Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Ralf

Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Hallo an alle,

ich beschäftige mich derzeit etwas intensiver mit der Frage nach der Gewaltlosigkeit und gewaltlosem Widerstand aus christlicher Motivation und komme immer mehr zu der Ansicht, dass dies die einzig richtige christliche Haltung sei (ich weiß, klingt überheblich).

Wie komme ich dazu? Dazu nur ganz stichpunktartig:

1. Jesus war gewaltos. Die "Geißel aus Stricken" (Joh 2,15) zur Tempelreinigung war die damals übliche Art, wie man Tiere antrieb, und er nutze sie dementsprechend für die Rinder und Schafe. Dass er damit die Händler verprügelte, wird nirgendwo erwähnt. Es passt auch nicht zu seinem sonstigen gewaltlosen Verhalten (Festnahme ohne Widerstand, Heilung des Ohres des Malchus, Aufforderung das Schwert nicht zu nutzen, Bergpredigt etc.)

2. Für uns ist nicht der Erfolg entscheidend, sondern die Nachfolge Jesu. Wir beten auch nicht, weil wir glauben, daß das sicher effektiv in unserem Sinne gelingt. Gewaltlosigkeit ist eine Art der Verherrlichung Gottes, prinzipiell so "effektiv" wie Rosenkranzbeten oder der Lobpreis durch Psalmen. Wir kennen nämlich nicht Martin Luther King und Gandhi, bloß weil sie gewaltlos waren, sondern weil sie etwas hatten, was Jesus zeitlebens verwehrt blieb: Erfolg mit ihrer Methode. Wieviele gewaltlose Widerstandskämpfer mag es gegeben haben, die mangels Erfolg nur im Buch des Lebens verzeichnet sind, aber nicht im Buch des Menschheitswissens? Doch die Nachfolge ist ein Maßstab für sich, nicht ein möglicher Erfolg oder Mißerfolg.

3. Ohne die Auferstehung Jesu macht Gewaltlosigkeit keinen Sinn, mit ihr aber ist sie ein essentieller Part dessen, worum es uns vor allem gehen muss: das Reich Gottes.

Andere Meinungen?

Pilgerer
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Pilgerer »

Ralf hat geschrieben:ich beschäftige mich derzeit etwas intensiver mit der Frage nach der Gewaltlosigkeit und gewaltlosem Widerstand aus christlicher Motivation
Bei christlicher Gewaltlosigkeit geht es eigentlich eher darum, die himmlische Ethik schon jetzt zu leben. Wenn Christen in ihrem Verhalten sich nicht von Heiden unterscheiden, wo ist dann ihr Zeugnis von der Kraft Christi und vom Reich Gottes? Wo ist das Neue, das Besondere der Christen sichtbar?

Wenn wir bei Stephanus anfangen, dann sehen wir, wie das Licht Gottes durch seine übermenschliche Feindesliebe unübersehbar strahlt. Gerade in seiner körperlichen Schwäche bei der Steinigung bekommt er durch die Befolgung der himmlischen Ethik eine übermenschliche Kraft. Durch Jesus Christus haben Christen, wenn sie diesen Weg praktizieren, Zugang zum Himmel. Denn die Gemeinschaft mit Gott ist der Himmel, und weil sie bei Jesus Christus wieder möglich ist, ist die Gemeinschaft mit Jesus schon der Beginn des Himmels. Diese Gemeinschaft wird gestärkt, wenn wir uns den Geist und die Gesinnung des Himmels stärker aneignen.
Ralf hat geschrieben:2. Für uns ist nicht der Erfolg entscheidend, sondern die Nachfolge Jesu. Wir beten auch nicht, weil wir glauben, daß das sicher effektiv in unserem Sinne gelingt. Gewaltlosigkeit ist eine Art der Verherrlichung Gottes, prinzipiell so "effektiv" wie Rosenkranzbeten oder der Lobpreis durch Psalmen. Wir kennen nämlich nicht Martin Luther King und Gandhi, bloß weil sie gewaltlos waren, sondern weil sie etwas hatten, was Jesus zeitlebens verwehrt blieb: Erfolg mit ihrer Methode. Wieviele gewaltlose Widerstandskämpfer mag es gegeben haben, die mangels Erfolg nur im Buch des Lebens verzeichnet sind, aber nicht im Buch des Menschheitswissens? Doch die Nachfolge ist ein Maßstab für sich, nicht ein möglicher Erfolg oder Mißerfolg.
Recht bekannt sind die "Friedenskirchen" der radikalen Reformation. Die Mennoniten etwa sagen in ihren Grundsätzen: "5. Der Geist Jesu gibt uns die Kraft, Gott in allen Lebensbereichen zu vertrauen. So werden wir Friedensstifter, die der Gewalt absagen, ihre Feinde lieben, nach Gerechtigkeit trachten und ihren Besitz mit Notleidenden teilen." http://www.mennoniten.de/glaubensueberzeugungen.html
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Maurus
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Maurus »

Sicher sollte ein Christ gewaltlos leben. Die Frage ist eben, was geschieht, wenn man ihn nicht gewaltlos leben lassen will. Soll er sich dann abschlachten lassen, oder darf er sich wehren?

