Der Staat und die Sünde

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Ralf

Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Tach zusammen,

da es eine theologische Frage ist bzw. eine staatspilosophische, habe ich sie in dieser Abteilung eröffnet.

Also, sie lautet:

Ist der Staat aus katholischer Sicht (mit reichlich Quellenangaben natürlich) verpflichtet, die Sünde zu verbieten bzw. zu bestrafen?

Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit
- vor dem Hintergrund der von Gott gewährten menschlichen Freiheit (darf die Kirche was einschränken versuchen, was Gott gewährt?)
- vor dem Hintergrund der Konzentration kirchlicher politischer Bemühungen auf nur einen Bruchteil des "Kataloges" der Ursünden und
- vor dem Hintergrund der in meinen Augen bislang - möglicherweise aufgrund fehlenden Wissens - mangelhaften Klärung dieser essentiellen Frage und ganz anderer Praxis der Ostkirchen

Was sagen die Kenner dazu?

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DarPius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von DarPius »

Zum Thema Religionsfreiheit wird hier
viewtopic.php?f=34&t=12845
seit Jahren gestritten. Das ist eigentlich das, was Sie ansprechen.
'Et portae inferi non praevalebunt eam'

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Sempre
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 15:14
Ist der Staat aus katholischer Sicht verpflichtet, die Sünde zu verbieten bzw. zu bestrafen?
Ja, der Staat ist grundsätzlich verpflichtet, schwere Sünde zu verbieten und zu bestrafen. Zwecks Vermeidung größeren Übels darf er allerdings in der Praxis ggf. davon abweichen. Die Kirche Gottes lehrt, dass das göttliche Recht inklusive Naturrecht Maßstab für die staatliche Gesetzgebung sein muss.

PIUS XI., Mit brennender Sorge, 1937 hat geschrieben:14. Dieser Gott [, Einer in der Dreiheit der Personen,] hat in souveräner Fassung Seine Gebote gegeben. Sie gelten unabhängig von Zeit und Raum, von Land und Rasse. So wie Gottes Sonne über allem leuchtet, was Menschenantlitz trägt, so kennt auch Sein Gesetz keine Vorrechte und Ausnahmen. Regierende und Regierte, Gekrönte und Ungekrönte, Hoch und Niedrig, Reich und Arm stehen gleichermaßen unter Seinem Wort. Aus der Totalität Seiner Schöpferrechte fließt seinsgemäß die Totalität Seines Gehorsamsanspruchs an die Einzelnen und an alle Arten von Gemeinschaften. Dieser Gehorsamsanspruch erfaßt alle Lebensbereiche, in denen sittliche Fragen die Auseinandersetzung mit dem Gottesgesetz fordern und damit die Einordnung wandelbarer Menschensatzung in das Gefüge der unwandelbaren Gottessatzung.
naturphilosophie.org hat geschrieben:Mit dem Begriff Naturrecht wird die Idee bezeichnet, dass die Normen des menschlichen Zusammenlebens durch die Natur des Menschen begründet werden können und müssen.
de.wikipedia.org hat geschrieben:Ferner ist das Naturrecht als Maßstab und Korrektiv des positiven Rechts zu verstehen. Diese Auffassung vertritt auch die römisch-katholische Kirche.
de.wikipedia.org hat geschrieben:Als göttliches Recht (lat.: ius divinum) werden Rechtsnormen bezeichnet, die nach Ansicht der eine Rechtsordnung beherrschenden Religion auf Rechtssetzungen Gottes oder einer göttlichen Instanz zurückführbar sind (etwa auf die Zehn Gebote) und die daher unabänderlich gelten. Göttliches Recht gehört zum überpositiven Recht (Naturrecht) und wurde lange mit diesem gleichgesetzt.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Hallo Sempre,

Du verstehst, daß ich erst einmal nur das päpstliche Zitat als Quelle gelten lasse. Dieses spricht aber nicht die Regierenden in ihrer Funktion als Regierende an, sondern als gleiche unter gleichen, d.h. die Verpflichtungen als Christen (so sie welche sind!) gelten für alle gleich unabhängig von Rang, Stand und Funktion.

Mit meiner Frage hat das nichts zu tun.

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Sempre
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Pius XI., Quas primas, 1925 hat geschrieben:19 So umfaßt also das Reich unseres Erlösers alle Menschen, wie dies folgende Worte Unseres Vorgängers Leo XIII., unsterblichen Andenkens, ausdrücken und die Wir gerne zu Unsern eigenen machen: «Seine Herrschaft erstreckt sich nicht nur auf die katholischen Völker, auch nicht nur auf jene, die durch die Taufe von Rechts wegen der Kirche angehören, mögen auch irrige Anschauungen sie fernhalten oder Uneinigkeit sie von der Liebesgemeinschaft scheiden, sondern sie umfaßt auch jene, die den christlichen Glauben nicht besitzen; somit untersteht im vollsten Sinne die ganze Menschheit der Herrschaft Jesu Christi»[30].

