Wetzer und Welte's Kirchenlexikon hat geschrieben:Als die von Christus eingesetzte Heilsanstalt ist aber die Kirche ebenso die einzige Vermittlerin des Heiles, wie Jesus Christus der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Extra ecclesiam nulla salus, die Kirche ist alleinseligmachen. Beschränkt das Alte Testamten das Heil auf die Glieder des auserwählten Volkes, so hat es doch für das messianische Reich den Zutritt aller Nationen und völker zum Berge Sion, zum heiligen Jerusalem offen gehalten. Der Neue Bund ist universal nach Zeit und Raum, aber die in ihm gegründete Kirche ist für Alle die unumgängliche Bedingung für die wirkliche Erlangung des Heiles. Nur wer die Stimme des guten Hirten hört und ihr folgt, gehört zu seiner Heerde; nur wer durch die rechte Thüre in den Schafstall eintritt, ist der wahre Hirt und kein Dieb oder Räuber. Wer aber die Apostel hört, der hört Christus; wer sie verachtet, der verachtet Christus; wer die Kirche nicht hört, ist wie ein Heide und öffentlicher Sünder. Wie soll der durch den Namen Jesu selig werden, welcher gegen seine Anordnungen ungehorsam ist? Der Glaube, die Taufe, die Eucharistie, alle Gnadenmittel werden den Einzelnen durch die Kirche vermittelt; die Liebe in der Erfüllung der göttlichen Gebote ist nur in der Gemeinschaft mit der Kirche, welche als die Braut Jesu geheiligt, gereinigt und auf’s Engste mit christus verbunden ist, eine vollkommene. Die Kirche muß also alleinseligmachend sein, weil sie, von Christus gestiftet, vom heiligen Geiste geleitet, gegen alle Angriffe der Hölle geschützt, die Predigt der geoffenbarten Wahrheit und die Spendung der göttlichen Gnadenmittel verwaltet, die Heiligung der Gläubigen objectiv und subjectiv vermittelt. Der Herr selbst hat den Mitgliedern seines Reiches das Himmelreich versprochen, hat die Apostel aus der Welt als kleine Heerde auserwählt und sie getröstet mit der Belohnung im Himmel, weil der Vater ihnen nach seinem Wohlgefallen das Reich verliehen hatte (Luc. 12, 32), das Reich, welches nicht von dieser Welt ist, seine Mitglieder aus dieser Welt hinwegnimmt, um sie dem Himmel zuzuführen. Das Erbe der Apostel hat aber die Kirche angetreten; ihr hat der Vater das Reich verliehen. Die in ihr vereinigten auserwählten Gottes sind die »Heiligen«, die zum ewigen Leben berufen sind. Sie bilden ein »auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaar, einen heiligen Stamm, ein Volk des Eigenthums«. Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet; wer sich von der kirchlichen Einheit trennt, ist vom Weinstock abgeschnitten und verdorrt. »Einen häretischen Menschen meide nach einer Zurechtweisung, wissend, daß ein solcher verkehrt ist und von sich selbst verurtheilt« (Tit. 3, 10. 11). Deßhalb haven schon die apostolischen Väter (Ignatius, Clemens) vor der Trennung von der Heerde vom Bischofe gewarnt. Theophilus, Irenäus, Tertullian schreiben nur der Kirche die Vollmacht zu, die Wahrheit unverfälscht zu verkünden und die Gnaden zu spenden. Haec enim est vitae introitus; omnes autem reliqui fures sunt et latrones (Iren. Adv. Haer. 3, 4, 1). Nach dem Vorgange des hl. Petrus, welcher die Arche Noe’s als Typus der Taufe darstellt (1 Petr. 3, 20 f.), betrachten die Väter die Arche als ein Vorbild der Kirche. Wie zur Zeit der Flut nur die wenigen Gerechten, welche in der Arche Aufnahme fanden, gerettet wurden, so werden auch nur diejenigen, welche sich in das Schiff der Kirche flüchten, vor den Wogen des feindlichen Meeres geschützt und in den Hafen des ewigen Heiles geführt werden. Extra ecclesiam nulla salus, hat der hl. Cyprian zum Schibboleth der katholischen Kirche erhoben und im Ketzertaufstreite sogar gegen Papst Stephanus einseitig aufgefaßt. Der hl. Augustinus vertheidigte diesen Satz mit Nachdruck gegen die Donatisten. Gegen diese hat auch eine numidische Synode (Aug. Ep. 141, 5) den Satz aufgestellt: »Wer von dieser katholischen Kirche getrennt ist, wird, so löblich er leben mag, schon durch das Verbrechen allein, daß er von der Kirche geschieden ist, nicht das Leben haben, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.« Ebenso lehrt das athanasianische Glaubensbekenntnis: »Wer immer selig werden will, der muß vor Allem den katholischen Glauben festhalten. Wer diesen nicht ganz und unversehrt bewahrt, der wird ohne Zweifel in Ewigkeit verloren gehen.