In der Urkirche durfte ein Soldat nicht Christ werden, wenn er seinen Beruf nicht aufgeben wollte. Das ist ein Indiz dafür, dass die Urkirche die Gewaltlosigkeit hoch einschätzte. Das Problem des Christentums aber war dann der eigene Erfolg: Nachdem es Staatsreligion geworden war und damit irgendwann alle Europäer von wenigen Ausnahmen abgesehen Christen waren, musste man doch christliche Heere aufstellen, denn das Territorium war stets von außen bedroht. Anders ausgedrückt: Wenn das Christentum nicht pragmatisch mit der Frage der Gewaltlosigkeit umgegangen wäre, dann gäbe es heute gar keines mehr.

Das ist die Problematik, die ich bei der grundsätzlichen Forderung sehe. Allerdings wird die Welt ja auch sicherer. Der Dienst an der Waffe wird in Europa heute nur noch von vergleichsweise Wenigen ausgeübt, die Zeiten der Staatsreligion sind vorbei. Heute ist die Forderung sicher einfacher zu leben, allerdings muss man sich im Klaren sein, dass es auch weiterhin nur geht, weil andere eben doch Soldat werden und allein schon durch die Präsenz mögliche Annektionsversuche abwehren. Den alten Spruch si vis pacem, para bellum halte ich da nach wie vor für aktuell.

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Gamaliel
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Gamaliel »

Ralf hat geschrieben:Hallo an alle,

ich beschäftige mich derzeit etwas intensiver mit der Frage nach der Gewaltlosigkeit und gewaltlosem Widerstand aus christlicher Motivation und komme immer mehr zu der Ansicht, dass dies die einzig richtige christliche Haltung sei (ich weiß, klingt überheblich).
Du müßtest einmal definieren (bzw. beschreiben) was Du überhaupt unter Gewalt/Gewaltlosigkeit verstehst.
Sodann stellt sich die Frage, ob es Dir um physische und/oder psychische und/oder moralische Gewalt geht.
Und was ist mit "die einzig richtige christliche Haltung" gemeint? Heißt das, daß nur diese Haltung lobenswert ist oder auch, daß eine abweichende Haltung sündhaft ist.

Zu Deiner allgemeinen Frage rufe ich ganz allgemein die katholische Lehre zum elterlichen Züchtigungsrecht in Erinnerung.
Außerdem verweise ich auf einen Vortrag des Bonner Altphilologen Dr. H.-L. Barth zum Thema: "Darf ein Jünger Jesu Wehrdienst leisten?"
(mp3-Download)

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Athanasius0570
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Athanasius0570 »

Maurus hat geschrieben:In der Urkirche durfte ein Soldat nicht Christ werden, wenn er seinen Beruf nicht aufgeben wollte. Das ist ein Indiz dafür, dass die Urkirche die Gewaltlosigkeit hoch einschätzte. Das Problem des Christentums aber war dann der eigene Erfolg: Nachdem es Staatsreligion geworden war und damit irgendwann alle Europäer von wenigen Ausnahmen abgesehen Christen waren, musste man doch christliche Heere aufstellen, denn das Territorium war stets von außen bedroht. Anders ausgedrückt: Wenn das Christentum nicht pragmatisch mit der Frage der Gewaltlosigkeit umgegangen wäre, dann gäbe es heute gar keines mehr.
Da widersprichst du dir ein wenig selbst. Denn nach der Logik, die du am Ende dieses Absatzes anwendest, hätte das Christentum schon früher aufhören müssen, zu existieren. Es hat sich ja gegen die Gewalt des römischen Staates durchgesetzt. Nicht aufgrund von eigener Gewaltanwendung, sondern im Vertrauen auf Gott.
In Nordafrika ist das Christentum trotz der "christlichen" römischen Heere verschwunden. In Europa ist es auch ganz ohne die befürchtete Überwältigung durch den Islam am Verschwinden.
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

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overkott
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von overkott »

Die Kernfrage ist, ob Jesus der seit Jesaja erwartete Friedenbringer ist und ob es dabei nur um den persönlichen Seelenfrieden geht, der alles theologisch Sagbare und übersteigt.

Die Sehnsucht danach ist heute noch groß.

Der heilige Bonaventura kannte Brüder, die über eine theologische Erfahrung durch Spekulation und Reflexion über die Schöpfung hinaus noch etwas ganz anderes erleben wollten.

