Atheismus und Ethik

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
anselm
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Beitrag von anselm »

Peter hat geschrieben:...
Was, um ganz hart bei der Ausgangsfrage zu bleiben, könnte eine Gesellschaft bewegen, sich zum Beispiel nicht ihrer Alten zu entledigen, sobald, rein innerweltlich betrachtet, der Tod für sie ein sanfterer Zustand wäre, zumal wenn es die Rentenkassen enorm entlasten, ja, vor dem Kollaps bewahren würde?
Also, ich hoffe, dass das eine der einfacheren Augaben ist :kratz:

Jeder Mensch wird einmal alt, krank, "gesellschaftlich unnütz". Das weiss auch so ziemlich jeder, der aus dem Krabbelalter heraus ist. Zumindest die Leute, die Gesetze machen, so zwischen Mitte 30 und Mitte 60, wissen das.
Ein Gesetz, das sich für die Entledigung aller alten Menschen aussprechen würde, würde sich ausnahmslos gegen jeden richten. Warum sollte z.B. ich einem solchen Gesetz heute zustimmen, wenn ich weiss, dass ich in ein paar Jahren oder Jahrzehnten selbst davon betroffen bin? Das könnte ich nur dann, wenn ich mir entweder aus meiner Zukunft nichts mache oder wenn ich sowieso keine Zukunft mehr habe. Das dürfte aber nur auf relativ wenige Menschen zutreffen. Schließlich und endlich ist der so genannte Selbsterhaltungstriebe vermutlich der stärkste überhaupt (oder einer der stärksten).

Meine Folgerung: ein einigermaßen vernünftig denkender Mensch, der Interesse daran hat, eine einigermaßen selbstbestimmte Zukunft zu haben, wird einem solchen Vorhaben niemals zustimmen. Ich denke, das dürfte die Mehrheit aller Menschen zu so ziemlich allen Zeiten sein.

Ich hoffe, dass dich das überzeugt. :roll:

Es soll allerdings Gesellschaften gegeben haben, bei denen das Aussetzen der Alten aus genau dem von dir angegebenen Grund tatsächlich praktiziert und die Menschen sich damit arrangiert haben (weil sonst das Überleben der Gruppe nicht möglich gewesen wäre - Unterordnung unter die Selbsterhaltung der Gruppe).

Aber warum soll es nicht möglich sein, dass das Teil bestimmter Religionen war (oder sein wird)?

Zu guter Letzt: diese beiden Einwände betreffen (oder betrafen) jedenfalls nur sehr seltene Ausnahmen.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ anselm
anselm hat geschrieben:
platon hat geschrieben:Peter Singer ist der, der behauptet hat, das Leben von ausgewachsenen Schweinen sei wertvoller als das ungeborene Leben. Daß der Mann nicht ganz dicht ist, dürfte damit wohl klar sein, und seine Theorien, wenn er welche hat, helfen ihn nicht dazu, seine Perversität zu erkennen. Du meinst nicht etwa ihn????
Doch, den meine ich. Dass seine Überlegungen sehr(!) umstritten sind ist schon klar. Aber seine Argumentation ist gar nicht so einfach zu widerlegen.
Er geht eben nicht von Arten oder Rassen von Lebewesen aus sondern von deren Eigenschaften z.B,. hinsichtlich Empfindungsfähigkeit, Bewusstsein, Zukunftsfähigkeit....
Außerdem sagt er z.B. nicht, dass (bestimmte) Menschen auf das heute niedrige ethische Niveau von Tieren herabsinken, sondern dass bestimmte Tiere auf das hohe Niveau von Menschen angehoben werden sollten.
Dein Wortgebrauch - und auch der von Peter Singer - erinnern fatal an die Lingua Tertii Imperii! :sauer: :sauer:

GsJC
Raphael

anselm
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Beitrag von anselm »

Raphael hat geschrieben: Dein Wortgebrauch - und auch der von Peter Singer - erinnern fatal an die Lingua Tertii Imperii! :sauer: :sauer:
Diese Anmerkung empfinde ich als reichlich unfair.
Weder Inhalte noch Intentionen haben etwas mit dem Nazi-Regime zu tun.