20 Auch ist in dieser Hinsicht kein Unterschied zu machen zwischen Einzelmenschen und häuslichen oder bürgerlichen Gemeinschaften, denn die in Gemeinschaften vereinigten Menschen stehen nicht minder unter der Herrschermacht Christi als die Einzelmenschen. Es gibt ja nur eine Quelle des Heiles, des persönlichen wie des gemeinschaftlichen: Es ist in keinem andern Heil; und kein anderer Name unter dem Himmel ist den Menschen gegeben, durch den wir selig werden sollten[31]. Ein und derselbe ist Urheber des Gedeihens und wahren Glückes für die einzelnen Bürger wie für die Staaten: «Das Glück des Staates fließt nicht aus einer andern Quelle als das des Einzelmenschen, denn der Staat ist nichts anderes als eine Vielheit von Menschen, die in Eintracht zusammenlebt»[32]. Wenn daher die Staatenlenker Unversehrtheit ihrer Autorität sowie Gedeihen und Fortschritt des Vaterlandes bezwecken, so dürfen sie sich nicht weigern, in ihrem persönlichen Namen und mit ihrem ganzen Volke der Herrschermacht Christi ihre Verehrung und Ergebenheit öffentlich zu bezeugen.

21 Denn was Wir zu Beginn Unseres Pontifikates über die stark erschütterte Autorität des Rechtes und die merklich verminderte Achtung vor der öffentlichen Gewalt geschrieben haben, das gilt nicht weniger für die Gegenwart: «Hat man Gott und Jesus Christus aus der Gesetzgebung und der Politik hinausgewiesen und leitet man die Autorität nicht mehr von Gott her, sondern von den Menschen, dann fehlt den Gesetzen ihre wahre und wirksame Sanktion, dann fehlen ihnen die höchsten Kriterien des Rechtes – und das haben schon heidnische Philosophen wie Cicero begriffen, daß Menschengesetze nur im ewigen Gesetz Gottes verankert sein können; ja sogar die Grundlage der Autorität ist zerstört in dem Augenblick, da man die Quelle verschüttet, aus der den einen das Recht zufließt zu befehlen, den andern die Pflicht zu gehorchen. So mußte mit unerbittlicher Notwendigkeit das ganze Gesellschaftsleben erschüttert werden; es war eben jeder festen Stütze und jedes Schutzes beraubt und wurde ein Tummelplatz für die Parteien; diesen aber ist es nur zu tun um den Besitz der Macht, nicht um das Wohl des Vaterlandes»[33].

[30] Leo XIII., Rundschreiben Annum sacrum vom 25. Mai 1899. ASS XXXI (1898–1899) 647.
[31] Apg. 4,12.
[32] Augustinus, Epist. CLV ad Macedonium, c. III 9. PL 33, 670.
[33] Pius XI., Rundschreiben Ubi arcano vom 23. Dezember 1922. AAS XIV (1922) 683.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Sempre
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 16:22
Hallo Sempre,

Du verstehst, daß ich erst einmal nur das päpstliche Zitat als Quelle gelten lasse. Dieses spricht aber nicht die Regierenden in ihrer Funktion als Regierende an, sondern als gleiche unter gleichen, d.h. die Verpflichtungen als Christen (so sie welche sind!) gelten für alle gleich unabhängig von Rang, Stand und Funktion.

Mit meiner Frage hat das nichts zu tun.
Da steht ganz klar: Aus der Totalität Seiner Schöpferrechte fließt seinsgemäß die Totalität Seines Gehorsamsanspruchs an die Einzelnen und an alle Arten von Gemeinschaften.

Der Vater Staat muss genauso wie ein Familienvater das göttliche Recht als Maßstab nehmen.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Zur Klärung stelle ich hier noch einmal die allbekannten Wurzelsünden dar, so wie sie die kath. Tradition kennt:

1. Superbia
2. Avaritia
3. Luxuria
4. Ira
5. Gula
6. Invidia
7. Acedia

Inwieweit ist der Staat verpflichtet, die Folgen dieser Ursünden zu verbieten? Und warum? Und muss er das bei allen sieben? Und wenn nein, warum nicht?

Tinius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Tinius »

Die Folgen von Gula verbieten?

Was ist denn das für eine sonderbare Überlegung?