Legendär war zu seiner Zeit, wie Franziskus in der Gestalt des Seraphen dem Gekreuzigten begegnet ist, der ihn leiblich spürbar als sichtbaren Beweis mit seinen heiligen Wundmalen besiegelte.

Wie konnte man Gott so intensiv begegnen, wenn nicht fern ab aller weltlichen Händel in der Wildnis auf dem heiligen Berg?

Gottes Gebot der Nächstenliebe meint natürlich nicht nur den persönlichen Seelenfrieden, sondern ein friedliches Zusammenleben wie in der Geist erfüllten Urgemeinde und der Welt des barmherzigen Samariters.

Wie aber kann man ein friedliches Zusammenleben anders als die Herrscher dieser Welt erreichen, die Böses mit Bösem Auge um Auge vergelten?

Führt der friedliche Weg nicht zum Kreuz?

Gegenfrage: Welcher Weg führt nicht dorthin?

Kann man zur himmlischen Ehre gelangen durch einen Tod in Sünde?

In der Not ist alles erlaubt, lautete die Generalklausel auch bei den Franziskanern, woraus sich das Recht auf Notwehr ergibt.

Aber darf man sich selbst in Gefahr begeben?

Muss man weltliche Herrschaft, staatliche Gewalt, inklusive Polizei- und Militärdienst suchen?

Oder gibt es auch alternative Berufungen?

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Pilgerer hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:ich beschäftige mich derzeit etwas intensiver mit der Frage nach der Gewaltlosigkeit und gewaltlosem Widerstand aus christlicher Motivation
Bei christlicher Gewaltlosigkeit geht es eigentlich eher darum, die himmlische Ethik schon jetzt zu leben. Wenn Christen in ihrem Verhalten sich nicht von Heiden unterscheiden, wo ist dann ihr Zeugnis von der Kraft Christi und vom Reich Gottes? Wo ist das Neue, das Besondere der Christen sichtbar?
So ist es. Einer der Herausgeber sagt in einem Interview genau dasselbe:
Followers of Jesus are told to pick up their cross (not a sword) and respond to violence in the manner that he responded to it so that the world can know the original and intended ontological peace that underwrites creation. Otherwise, non-Christians look at Christians and think, “Wow, there really is no difference between how we actually see and live in the world from how they see and live in the world. How terribly uninteresting.”

I’m all about interesting. Let’s be interesting, for once.

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Maurus hat geschrieben:Sicher sollte ein Christ gewaltlos leben. Die Frage ist eben, was geschieht, wenn man ihn nicht gewaltlos leben lassen will. Soll er sich dann abschlachten lassen, oder darf er sich wehren?
Es gibt mehr als diese zwei Alternativen, die Flucht bspw.

Solange das Wehren gewaltlos geschieht, ist das auch vollkommen in Ordnung.

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Maurus
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Maurus »

Athanasius0570 hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:In der Urkirche durfte ein Soldat nicht Christ werden, wenn er seinen Beruf nicht aufgeben wollte. Das ist ein Indiz dafür, dass die Urkirche die Gewaltlosigkeit hoch einschätzte. Das Problem des Christentums aber war dann der eigene Erfolg: Nachdem es Staatsreligion geworden war und damit irgendwann alle Europäer von wenigen Ausnahmen abgesehen Christen waren, musste man doch christliche Heere aufstellen, denn das Territorium war stets von außen bedroht. Anders ausgedrückt: Wenn das Christentum nicht pragmatisch mit der Frage der Gewaltlosigkeit umgegangen wäre, dann gäbe es heute gar keines mehr.
Da widersprichst du dir ein wenig selbst. Denn nach der Logik, die du am Ende dieses Absatzes anwendest, hätte das Christentum schon früher aufhören müssen, zu existieren. Es hat sich ja gegen die Gewalt des römischen Staates durchgesetzt.
Die Frage ist halt, ob die Verfolgung durch römische Behörden und die Besetzung durch islamische Truppen nicht ein Unterschied ausmachen: militärisch, gesellschaftlich und meinetwegen auch religionssoziologisch. Das römische System konnte das Christentum aushölen, es war ein System, dass sich einfach überlebt hatte. Das war beim neu entstanden Islam nicht der Fall. Zudem war das römische System religiöser Pluralität grundsätzlich aufgeschlossener als der Islam, auch wenn das heute vielleicht nochmal ärger ist als damals.

Athanasius0570 hat geschrieben:Nicht aufgrund von eigener Gewaltanwendung, sondern im Vertrauen auf Gott.
Einmal das, aber auch, weil es schlicht überzeugender war. Trotz aller Verfolgung.
Athanasius0570 hat geschrieben:In Nordafrika ist das Christentum trotz der "christlichen" römischen Heere verschwunden. In Europa ist es auch ganz ohne die befürchtete Überwältigung durch den Islam am Verschwinden.
Richtig, aber ich habe auch nicht behauptet, dass die Existenz christlicher Soldaten das Überleben des Christentums garantiert. Es ging mit lediglich darum, dass sich bei Beibehaltung der urkirchlichen Politik gegenüber dem Soldatentum 732 keine Truppen existiert hätten, die den islamischen Vormarsch in Frankreich gestoppt hätten. Ob das Christentum dann überlebt hätte, ist in meinen Augen fraglich.