Außerdem geht man mit unangenehmen Argumentationen am besten dadurch um, dass man sie widerlegt. Wenn Ideen (wie die von Singer) erst einmal ausgesproche sind, dann lassen sie sich nicht mehr so einfach beseitigen. Ausser eben durch Widerlegen.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Anselm, Singer muss mit seinen Thesen damit rechnen, zu bestimmten Kreisen gezählt zu werden. So dumm ist er ja nicht, dass er das nicht selbst weiß.
Ich denke nicht, dass es unfair ist, dies zu erwähnen - Singer hat die Verantwortung für das, was er schreibt, nicht wir, die wir hier diskutieren.
Und bestimmte Themen kann man nicht einfach abtrennen gedanklich von der Geschichte unseres Landes ... so abstrakt kann und mag ich nicht denken.

Ich würd mal sagen, Singer existiert nicht im luftleeren und wertfreien Raum ... Assoziationen, Rückschlüsse und Verknüpfungen müssen, dürfen und sollen sein. Auch wenn det janze aus'm outback kommt ...

Geronimo

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platon
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Beitrag von platon »

anselm hat geschrieben:Aber seine Argumentation ist gar nicht so einfach zu widerlegen.
Lieber Anselm,

denkst Du wirklich, geistig behinderte Menschen hätten keine Würde? Oder meinst Du, sie hätten weniger Würde wie der Universitätsprofessor?

Und was ist mit einem Menschen, der 3 Wochen in Komma war? Hätte man aus ihm Hühnerfrikasse machen können, solange er noch in Komma war? Und wie ist es mit schlafenden Menschen?

Desweiteren gibt es Länder in Afrika, wo man als Gift für die Frau 10 Kühe zu geben pflegt. Eine Frau ist aber viel mehr wert als noch so viele Kühe. Genauer gesagt, können die ganzen Rinderherde der Welt nicht gegen das Leben eines einzigen Menschens aufgewogen werden.

Ich lasse mir außerdem es nicht nehmen, Tiere essen zu dürfen, weder ein Hähnchen noch ein Schimpanze. Oder meinst Du etwa, man wird ein Wilderer mit dem Leben bestrafen müssen, der vorhat, 3 Schimpanzen zu töten. In so manchen Kriegen in Mittelamerika hat man gerne Affen gegessen, solange die Art nicht bedroht war, warum denn nicht? Darf mein Nachbar jemand töten, der seinen Hund erschießen will, weil der Hund im Begriff ist, ein Kind zu beißen?

Wenn hier also der ethische Bezug zum Leben nicht stimmt, dann umso weniger die Theorien. Ich würde sagen, ein Mann wie Peter Singer hat seine oberfächliche Theorie absolut gesetzt, und danach hat er die Konsequenzen fürs Leben gezogen.

Sorry, perverser als Peter Singer sind nur solche Leute, die selbst zu Richtern und Henkern über ein anderes Leben werden. Peter Singer liefert ihnen ein Teil der nötigen Ideologie.

Grüße, Carlos
Fides quaerens intellectum
(Anselm von Canterbury)

Micha

Beitrag von Micha »

platon hat geschrieben:Desweiteren gibt es Länder in Afrika, wo man als Gift für die Frau 10 Kühe zu geben pflegt.

Uff, nochmal Schwein gehabt, dass ich nicht in Afrika lebe!:mrgreen:
platon hat geschrieben:Eine Frau ist aber viel mehr wert als noch so viele Kühe.
:freude: :freude: :freude:
Sorry Carlos, das ist nicht böse gemeint, es klingt nur so herrlich komisch!
(Deutsch ist bestimmt nicht deine Muttersprache, mein Spanisch ist dagegen ein Zwerglein)

anselm
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Beitrag von anselm »

Hallo Platon,
ich versuche mal, deine Anmerkungen so zu beantworten, wie es vielleicht Singer tun würde (jedenfalls soweit ich seine Ansätze kenne und verstehe).
platon hat geschrieben:denkst Du wirklich, geistig behinderte Menschen hätten keine Würde? Oder meinst Du, sie hätten weniger Würde wie der Universitätsprofessor?