« Das vierte Lateranconcil (1215) lehrt in seinem Glaubensbekenntniß: Una est fidelium universalis Ecclesia, extra quam nullus omnino salvatur. Innocenz III. schrieb den Waldensern den Glaubensartikel vor: Corde credimus et ore confitemur unam Ecclesiam non haereticorum, sed sanctam Romanam, catholicam et apostolicam, extra quam neminem salvari credimus. Dasselbe lehren Eugen IV., das Tridentinum (S. V prooem., S. XIII prooem., S. XIV De extr. unct. c. 3, S. XXV De delectu cib.) und Pius IV. in der Professio Tridentina. Pius IX. hat in seiner ersten Encyklika (9. Nov. 1846) sowie in einer spätern (9. December 1854; vgl. Syll. prop. 15–18) diese Wahrheit gegenüber dem modernen Indifferentismus nachdrücklich hervorgehoben. Zugleich aber wanrt der heilige Vater vor der vorwitzigen Frage über das Loos derjenigen, welche der katholischen Kirchen nicht angehören, denn die Menschen dürften nicht die geheimen Rathschlüsse und Urtheile erforschen wollen. Jedenfalls sei aber für sicher anzunehmen, daß diejenigen, welche die wahre Religion nicht kennen, vor Gott mit keiner Schuld behaftet werden, wenn die Unkenntniß unüberwindlich sei. Dieß galt von jeher als Grundsatz der katholischen Kirche. Stets hat sie zwischen den hartnäckig Widerstrebenden und den schuldlos Irrenden unterschieden; jene müssen dem Urtheile des Herrn verfallen, weil sie die Kirche nicht hören; diese aber dürfen bei redlichem Streben nach Wahrheit und Tugend auf die Barmherzigkeit Gottes vertrauen, welcher will, daß alle Menschen selig werden, und keinem, der thut, was an ihm ist, die Gnade verweigert (Aug. Ep. 43, 1; vgl. De libero arb. 22). Doch ist nicht zu übersehen, daß solchen vielen Gnadenmittel und äußere Anregungen, welche in der Gemeinschaft des kirchlichen Lebens gegeben sind, entgehen. Der Satz von der alleinseligmachenden Kirche selbst ist zuerst gegen solche, welche zuvor der katholischen Kirche angehört, ihre Lehre und Einrichtung gekannt hatten, also verschuldet im Irrthum waren und hartnäckig an demselben festhielten aufgestellt worden. Solchen gegenüber muß aber die Kirche auf ihrem Anspruch beharren, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Ja, diese dogmatische Intoleranz ist so sehr mit der Überzeugung, die volle und ganze Wahrheit zu besitzen, verbunden, daß selbst die Secten dieselbe für sich in Anspruch nahmen. Die symbolischen Schriften der Protestanten verurtheilen in gleicher Weise alle Andersgläubigen und besonders die Mitglieder der katholischen Kirche. »Wenn sich auch die Gegner den Namen der Kirche anmaßen, so wissen wir doch, daß die Kirche bei denen ist, welche das Evangelium Christi lehren, nicht bei denen, welche schlechte Lehren gegen das Evangelium vertheidigen« (Apol. C. 3, a. 6, p. 133; vgl. Conf. 1, 1. 3. 4, p. 9 sq.; Form. Conc. prooem. II, 571. 794). »Denn wer immer außerhalb des Christenthums ist, seien es Heiden oder Türken oder Juden oder falsche Christen oder Heuchler, wenn sie gleich selbst an den einen wahren Gott glauben und ihn anrufen, wissen dennoch nicht, von welcher Gesinnung er gegen sie sei, und können es nicht wagen, sich eine Huld und Gnade von Gott zu versprechen. Deßhalb bleiben sie in ewigem Zorne und in ewiger Verdammniß« (Catech. maj. II, 47. 56, p. 501. 503; vgl. Melanchthon, L. th., De pecc. or. 123; Calv. Inst. 3, 14, 4). Die praktische Toleranz ist mit der dogmatischen Intoleranz verträglich, wenn nie das Grundgesetz des Evangeliums, die Liebe zu Gott und dem Nächsten vergessen wird. Diese Liebe erstreckt sich aber auch auf das Seelenheil des Nächsten und bestimmt die Kirche, dem guten Hirten gleich, dem verlorenen Schafe nachzugehen. Strafen können nur gegen die hartnäckig Widerstrebenden angewendet werden. Waren diese Strafen in der spätern Zeit mitunter hart, bis zur Todesstrafe gehend, so müssen hierfür die geschichtlichen Verhätlnisse die Erklärung geben. Schon Augustinus klagt darüber, daß der aggressive Charakter der Secten die Kirche selbst an der Ausübung der Milde hindere. Die Zeit der Reformation mit dem Grundsatz: cujus regio, illius religio, der nicht selten streng und grausam durchgeführt wurde, und die Übertragung der kirchlichen Gewalt an die Landesfürsten hat ein ähnliches Schauspiel gezeigt. Will man aber gar der Kirche vorwerfen, daß sie mit dem Anspruche, die alleinseligmachende zu sein, gleichsam jedem Mitgliede das ewige Heil garantiren wolle und dadurch das sittliche Streben lähme, so genügt es, auf ihre Lehre von der Nothwendigkeit der guten Werke zur Erlangung des reiwgen Lebens hinzuweisen. Sie steht ganz auf dem Standpunkte ihres göttlichen Stifters, welcher gesagt hat: »Nicht ein jeder, der zu mir ›Herr, Herr‹ sagt, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters thut, der im Himmel ist« (Matth. 7, 21).