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

overkott hat geschrieben:In der Not ist alles erlaubt, lautete die Generalklausel auch bei den Franziskanern, woraus sich das Recht auf Notwehr ergibt.
So eine Klausel gab es nie. Schon gar nicht bei den Franziskanern.

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Maurus
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Maurus »

Ralf hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:Sicher sollte ein Christ gewaltlos leben. Die Frage ist eben, was geschieht, wenn man ihn nicht gewaltlos leben lassen will. Soll er sich dann abschlachten lassen, oder darf er sich wehren?
Es gibt mehr als diese zwei Alternativen, die Flucht bspw.

Solange das Wehren gewaltlos geschieht, ist das auch vollkommen in Ordnung.
Eine Familie kann flüchten, aber die Völker eine Kontinents? Wohin? Ferner kann man sich gegen einen schwertschwingenden Reiter nicht gewaltlos wehren - Schutzwehr funktioniert nur, wenn der Angriff irgendwann nachlässt. Tut er das nicht, ist man auf Trutzwehr angewiesen.

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Athanasius0570
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Athanasius0570 »

Maurus hat geschrieben:
Athanasius0570 hat geschrieben:Nicht aufgrund von eigener Gewaltanwendung, sondern im Vertrauen auf Gott.
Einmal das, aber auch, weil es schlicht überzeugender war. Trotz aller Verfolgung.
Athanasius0570 hat geschrieben:In Nordafrika ist das Christentum trotz der "christlichen" römischen Heere verschwunden. In Europa ist es auch ganz ohne die befürchtete Überwältigung durch den Islam am Verschwinden.
Richtig, aber ich habe auch nicht behauptet, dass die Existenz christlicher Soldaten das Überleben des Christentums garantiert. Es ging mit lediglich darum, dass sich bei Beibehaltung der urkirchlichen Politik gegenüber dem Soldatentum 732 keine Truppen existiert hätten, die den islamischen Vormarsch in Frankreich gestoppt hätten. Ob das Christentum dann überlebt hätte, ist in meinen Augen fraglich.
Wenn Gott es will und es noch dazu schlichtweg überzeugender ist und auch so gelebt wird, dann wird es immer überleben und jedes System aushöhlen.

(Das Christentum hat übrigens auch die islamische Zeit in Spanien überlebt. Und die Bedeutung der Schlacht bei Tours und Poitiers ist heute sehr umstritten.)
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Gamaliel hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:Hallo an alle,

ich beschäftige mich derzeit etwas intensiver mit der Frage nach der Gewaltlosigkeit und gewaltlosem Widerstand aus christlicher Motivation und komme immer mehr zu der Ansicht, dass dies die einzig richtige christliche Haltung sei (ich weiß, klingt überheblich).
Du müßtest einmal definieren (bzw. beschreiben) was Du überhaupt unter Gewalt/Gewaltlosigkeit verstehst.
Sodann stellt sich die Frage, ob es Dir um physische und/oder psychische und/oder moralische Gewalt geht.
Und was ist mit "die einzig richtige christliche Haltung" gemeint? Heißt das, daß nur diese Haltung lobenswert ist oder auch, daß eine abweichende Haltung sündhaft ist.

Zu Deiner allgemeinen Frage rufe ich ganz allgemein die katholische Lehre zum elterlichen Züchtigungsrecht in Erinnerung.
Außerdem verweise ich auf einen Vortrag des Bonner Altphilologen Dr. H.-L. Barth zum Thema: "Darf ein Jünger Jesu Wehrdienst leisten?"
(mp3-Download)
Unter Gewaltlosigkeit meine ich einerseits das Verhalten, das der Herr in der Bergpredigt von uns fordert und andererseits der völlige Verzeicht auf Gewalt bei Konfliktlösungsstrategien und politischen Aktionen. Das beinhaltet alle von Dir genannten Gewaltformen, einschließlich auch der verbalen Gewalt.

Das Themenfeld Kindererziehung ist dabei ein besonders diffiziles (erfahre ich selbst), da der Gegenüber - das eigene Kind - noch nicht die Reflexionsstufe eines Erwachsenen haben kann. Komplett gewaltfreie Erziehung kenne ich nicht, da Erziehung immer Zwang bedeutet. Das hat mit körperlicher Züchtigung aber noch nichts zu tun.

Mit "einzig richtige christliche Haltung" behaupte ich, daß sich keine andere Sichtweise dieser Thematik auf das Evangelium und die Lebensweise Jesu stützen kann, die ja für uns absolute Norm in der Nachfolge darstellen.

