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Jüdischer Monotheismus wertlos?

Verfasst: Mittwoch 13. Oktober 2004, 16:13
von Wise Guy
Habe gerade bei Ratzinger gelesen:
Nach Maximus Confessor versöhnen sich im Evangelium heidnischer Polytheismus und jüdischer Monotheismus,
der jüdischer Monotheismus sei an sich eng und unvollkommen und fast wertlos und neige der Gefahr des Atheismus zu.

Ratzinger wiederurm hat´s von H.U.v.Balthasar zitiert.

Ich verstehs aber trotzdem noch nicht. Was macht denn den jüdischen Monotheismus fast wertlos?? :kratz:

Re: Jüdischer Monotheismus wertlos?

Verfasst: Mittwoch 13. Oktober 2004, 17:28
von max72
Wise Guy hat geschrieben:Habe gerade bei Ratzinger gelesen:
Nach Maximus Confessor versöhnen sich im Evangelium heidnischer Polytheismus und jüdischer Monotheismus,
der jüdischer Monotheismus sei an sich eng und unvollkommen und fast wertlos und neige der Gefahr des Atheismus zu.

Ratzinger wiederurm hat´s von H.U.v.Balthasar zitiert.

Ich verstehs aber trotzdem noch nicht. Was macht denn den jüdischen Monotheismus fast wertlos?? :kratz:
Hmm, aber in "Gott und die Welt", das ich gerade lese, schreibt Ratzinger, dass der juedische Glaube gar nicht wertlos sei, auch heute noch. Ganz im gegenteil. (muss noch mal nachsehen, was er genau argumentierte...)

Max

Verfasst: Mittwoch 13. Oktober 2004, 17:49
von cathol01
Ist er vielleicht Maximus Confessor zufolge wertlos?

Re: Jüdischer Monotheismus wertlos?

Verfasst: Mittwoch 13. Oktober 2004, 19:11
von roncalli
Wise Guy hat geschrieben:Habe gerade bei Ratzinger gelesen:
Nach Maximus Confessor versöhnen sich im Evangelium heidnischer Polytheismus und jüdischer Monotheismus,
der jüdischer Monotheismus sei an sich eng und unvollkommen und fast wertlos und neige der Gefahr des Atheismus zu.
Kannst du uns sagen, wo Ratzinger das so schreibt?
Würde das gerne nachlesen.

Verfasst: Donnerstag 14. Oktober 2004, 19:37
von Wise Guy
Ratzinger zitiert Maximus Confessor in "Einführung in das Christentum", in meiner Ausgabe auf S. 92.

Er beschreibt wie aus dem Gottesnamen El (singular) Elohim (plural) wird und unbewußt ausgedrückt wird, dass Gott die Kategorie "Einer" übersteigt.
Ratzinger hat geschrieben:In der Frühgeschichte Israels (und auch späterhin, gerade auch für uns) bedeutet dies, dass so zugleich die legitime Frage, die im Polytheismus steckt, aufgenommen ist. Der Plural, auf den einen Gott bezogen, sagt gleichsam: Alles Göttlich ist Er.
Und in diesem Zusammenhang kommt das oben genannte Zitat von Maximus.

Verfasst: Donnerstag 14. Oktober 2004, 21:58
von roncalli
Wise Guy hat geschrieben:Ratzinger zitiert Maximus Confessor in "Einführung in das Christentum", in meiner Ausgabe auf S. 92.

Und in diesem Zusammenhang kommt das oben genannte Zitat von Maximus.
Ja aber nur als Fußnote!
Das Zitat enthält tatsächlich auch das Wort "fast wertlos". Ich glaube nicht, dass Ratzinger sich hier Maximus Confessor anschließt oder dieses "fast wertlos" betonen will.