Ich glaube, Singer würde Menschen mit schweren geistigen Störungen auf die Stufe mit den von später zitierten Schimpansen stellen. Daraus würde er übrigens auch ableiten, dass man Schimpansen nicht aufessen sollte.
platon hat geschrieben: Und was ist mit einem Menschen, der 3 Wochen in Komma war? Hätte man aus ihm Hühnerfrikasse machen können, solange er noch in Komma war? Und wie ist es mit schlafenden Menschen?
Bei Menschen, die unwiederruflich im Koma liegen und deren Gehirn irreparabel zerstört wäre, würde Singer vermutlich zu aktiver Sterbehilfe raten (sofern die Angehörigen zustimmen und keine nennenswerten Zweifel an der Lage des Patienten besteht).
platon hat geschrieben: Desweiteren gibt es Länder in Afrika, wo man als Gift für die Frau 10 Kühe zu geben pflegt. Eine Frau ist aber viel mehr wert als noch so viele Kühe. Genauer gesagt, können die ganzen Rinderherde der Welt nicht gegen das Leben eines einzigen Menschens aufgewogen werden.
Dem würde Singer vermutlich zustimmen. Aber deshalb, weil Menschen sich auf einer höheren Bewusstseinsstufe befinden und Zukunftsfähig sind. Im Gegensatz zu Rindern.
platon hat geschrieben: Ich lasse mir außerdem es nicht nehmen, Tiere essen zu dürfen, weder ein Hähnchen noch ein Schimpanze. Oder meinst Du etwa, man wird ein Wilderer mit dem Leben bestrafen müssen, der vorhat, 3 Schimpanzen zu töten. In so manchen Kriegen in Mittelamerika hat man gerne Affen gegessen, solange die Art nicht bedroht war, warum denn nicht? Darf mein Nachbar jemand töten, der seinen Hund erschießen will, weil der Hund im Begriff ist, ein Kind zu beißen?
Hm, in diesem Fall würde Singer sage, Huhn aufessen ja, Schimpanse nein. Warum: weil der Schimpanse relativ menschenähnlich ist, insofern er z.B. über eine Art Selbstbewusstsein verfügt, möglicherweise planerisch vorgeht und zumindest seine kurzfristige Zukunft "denken" kann. Sehr viel Spekulation, ich weiss. In diesem Punkt stimme ich mit Singer ausdrücklich überein.
Beim Huhn wäre die Argumentation: das Huhn sollte artgerecht gehalten werden und schmerzfrei getötet werden.
Deine Anmerkung mit dem Hund ist Quark. Tschuldigung für die deutliche Sprache. Natürlich würde auch Singer deine Frage verneinen.
platon hat geschrieben: Wenn hier also der ethische Bezug zum Leben nicht stimmt, dann umso weniger die Theorien. Ich würde sagen, ein Mann wie Peter Singer hat seine oberfächliche Theorie absolut gesetzt, und danach hat er die Konsequenzen fürs Leben gezogen.
Sorry, perverser als Peter Singer sind nur solche Leute, die selbst zu Richtern und Henkern über ein anderes Leben werden. Peter Singer liefert ihnen ein Teil der nötigen Ideologie.
Die Theorien von Singer sind alles andere als oberflächlich. Dass sie gefährlich sein können steht aber auch ausser Frage. Die mögliche Gefährlichkeit seiner Theorien wäre ein gutes pragmatisches Gegenargument dafür, seine Ansichten in zweifelsfreien Fällen umzusetzen.
Interessanterweise ist Singer vehementer Verfechter von Tierrechten. Seine persönliche ethische Einstellung kann so schlecht nicht sein.

Micha

Beitrag von Micha »

anselm hat geschrieben: Huhn aufessen ja, Schimpanse nein.
Richtig; denn Schimpansen übertragen AIDS :(

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Nun, Anselm - was soll uns das denn jetzt sagen? Willst du Singers Thesen widerlegen?
Oder erwartest du das etwa von uns?

Es fällt mir äußerst schwer, bei der Singerschen Ideologie ruhig Blut zu bewahren ...ächz.

Diese Ideologie ist für mich keine Diskussionsgrundlage, Anselm. Für dich mag das eine angeblich sachliche Diskussion sein; diese Art von angeblicher Sachlichkeit bereitet mir ganz gewaltige Bauchschmerzen. So kann man jeden noch so inhumanen faschistischen Gedanken hin und herwälzen, bis man vergißt, was eigentlich der Inhalt ist, weil man selbst so so berauscht ist von der eigenen Intelligenz beim Argumentieren.