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Maurus hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:Sicher sollte ein Christ gewaltlos leben. Die Frage ist eben, was geschieht, wenn man ihn nicht gewaltlos leben lassen will. Soll er sich dann abschlachten lassen, oder darf er sich wehren?
Es gibt mehr als diese zwei Alternativen, die Flucht bspw.

Solange das Wehren gewaltlos geschieht, ist das auch vollkommen in Ordnung.
Eine Familie kann flüchten, aber die Völker eine Kontinents? Wohin? Ferner kann man sich gegen einen schwertschwingenden Reiter nicht gewaltlos wehren - Schutzwehr funktioniert nur, wenn der Angriff irgendwann nachlässt. Tut er das nicht, ist man auf Trutzwehr angewiesen.
Du argumentierst mit den Erfolgsaussichten. Ich mit dem Beispiel Jesu, der keinen Erfolg hatte. Deswegen ist auch Punkt 3 meines ersten Beitrages so wichtig.

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Maurus
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Maurus »

Athanasius0570 hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:
Athanasius0570 hat geschrieben:Nicht aufgrund von eigener Gewaltanwendung, sondern im Vertrauen auf Gott.
Einmal das, aber auch, weil es schlicht überzeugender war. Trotz aller Verfolgung.
Athanasius0570 hat geschrieben:In Nordafrika ist das Christentum trotz der "christlichen" römischen Heere verschwunden. In Europa ist es auch ganz ohne die befürchtete Überwältigung durch den Islam am Verschwinden.
Richtig, aber ich habe auch nicht behauptet, dass die Existenz christlicher Soldaten das Überleben des Christentums garantiert. Es ging mit lediglich darum, dass sich bei Beibehaltung der urkirchlichen Politik gegenüber dem Soldatentum 732 keine Truppen existiert hätten, die den islamischen Vormarsch in Frankreich gestoppt hätten. Ob das Christentum dann überlebt hätte, ist in meinen Augen fraglich.
Wenn Gott es will und es noch dazu schlichtweg überzeugender ist und auch so gelebt wird, dann wird es immer überleben und jedes System aushöhlen.

(Das Christentum hat übrigens auch die islamische Zeit in Spanien überlebt. Und die Bedeutung der Schlacht bei Tours und Poitiers ist heute sehr umstritten.)
Ok, das berührt jetzt einen anderen Punkt: Ich kann mit diesem Optimismus ehrlich gesagt nämlich nichts anfangen. Für meine Begriffe hat Gott uns Fähigkeiten auch deshalb verliehen, damit wir sie einsetzen. Ansonsten könnte man beispielsweise solche Sachen wie Berufungspastoral völlig einstellen. Wenn Gott wollte, dass es weiterhin Priester gäbe, dann würde er schließlich schon irgendwen Richtung Seminar führen.

Genau dasselbe gilt für meine Begriffe für existentielle Bedrohungen: Gott hat mir Hände gegeben, damit ich mich befreien kann, wenn mich etwas umschlingt. Deswegen lasse ich mich nicht im Wasser Richtung Grund ziehen, und hoffe auf Rettung, sondern ich beginne zu schwimmen.

Die Schlacht bei Tours und Poitiers ist hier auch nur nur ein Aufhänger. Ein Kontinent ohne jedwede Soldaten hätte in dieser Zeit nach meiner Auffassung ständig Probleme gehabt, da leichtes Ziel für fremde Heerhaufen.

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Athanasius0570
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Athanasius0570 »

Ich vertrete nicht die Auffassung, man soll die Hände in den Schoß legen und Gott alles machen lassen. Aber auch nicht, dass wir "aktiv kämpfen" sollen. Die wirkungsvollste Waffe, die wir haben ist unsere Überzeugung, die zu leben und zu verkünden haben wir den Auftrag und das kann uns den Sieg (und Berufungen) erwirken.

Und der österreichische Donauraum hat die Probleme sowohl ohne Soldaten (vom Abzug der Römer bis ins 8. Jhdt.) als auch mit christlichen Heeren (v. 8. Jhdt. bis 1683) immer gehabt. Von den Kämpfen der "christlichen" Heere untereinander ganz abgesehen.
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overkott
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von overkott »

Ralf hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:In der Not ist alles erlaubt, lautete die Generalklausel auch bei den Franziskanern, woraus sich das Recht auf Notwehr ergibt.
So eine Klausel gab es nie. Schon gar nicht bei den Franziskanern.
Doch in der nichtbullierten Regel Kap. 15: "wenn sie nicht durch Schwäche oder große Not dazu gezwungen sind." sowie in der bullierten Regel Kap. 2,15: "Und die durch Not gezwungen sind...", Kap. 3,9: "Jedoch zur Zeit offensichtlicher Not...", Kap. 3,12: " falls sie nicht durch offenbare Not oder Schwäche gezwungen werden.", Kap. 4,2: "wie sie sehen werden, dass es der Not abhelfe", Kap. 5,3: "das... Notwendige annehmen".

