Worin besteht Katholizität?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Falk
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Beitrag von Falk »

@Stefan und Robert

Es geht mir darum, aufzuzeigen, dass die von Robert aufgestellte These nicht zutrifft, wonach es eine "traditionswidrige Vermengung" wäre, wenn die Päpste zwischen dem 1. und 2. Vatikanischen Konzil auch verbal eindeutig eine Identität zwischen "römischer" und "katholischer" Kirche zum Ausdruck bringen, wie z.B. in den Enzykliken "Mystici Corporis Christi" oder "Humani generis" geschehen.

Wenn nun die lehramtlichen Texte vor dem 1. Vatikanum sagen:
"Die römische Kirche lehrt...",
dann meinen sie zwar zunächst die römische Ortskirche, andererseits bedeutet aber diese Formel auch, dass die von der römischen Ortskirche vorgetragene Lehre die Lehre der gesamten katholischen Kirche ist und dass jede Ortskirche, die etwas anderes lehrt als die römische, nicht mehr zur katholischen Kirche gehört.
Wer etwas anderes lehrt, so die immer wieder kehrende Formel, der sei im Banne (oder ausgeschlossen) bzw. anathema.
Nichts anderes besagt die zwischen Vatikanum 1 und 2 in Gebrauch gekommene Identifikation von römischer und katholischer Kirche im Sinne von römisch-katholisch.

Bei dem gegenwärtigen Zustand, den die römisch-katholische Kirche in weiten Teilen bietet, habe auch ich großes Verständnis für Sympathien, die man den orthodoxen Kirchen entgegenbringen kann.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass jede Gemeinschaft von Getauften, die sich eine Kirche ohne sichtbares Haupt ausdenkt, indem sie die Lehre vom Primat der Kirche von Rom bzw. des Bischofs von Rom ablehnt, nicht in der einen und einzigen Kirche Christi verbleibt, sondern sich damit aus dem "Liebesbund" entfernt, dessen Vorsteherin die Kirche von Rom ist (wie schon Igantius von Antiochien lehrte), und sich damit eben außerhalb der katholischen Kirche stellt.

Hintergrund der Diskussion über diese eigentlich selbstverständliche Sache bleibt natürlich - ich wiederhole mich, da niemand bisher darauf eingehen möchte - das neue ökumenistische Kirchenbild, welches weder den Päpsten vor dem 1. Vatikanum noch denen danach bis zum 2. Vatikanum je in den Sinn gekommen wäre, und welches nun auch tatsächlich ganz traditionswidrig die eine Kirche Christi in voneinander und von der römischen Kirche getrennten Ortskirchen verwirklicht sehen will.

Stefan

Beitrag von Stefan »

Falk hat geschrieben: Hintergrund der Diskussion über diese eigentlich selbstverständliche Sache bleibt natürlich - ich wiederhole mich, da niemand bisher darauf eingehen möchte - das neue ökumenistische Kirchenbild, welches weder den Päpsten vor dem 1. Vatikanum noch denen danach bis zum 2. Vatikanum je in den Sinn gekommen wäre, und welches nun auch tatsächlich ganz traditionswidrig die eine Kirche Christi in voneinander und von der römischen Kirche getrennten Ortskirchen verwirklicht sehen will.
Das kann ich aber so, wie Du es formulierst, in keinem Text des 2. Vatikanums entdecken:

"Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18 ff), für immer hat er sie als "Säule und Feste der Wahrheit" errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird" ("LG 1,8")

Im Gegenteil: Ich bin der Ansicht, daß die Romanität der katholischen Kirche irrelevant ist, da sie lediglich auf eine geographische Bestimmung der Mutterkirche abziehlt. Entscheidender aber ist die Petrinizität (gibt es den Begriff schon?), die auf die Nachfolgerschaft Petri abzielt. Das ist das Kriterium, welches auch exegetisch begründet ist in der Auswahl und Vorrangstellung des Apostels Petrus. Die Romanität ergibt sich aber lediglich aus der Bischofseigenschaft Petri in Rom, welches seinerzeit die weltliche Herrschaft repräsentierte. Konsequenterweise müsste Johannes-Paul II seinen Bischofssitz nach Washington verlegen, wenn man diesen Ort als Sitz der weltlichen Macht ansähe. Dann ginge zwar die Romanität verloren, aber die Petrinizität bliebe erhalten.

