Zinsverbot

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Paul Heliosch hat geschrieben:Aus dieser Perspektive nähmlich wären wir für sämtliche Banker...
... "Ausländer"| Dtn 23,20-21 |


Na ja. Nicht völlig unwahr.
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Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Paul Heliosch hat geschrieben:Aus dieser Perspektive nähmlich wären wir für sämtliche Banker...
... "Ausländer"| Dtn 23,20-21 |


Na ja. Nicht völlig unwahr.
Dann "könnte" ich den Konjunktiv durchs Präsens ersetzen...

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

jockelomat hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Zunächst mußt du den Satz sprachlich verstehen. Gemeint ist: „jeder Gewinn über die geliehene Summe hinaus“, oder: „alles, was über die geliehene Summe hinaus als Gewinn anfällt“.
Setz mal Zahlen ein für die geliehene Summe und den Gewinn, dann verstehst Du den Satz mathematisch. :mrgreen: Aber ich wollte hier eigentlich gar nicht beckmessern. Genug davon.

Ich hatte oben erst noch geschrieben, du sollest Sprache nicht mit einer mathematischen Gleichung verwechseln. Dann hab’ ich das vorm Abschicken doch wieder gestrichen. Hätt’ ich’s man stehen lassen. Das ist genau dein Denkfehler. Na ja, genug davon.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

ar26 hat geschrieben:Das Deuteronomium, so wie Paul es zitierte, macht aber keinen Unterschied zwischen Geld und Sachen. Ich weiß, daß das jetzt nicht unbedingt Verbindlichkeit für uns erheischt, bedenkenswert ist es wohl dennoch. Ich wähnte bisher immer, der Grund für das Zinsverbot ist, daß Gewinne, die weder auf eigener Arbeit oder dem Eingehen eines unternehmerischen Risikos beruhen, unverdient sein.


Ja, verbindlich ist das nicht, sondern was die Kirche dazu seit apostolischer Zeit gelehrt hat. Wucher gegenüber dem Goj zu erlauben, das hat die Kirche ja auch nicht festgehalten. – Man könnte allerdings einwenden, daß die im Deuteronomium erwähnten „Früchte“ als Geldäquivalent aufzufassen seien.

Aber das stehe dahin, das kirchliche Zinsverbot bezieht sich definitiv auf Geldverleih. Meine obige Begründung freilich, weshalb das für den Verleih von Dingen so nicht gilt, ist nicht Lehre der Kirche, sondern Frucht meiner eigenen Reflexion – und damit natürlich auf Kritik gefaßt.
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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

ar26 hat geschrieben:Das Deuteronomium, so wie Paul es zitierte, macht aber keinen Unterschied zwischen Geld und Sachen. Ich weiß, daß das jetzt nicht unbedingt Verbindlichkeit für uns erheischt, bedenkenswert ist es wohl dennoch. Ich wähnte bisher immer, der Grund für das Zinsverbot ist, daß Gewinne, die weder auf eigener Arbeit oder dem Eingehen eines unternehmerischen Risikos beruhen, unverdient sein.
So wie ich sie verstanden habe, geht es bei der klassischen Begründung schon darum, was für eine Art von Sache Geld ist: eine, die eine Trennung von Gebrauchs- und Eigentumsrechten erlaubt, so wie ein Haus, oder eine, in der beide untrennbar sind, weil der Gebrauch der Sache notwendigerweise ihren Verbrauch bedeutet, so wie Weizen oder Wein.

Wer eine Sache der ersten Art hat, kann rechtmäßig sowohl das Eigentum als auch den Gebrauch veräußern. Aber bei einer Sache der zweiten Art, bei der der Gebrauch in der Sache selbst besteht, würde er, versuchte er dies, dasselbe doppelt verkaufen, was ungerecht ist. Daher auch der Name der Sünde, usuria.

sofaklecks
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Zum Nachdenken

Beitrag von sofaklecks »

Eine Problematik, die die Relativität von ewigen Wahrheiten verdeutlicht.

Wir gehen aus von den ökonomischen Verhältnissen eines Volksstamms im Nahen Osten aus der Zeit nach den babylonischen Kriegen. Dort formulieren die, die nach Jerusalem zurückkomen ihr Glaubensbekenntnis und ihre Sittenlehre und darin ein Zinsverbot für Stammesmitglieder.