Ich habe Gula jetzt zufällig ausgewählt.
Vielleicht solltest du deine Aussagen bzw. Fragestellungen zuerst sprachlich prüfen.

Fragesteller
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Fragesteller »

Du weißt genau, was gemeint ist.

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Lycobates
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Tinius hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 16:36
Die Folgen von Gula verbieten?
Etwa öffentliche Trunkenheit, jedenfalls in schweren Fällen.
Beispielsweise.
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
*
Fac me Tibi semper magis credere, in Te spem habere, Te diligere
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... una cum omnibus orthodoxis, atque catholicae et apostolicae fidei cultoribus

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Sempre
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 16:29
Zur Klärung stelle ich hier noch einmal die allbekannten Wurzelsünden dar, so wie sie die kath. Tradition kennt:

1. Superbia
2. Avaritia
3. Luxuria
4. Ira
5. Gula
6. Invidia
7. Acedia

Inwieweit ist der Staat verpflichtet, die Folgen dieser Ursünden zu verbieten? Und warum? Und muss er das bei allen sieben? Und wenn nein, warum nicht?
Was zahlst Du für eine umfängliche Antwort auf diese Frage?
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Fang bei den letzten beiden Fragen an, dann sehen wir mal weiter. :)

Das ist übrigens eine ernsthaft mich umtreibende Frage: wenn Gott uns persönliche Freiheit schenkt, darf dann der Staat - solange keine anderen Menschen insbesondere gegen ihren Willen geschädigt werden - diese Freiheiten einschränken?

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:14
Fang bei den letzten beiden Fragen an, dann sehen wir mal weiter. :)

Das ist übrigens eine ernsthaft mich umtreibende Frage: wenn Gott uns persönliche Freiheit schenkt, darf dann der Staat - solange keine anderen Menschen insbesondere gegen ihren Willen geschädigt werden - diese Freiheiten einschränken?
Wie bereits von sempre dargelegt, resultiert aus der Totalität Gottes eine totale Gehorsamsverpflichtung aller menschlichen Lebewesen sowie deren aus ihnen bestehenden Organisationen. Ziel, Sinn und Zweck des menschliches Lebens ist die Errichtung einer globalen Theokratie.
Hugh, ich habe gespochen! :anton:

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umusungu
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von umusungu »

Raphael hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:21
Wie bereits von sempre dargelegt, resultiert aus der Totalität Gottes eine totale Gehorsamsverpflichtung aller menschlichen Lebewesen sowie deren aus ihnen bestehenden Organisationen. Ziel, Sinn und Zweck des menschliches Lebens ist die Errichtung einer globalen Theokratie.
Es wird ein Gebot verkündet: "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben."
Wem wird dieses Gebot - dieser Anspruch- verkündet? Den Israeliten, niemandem sonst.

In der Nach-Folge der Israeliten gilt dieser Anspruch auch den Christen.

Es ist also keinerlei Totalitäts-Anspruch! Juden und Christen gegenüber hat sich unser Gott in dieser Form offenbart ...

Anders lautende päpstliche Allmachtsfantasien halte ich deshalb für Häresien.

Tinius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Tinius »

Wenn Muslime von einer weltweiten Theokratie und ihrer Umma schwafeln und sich alles dem Willen Allahs zu unterwerfen habe, gehen als erstes die auf die Barikaden, die sich so einen Stuss für den christlichen Gott aus den Fingern saugen.

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Sempre
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Tinius hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:59
Wenn Muslime von einer weltweiten Theokratie und ihrer Umma schwafeln und sich alles dem Willen Allahs zu unterwerfen habe, gehen als erstes die auf die Barikaden, die sich so einen Stuss für den christlichen Gott aus den Fingern saugen.
Das ist logisch und konsequent. Denn der Islam ist eine falsche Religion und die Kirche Gottes die einzig wahre Religion.

Beispiel: Es ist falsch, dass der Mann mehrere Weiber eheliche. Es ist richtig, dass der Mann höchstens ein Weib eheliche. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass das möglichst eingehalten wird.
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Tinius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Tinius »

Sempre hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 23:41


Beispiel: Es ist falsch, dass der Mann mehrere Weiber eheliche. Es ist richtig, dass der Mann höchstens ein Weib eheliche.
Wo steht das in der Schrift?

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Sempre
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:14
Das ist übrigens eine ernsthaft mich umtreibende Frage: wenn Gott uns persönliche Freiheit schenkt, darf dann der Staat - solange keine anderen Menschen insbesondere gegen ihren Willen geschädigt werden - diese Freiheiten einschränken?
Es gibt kein Gebot Gottes, das da lautete "tu, was Du willst, solange keine anderen Menschen insbesondere gegen ihren Willen geschädigt werden". Auch nicht konkreter etwa: "Gib ruhig Deine Ehe auf, wenn Dein Ehepartner nichts dagegen hat".

