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Der Dalai Lama und das Euthyphron-Dilemma

Verfasst: Freitag 21. August 2015, 10:50
von Jarom1
Der Dalai Lama hat ein Buch veröffentlicht, das den Untertitel "Ethik ist wichtiger als Religion" trägt.

Dies führt mich zum Euthyphron-Dilemma (https://de.wikipedia.org/wiki/Euthyphron-Dilemma):
Wikipedia hat geschrieben: Das Euthyphron-Dilemma ist ein philosophisches und theologisches Problem, das ansatzweise erstmals von dem griechischen Philosophen Platon in seinem fiktiven, literarisch gestalteten Dialog Euthyphron formuliert wurde.

Allgemein ausgedrückt geht es um die Frage, ob etwas deswegen ethisch richtig ist, weil es dem Willen einer Gottheit entspricht, oder ob es an und für sich ethisch richtig ist und aus diesem Grund von der Gottheit gewollt wird. Wenn das ethisch Richtige als das Gottgefällige definiert wird, haben Begriffe wie „gut“ und „richtig“ keinen eigenen Inhalt, sondern besagen nur, dass etwas von einer Gottheit gewollt wird. Dann sind alle ethischen Aussagen auf Aussagen über den göttlichen Willen reduzierbar und die Ethik hat keine eigenen Kriterien, nach denen sie etwas beurteilen könnte. In diesem Fall gibt es keine Ethik als eigenständige philosophische Disziplin. Wenn hingegen das ethisch Richtige eigene Merkmale aufweist, aus denen sich seine Definition ergibt, dann ist die Gottgefälligkeit kein Teil der Definition und somit kein Kriterium für ethische Urteile. In diesem Fall existiert eine ethische Norm, an die auch die Gottheit gebunden ist, sofern die Aussage „Gott ist gut“ bzw. „Die Götter sind gut“ zutreffen soll. Dadurch erscheint diese Norm als höchste Instanz, die sogar dem göttlichen Willen übergeordnet ist. Das ist mit manchen theologischen Lehren nicht vereinbar.
Kann es eine Ethik ohne Bindung an eine konkrete Religion geben?

Re: Der Dalai Lama und das Euthyphron-Dilemma

Verfasst: Freitag 21. August 2015, 11:29
von Tinius
Sicherlich. Ein Beispiel ist die reale Religionspraxis der paganen Kulte im Römischen Reich und im klassischen Griechenland.

Re: Der Dalai Lama und das Euthyphron-Dilemma

Verfasst: Montag 24. August 2015, 10:46
von Jarom1
Tinius hat geschrieben:Sicherlich. Ein Beispiel ist die reale Religionspraxis der paganen Kulte im Römischen Reich und im klassischen Griechenland.
Meinst Du damit, dass die Ethik in der Antike "neben" oder unabhängig von den paganen Kulten existierte und von ihnen nicht direkt beeinflusst wurde?

Re: Der Dalai Lama und das Euthyphron-Dilemma

Verfasst: Montag 24. August 2015, 11:07
von Juergen
Jarom1 hat geschrieben:Kann es eine Ethik ohne Bindung an eine konkrete Religion geben?
Letztlich geht es bei der Frage gar nicht so sehr um Religion, sondern um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Letztbegründung (vgl. Münchhausen Trilemma).

Re: Der Dalai Lama und das Euthyphron-Dilemma

Verfasst: Montag 24. August 2015, 11:09
von Tinius
Jarom1 hat geschrieben:
Tinius hat geschrieben:Sicherlich. Ein Beispiel ist die reale Religionspraxis der paganen Kulte im Römischen Reich und im klassischen Griechenland.
Meinst Du damit, dass die Ethik in der Antike "neben" oder unabhängig von den paganen Kulten existierte und von ihnen nicht direkt beeinflusst wurde?
Ja. Eine besondere Beeinflussung durch pagane Kulte kann nicht vorliegen, weil diese Kulte nicht das waren, was wir heute unter Releigion und Religionsausübung verstehen.
Ich kann dir gerne einige Fachliteratur nennen, die diesen Themenkreis behandelt.

Re: Der Dalai Lama und das Euthyphron-Dilemma

Verfasst: Montag 24. August 2015, 13:33
von Jarom1
Tinius hat geschrieben:Ich kann dir gerne einige Fachliteratur nennen, die diesen Themenkreis behandelt.
Gerne, das würde mich interessieren.