTaimre »

Hallo Linus :)
... "außerhalb der Lebensweltlichen Erfahrungshorizonte" der Kinder, daher irgendwie "unrelevant". Ist in etwa so wie wenn wir vom Leben am Mars spekulieren.
Das seh ich anders. Es sind nicht irgendwelche Leute, wenn eine Mutter mit 3 eigenen Kindern zusammenlebt, meine Mutter hat es immer wieder erwaehnt, dass in ihrer schlimmstewn Lebenszeit das Faktum, ein Baby und einen kleinen Jungen zu haben, die sie ein bisschen zu schuetzen und retten hatte - im Rahmen der Moeglichkeiten eben - ihr immer wieder Mut machte, etwas auszuhalten und zu ueberleben, woran um sie herum 9 von 10 Menschen damals starben. Unser kleiner restlicher Freundeskreis sagte es so aehnlich.
Das hat uns DER Schoepfer mit der Lebewesen-Biologie hinzugegeben, den Muttertrieb und Kinder-Mutter-Beziehungen, die sind nicht logisch, aber mitunter sehr maechtig. Diese Gefangenen bildeten nach und nach auch ein sozio-logisches Asylum (vgl.Erving Gofman "Asyle") - die Insassen ohne Schluessel zu sein, waehrend der Gefangenhalter den Schluessel hat und immer wieder auch mal weg geht. Ein Asylum umfasst beide als Einheit polarisierter Art. Das sie nicht-er waren, staerkte ihre Identitaet gegen Zweifel und Panik - und diese drei Kinder erwarben auch die Sprache. Irgendwann wurde ihnen da drin ja auch noch ein Fernseh-Geraet zugestanden und eine Art Bunker-Komfort, es sich halbwegs schoen zuu machen.

Traurig genug, aber man hat zum Vergleichen seit diese Woche einen wieder anderen "solchen" Fall aus Italien gemeldet:
Vor 18 Jahren bekam eine Bauerntochter ein Kind "ohne Vater"
- die heute 80j Grossmutter sperrte die junge Frau daher in ein Zimmer weg, ihr Bruder (Landwirt) und ihre Schwester (Lehrerin) wussten das auch und sahen es als "richtig" so an, berichtete die Zeitung. Das geborene Kind wurde dieser Frau nicht mitgegeben, der Raum war ohne Fenster, verdreckt, mit einem Abort, das nicht funktionierte, sie nur bekam Zigaretten hinein und etwas zu Essen in einer Art Hunde-Schuessel, und auch ihr heute 17j Sohn, der bei der Familie aufwuchs, Schule besucht etc. wusste davon und hatte nur gelernt, sich seiner Abkunft von ihr zu schaemen. - Dies Privat-Verliess wurde kuerzlich durch eine anonyme Anzeige entdeckt.

Die junge Frau aus diesem Loch war kaum noch der Sprache faehig - offenbar bestrafte man sie auch damit, nichts mit ihr zu reden. Hier hat der Mutter-Instinkt ihrer Mutter wohl voellig ausgesetzt, durch etwas, was Natur-Biologie nicht kann: Verurteilen und Richten. -
Es klingt wie eine Buesser-Legende aus dem 3.Jhd Syriens - fraglich ist aber, ob das Opfer es auch so genommen hat - es wurde ihr da wohl von ihrer unerleuchteten Familie als Rolle aufgezwungen.

Etliche Aspekte solcher Situationen sind nicht so befremdlich als rate man herum, wie die Mars-Menschen sich fuehlen und ob es da "bessere" oder "schlechtere" Situationen gibt. Die Italienerin ist doch eher zu einem "Wolfskind" als zu einer "heiligen Buesserin" gemacht worden in ihrer Verlassenheit. Als Frau wurde sie hingegen wohl nicht belaestigt wie die arme Oesterreicherin, sondern wohl im Gegenteil. Sie hatte kein Kind bei sich, fuer das sie tapfer bleiben muesste und das ihr wenigstens so 4-5 erste Jahre dafuer etwas Liebe und Verehrung gewaehrt. es geht Menschen dann schlechter.

Eine Arme aus den Favelas erklaerte, warum sie immer wieder noch ein Kind haben wollte und bekam, damit, dass ihr als der Mutter diese ersten Jahre soviel Mut machen, weiter auszuhalten. - Je bis zum Schulalter etwa waren die ja ganz von ihr abhaengig - mit 6j lernt man im Slum, sich selbst schon mithilfe der Kinder-Banden so durchzuschlagen und fragt nicht mehr viel nach ihr, dann suchte sie sich einen Mann, um nicht aus Mutlosigkeit zu verkommen, um ein neues Kleinkind zum Liebhaben und Durchbringen-Muessen zu kriegen. (Carolina Maria de Jesus "Bericht aus den Favelas")

Menschen in Gefangenschaft bei andern Menschen gab es doch auch seit Urzeiten, und aus ihren Berichten kann man einige tiefe Niveaus des Gefangenseins zu unterscheiden lernen. Man haelt nur manches heutzutage nicht mehr fuer moeglich und ist deshalb so tief entsetzt darueber. Es ist aber hier und geschieht Menschen, wie es sie gibt - und nicht eine unerforschbare Lebensform wie "auf dem Mars".