Jeder einzelne hat sich an die Gebote zu halten und alle Arten von Gemeinschaften inklusive dem Staat haben sich daran auszurichten und ihre Ordnung an diesem Maßstab auszurichten. Das lehrt die Kirche, wie weiter oben zitiert.
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Sempre »

Tinius hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 23:58
Sempre hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 23:41


Beispiel: Es ist falsch, dass der Mann mehrere Weiber eheliche. Es ist richtig, dass der Mann höchstens ein Weib eheliche.
Wo steht das in der Schrift?
Ralf fragt nicht nach protestantischen Lehren, sondern nach Lehren der Kirche Gottes. Der Strang hier handelt von "aus katholischer Sicht", siehe Eingangsbeitrag.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

umusungu hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:31
Raphael hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:21
Wie bereits von sempre dargelegt, resultiert aus der Totalität Gottes eine totale Gehorsamsverpflichtung aller menschlichen Lebewesen sowie deren aus ihnen bestehenden Organisationen. Ziel, Sinn und Zweck des menschliches Lebens ist die Errichtung einer globalen Theokratie.
Es wird ein Gebot verkündet: "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben."
Wem wird dieses Gebot - dieser Anspruch- verkündet? Den Israeliten, niemandem sonst.

In der Nach-Folge der Israeliten gilt dieser Anspruch auch den Christen.

Es ist also keinerlei Totalitäts-Anspruch! Juden und Christen gegenüber hat sich unser Gott in dieser Form offenbart ...

Anders lautende päpstliche Allmachtsfantasien halte ich deshalb für Häresien.
Omnipotenzphantasien sind häufig bei denen anzutreffen, die sich in die Ecke gedrängt und ausgegrenzt fühlen. Es wird auf diese Weise versucht, die subjektiv empfunden Ohnmacht zu kompensieren. :huhu:

Wegen diesem Blickwinkel ist sehr vorsichtig mit Texten umzugehen, die zwar aus kirchlicher Feder stammen, aber aus bestimmten Gründen in eine bestimmte historische Zeit hinein gesprochen werden .................

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Sempre hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 00:25
Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 22:14
Das ist übrigens eine ernsthaft mich umtreibende Frage: wenn Gott uns persönliche Freiheit schenkt, darf dann der Staat - solange keine anderen Menschen insbesondere gegen ihren Willen geschädigt werden - diese Freiheiten einschränken?
Es gibt kein Gebot Gottes, das da lautete "tu, was Du willst, solange keine anderen Menschen insbesondere gegen ihren Willen geschädigt werden". Auch nicht konkreter etwa: "Gib ruhig Deine Ehe auf, wenn Dein Ehepartner nichts dagegen hat".

Jeder einzelne hat sich an die Gebote zu halten und alle Arten von Gemeinschaften inklusive dem Staat haben sich daran auszurichten und ihre Ordnung an diesem Maßstab auszurichten. Das lehrt die Kirche, wie weiter oben zitiert.
Falls die Kirche so etwas wirklich lehren sollte, warum hast sie dann zu Zeiten der von Dir zitierten Päpste keine Gesetze bspw. gegen Luxuria, Gula oder Acedia gefordert (oder jemals?)? Da ich der Kirche keine systematische Inkonsequenz unterstellen will, nehme ich daher nicht an, dass die Kirche das so lehrt wie von Dir berichtet.

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 15:50
Falls die Kirche so etwas wirklich lehren sollte, warum hast sie dann zu Zeiten der von Dir zitierten Päpste keine Gesetze bspw. gegen Luxuria, Gula oder Acedia gefordert (oder jemals?)? Da ich der Kirche keine systematische Inkonsequenz unterstellen will, nehme ich daher nicht an, dass die Kirche das so lehrt wie von Dir berichtet.
Die Kirche bietet die Heilung des Menschen an. Wenn durch die Heilung des Menschen eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse eintritt, dann ist dies ein Sekundäreffekt, der zwar in Gottes Plan enthalten ist, aber eben nicht im Zentrum steht. Die Gnade Gottes ist dem Einzelnen zugewandt.