Singer ist hier genug zitiert worden. Er ist ein Nazi - punktum. Solche Thesen können hier mal kurz vorgestellt werden - es gibt aber eine Grenze dabei. Diese bitte ich wahrzunehmen und sorgfältig zu bedenken.

Danke.

Geronimo

Peter
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Beitrag von Peter »

Ich finde, hier klafft einfach nur der Graben zwischen den verschiedenen Auffassungen vom Menschen. halte dich nicht für ganz konsequent, lieber Anselm, da ich meine, dass du immer noch Vorstellungen von der prinzipiellen Unantastbarkeit menschlichen Lebens mit dir herumschleppst, die du allerdings aus deiner Ideologie heraus nicht begründen kannst. Jedenfalls konntest du das m. E. nicht plausibel machen.

Was man hier im letzten tun kann, ist Standpunkte darlegen. Dein Standpunkt wäre in dieser Frage interessant, denn an kritischen Stellen distanzierst du dich ja durchaus von seiner Position.

anselm
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Beitrag von anselm »

Geronimo hat geschrieben:...
Diese Ideologie ist für mich keine Diskussionsgrundlage, Anselm. Für dich mag das eine angeblich sachliche Diskussion sein; diese Art von angeblicher Sachlichkeit bereitet mir ganz gewaltige Bauchschmerzen. So kann man jeden noch so inhumanen faschistischen Gedanken hin und herwälzen, bis man vergißt, was eigentlich der Inhalt ist, weil man selbst so so berauscht ist von der eigenen Intelligenz beim Argumentieren.

Singer ist hier genug zitiert worden. Er ist ein Nazi - punktum. Solche Thesen können hier mal kurz vorgestellt werden - es gibt aber eine Grenze dabei. Diese bitte ich wahrzunehmen und sorgfältig zu bedenken.
Du hast Recht: bei dieser Art von "Argumentation" (die ich eher billige Polemik nennen möchte) erübrigt sich eine weitergehende Antwort.
Ich könnte deinen diskussionsunwilligen Standpunkt ja verstehen, wenn in diesem Forum z.B. Kinder mitdiskutieren würden, deren Verständnis für Gedankenspiele leicht überfordert werden kann. Aber das scheint mir ja nicht der Fall zu sein.
Zuletzt geändert von anselm am Freitag 16. Juli 2004, 21:28, insgesamt 1-mal geändert.

anselm
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Beitrag von anselm »

Peter hat geschrieben:Ich finde, hier klafft einfach nur der Graben zwischen den verschiedenen Auffassungen vom Menschen. halte dich nicht für ganz konsequent, lieber Anselm, da ich meine, dass du immer noch Vorstellungen von der prinzipiellen Unantastbarkeit menschlichen Lebens mit dir herumschleppst, die du allerdings aus deiner Ideologie heraus nicht begründen kannst. Jedenfalls konntest du das m. E. nicht plausibel machen.

Was man hier im letzten tun kann, ist Standpunkte darlegen. Dein Standpunkt wäre in dieser Frage interessant, denn an kritischen Stellen distanzierst du dich ja durchaus von seiner Position.
Ich und nicht konsequent? Kann schon sein :mrgreen:

Mein Standpunkt ist nicht der Singer´sche Standpunkt. Jedenfalls nicht in allen Punkten. Warum auch, ich bin nicht sein Anwalt.

Zeugung und Tod (bzw. töten) sind für mich Schöpfung (bzw. negative Schöpfung) bei denen etwas gänzlich neues geschieht: ein menschliches Wesen, das vorher nicht da war (noch nicht einmal als Denkmöglichkeit) wird erzeugt, bzw. eines das da ist, in einen Zustand versetzt, der sich meinem Verstehen entzieht. Beides Akte metaphysischer Qualität. Und beides mit Verantwortung beladen, die ich nicht tragen kann.
Daher auch meine Auffassung der "Unantastbarkeit menschl. Lebens".