Gottes Nächstenliebe gebietet, Not zu wenden und das Notwendige zu tun. Dem entspricht im politischen Denken die Notstandsgesetzgebung und die Notwehr. Dabei kommt es darauf an, wer den Notstand ausruft.

Jesus stellt als pacificus der Gottesliebe die Nächstenliebe gleich, da er den Frieden durch Ausgleich gleichberechtigter Interessen bringt, und erweist sich darin als Christus.

Das Reich Gottes ist also Gottes Herrschaft, die sich im Gesetz offenbart und im Vaterunser anerkannt wird. Dabei entspricht im Vaterunser der Anerkennung Gottes ( Verehrung des Namens, Gefolgschaft im Willen ) auch die Erwartung an Brot, Vergebung und Befreiung von Not.

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Du schriebst, bei den Franziskanern habe es eine Klausel gegeben, daß in der Not alles erlaubt sei. Deine Beispiele beziehen sich auf das Reitendürfen in großer Not (anstelle zu Fuß zu gehen), so in der Nicht bullierten Regel (NbR) Kap. 15, und die Erlaubnis bei Not Schuhe zu tragen statt wie vorgeschrieben barfuß (Bullierte Regel - BR - 2,15), nicht fasten müssen (BR 3,9), noch einmal das Reiten (BR 3,12), Sorge um kranke Mitbrüder (BR 4,2) und die Aufforderung, als Lohn nur das Notwendige anzunehmen, dabei natürlich keinesfalls Geld (BR 5,3).

In den meisten Fällen handelt es sich also um die mögliche Dispens von den strengen asketischen Vorschriften, BR 5,3 dagegen schärft sogar noch mal ein, daß die Brüder nicht zuviel für Ihre Arbeit annehmen dürfen.

Was das mit einer angeblichen Klausel zu tun haben soll, die in der Not alles erlaube, sogar Notwehr (wobei doch bei fehlendem Lohn für die Brüder nur betteln erlaubt war und keinesfalls stehlen, NbR 9) ist bestimmt nicht nur mit schleierhaft.

Also: dat war wohl nix.

Jetzt wieder zum Thema bitte.

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Pelikan
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Pelikan »

Ralf hat geschrieben:1. Jesus war gewaltos. Die "Geißel aus Stricken" (Joh 2,15) zur Tempelreinigung war die damals übliche Art, wie man Tiere antrieb, und er nutze sie dementsprechend für die Rinder und Schafe. Dass er damit die Händler verprügelte, wird nirgendwo erwähnt.
Ist es wirklich von Bedeutung, ob er die Händler getroffen hat, als er die Geißel schwang? Er hat sie hinausgetrieben, obwohl sie bleiben wollten, er hat ihre Münzen ausgeschüttet und ihre Tische umgeworfen, die sie gern behalten hätten. Selbst wenn die Körperverletzung ausfällt, haben wir es mit Sachbeschädigung und Nötigung zu tun, also mit Gewalt gegen Sachen und Androhung körperlicher Gewalt gegen die Händler, die diese offenbar so glaubwürdig fanden, daß sie abzogen.
Es passt auch nicht zu seinem sonstigen gewaltlosen Verhalten (Festnahme ohne Widerstand, Heilung des Ohres des Malchus, Aufforderung das Schwert nicht zu nutzen, Bergpredigt etc.)
Der Aufforderung, das Schwert in einem bestimmten Fall nicht zu nutzen, geht aber die Aufforderung voraus, eines zu kaufen (Lk 22:36). Wie paßt das zur Gewaltlosigkeit?

Tritonus
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Tritonus »

Pelikan hat geschrieben:Der Aufforderung, das Schwert in einem bestimmten Fall nicht zu nutzen, geht aber die Aufforderung voraus, eines zu kaufen (Lk 22:36). Wie paßt das zur Gewaltlosigkeit?
Lies die Stelle einfach mal im Kontext; in diesem Fall reicht schon der darauf folgende Vers, um zu verstehen, was das Schwert zu bedeuten hat:
Ich sage euch: An mir muss sich das Schriftwort erfüllen: Er wurde zu den Verbrechern gerechnet. Denn alles, was über mich gesagt ist, geht in Erfüllung.
(Luk 22,37, Hervorhebung von mir.)
Zuletzt geändert von Tritonus am Mittwoch 24. Juli 2013, 22:51, insgesamt 1-mal geändert.