Bei den Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts wurde der Sekundäreffekt zum primären Ziel erklärt und daher wurden sie in der Weise totalitär wie es im Christentum durch die konsequente Nachfolge Christi ausgeschlossen ist. Christentum ist strikt antiideologisch! :ja:

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Raphael hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 16:34
Die Kirche bietet die Heilung des Menschen an. Wenn durch die Heilung des Menschen eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse eintritt, dann ist dies ein Sekundäreffekt, der zwar in Gottes Plan enthalten ist, aber eben nicht im Zentrum steht. Die Gnade Gottes ist dem Einzelnen zugewandt.

Bei den Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts wurde der Sekundäreffekt zum primären Ziel erklärt und daher wurden sie in der Weise totalitär wie es im Christentum durch die konsequente Nachfolge Christi ausgeschlossen ist. Christentum ist strikt antiideologisch! :ja:
Ich sage da mal ein klares Jein zu, da es natürlich himmelschreiendes Unrecht gibt (das Vorenthalten der Erfüllung der Basisbedürfnisse und den Zugang zu Medizin und Bildung), das natürlich aus Gründen der Ebenbildlichkeit Gottes, die jeder Mensch hat, beseitigt werden muss.

Doch ich spreche ja bewußt nicht von den Verletzungen, Mißachtungen oder Herabsetzung anderer, sondern von der Frage, ob der Staat die Freiheit des Menschen einschränken darf, um Tatfolgen der zitierten Todsünden - und zwar aller!! - zu bestrafen.

Bislang hat das die Kirche nie gefordert bei allen. Warum fordert sie es - seit Jahrhunderten - ausschließlich bei der luxuria, und das auch nur dann wenn sie fleischlich gemeint ist (und nicht materiell)?

Das ist doch inkonsequent, führen doch die anderen Todsünden - vor allem die Ursünde schlechthin, die superbia - genauso zur Entfernung von Gott.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung - möglichst substantiell und ernst gemeint. Ich gebe zu, leicht wird das nicht.

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19
Raphael hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 16:34
Die Kirche bietet die Heilung des Menschen an. Wenn durch die Heilung des Menschen eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse eintritt, dann ist dies ein Sekundäreffekt, der zwar in Gottes Plan enthalten ist, aber eben nicht im Zentrum steht. Die Gnade Gottes ist dem Einzelnen zugewandt.

Bei den Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts wurde der Sekundäreffekt zum primären Ziel erklärt und daher wurden sie in der Weise totalitär wie es im Christentum durch die konsequente Nachfolge Christi ausgeschlossen ist. Christentum ist strikt antiideologisch! :ja:
Ich sage da mal ein klares Jein zu, da es natürlich himmelschreiendes Unrecht gibt (das Vorenthalten der Erfüllung der Basisbedürfnisse und den Zugang zu Medizin und Bildung), das natürlich aus Gründen der Ebenbildlichkeit Gottes, die jeder Mensch hat, beseitigt werden muss.
Und die Kirche hat - Deinem Wissen zufolge - nie etwas gegen himmelschreiendes Unrecht unternommen? :detektiv:
Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19
Doch ich spreche ja bewußt nicht von den Verletzungen, Mißachtungen oder Herabsetzung anderer, sondern von der Frage, ob der Staat die Freiheit des Menschen einschränken darf, um Tatfolgen der zitierten Todsünden - und zwar aller!! - zu bestrafen.

Bislang hat das die Kirche nie gefordert bei allen. Warum fordert sie es - seit Jahrhunderten - ausschließlich bei der luxuria, und das auch nur dann wenn sie fleischlich gemeint ist (und nicht materiell)?

Das ist doch inkonsequent, führen doch die anderen Todsünden - vor allem die Ursünde schlechthin, die superbia - genauso zur Entfernung von Gott.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung - möglichst substantiell und ernst gemeint. Ich gebe zu, leicht wird das nicht.
Die Zielrichtung Deiner Frage erscheint unklar zu sein: :achselzuck:
Willst Du im Endeffekt eine Antwort darauf, warum die Kirche sich nicht stärker in die allgemeinen politischen Belange der Gesellschaft einmischt? Gesetzesinitiativen ins Leben ruft usw.?

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Lycobates
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19

ob der Staat die Freiheit des Menschen einschränken darf, um Tatfolgen der zitierten Todsünden - und zwar aller!! - zu bestrafen.

Bislang hat das die Kirche nie gefordert bei allen. Warum fordert sie es - seit Jahrhunderten - ausschließlich bei der luxuria, und das auch nur dann wenn sie fleischlich gemeint ist (und nicht materiell)?