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platon
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Beitrag von platon »

anselm hat geschrieben:Deine Anmerkung mit dem Hund ist Quark. Tschuldigung für die deutliche Sprache. Natürlich würde auch Singer deine Frage verneinen.
Der Hund ist ein Dowerman in besten Jahren, und das Kind, das angefallen wird, ist ein behindertes Kind. Der Hund ist sozusagen "höher" entwickelt als das Kind. Jetzt will jemand das Kind retten, indem er den Hund erschießt. Darf der Hundebesitzer Gewalt anwenden, um seinen Hund zu retten? Sorry, in Singer schwirren perverse Gedanken....
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platon
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Beitrag von platon »

Ich würde sagen, ein behindertes Kind hat genauso viel Würde wie Du und ich, auch wenn es mongoloid ist.
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Micha

Beitrag von Micha »

platon hat geschrieben:Ich würde sagen, ein behindertes Kind hat genauso viel Würde wie Du und ich, auch wenn es mongoloid ist.
:ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja: :ja:

anselm
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Beitrag von anselm »

platon hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:Deine Anmerkung mit dem Hund ist Quark. Tschuldigung für die deutliche Sprache. Natürlich würde auch Singer deine Frage verneinen.
Der Hund ist ein Dowerman in besten Jahren, und das Kind, das angefallen wird, ist ein behindertes Kind. Der Hund ist sozusagen "höher" entwickelt als das Kind. Jetzt will jemand das Kind retten, indem er den Hund erschießt. Darf der Hundebesitzer Gewalt anwenden, um seinen Hund zu retten? Sorry, in Singer schwirren perverse Gedanken....
Hallo Platon,
du kannst aber sehr zugespitzte Fälle konstruieren :/
Die Singer´sche Ethikkonzeption muss ja nicht der Weisheit letzter Schluss sein, auch wenn der Grundgedanke (Berücksichtigung z.B. der Leidensfähigkeit) zu sinnvollen Ergebnissen führt wie z.b. der Einschränkung von Tierexperimenten und von Massentierhaltung.
Kaum akzeptable Fälle kommen aber auch bei anderen ethischen Leitlinien vor. Die katholische Auffassung, dass generell Abtreibung verboten ist, auch bei sehr schweren absehbaren Behinderungen wäre für mich so ein Fall.
Aber wie schon Peter festgestellt hat: die Standpunkte sind ausgetauscht, die Diskussion scheint nicht mehr übermäßig ertragbringend zu sein.
Es gibt hier im Forum sicherlich noch mehr Gelegenheiten, bei ethischen Fragen "die Klingen" zu kreuzen :roll: :shock:

Viele Gruesse
Anselm

Micha

Beitrag von Micha »

Auch ein noch so behindertes Kind ist Ebenbild Gottes - ein Hund keinesfalls!
(Die Hunderasse heißt übrigens: Dobermann)

anselm
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Beitrag von anselm »

Micha hat geschrieben:Auch ein noch so behindertes Kind ist Ebenbild Gottes - ein Hund keinesfalls!
(Die Hunderasse heißt übrigens: Dobermann)
Ein Kind ja. Aber auch ein Zellklumpen?

Micha

Beitrag von Micha »

J A !

Lucia

Beitrag von Lucia »

anselm hat geschrieben:
Micha hat geschrieben:Auch ein noch so behindertes Kind ist Ebenbild Gottes - ein Hund keinesfalls!
(Die Hunderasse heißt übrigens: Dobermann)
Ein Kind ja. Aber auch ein Zellklumpen?
Kommt drauf an, was Du unter einem "Zellklumpen" verstehst. Schließlich ist ein Tumor auch ein Zellklumpen - den sortiere ich nicht unter "Ebenbild Gottes" ein.

Eine befruchtete menschliche Eizelle - auch schon diese einzelne Zelle - ist für mich Mensch und Geschöpf nach dem Bild des Schöpfers geschaffen.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Ich nehme an, Anselm meint den Zellklumpen, den wir mal alle waren ;)

Ich denke jetzt gerade an dieses Urteil in Frankreich, wo dem Embryo die Personalität abgesprochen wurde (u.a. mit der Begründung, es sei auch gar nicht wünschenswert, den Beginn des menschlichen Lebens genau zu definieren). Mhm...