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overkott
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von overkott »

Wer die Grauen Brüder wirklich verstehen möchte, muss Gottes Gebot als Befreiung vom Bösen verstehen: Gutes tun, ist immer erlaubt. Gott steht über dem Samstag, nicht umgekehrt. Das meinte auch der Apostel Paulus gegenüber den Korinthern: Alles ist erlaubt, was hilft. Dieser Freiheitsbegriff ist durch die Beschränkung auf das Gute keine Willkür. Gleichwohl geht es Jesus um die verborgene Intention des Handelnden. Im Konflikt mit äußeren Vorschriften, muss der Handelnde tun, was er für richtig hält, und der Stimme Gottes in seinem Herzen folgen. Dann wird er auch bereit sein, äußere Sanktionen in Kauf zu nehmen. Die Treue zum Guten auch gegen äußere Widrigkeiten bedeutete für Jesus, das Kreuz auf sich zu nehmen.

Im Prinzip wollte Franzikus keine andere Regel als die Inspiration durch das Evangelium. Ihm ging es mehr um den Geist als um das Gesetz. Wer den Geist der Regeln verstehen will, wird auch die Legenden als illustrierenden Kommentar verstehen. Celano und Bonaventura erzählen, wie Franziskus schwarz gefahren ist, weil er kein Geld für eine Überfahrt hatte. Franziskus und seine Gefährten hatten Schutzengel, die durch Proviant quasi deren Reise bezahlt haben. Es ist offen sichtlich, wie Franziskus in einer Notsituation gehandelt hat. Er konnte Gott danken, dass er keine gewaltsamen Sanktionen zu spüren bekam.

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Maurus
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Maurus »

Athanasius0570 hat geschrieben:Ich vertrete nicht die Auffassung, man soll die Hände in den Schoß legen und Gott alles machen lassen. Aber auch nicht, dass wir "aktiv kämpfen" sollen. Die wirkungsvollste Waffe, die wir haben ist unsere Überzeugung, die zu leben und zu verkünden haben wir den Auftrag und das kann uns den Sieg (und Berufungen) erwirken.
Dem stimme ich zu.

Pilgerer
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Pilgerer »

Ralf hat geschrieben:Unter Gewaltlosigkeit meine ich einerseits das Verhalten, das der Herr in der Bergpredigt von uns fordert und andererseits der völlige Verzeicht auf Gewalt bei Konfliktlösungsstrategien und politischen Aktionen. Das beinhaltet alle von Dir genannten Gewaltformen, einschließlich auch der verbalen Gewalt.
Was Jesus in der Bergpredigt predigt, ist insbesondere der "Tod des Individuums" und die Wiedergeburt als in Gott und der Menschheit (die die Kirche der Bestimmung ist) vergemeinschafteter Mensch. Jemanden zu schlagen, schädigt ihn, unabhängig davon, ob er mich geschlagen hat. Es ist im Interesse der Gemeinschaft von Gott und den Menschen, dass niemand geschädigt wird. Gewaltlosigkeit erfüllt diese gemeinschaftlichen Interessen. Sie ist daher ein Teil der Wiedergeburt und gibt neue Lebenskraft von Gott her.
Gott liebt die Menschen mit Blick auf ihre Bestimmung, nicht auf andere Bedingungen. Seine (Grund-)Liebe ist bedingungslos, existentiell. Die Bestimmung der Menschen ist, heilig und Kirche/himmlisches Jerusalem zu sein. Weil Gott auf diese Weise liebt, ist die Erfahrung Seiner Liebe (mittels Jesus Christus) die mächtigste Triebfeder zur Verwirklichung der Bestimmung.

Trotzdem ist die Gewaltlosigkeit kein zwingendes Gebot. Es kann Umstände geben, in denen Gewalt zur Herstellung von Frieden notwendig ist. In diesen Fällen sind Christen potentiell die erfolgreichsten Krieger, weil die Bindung an Gott viele schöpferische Kräfte mobilisiert. Doch ist es ratsam, immer nur eine der beiden möglichen Strategien zu wählen. In beiden Fällen sollte der innere Friede Gottes im Herzen gewahrt bleiben, um Sünde zu vermeiden.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Pelikan hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:1. Jesus war gewaltos. Die "Geißel aus Stricken" (Joh 2,15) zur Tempelreinigung war die damals übliche Art, wie man Tiere antrieb, und er nutze sie dementsprechend für die Rinder und Schafe. Dass er damit die Händler verprügelte, wird nirgendwo erwähnt.
Ist es wirklich von Bedeutung, ob er die Händler getroffen hat, als er die Geißel schwang? Er hat sie hinausgetrieben, obwohl sie bleiben wollten, er hat ihre Münzen ausgeschüttet und ihre Tische umgeworfen, die sie gern behalten hätten. Selbst wenn die Körperverletzung ausfällt, haben wir es mit Sachbeschädigung und Nötigung zu tun, also mit Gewalt gegen Sachen und Androhung körperlicher Gewalt gegen die Händler, die diese offenbar so glaubwürdig fanden, daß sie abzogen.
Es passt auch nicht zu seinem sonstigen gewaltlosen Verhalten (Festnahme ohne Widerstand, Heilung des Ohres des Malchus, Aufforderung das Schwert nicht zu nutzen, Bergpredigt etc.)
Der Aufforderung, das Schwert in einem bestimmten Fall nicht zu nutzen, geht aber die Aufforderung voraus, eines zu kaufen (Lk 22:36). Wie paßt das zur Gewaltlosigkeit?
Jesus hat gegen eine Menge damaliger Gesetze verstoßen, das ist keine Frage. Sachbeschädigung gehörte dazu, seine bedingungslose Gewaltlosigkeit bezog sich auf Menschen. Offensichtlich waren diese Taten aber - wenn Jesus ohne Sünde war, wie die Kirche dem Hebräerbrief folgend lehrt - nicht falsch. Gesetze sind nicht der Maßstab, Jesu Handeln ist es.