Das setzt sich fort in diversen Abwandlungen bis zur Entscheidung eines Papstes über einen Vertrag im Jahre 1745 mit Überlegungen zur Natur des Darlehens (was bitte hat das mit dem Erlösungswerk Christi zu tun?) und einem Egebnis, dessen Unüberlegtheit schon aus den sofort im Anschluss zur Regel formulierten Ausnahme zu entnehmen ist.

Die stillschweigende Abkehr davon als Versagen des Lehramtes darzustellen ist da doch sehr gewagt.

Wo liegt der Fehler?

Er liegt in der fehlenden Differenzierung der Frage brüderlicher oder stammeszugehöriger Hilfe (daher schon die ursprüngliche Differenzerung) von der Frage des täglichen Existenzerwerbs: Wo ein Bruder Hilfe braucht, darf man nicht mehr zurückverlangen als das, was man ihm gegeben hat. Das leuchtet ein. Ausnutzen der Hilfsbedürftigkeit eines anderen ist bis heute ein Kriterium des Wuchers.

Nur wird sodann der Grundsatz auf alle Darlehen ausgeweitet, ohne zu beachten, dass es sich bei Geld (jedenfalls damals und im Prinzip auch heute) schlicht um eine bewegliche Sache handelt. Roberts Galopp durch die Wirtschaftsgeschichte vom Zinsverbot der Bibel zu den Heuschrecken der Gegenwart ist symptomatisch dafür ebenso wie die subtilen Unterscheidungsversuche zwichen vertretbaren, verbrauchbaren und was sonst für Sachen, für die das Verbot nun gelten soll oder nicht.

Ich will das nicht abtun. Als ich studiert habe, war im Gesetz noch klar geregelt, dass ein Darlehensnehmer prinzipiell nur dieselbe Menge vertretbarer Sachen (die nach Zahl, Mass oder Gewicht gehandelt werden) zurückgeben muss. Das BGB ging also ein Jahrhundert lang ebenfalls noch davon aus, dass der untypische Fall eines unverzinslichen Darlehens die Regel sei.

Nur:

Alle theologische Kunst vermag nicht die Tatsache zu leugnen, dass sich die Erde um die Sonne dreht, ebensowenig wie die, dass jemand, der einem anderen nicht aus brüderlicher Solidarität, sondern zur Sicherung seiner eigenen Existenz eine Sache überlässt, sich dafür ein Entgelt geben lässt, sei dies ein Pferd, ein Auto oder ein Haus. Der Mietzins ist auch ein Zins. Und natürlich kann man ihn als Unrecht klassifizieren, weil er gegen das Verständnis der ersten Christen verstösst, die ja alles gemeinsam hatten. Nur: Die Welt dreht sich anders. Und die Kirche mit.

Mag sein sein, dass die Tatsache eine Rolle spielt, dass die Phönizier das Geld erfunden haben, die als Philister in der Bibel schlecht wegkommen. Geld hat etwas Unheimliches, Bedrohendes. Jedenfalls dann, wenn es andere haben.

Indes:

Wer verlangt, dass jemand für die Überlassung von Geld keine Gegenleistung erhält, sollte unter Zuhilfenahme so vieler geistlicher Väter und des heiligen Geistes eigentlich erkennen können, dass es niemanden gibt, der dies gewebsmässig tut kann, ebenso wie niemand mehr Häuser vermietet, wenn er keinen Mietzins dafür bekommt. Armer Vatikan,der jährlich zwanzig Millionen Euro aus seinen Vermietungen einnimmt. Und: Wie wollen wir wirtschaften ohne Geld und ohne die Möglichkeit, es zu leihen?

Nein, so wie die Erde um die Sonne kreist, gilt der Satz von Herrmann Joseph Abs: Der Zins ist drei Prozent. Das ist nämlich in vernünftigen Zeiten die Regel.

Und wer das nicht will, darf nicht erwarten, dass er ein Darlehen kriegt.

Ich will Robert jetzt nicht fragen, ob er sein Häuschen finanziert hat auf der Basis der Lehrmeinung der Heiligen Mutter Kirche.