Das ist doch inkonsequent, führen doch die anderen Todsünden - vor allem die Ursünde schlechthin, die superbia - genauso zur Entfernung von Gott.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung - möglichst substantiell und ernst gemeint. Ich gebe zu, leicht wird das nicht.
Hier wird einiges durcheinander gebracht.
Die so genannten sieben "Hauptsünden" (Sankt Thomas spricht korrekter auch von vitia capitalia S.Th. I-IIae 84-4) sind an sich bloß böse Neigungen, durch die natura lapsa bedingt, die Ursache von Sünden sein können, und zwar schwerer und weniger schwerer. Hauptsünden werden sie nur genannt wegen der Weite ihres möglichen Einflusses. Nur wenn die den betreffenden Neigungen entsprechenden Akte (innerlich oder äußerlich) auch gesetzt werden, wird die eigentliche Sünde realisiert.
Ob diese dann auch strafrechtlich geahndet wird, bzw. werden muß, hängt zunächst von ihrer Notorietät (eine rein innere Sünde kann hienieden nicht geahndet werden, wenn sie auch schwere Sünde sein sollte), ihrer Schwere und weiteren Umständen ab, kann auch kontingent (im aristotelischen Sinne) sein.
Bei einem Mord, Folge von Ira, ist das einleuchtend - notwendigerweise in allen Fällen zu ahnden; ebenso grundsätzlich bei Diebstahl, Folge von Avaritia oder Invidia (wo allerdings eine levitas materiae existieren kann, und somit Abstufungen in der Bestrafung, von einer schweren bis zu gar keiner (u.U. von der Restitution abgesehen), etwa wenn ein Kind in einem Laden ein Bonbon stiehlt und dabei ertappt wird).
Auch bei Luxuria gibt es diese Abstufungen, Inzest, Raptus, Stuprum, Ehebruch sind schlimmer zu bewerten (und somit zu ahnden), als einfache Unzucht. Und es ist bei weitem nicht so, als hätte die Kirche ihr Augenmerk nur auf die Luxuria gerichtet!
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
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Fac me Tibi semper magis credere, in Te spem habere, Te diligere
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... una cum omnibus orthodoxis, atque catholicae et apostolicae fidei cultoribus

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Raphael hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:44
Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19
Raphael hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 16:34
Die Kirche bietet die Heilung des Menschen an. Wenn durch die Heilung des Menschen eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse eintritt, dann ist dies ein Sekundäreffekt, der zwar in Gottes Plan enthalten ist, aber eben nicht im Zentrum steht. Die Gnade Gottes ist dem Einzelnen zugewandt.

Bei den Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts wurde der Sekundäreffekt zum primären Ziel erklärt und daher wurden sie in der Weise totalitär wie es im Christentum durch die konsequente Nachfolge Christi ausgeschlossen ist. Christentum ist strikt antiideologisch! :ja:
Ich sage da mal ein klares Jein zu, da es natürlich himmelschreiendes Unrecht gibt (das Vorenthalten der Erfüllung der Basisbedürfnisse und den Zugang zu Medizin und Bildung), das natürlich aus Gründen der Ebenbildlichkeit Gottes, die jeder Mensch hat, beseitigt werden muss.
Und die Kirche hat - Deinem Wissen zufolge - nie etwas gegen himmelschreiendes Unrecht unternommen? :detektiv:
Doch, selbstverständlich!
Raphael hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19
Doch ich spreche ja bewußt nicht von den Verletzungen, Mißachtungen oder Herabsetzung anderer, sondern von der Frage, ob der Staat die Freiheit des Menschen einschränken darf, um Tatfolgen der zitierten Todsünden - und zwar aller!! - zu bestrafen.

Bislang hat das die Kirche nie gefordert bei allen. Warum fordert sie es - seit Jahrhunderten - ausschließlich bei der luxuria, und das auch nur dann wenn sie fleischlich gemeint ist (und nicht materiell)?

Das ist doch inkonsequent, führen doch die anderen Todsünden - vor allem die Ursünde schlechthin, die superbia - genauso zur Entfernung von Gott.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung - möglichst substantiell und ernst gemeint. Ich gebe zu, leicht wird das nicht.
Die Zielrichtung Deiner Frage erscheint unklar zu sein: :achselzuck:
Willst Du im Endeffekt eine Antwort darauf, warum die Kirche sich nicht stärker in die allgemeinen politischen Belange der Gesellschaft einmischt? Gesetzesinitiativen ins Leben ruft usw.?
Ich suche nach einer inneren Kohärenz kirchlicher politischer Aktivitäten.

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Lycobates hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 23:13
Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19

ob der Staat die Freiheit des Menschen einschränken darf, um Tatfolgen der zitierten Todsünden - und zwar aller!! - zu bestrafen.

Bislang hat das die Kirche nie gefordert bei allen. Warum fordert sie es - seit Jahrhunderten - ausschließlich bei der luxuria, und das auch nur dann wenn sie fleischlich gemeint ist (und nicht materiell)?