Verfasst: Mittwoch 24. Mai 2006, 11:37
von Robert Ketelhohn
Um noch mal etwas ausführlicher zu zitieren:
Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, hat geschrieben:Schließlich ist noch zu sagen, daß der El-Glaube in Israel vor allem in der Ausweitung auf »Elohim« aufgenommen worden ist, in der sich zugleich der Prozeß der Umwandlung andeutet, dessen auch die El-Gestalt bedurfte. Eigentümlich mag dabei berühren, daß man auf diese Weise die Einzahl El durch ein Wort ersetzte, das eigentlich eine Mehrzahl bedeutet (Elohim). Ohne daß wir die vielschichtigen Details dieses Vorgangs hier auseinander legen müßten, können wir doch dies sagen, daß Israel gerade so immer mehr die Einzigartigkeit Gottes auszusagen vermochte: Er ist einer, aber als der Übergroße, ganz andere, überschreitet er selbst die Grenzen von Singular und Plural, liegt jenseits von ihnen. Obwohl es im Alten Testament und zumal auf seinen Frühstufen sicher keinerlei Trinitätsoffenbarung gibt, liegt doch in diesem Vorgang eine Erfahrung verborgen, die sich auf die christliche Rede vom dreieinigen Gott hin öffnen läßt. Man weiß, wenn auch noch so unreflektiert, darum, daß einerseits Gott der radikal Eine ist und daß er doch nicht in unsere Kategorien von Einzahl und Mehrzahl gepreßt werden kann, sondern oberhalb von ihnen liegt, so daß er schließlich auch nicht durch die Kategorie »eins«, so sehr er wahrhaft nur ein Gott ist, ganz zutreffend benannt werden kann. In der Frühgeschichte Israels (und auch späterhin, gerade auch für uns) bedeutet dies, daß so zugleich die legitime Frage, die im Polytheismus steckt, aufgenommen ist¹ Der Plural, auf den einen Gott bezogen, sagt gleichsam: Alles Göttliche ist Er.

¹ Vgl. Maximus Confessor, Expositio Orationis Dominicae, in: Patrologia Graeca (PG) 90, 892: Für ihn versöhnen sich im Evangelium der heidnische Polytheismus und der jüdische Monotheismus. »Jener ist sich widersprechende Vielheit ohne Band, dieser ist Einheit ohne inneren Reichtum«. Maximus betrachtet sie beide als gleich unvollkommen und ergänzungsbedürftig. Nun aber durchdringen sie sich zur Idee des drei-einigen Gottes, die die Einheitsidee der Juden, die an sich »eng und unvollkommen und fast wertlos ist« und der Gefahr »des Atheismus zuneigt«, durch die »lebendige und geistvolle Vielheit der Griechen ergänzt«. So nach H. U. von Balthasar, Kosmische Liturgie. Das Weltbild Maximus’ des Bekenners, Einsiedeln ²1961, 312; vgl. auch A. Adam, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Gütersloh 1965, 368.
Was meint ihr dazu?

Verfasst: Mittwoch 24. Mai 2006, 15:03
von Raphael
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Was meint ihr dazu?
Ratzinger beschreitet die via eminentia ...... :)

Verfasst: Mittwoch 24. Mai 2006, 15:08
von Robert Ketelhohn
Eminens oder eminentiæ???
[/color]

Verfasst: Mittwoch 24. Mai 2006, 17:00
von Raphael
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Eminens oder eminentiæ???
[/color]
Da hab ich doch glatt verabsäumt, eine weitere Korinthe anzufügen ....... :ikb_angel_not:

"via eminentiae" sollte's natürlich heißen! :kiss:

Verfasst: Samstag 10. Juni 2006, 09:46
von overkott
Die Frage ist doch, ob nicht schon im jüdischen Glauben an den einen Gott bereits der Glaube an die Dreifaltigkeit angelegt ist.

Verfasst: Samstag 10. Juni 2006, 10:45
von Robert Ketelhohn
Natürlich. Beispielsweise Gn 1,26. Oder Gn 18,1-2.

Es ist ja nicht der Glaube Abrahams, Isaacs und Jacobs, nicht das Gesetz
und die Propheten, welche die Dreifaltigkeit abweisen. Das ist erst die
mündliche und später schriftliche Mischna und die Kommentare dazu.

Verfasst: Samstag 10. Juni 2006, 11:20
von overkott
Ich dachte eher an Gen 1,1-5 sowie Joh 1,1-5.

Verfasst: Samstag 10. Juni 2006, 11:36
von Stephen Dedalus
In diesem Zusammenhang gibt es auch die interessante These, daß die ursprüngliche jüdische Religion des ersten, salomonischen Tempels durchaus weniger streng monotheistisch geprägt war. Erst mit der Religionsreform und König Josia wurde die ursprüngliche jüdische Gottesvorstellung von einem strengen Monotheismus verdrängt, der dann durch die Textredaktionen des Deuteronimisten seinen Niederschlag in den Texten gefunden hat, die wir heute als AT kennen. Allerdings finden sich noch Spuren der alten Religion, wie etwa in der Pluralform "Elohim" (wie weiter oben dargelegt).

Diese These vertritt etwa die britische Alttestamentlerin Margaret Barker. Sie geht sogar noch weiter und behauptet, daß die frühen Christen in ihrer liturgischen Tradition wesentlich auf diese verdrängten Momente der originalen jüdischen Tempelreligion zurückgegriffen haben. Das Problem ist ein bißchen, daß nach ihrer Theorie die Textrevisionen nach der josianischen Reform so gründliche waren, daß kaum noch Spuren in den Texten zu finden sind. Wie bei allen Verschwörungstheorien wird dann gerade die Abwesenheit der Evidenz zum Beweis der Richtigkeit der Theorie herangezogen.