Ich will mich auch nicht näher dazu auslassen, dass es gerade nach dieser Lehrmeinung gottesfürchtiger ist, die Wasserwerke und Sozialwohnungen zwecks Geldanlage zu kaufen (wobei da der Gewinn keine Sünde darstellt), anstatt das Geld zu verleihen.

Ich nehme mir aber die Freiheit, darauf hinzuweisen, dass die Einordnung des Zinsnehmens (des vernünftigen natürlich) als Sünde bei einem nachdenklichen Menschen die Vermutung zeitigen könnte, dass da unter Umständen möglicherweise ganz vielleicht auch noch andere Verhaltensweisen sind, deren Einordnung in diese abscheuliche Kategorie der Sündhaftigkeit nicht so ganz überzeugend ist.

Trotz dem seinerzeitigen Benedikt und seinem Consilium.

sofaklecks

Raphael

Re: Zum Nachdenken

Beitrag von Raphael »

sofaklecks hat geschrieben:Ich will Robert jetzt nicht fragen, ob er sein Häuschen finanziert hat auf der Basis der Lehrmeinung der Heiligen Mutter Kirche.
Dies wäre auch die völlig falsche Frage, verehrter sofaklecks, denn lehramtlich verurteilt ist das Zinsennehmen und nicht das Zinsenzahlen! :P

Zusätzlich hat IMHO die Diskussion erbracht, daß sogar das Zinsennehmen lehramtlich erlaubt ist, soweit es nicht ein etwas ungenau spezifiziertes Niveau übersteigt.

Was für mich faszinierend ist, ist die Tatsache, daß in dem "uralten" lehramtlichen Dokument auf Fakten eingegangen wird, die auch in der modernen wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion durchaus als ungelöst betrachtet werden dürfen.
Für mich ein Beweis dafür, daß das Lehramt weiß, was es tut! :jump: :jump: :jump:

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ad-fontes
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Wucher

Beitrag von ad-fontes »

Wann wurde das Zinsverbot für Katholiken aufgehoben?

Warum? War die 'Hochfinanz' mächtiger als die Kirche?


Wie steht ihr dazu, historisch wie aktuell?

Sind die (finanzpolitischen) Probleme unserer Zeit nicht eine Folge der Aufhebung des Zinsverbots?


Und schließlich: Sind islamische Geldanlagen (Name vergessen) auch für Christen interessant?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Protasius
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Re: Wucher

Beitrag von Protasius »

Womit wurde das Zinsverbot eigentlich begründet?
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Caviteño
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Re: Wucher

Beitrag von Caviteño »

ad-fontes hat geschrieben:
Wie steht ihr dazu, historisch wie aktuell?
Niemand "verleiht" Geld ohne Entgelt. Wie man das Kind nennt und berechnet ist zweitrangig (s.u.)

Beispiel:
So gibt es den islamischen Regeln entsprechend beispielsweise keine Konsumentenkredite. Will ein Kunde aber ein Auto kaufen, so erwirbt die Bank es für ihn und verkauft es dann mit einem Aufschlag an ihn weiter. Diesen Kaufpreis bezahlt der Kunde in Raten, ohne zusätzliche Zinsen. Der Gewinn liegt für die Bank im Aufpreis, den sie zuvor draufgeschlagen hat.
http://www.welt.de/finanzen/article2241 ... obern.html
ad-fontes hat geschrieben: Und schließlich: Sind islamische Geldanlagen (Name vergessen) auch für Christen interessant?
Auch nach deutschen Recht gibt es Möglichkeiten, bei Darlehn keinen Zins, sondern eine Gewinnbeteiligung zu vereinbaren. Es handelt sich dann um sog. "partiarische Darlehn", die ggfs. aus steuerlichen Gründen interessant sein können:

http://de.wikipedia.org/wiki/Partiarisches_Darlehen

Auch bei Genußscheinen ist der Zins an die Erzielung eines Gewinns gekoppelt, u.U. kann sogar ein Totalverlust der Anlage eintreten.

http://de.wikipedia.org/wiki/Genussschein

Es gibt offenen Investmentfonds, die die Gelder ausschließlich in Genußscheinen anlegen.

Man muß also nicht unbedingt auf "islamische Geldanlagen" ausweichen, um den "bösen Zins" zu vermeiden....

