Bernado hat geschrieben:Ich habe diese Stelle immer so verstanden, daß sie Ausdruck der seit 50 oder mehr Jahren verbreiteten Seelenphobie ist: Man hat den Glauben an die unsterbliche Seele des Menschen zwar nicht abgestoßen, drückt sich aber lieber etwas wolkig aus, um den Leuten, die bei der Autopsie keine Seele gefunden haben und beim Anblik älterer theologischer Literatur in Krämpfe verfallen, nicht allzu weh zu tun.
"So etwas wie ein göttlicher Same" erfüllt diese Anforderungen recht gut.
Gut, die Seele kann in der Hölle landen. Das beantwortet aber nicht die Frage, wie etwas Göttliches in der Hölle landen kann.
Wenn ein Ding mit "etwas wie ein göttliches Ding" bezeichnet wird, dann muss es selbst schon auch göttlich genannt werden können. Das "etwas wie ein Same" lese ich als "ein Same im übertragenen Sinn".
Nun ist es Wesen des Samen, sich in geeigneter Umgebung zu Ausgewachsenem entfalten zu können. Zu was entfaltet sich ggf. etwas wie ein göttlicher Same? Naheliegenderweise zu etwas (ausgewachsen) Göttlichem. Was passiert, wenn die Umgebung nicht geeignet ist? Wird dann etwas wie ein göttlicher Same vertrocknen oder zertreten?
Gamaliel hat geschrieben:Ohne mich eingehender mit dem entsprechenden Abschnitt aus GS beschäftigt zu haben, stellt sich für mich zunächst die Frage was mit "etwas wie ein göttlicher Same" gemeint ist. Bevor das nicht geklärt ist, braucht man sich über eine (mögliche ?) rechtgläubige Auslegung eigentlich gar keine näheren Gedanken machen.
Dazu gibt
Gaudium et Spes keinerlei Hinweis. Mir ist auch sonst eine solche Redeweise aus der Kirche nicht bekannt. Klingt gnostisch.
Gamaliel hat geschrieben:Aus der Geistnatur des Menschen ergeben sich ebenfalls gewisse (schwierige) Implikationen, die beim hl. Thomas (von den Modernisten häretisch mißbraucht) unter dem Ausdruck "desiderium naturale videndi Deum" beschrieben werden. - Vielleicht ist auch das gemeint?
Das Verlangen der vernünftigen, nach Wahrheit dürstenden Seele, Gott zu schauen, ist aber doch immer noch geschöpflich und nicht göttlich!?
Dazu kommt der Zusammenhang: dass nämlich
die Heilige Synode der Menschheit die aufrichtige Mitarbeit der Kirche zur Errichtung jener brüderlichen Gemeinschaft aller, die dieser Berufung entspricht, anbietet.
Die Heilige Synode sieht offenbar neben der Kirche auch andere Personen/Organisationen als berufen an, "jene brüderliche Gemeinschaft aller zu errichten." Von welcher Gemeinschaft ist die Rede? Von der Kirche offenbar nicht, denn die wird bereits separat als Kirche bezeichnet. Die Kirche erscheint als Teilmenge der Menge "aller", als Teilmenge der "brüderlichen Gemeinschaft aller".
Das "Etwas wie ein göttlicher Same" ist hier offenbar speziell auch für jene jener brüderlichen Gemeinschaft von Bedeutung, die sich der Kirche nicht anschließen, aber mit ihr gerufen sind, die brüderliche Gemeinschaft aller zu errichten.
Bevor ich das als Theologenspanisch abtäte, bräuchte ich schon eine einleuchtende Erklärung.
Gruß
Sempre