Was meinst du, Anselm - du als Zellklumpen oder gerade geteilte Eizelle? Oder auf dem Weg vom Eileiter in die Gebärmutter? Wo würdest du den Beginn deines eigenen Lebens ansetzen? Bei deinem ersten lauten Schrei?


Geronimo

Micha

Beitrag von Micha »

*derLuciafürihreUnterscheidungdankundheftigzustimm* :ja: :ja: :ja:
(bin nach 5 Std Gartenarbeit leicht lädiert...Bild)

Peter
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Beitrag von Peter »

Wir unterscheiden:

Der Hund heißt: Dobermann.

Der allseits bekannte Demagoge heißt …

Lucia

Beitrag von Lucia »

Peter hat geschrieben:
Der allseits bekannte Demagoge heißt …
Eu- gen "der wohlgeratene"
Oder?

anselm
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Beitrag von anselm »

Peter hat geschrieben:Wir unterscheiden:

Der Hund heißt: Dobermann.

Der allseits bekannte Demagoge heißt …
Peter? :aetsch:

Micha

Beitrag von Micha »

Der Kandidat hat 99 Punkte.
Die Waschmaschine gibt's erst ab 100 - ooooooooo :(

anselm
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Beitrag von anselm »

Ich möchte einige Punkte rekapitulieren und meine Fragestellung präzisieren:

- ich halte die Glaubenslehren der christlichen Kirchen für nicht akzeptabel,

- zahlreiche Philosophen haben den den Schluss gezogen, "dass alles erlaubt sei, wenn Gott nicht existiert"

- es gibt allerdings neuere Ansätze (z.B. von Peter Singer, Norbert Hoerster), die von einem evolutorisch geprägten Ansatz ausgehen und zu dem Ergebnis kommen, dass zentrale ethische Regeln dadruch entstehen, dass sie der Gesellschaft und der Mehrheit der einzelnen Menschen nützen

- Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass vernünftige ethische Regeln nicht durch die Annahme irrationaler Weltbilder "fundiert" werden müssen. Wobei diese keine wirkliche Fundierung herbeiführen, sondern nur die Verlagerung des Begründungsproblems in Bezug auf die Entscheidung für ein bestimmtes Glaubensgebäude verlagern. Damit ist aber nichts gewonnen, sondern nur das eigentliche Problem "vernebelt".

- Die Praxis spricht dafür, dass Atheisten nicht zu ethischer Willkür neigen. Jedenfalls nicht mehr als gläubige Christen :P , denn wenn ich mir so das Verhalten von Christen in Vergangenheit und Gegenwart anschaue, weiss ich wirklich nicht, was so wirksam an einer religiösen Ethikbegründung sein soll. Mal ganz davon abgesehen, dass sie immer mehr Menschen nicht einleuchtet.

- Dagegen steht das Argument, dass die gegenwärtigen Normen noch sehr stark durch das (absterbende?) Christentum geprägt seien und die Probleme erst später entstehen. Prinzipiell bedeutet diese Position eine sehr starke Skepsis gegenüber der Möglichkeit, ethische Regeln durch vernünftige Entscheidungen aufzustellen. Sie unterstreicht auch die Bedeutung, die religiösen Tabus beigemessen wird.

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platon
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Beitrag von platon »