Das ist doch inkonsequent, führen doch die anderen Todsünden - vor allem die Ursünde schlechthin, die superbia - genauso zur Entfernung von Gott.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung - möglichst substantiell und ernst gemeint. Ich gebe zu, leicht wird das nicht.
Hier wird einiges durcheinander gebracht.
Die so genannten sieben "Hauptsünden" (Sankt Thomas spricht korrekter auch von vitia capitalia S.Th. I-IIae 84-4) sind an sich bloß böse Neigungen, durch die natura lapsa bedingt, die Ursache von Sünden sein können, und zwar schwerer und weniger schwerer. Hauptsünden werden sie nur genannt wegen der Weite ihres möglichen Einflusses. Nur wenn die den betreffenden Neigungen entsprechenden Akte (innerlich oder äußerlich) auch gesetzt werden, wird die eigentliche Sünde realisiert.
Das war mir klar und das habe ich nicht durcheinander gebracht, da ich stets von den Tatfolgen sprach.
Ob diese dann auch strafrechtlich geahndet wird, bzw. werden muß, hängt zunächst von ihrer Notorietät (eine rein innere Sünde kann hienieden nicht geahndet werden, wenn sie auch schwere Sünde sein sollte), ihrer Schwere und weiteren Umständen ab, kann auch kontingent (im aristotelischen Sinne) sein.
Bei einem Mord, Folge von Ira, ist das einleuchtend - notwendigerweise in allen Fällen zu ahnden; ebenso grundsätzlich bei Diebstahl, Folge von Avaritia oder Invidia (wo allerdings eine levitas materiae existieren kann, und somit Abstufungen in der Bestrafung, von einer schweren bis zu gar keiner (u.U. von der Restitution abgesehen), etwa wenn ein Kind in einem Laden ein Bonbon stiehlt und dabei ertappt wird).
Auch bei Luxuria gibt es diese Abstufungen, Inzest, Raptus, Stuprum, Ehebruch sind schlimmer zu bewerten (und somit zu ahnden), als einfache Unzucht. Und es ist bei weitem nicht so, als hätte die Kirche ihr Augenmerk nur auf die Luxuria gerichtet!
Ich wiederhole meine Ausgangsfrage: bist Du der Meinung, daß ein Staat (soweit es ihm möglich ist) einer Verpflichtung unterliegt, jede Tatfolge einer "Hauptsünde" zu bestrafen?

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Lycobates
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 23:34
Lycobates hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 23:13
Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 22:19

ob der Staat die Freiheit des Menschen einschränken darf, um Tatfolgen der zitierten Todsünden - und zwar aller!! - zu bestrafen.

Bislang hat das die Kirche nie gefordert bei allen. Warum fordert sie es - seit Jahrhunderten - ausschließlich bei der luxuria, und das auch nur dann wenn sie fleischlich gemeint ist (und nicht materiell)?

Das ist doch inkonsequent, führen doch die anderen Todsünden - vor allem die Ursünde schlechthin, die superbia - genauso zur Entfernung von Gott.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung - möglichst substantiell und ernst gemeint. Ich gebe zu, leicht wird das nicht.
Hier wird einiges durcheinander gebracht.
Die so genannten sieben "Hauptsünden" (Sankt Thomas spricht korrekter auch von vitia capitalia S.Th. I-IIae 84-4) sind an sich bloß böse Neigungen, durch die natura lapsa bedingt, die Ursache von Sünden sein können, und zwar schwerer und weniger schwerer. Hauptsünden werden sie nur genannt wegen der Weite ihres möglichen Einflusses. Nur wenn die den betreffenden Neigungen entsprechenden Akte (innerlich oder äußerlich) auch gesetzt werden, wird die eigentliche Sünde realisiert.
Das war mir klar und das habe ich nicht durcheinander gebracht, da ich stets von den Tatfolgen sprach.
Ob diese dann auch strafrechtlich geahndet wird, bzw. werden muß, hängt zunächst von ihrer Notorietät (eine rein innere Sünde kann hienieden nicht geahndet werden, wenn sie auch schwere Sünde sein sollte), ihrer Schwere und weiteren Umständen ab, kann auch kontingent (im aristotelischen Sinne) sein.
Bei einem Mord, Folge von Ira, ist das einleuchtend - notwendigerweise in allen Fällen zu ahnden; ebenso grundsätzlich bei Diebstahl, Folge von Avaritia oder Invidia (wo allerdings eine levitas materiae existieren kann, und somit Abstufungen in der Bestrafung, von einer schweren bis zu gar keiner (u.U. von der Restitution abgesehen), etwa wenn ein Kind in einem Laden ein Bonbon stiehlt und dabei ertappt wird).
Auch bei Luxuria gibt es diese Abstufungen, Inzest, Raptus, Stuprum, Ehebruch sind schlimmer zu bewerten (und somit zu ahnden), als einfache Unzucht. Und es ist bei weitem nicht so, als hätte die Kirche ihr Augenmerk nur auf die Luxuria gerichtet!
Ich wiederhole meine Ausgangsfrage: bist Du der Meinung, daß ein Staat (soweit es ihm möglich ist) einer Verpflichtung unterliegt, jede Tatfolge einer "Hauptsünde" zu bestrafen?
Eine grundsätzliche Antwort ist enthalten im ersten Satz des zweiten Zitats.
Was dann folgt, sind Beispiele, bejahend oder verneinend, je nach Fall.