Raphael

Re: Wucher

Beitrag von Raphael »

Protasius hat geschrieben:Womit wurde das Zinsverbot eigentlich begründet?
Tolle lege: Vix pervenit

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Robert Ketelhohn
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Re: Wucher

Beitrag von Robert Ketelhohn »

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Pelikan
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Re: Wucher

Beitrag von Pelikan »

ad-fontes hat geschrieben:Sind die (finanzpolitischen) Probleme unserer Zeit nicht eine Folge der Aufhebung des Zinsverbots?
Natürlich. Sowohl die Subprime-Krise in den Staaten als auch die Verschuldung der Euro-Staaten resultieren aus Zinsforderungen auf unproduktives Geld.
Und schließlich: Sind islamische Geldanlagen (Name vergessen) auch für Christen interessant?
Nein. Innerhalb eines Systems, das Wucher gestattet, enthält jede Geldeinheit eine Blase unbekannter Größe, die auf's Platzen wartet. Daraus gibt es kein Entrinnen.

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Mirjanin
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Re: Wucher

Beitrag von Mirjanin »

@ Pelikan Ich habe eine Vorstellung davon, in welche Richtung du argumentieren willst. Stimme dir zu, allerdings sollten wir es bei der Beobachtung aus ökonomischer Perspektive differenzierter herangehen. Die Formulierung "unproduktives Geld" finde ich mißverständlich, denn es suggeriert, dass "Geld arbeiten müsse". Gerade das ist eines der Probleme in unserer Wirtschaftsordnung. (mit allen nach sich ziehenden Problemen. Hedge-Fonds *hüstel*)

Die "Subprime-Krise" wurde durch eine Ausweitung des Angebots an Zirkulationskrediten geschaffen. Die Clinton Regierung drängte u.a. die mittlerweile verstaatlichte Hypothekenbank "Fannie Mae" aus politischen Gründen dazu, Hypotheken an Minderheiten zu vergeben. Hier der Bericht der NY Times von 1999 dazu. Das erklärte politische Ziel war, den unterdurchschnittlichen Anteil der Minderheiten unter den Hausbesitzern mittels zinsbegünstigter Hypothekendarlehen zu erhöhen. Später wurde das auf breitere Kreise ausgeweitet. Statt Ersparnisbildung zu fördern entschied sich die kurzfristig agierende Politik für die Ausgabe von Zirkulationskrediten an Minderheiten. (die vorher nicht ohne Grund keinen Kredit erhielten)

Da wurde a) Geld verliehen, dass man per Knopfdruck erschuf (google: "Teilreservesystem") und b) an Leute, die es nie zurückzahlen können. Das Thema verlangt im Grunde eingehendere Behandlung, sprengt aber den Rahmen und geht letztlich am Thema hier vorbei. Wichtig ist aber, dass der Zins alleine keine Schuld trägt, sondern wir es mit einem strukturellen Problem zu tun haben. Den Zins dafür verantwortlich zu machen, wäre so, als würde ich Gabeln die Schuld dafür geben, dass Menschen fettleibig sind.

Aus ökonomischer Perspektive betrachtet ist Zins kein Übel. Wie man den Zins benennt, ist herzlich egal. Am Ende läuft es auch beim Islamic Banking auf eines hinaus: Ich gebe jemandem mein Geld und erhalte dafür nach Ablauf einer Frist diesen Wert + einen Mehrwert zurück. Man stelle sich eine Wirtschaft ohne Zins vor! Wer könnte es sich leisten, ein Eigenheim zu bauen? Wer könnte es sich leisten, neue Industrieanlagen zu bauen? Oder zu sanieren? Wer baut Einkaufszentren? und und und. Eine Wirtschaft ohne Zinsen würde in Armut & Ruinen versinken.

Was wir allerdings schaffen müssen, ist die Entwöhnung von der Droge des billigen Geldes. Nämlich das man alles auf Pump vorfinanziert. Die Untugend, alles hier und jetzt haben zu wollen. Maß und Sparsamkeit galten nicht umsonst für Jahrhunderte als Tugend! Zudem fungiert Geld heute als eine Art Sillhalteprämie und Allheilmittel. Probleme? Werfen wir Geld drauf! Aber Geld löst keine moralischen und politischen Probleme. Moralische Probleme verlangen moralische Antworten und politische Probleme verlangen politische Antworten. Die mißbräuchliche Verwendung des Geldes heute verdirbt nicht nur den Charakter, sondern auch das Geld selbst. Und das erleben wir nun seit einigen Jahrzehnten eindrucksvoll.
Gut sein ist edel. Andere lehren, gut zu sein, ist noch edler. Und einfacher.
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Torsten
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Re: Wucher

Beitrag von Torsten »

Mirjanin hat geschrieben:Eine Wirtschaft ohne Zinsen würde in Armut & Ruinen versinken.
Eine Wirtschaft mit Zinsen versinkt in Schulden, die der Reichtum weniger, aber das Problem vieler sind.