Modernsterweise haben wir ausserdem zum Vergleichen, wie es den verschleppten Geiseln der Terroristen und den in Kriegen gefangengesetzten Zivilisten geht, auch in den verschiedensten Kombinationen mit oder ohne Familie, in Isolation oder gehaeuft, mit oder ohne Ansprache - und sei sie unwirsch - verwahrlost, gefesselt, ganz im Dunklen weggesperrt, oder halbwegs gepflegt und versorgt, Frauen belaestigt oder nicht, Kranke freigelassen oder nicht, Tote aus dem Raum entfernt oder nicht.

mfG WiT

Nueva
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Beitrag von Nueva »

Da hast du schon Recht, so ein Baby gibt einer Mutter schon Mut, weiterzumachen und die Hoffnung nicht aufzugeben? Liegt es vielleicht auch daran, dass neues Leben auch in oder trotz absoluter Hoffnungslosigkeit entsteht??

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WiTaimre
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der geeignete Zeitpunkt zur Familienplanung

Beitrag von WiTaimre »

Hallo Nueva :)
Liegt es vielleicht auch daran,
dass neues Leben auch in oder trotz absoluter Hoffnungslosigkeit entsteht??
- ja, vom Instinkt her bestimmt
- als ich entstand, hatte mein Vater zu Kriegsende schon 1 russ. Einkesselung als Lazarett-Arzt hinter sich, die Schwestern wurden schon zu deren Sicherheit ganz von der Ecke der Front weggebracht - unsere Stadt hatte 2 verheerende Flaechenbombardements 8 Wochen vorher hinter sich und am Horizont sah man schon die naechtlichen Geschuetzfeuer der russ. Armee nahen
- da heirateten meine Eltern noch schnell und "gruendeten" mich - er musste wieder zur Front und fiel dann da, meine Mutter mit mir drin wurde erobert - das Einzige, woran sie nie gezweifelt hat, sagte sie mir spaeter, war, ob das wohl "der geeignete Zeitpunkt zur Familienplanung" gewesen sei.
Das war damals kein Einzelfall - je wahrscheinlicher die Todesgefahr war, desto eiliger versuchten Menschen, noch zu heiraten und Kinder zu starten.
Mein Grossvater, der dann aus Gefangenschaft zurueck todkrank heimkam, lebte noch genau bis ich geboren worden war und es klar war, dass ich wohl am Leben bleibe, erstmal - dann starb er in Frieden

- in dem Gedanken, das Familien-Leben werde sich nochmal fortsetzen koennen, erfuellen wir das erste Gebot, das G0TT allen Menschen bei der Schoepfung schon gab.

- Meine Mutter war mal bei einer modernen Dichter-Lesung, wo ein junger dummer Kuenstler seine Person ein neugeborenes Kind auf den Bahn-Gleisen zrschmettern lassen wollte, "denn in eine so bedrohte Welt setzt man keine Kinder", hiess es da diktatorisch
- sie - meine Mutter, wurde darueber stinksauer und ging nie mehr zu so einer Lesung hin. Damals erzaehlte sie mir das, dass sie sich von diesem Satz des Kuenstlers geradezu persoenlich beleidigt fuehlte, unsere Leben noch mit aller Kraft gewollt und geschuetzt zu haben, damals. Denn da sah die Welt wesentlich handgreiflicher gefaehrdet aus als heute, wo es mehr auf Hochrechnungen von Symptomen vorher-geunkt wird.

Sogar die Bio-Logik reagiert auf Katastrophen und Gefahren mit mehr Nachwuchs, sogar so genau, dass nach Kriegen frueher stets mehr Jungen als Maedchen gezeugt und geboren worden sind, weil dann ja mehr die Maenner fielen.
Des Armen Altersversicherung und der Familie Fortbestand als 1 Zweig-Lebewesen liegt in den Kindern - "einer kommt durch, jeder hilft mit, und das stuetzt uns dann alle" ist, noch bei unseren Grosseltern, das vage Konzept, viele Kinder gross zu kriegen, gewesen.

Am schoensten aber ist die machbare Liebe so verschiedenartiger Geschwister-Familien - man kannte und mochte ja gar nicht den ganzen Verwandten-Haufen im Einzelnen, aber es half als Vorgabe, wem unbedingt auch zu helfen sei, wenn der in Not oder verfolgt ist. Tausende wurden als "Base oder Vetter" gerettet und nach dem Krieg erstmal not-beherbergt - unter denen bildeten sich dann oft erst zufaellig auch noch zusaetzlich Freundschaften aus
- und es hielt einen zurueck, vorschnell Leute zu verurteilen, sowie man wusste, dass man irgendwie damit verwandt ist.
Diese Liebe, die im Samariter-Gleichnis der unter die Raeuber Gefallene seinem Retter entgegenbringt, ist die, die uns moeglich ist und leichter faellt und die im Liebes-Gebot gemeint ist.
Die Liebe zum eignen Verwandten ist Bio-Logik, und haelt sogar durch, wenn man nicht gut behandelt worden war - ihre Gefuehle entleiht sie aus dem Gerettet-Worden-Sein bei der eignen Geburt, denn alleine waer man gestorben als Saeugling. Die reicht meist auch noch aus, wenn gar keine Zuneigung mitschwingt, formuliert, dass es "mein" Verwandter ist.
Es schliesst Versagen nicht aus, das wissen wir leider auch - also Vernachlaessigung, Misshandlung, Totschlag und Missbrauch - das ist aber sehr multifaktoriell und ueberlagert die Natur und Kultur.
mfG WiT :)

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