Insofern ist das 2. Vatikanum genauer in der Begriffswahl - ein Widerspruch ist zumindest hier - nicht ohne weiteres erkennbar.

Falk
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Beitrag von Falk »

Stefan,

ich erwähnte "das neue ökumenistische Kirchenbild, ...welches ...die eine Kirche Christi in voneinander und von der römischen Kirche getrennten Ortskirchen verwirklicht sehen will."

Du sagst dazu:

"Das kann ich aber so, wie Du es formulierst, in keinem Text des 2. Vatikanums entdecken".

Aus dem von Dir zitierten Text der Konzilskonstitution "Lumen Gentium" lässt sich das vielleicht auch noch nicht entnehmen.

Papst Johannes Paul II. erklärt jedoch in seiner Enzyklika "Ut unum sint" Nr. 14 bezugnehmend auf UR 4:

"...Sie (die Kirche) ist bereits eine Gegebenheit. ...
Die Elemente dieser bereits gegebenen Kirche existieren in ihrer ganzen Fülle in der katholischen Kirche und noch nicht in dieser Fülle in den anderen Gemeinschaften, wo gewisse Aspekte des christlichen Geheimnisses bisweilen sogar wirkungsvoller zutage treten."


Und unter Nr. 11 derselben Enzyklika schreibt Johannes Paul II.:

"Durch Gottes Gnade ist jedoch das, was den Aufbau der Kirche Christi ausmacht, und auch jene Gemeinschaft, die mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften fortbesteht, nicht zerstört worden. ...
In dem Maße, in dem diese Elemente in den anderen christlichen Gemeinschaften vorhanden sind, ist die eine Kirche Christi in ihnen wirksam gegenwärtig."


Wenn also die Elemente, aus denen die eine Kirche Christi besteht, sowohl in der katholischen Kirche als auch in den anderen Gemeinschaften existieren und die eine Kirche Christi auch in den anderen Gemeinschaften wirksam gegenwärtig ist, dann wäre - so wie ich eingangs schrieb - die eine Kirche Christi tatsächlich in allen Kirchen und Gemeinschaften (mehr oder weniger) verwirklicht.
Denn da es außerhalb der Kirche kein Heil gibt, die von der katholischen Kirche getrennten Kirchen und Gemeinschaften aber nach UR ebenfalls "Mittel des Heiles" sind, umfasst die eine Kirche Christi nicht nur die katholische sondern auch alle anderen Kirchen und Gemeinschaften.
Für eine solche Sicht der Dinge gibt es nirgendwo in der katholischen Tradition irgendeine Stütze.

Und die Kirche von Rom hat nicht wegen ihrer ehemaligen Hauptstadtfunktion im Römischen Reich den Vorrang unter allen Ortskirchen der einen katholischen Kirche, sondern weil hier die Apostel Petrus und Paulus ihr Blutzeugnis ablegten und dem römischen Bischof ihr Amt übertragen haben.
Deshalb kann niemals der Bischof von Washington, sondern immer nur der Bischof von Rom das sichtbare Haupt der katholischen Kirche sein.
Würde der Bischof von Washington zum Papst gewählt, so würde er deshalb auf jeden Fall erst mal Bischof von Rom werden.

Na ja, und dass das 2. Vatikanum irgendwo präzise in der Begriffswahl wäre, vielleicht sogar präziser als lehramtliche Dokumente aus der Zeit davor, das bleibt wohl eine durch konkrete Beispiele kaum zu belegende Behauptung.
Nur weil es sich meist unpräzise ausdrückte, gibt es ja heute auch keine eindeutigen Interpretationen der Texte, sondern jeder kann ihnen entnehmen, was er will.

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