Hallo Anselm,
anselm hat geschrieben:Ich möchte einige Punkte rekapitulieren und meine Fragestellung präzisieren:
- ich halte die Glaubenslehren der christlichen Kirchen für nicht akzeptabel,
Das ist Deine Meinung....
- zahlreiche Philosophen haben den den Schluss gezogen, "dass alles erlaubt sei, wenn Gott nicht existiert"
Ich habe diese Aussagen meist im Konjunktiv verstanden, daß "theoretisch" alles erlaubt sein müßte, wenn es Gott nicht gibt. Da aber davon nicht die Rede sein kann, daß alles erlaubt ist, muß zumindest gefordert werden, daß es Gott geben muß; anders ist ontologisch die Würde nicht zu verstehen.
- es gibt allerdings neuere Ansätze (z.B. von Peter Singer, Norbert Hoerster), die von einem evolutorisch geprägten Ansatz ausgehen und zu dem Ergebnis kommen, dass zentrale ethische Regeln dadruch entstehen, dass sie der Gesellschaft und der Mehrheit der einzelnen Menschen nützen
Daß diese Ansäze nichts helfen und zudem von der Theorie her äußerst pervers sind, ist bereits gezeigt worden.
- Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass vernünftige ethische Regeln nicht durch die Annahme irrationaler Weltbilder "fundiert" werden müssen.
Die Annahme der Existenz Gottes ist kein Irrationales sondern Überrationales. Den Begriff des Irrationalen und die Verwechslung mit dem Überrationalen verdanken wir hauptsächlich Popper. Wenn man ihn zu Ende denkt, muß also der Glaube an Gott (=das Übergroße Transzendente) den gleichen Rang wie der Glaube an rosa Einhörner (=der Unsinn) haben.
Wobei diese keine wirkliche Fundierung herbeiführen, sondern nur die Verlagerung des Begründungsproblems in Bezug auf die Entscheidung für ein bestimmtes Glaubensgebäude verlagern. Damit ist aber nichts gewonnen, sondern nur das eigentliche Problem "vernebelt".
Das Gute bedarf keiner "Fundierung", sondern es fundiert sich selbst. Etwas anderes ist die Frage, wie man denn am Besten dieses Phänomen des Guten am besten verstehen kann, und da bin ich der Meinung, daß man es besser im Blick hat, wenn man das Gute als Theophanie versteht.
- Die Praxis spricht dafür, dass Atheisten nicht zu ethischer Willkür neigen.
Da bin der gleichen Meinung. Die Ausnahmen, Lenin und andere Diktatoren, das waren wirklich Einzelfälle. Und selbst die härtesten Atheisten wären entrüstet, wenn man ihre Ehepartner anbaggern würde, mit der Begründung, sie würden sowieso nicht an die Sakramentalität der Ehe glauben. Die andere Frage ist nur, ob man zu einem Splitting von Denken und Fühlen kommt, wenn man der atheistischen Position bis auf die letzten metaphysischen Fragen folgt.
Jedenfalls nicht mehr als gläubige Christen :P , denn wenn ich mir so das Verhalten von Christen in Vergangenheit und Gegenwart anschaue, weiss ich wirklich nicht, was so wirksam an einer religiösen Ethikbegründung sein soll. Mal ganz davon abgesehen, dass sie immer mehr Menschen nicht einleuchtet.
Es gibt auf beiden Seiten dunkle Kapitel. Die Verfechter der französischen Revolution haben laut "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" gerufen, und dann haben die Kerle 5000 Priester und Ordensleuten umgebracht.
- Dagegen steht das Argument, dass die gegenwärtigen Normen noch sehr stark durch das (absterbende?) Christentum geprägt seien und die Probleme erst später entstehen. Prinzipiell bedeutet diese Position eine sehr starke Skepsis gegenüber der Möglichkeit, ethische Regeln durch vernünftige Entscheidungen aufzustellen. Sie unterstreicht auch die Bedeutung, die religiösen Tabus beigemessen wird.
Die Vernunft hat niemand abgeschlagen, Tabus sind im Bereich des Guten außerdem nötig, denn darüber zu diskutieren, ob Kindesmißhandlung in Ordnung sei, das ist pervers, da muß das Tabu nicht extra religiös verstanden werden. Wenn man aber vorhält, Gott sei nicht, dann gerät aber der Verstand vielmehr in zahlreichen Aporien, wo man anschließend schweigen muß und erklären muß, man wisse nicht, wie denn das Gute gut sei, es gelte einfach nur.

Grüße, Carlos
Fides quaerens intellectum
(Anselm von Canterbury)

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Allgemeines Einverständnis voraussetzend, schließe ich die Diskussion an diesem Punkt - die Argumente sind hinlänglich ausgetauscht und neue schwerlich zu erwarten.
Sollte Bedarf an weiteren Diskussionen bestehen, bitte in PWG diskutieren. Der Untertitel dieses Boards lautet "Allgemeine christliche Themen". Argumente auf der Basis "Die Glaubenslehren der Kirche sind für mich nicht akzeptabel" können hier nicht ausgetauscht werden.
Danke für die Diskussion!

Geronimo

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