Eine umfassende Antwort würde aber bedeuten, die gesamte Kasuistik im einzelnen durchzugehen.
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Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 23:30
Ich suche nach einer inneren Kohärenz kirchlicher politischer Aktivitäten.
IMHO ist es so, daß die Kirche ihre in der Moraltheologie entwickelten Vorstellungen nicht eins zu eins in positive juristische Normen umsetzen lassen will. Eine Form der Selbstbeschränkung im Wissen um die Komplexität sozialer Interaktionen und Prozesse.

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Wenn es wirklich so sein sollte, dass salus animarum suprema lex ist, dann spielt es aus erzieherischen Gründen (siehe Exkommunikation, die genau dem dient) keine Rolle, um welche der Hauptsünden es sich handelt. Alle gefährden deutlich das Heil. Provokant gesagt ein Vollrausch genauso wie Ehebruch.
Wenn das eine in der Gesetzgebung die Kirche nicht die Bohne interessiert (trotz des suprema lex), warum dann das andere?

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Protasius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Protasius »

Ralf hat geschrieben:
Sonntag 9. April 2017, 19:52
Wenn es wirklich so sein sollte, dass salus animarum suprema lex ist, dann spielt es aus erzieherischen Gründen (siehe Exkommunikation, die genau dem dient) keine Rolle, um welche der Hauptsünden es sich handelt. Alle gefährden deutlich das Heil. Provokant gesagt ein Vollrausch genauso wie Ehebruch.
Wenn das eine in der Gesetzgebung die Kirche nicht die Bohne interessiert (trotz des suprema lex), warum dann das andere?
Mal umgekehrt gefragt: Inwieweit ist deiner Meinung nach ein Ehebruch in der Gesetzgebung der Kirche relevant? Mir fällt da nur der Fall eines dauerhaften öffentlichen Ehebruchs durch weltliche Wiederverheiratung trotz bestehendem Eheband ein. Ein einzelner Fall von Ehebruch ist zunächst nur für den Beichtvater von Bedeutung (und durch das Kirchenrecht mW nur insofern geregelt, als der Beichtvater nicht davon lossprechen kann, wenn er am Ehebruch selbst beteiligt war).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Mir geht es um das Verstehen der kirchliche Motivation. Da ist mir erst in letzter Zeit klar geworden, daß ich es nicht nachvollziehen kann.
So ist bspw. auf Malta die Scheidung als staatl. Akt erst eit 2011 erlaubt - gegen den starken Willen der Kirche.

Warum wehrt sich die Kirche gegen so etwas? Nun, sie ist natürlich der Meinung, daß die Feststellung der Zerrüttetheit des sakramentalen Bandes eine Sünde darstellt - das wird sie auch immer so sehen, egal was die Gesetze sagen.

Doch die Sünde selbst scheint zumindest in meiner Wahrnehmung gar nicht die Hauptmotivation kirchlicher politischer Lobbyarbeit zu sein, sondern das, was allgemein als "Auswirkung auf die Gesellschaft" bezeichnet wird.

Ich wage mal zu behaupten, daß der hierzulande millionenfache Alkoholismus, der ja nicht selten mit Vollrausch als "Gula in Aktion" einhergeht, einen viel größeren gesellschaftlichen Schaden angerichtet hat und anrichtet als alle Ehebrüche, Scheidungen und Schwulenehen zusammen.

Doch da hört man von der Kirche - nichts. Zumindest keine politische Lobbyarbeit. Ich weiß bspw. nicht - und das wäre hier interessant zu erfahren - wie die katholische Position während der "prohibition" in den USA war ...

Und wir wundern uns, daß uns vorgeworfen wird, wir wären auf Schlafzimmergeschichten fixiert. Ist doch mehr als nachvollziehbar.

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