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Pilgerer hat geschrieben:Trotzdem ist die Gewaltlosigkeit kein zwingendes Gebot. Es kann Umstände geben, in denen Gewalt zur Herstellung von Frieden notwendig ist.
Nein, dem ist zu widersprechen. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Denk nicht so ergebnisorientiert!

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overkott
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von overkott »

Inwieweit unterscheidet sich Gottes Herrschaft von weltlicher Herrschaft? Warum entspricht Krieg in Syrien zum Beispiel nicht Gottes Doppelgebot?

Wie kann man den Teufelskreis der Gewalt ohne Gewalt durchbrechen?

Raphael

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Inwieweit unterscheidet sich Gottes Herrschaft von weltlicher Herrschaft? Warum entspricht Krieg in Syrien zum Beispiel nicht Gottes Doppelgebot?

Wie kann man den Teufelskreis der Gewalt ohne Gewalt durchbrechen?
Was verstehst Du unter Gewalt? :hmm:

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Ich hole diesen Thread angesichts des letzten Sonntagsevangeliums und der weltpolitischen Lage mal wieder hoch.

Tinius
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Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Tinius »

Ralf hat geschrieben:Ich hole diesen Thread angesichts des letzten Sonntagsevangeliums und der weltpolitischen Lage mal wieder hoch.

http://www.bienenberg-blog.ch/wp-conten ... um_fin.pdf

Ralf

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von Ralf »

Diesem Essay kann ich einiges abgewinnen.

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mensch
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Registriert: Montag 20. Oktober 2014, 13:20

Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von mensch »

"11 Als einige Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: "Wie kann euer Rabbi sich nur mit Zöllnern und Sündern an einen Tisch setzen?" 12 Jesus hörte das und erwiderte: "Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken." (Matthäus 9,11-12).

Eine wichtige Botschaft, wenn wir von Gewaltlosigkeit und Weltpolitik sprechen. Natürlich gilt der Aufruf allen Menschen. Der Aufruf, die Sünde zu lassen und umzukehren, richtet sich an die Sünder (in diesem Fall an die Sünder, die in der Frage der Gewalt konkret sündigen). Jesus setzte sich mit ihnen an den Tisch.

Zur weltpolitischen Lage ist meine Einschätzung: Jesus setzt sich mit den Kriegstreibern und Gewalttätern an einen Tisch und fordert sie auf, fortan nicht mehr zu sündigen. An diese Menschen richtet sich sein Wort. Würden ihm diese Menschen folgen, wären die Konflikte beendet.

Uns gilt das Geheiß, diese Feinde zu lieben. In dieser Liebe steckt die Gewaltlosigkeit. Wir sollen verzeihen und uns in Barmherzigkeit üben. Wie sieht aber die Situation aus, wenn unser Leben bedroht wird. Dann dürfen wir uns verteidigen.

Dürfen wir anderen Menschen Waffen liefern, damit sie sich verteidigen? Dürfen wir. Der rechte Umgang mit diesen Waffen, zu allein diesem Zweck, obliegt den Menschen, die diese Waffen einsetzen. Darf ein Soldat in die Region fahren, um dort zu helfen? Wenn die Intention Hilfe und Verteidigung ist, dann ja. Wenn die Intention die Tötung des Feindes ist, dann nein. Dass es bei Notwehrhandlungen zu Tötungen kommen kann, das ist nicht auszuschließen, es darf aber niemals die Intention sein.

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overkott
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Re: Gewaltlosigkeit in der Nachfolge Jesu

Beitrag von overkott »

Der Weihbischof meinte neulich bei der Firmung wörtlich: Wenn der Gute den Bösen liebt, kriegt er was auf die Fresse. Deshalb sei Christus gekreuzigt worden. Aber Gott habe ihn über alle erhöht.

Damit wird das Kreuz Christi zum Symbol der Gewaltlosigkeit.

Wo waren all die Engel, Boten und Freunde Jesu am Karfreitag?

Wie konnte die Stimmung nach Palmsonntag kippen?

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