Vgl. dazu Margaret Barker, The Older Testament (1987) und The Great High Priest - The Temple Roots of Christian Liturgy (2003)

Gruß
Stephen

Verfasst: Samstag 10. Juni 2006, 19:32
von overkott
Stephen Dedalus hat geschrieben:die ursprüngliche jüdische Gottesvorstellung von einem strengen Monotheismus verdrängt, der dann durch die Textredaktionen des Deuteronimisten seinen Niederschlag in den Texten gefunden hat, die wir heute als AT kennen.
Nach Genesis lesen wir ja nicht nur von Gott, sondern auch von Gottes Geist, bei Jesaja später ja auch vom Gottesdiener. Sind das nicht Ansatzpunkte für die Entwicklung der Dreifaltigkeitslehre im Laufe der jüdisch-christlichen Offenbarungsgeschichte?

Verfasst: Montag 12. Juni 2006, 15:43
von Erich
overkott hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:die ursprüngliche jüdische Gottesvorstellung von einem strengen Monotheismus verdrängt, der dann durch die Textredaktionen des Deuteronimisten seinen Niederschlag in den Texten gefunden hat, die wir heute als AT kennen.
Nach Genesis lesen wir ja nicht nur von Gott, sondern auch von Gottes Geist, bei Jesaja später ja auch vom Gottesdiener. Sind das nicht Ansatzpunkte für die Entwicklung der Dreifaltigkeitslehre im Laufe der jüdisch-christlichen Offenbarungsgeschichte?
nein!!

Verfasst: Montag 12. Juni 2006, 17:31
von Adeodat
Stephen Dedalus hat geschrieben:In diesem Zusammenhang gibt es auch die interessante These, daß die ursprüngliche jüdische Religion des ersten, salomonischen Tempels durchaus weniger streng monotheistisch geprägt war. Erst mit der Religionsreform und König Josia wurde die ursprüngliche jüdische Gottesvorstellung von einem strengen Monotheismus verdrängt, der dann durch die Textredaktionen des Deuteronimisten seinen Niederschlag in den Texten gefunden hat, die wir heute als AT kennen. Allerdings finden sich noch Spuren der alten Religion, wie etwa in der Pluralform "Elohim" (wie weiter oben dargelegt).
Da ist wohl was dran. Z.B. wird von König David berichtet, dass seine Frau bei seiner Flucht an seiner Stelle den Hausgötzen ins Bett legt, um die Verfolger irre zu führen. Oder Labans Tochter versucht dessen Götzenfigur zu klauen und mitzunehmen. Da hat man sich offenbar nicht dran gestört. Es gab dann aber schon recht früh die Durchsetzung der Alleinverehrung Jahwes und später dann auch den strengen Monotheismus. Die dahingehende Revision der Texte wurde knapp vor dem Exil begonnen. In diesem Kontext wird oft gesehen, dass König Josia (?) die Schlangenstatue Nehuschtan im Tempel zerstören lässt.
Sie geht sogar noch weiter und behauptet, daß die frühen Christen in ihrer liturgischen Tradition wesentlich auf diese verdrängten Momente der originalen jüdischen Tempelreligion zurückgegriffen haben.
Da erscheint für mich das Problem, dass einige Jahrhunderte strenger Monotheismus dazwischen lagen. Da war nichts mehr zum anknüpfen.
overkott hat geschrieben:Nach Genesis lesen wir ja nicht nur von Gott, sondern auch von Gottes Geist, bei Jesaja später ja auch vom Gottesdiener. Sind das nicht Ansatzpunkte für die Entwicklung der Dreifaltigkeitslehre im Laufe der jüdisch-christlichen Offenbarungsgeschichte?
Ja, sind es. V.a. auch die Einführung der Weisheit in den Spätschriften, die dann ja auch mit Jesus identifiziert wird. Daneben gibt es nich den Begriff "Schekina", d.h. das Gott in der Welt Wohnung nimmt. Da pirscht sich wohl die Inkarnation heran. Ich finde es faszinierend, wie Gott in der Geschichte handelt und die Entwicklung lenkt!

