Stephen Dedalus hat geschrieben:In diesem Zusammenhang gibt es auch die interessante These, daß die ursprüngliche jüdische Religion des ersten, salomonischen Tempels durchaus weniger streng monotheistisch geprägt war.
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Diese These vertritt etwa die britische Alttestamentlerin Margaret Barker. ... Wie bei allen Verschwörungstheorien wird dann gerade die Abwesenheit der Evidenz zum Beweis der Richtigkeit der Theorie herangezogen.
Ich habe gerade ihr "The Great Angel - A Study of Israels Second God" fertiggelesen und kann nicht finden, daß sie hauptsächlich mit der Abwesenheit von Belegen argumentiert. Im Gegenteil sammelt sie Belege aus Henoch, Jubiläen, AT, Philo, frühchristlichen Schriften, Kabbalisten und NT und reiht sie in einer Weise aneinander, daß (zumindest mir) die Schlußfolgerung nahezu zwingend erscheint. Wer das widerlegen will, muß sich erheblich mehr Mühe machen als ein flapsiges (nicht persönlich gemeint) "Verschwörungstheorie" in die Runde zu werfen.
Nochmals die These kurz gefaßt: Die alten Israeliten zur Zeit des Ersten Tempels kannten einen Schöpfergott (Elohim, El Elyon, El Schaddai), dessen wesentliches Merkmal es war, "unsichtbar" zu sein, dh. mit der Schöpfung nicht direkt zu interagieren. Dafür gab es "Göttersöhne", worunter wir Engel zu verstehen haben, die eine Art Himmelreich bevölkerten. Den 70 Nationen der Erde war jeweils ein Engel zugeordnet war, also einen jeweils zuständigen "Gott" (der im Rahmen eines sakral gedachten Königtums auch eine mystische Einheit mit König und Hohepriester bildete). Herausgehoben aus diesen Engeln war der erste und mächtigste, der als "Herr der Engel" als einziger El Elyon gesehen hat und in seinem Auftrag die anderen Engel und die ganze Schöpfung geschaffen hat.
Die "Erzengel" (vier oder sieben) verkörpern gewisse Aspekte dieses Großen Engels, Gabriel zB den Krieger, Michael den Hohepriester, Raphael den Heiler, Phanael/Uriel eine Art Lehrer etc; ob sie als eigenständige Entitäten oder nur eine Art Emanationen des Großen Engels gedacht waren, ist nicht ganz klar.
Dieser Große Engel war der Schutzgott Israels und offenbarte sich als JHWH. Er wurde als im Tempel wohnhaft gedacht und in zwei Gestalten, symbolisiert durch die zwei Cherubim, verehrt, nämlich einer männlichen, als Krieger und König, und einer weiblichen, als Weisheit. Die "Weisheit" der Weisheitsliteratur sei nicht allegorisch zu lesen, sondern meine genau diesen "weiblichen JHWH". Sie wurde auch als "Aschera" als Schutzgöttin der Stadt Jerusalem verehrt, offenbar hat man auch einen Haufen Statuen ausgebuddelt.
Die Reform unter König Joschija war eine ihrem Wesen nach ikonoklastische, die möglicherweise eine Ausuferung solcher Verehrung bzw. eine Vermischung mit dem Baalskult zurückdrängen wollte, aber dabei das Kind mit dem Bad ausschüttete. Das sei die von Propheten beklagte "Vertreibung der Weisheit aus dem Tempel" gewesen, die auch den Sturz des Ersten Tempels und das Babylonische Exil zur Folge hatte, wo die streng monotheistische Gesetzesreligion ihre (nahezu) heutige Form erhielt. Der ältere Kult habe sich aber in Sekten erhalten - aus einer solchen seien schließlich die Christen hervorgegangen.
Die Judenchristen hatten kein Problem mit der Gottheit Jesu, weil nach ihrer Vorstellung der Messias sowieso eine Inkarnation Jahwehs war (Aspekte des alten sakralen Königtums und Hohepriestertums spielten da auch noch hinein), noch mit seiner "Gottessohnschaft", weil das eben das alte Attribut Jahwehs war. Daß Jesus Christus und Jahweh identifiziert wurden, ist angeblich noch bis ins 2,3. Jhd. A.D. bei Schriftstellern aller Art (Christen, Gnostik, Kabbala) nachzuweisen erst danach ging dieses Wissen langsam verloren.
Der Paraklet ist natürlich jener vorher erwähnte weibliche Aspekt, dessen Funktion teilweise auf die Gottesmutter Maria übertragen wurde - die "Hagia Sophia" war allerdings auch den Christen nicht unbekannt.
So, muß weg zur Auferstehung. Kann komische Mischung aus Indikativ und Konjunktiv nicht mehr korrigieren. Viel Spaß.