Adeodat

Verfasst: Samstag 22. März 2008, 18:45
von Peregrin
Stephen Dedalus hat geschrieben:In diesem Zusammenhang gibt es auch die interessante These, daß die ursprüngliche jüdische Religion des ersten, salomonischen Tempels durchaus weniger streng monotheistisch geprägt war.
...
Diese These vertritt etwa die britische Alttestamentlerin Margaret Barker. ... Wie bei allen Verschwörungstheorien wird dann gerade die Abwesenheit der Evidenz zum Beweis der Richtigkeit der Theorie herangezogen.
Ich habe gerade ihr "The Great Angel - A Study of Israels Second God" fertiggelesen und kann nicht finden, daß sie hauptsächlich mit der Abwesenheit von Belegen argumentiert. Im Gegenteil sammelt sie Belege aus Henoch, Jubiläen, AT, Philo, frühchristlichen Schriften, Kabbalisten und NT und reiht sie in einer Weise aneinander, daß (zumindest mir) die Schlußfolgerung nahezu zwingend erscheint. Wer das widerlegen will, muß sich erheblich mehr Mühe machen als ein flapsiges (nicht persönlich gemeint) "Verschwörungstheorie" in die Runde zu werfen.

Nochmals die These kurz gefaßt: Die alten Israeliten zur Zeit des Ersten Tempels kannten einen Schöpfergott (Elohim, El Elyon, El Schaddai), dessen wesentliches Merkmal es war, "unsichtbar" zu sein, dh. mit der Schöpfung nicht direkt zu interagieren. Dafür gab es "Göttersöhne", worunter wir Engel zu verstehen haben, die eine Art Himmelreich bevölkerten. Den 70 Nationen der Erde war jeweils ein Engel zugeordnet war, also einen jeweils zuständigen "Gott" (der im Rahmen eines sakral gedachten Königtums auch eine mystische Einheit mit König und Hohepriester bildete). Herausgehoben aus diesen Engeln war der erste und mächtigste, der als "Herr der Engel" als einziger El Elyon gesehen hat und in seinem Auftrag die anderen Engel und die ganze Schöpfung geschaffen hat.

Die "Erzengel" (vier oder sieben) verkörpern gewisse Aspekte dieses Großen Engels, Gabriel zB den Krieger, Michael den Hohepriester, Raphael den Heiler, Phanael/Uriel eine Art Lehrer etc; ob sie als eigenständige Entitäten oder nur eine Art Emanationen des Großen Engels gedacht waren, ist nicht ganz klar.

Dieser Große Engel war der Schutzgott Israels und offenbarte sich als JHWH. Er wurde als im Tempel wohnhaft gedacht und in zwei Gestalten, symbolisiert durch die zwei Cherubim, verehrt, nämlich einer männlichen, als Krieger und König, und einer weiblichen, als Weisheit. Die "Weisheit" der Weisheitsliteratur sei nicht allegorisch zu lesen, sondern meine genau diesen "weiblichen JHWH". Sie wurde auch als "Aschera" als Schutzgöttin der Stadt Jerusalem verehrt, offenbar hat man auch einen Haufen Statuen ausgebuddelt.

Die Reform unter König Joschija war eine ihrem Wesen nach ikonoklastische, die möglicherweise eine Ausuferung solcher Verehrung bzw. eine Vermischung mit dem Baalskult zurückdrängen wollte, aber dabei das Kind mit dem Bad ausschüttete. Das sei die von Propheten beklagte "Vertreibung der Weisheit aus dem Tempel" gewesen, die auch den Sturz des Ersten Tempels und das Babylonische Exil zur Folge hatte, wo die streng monotheistische Gesetzesreligion ihre (nahezu) heutige Form erhielt. Der ältere Kult habe sich aber in Sekten erhalten - aus einer solchen seien schließlich die Christen hervorgegangen.

Die Judenchristen hatten kein Problem mit der Gottheit Jesu, weil nach ihrer Vorstellung der Messias sowieso eine Inkarnation Jahwehs war (Aspekte des alten sakralen Königtums und Hohepriestertums spielten da auch noch hinein), noch mit seiner "Gottessohnschaft", weil das eben das alte Attribut Jahwehs war. Daß Jesus Christus und Jahweh identifiziert wurden, ist angeblich noch bis ins 2,3. Jhd. A.D. bei Schriftstellern aller Art (Christen, Gnostik, Kabbala) nachzuweisen erst danach ging dieses Wissen langsam verloren.

Der Paraklet ist natürlich jener vorher erwähnte weibliche Aspekt, dessen Funktion teilweise auf die Gottesmutter Maria übertragen wurde - die "Hagia Sophia" war allerdings auch den Christen nicht unbekannt.

So, muß weg zur Auferstehung. Kann komische Mischung aus Indikativ und Konjunktiv nicht mehr korrigieren. Viel Spaß.

Verfasst: Samstag 22. März 2008, 19:21
von Esperanto
Also diese Barker klingt ja phantastisch. Weiß jemand wissenschaftliche Literatur zum Alten Testament?