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Mirjanin
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Re: Wucher

Beitrag von Mirjanin »

Warum?
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Torsten
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Re: Wucher

Beitrag von Torsten »

Man könnte schreiben, dass bei der Geldschöpfung per Kredit das Geld für die Zinsen nicht mitgeschöpft wird. Das Geld existiert gar nicht, und ich kann die Zinsen nur dann bezahlen, wenn ich jemand anderem etwas wegnehme. Und dass Zins und Zineszins dafür sorgen, dass Vermögen exponentiell wächst, das heißt immer schneller immer mehr Geld fehlt, um neben diesem Wachstum noch die eigenen Aufgaben, das eigene Leben zu bestreiten.

Diese Wirtschaft und ihr Reichtum leidet an einem Mangel an Vergebung. Und der heilige Wettbewerb an einem Mangel an Siegern, die das könnten, ohne zu verlieren.

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Mirjanin
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Re: Wucher

Beitrag von Mirjanin »

Sagen wir der Einfachheit, es gäbe nur 10000 Geldeinheiten in einem kleinen Land. Ich nehme bei dir einen Kredit von 100 Geldeinheiten auf. Damit baue ich mir ein Geschäft auf. Ich verkaufe irgendeine Ware, z. B. Designer-Staubsauger. Einzelhandel. Nach drei Jahren komme ich zurück und gebe dir wie vereinbart 120 Geldeinheiten (100 Kredit + 20 Zinsen) zurück. Wo habe ich jemandem etwas "weggenommen" und wo wurde neues Geld geschöpft? (= Anstieg der Geldmenge)

Ich kann mir denken, worauf du hinaus willst - aber du meinst nicht den Zins, sondern den Geldschöpfungsprozess durch Banken heute, oder?
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Kohelet
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Re: Wucher

Beitrag von Kohelet »

Auffälligerweise gebrauchen die zahlreichen Bibelstellen, die sich gegen Darlehenszinsen wenden, jedenfalls in den deutschen Übersetzungen die Begriffe "Zins" und "Wucher" nahezu austauschbar. Auch usura (laut Stowasser: Kapitalnutzung, Zinsen) scheint hier interpretationsoffen zu sein.

Allerdings kann die Enzyklika "vix pervenit" wohl nur so verstanden werden, dass nicht bloß wucherische Darlehensgeschäfte unerlaubt sein sollen, sondern jede Form der Zinsnahme. Dafür spricht schon das verwendete usura im neutralen Sinne von "Zins". Außerdem hält die Enzyklika etwa die finazielle Situation des Schuldners ausdrücklich für unerheblich und stellt interessanterweise nicht auf eine mögliche Zwangslage des Bewucherten ab, sondern argumentiert nahezu ausschließlich mit (der Hl. Schrift, den Kirchenvätern und) der angeblich durch den Zins gestörten "Rechtsnatur des Darlehensvertrags," die eine Gleichheit von Gabe und Gegengabe erfordere.

Die möglichen negativen Auswirkungen der Zins- und Kapitalwirtschaft auf die Gesamtökonomie bilden gerade nicht die entscheidende Argumentationsgrundlage der Enzyklika!

Stattdessen fordere laut Enzyklika "die Rechtsnatur des Darlehens (...) notwendig die Gleichheit von Gabe und Rückgabe." Auf Basis dieser Erwägung lehnt sie darauf den Darlehenszins rundweg (und völlig unabhängig von seiner [Punkt]) als unmoralisch ab. Diese Betrachtungsweise erscheint allerdings zu formalistisch und berücksichtigt nicht die wirtschaftliche Dimension des Darlehensvertrags.

Die Leistung des Darlehensgebers ist ja nicht das Eigentum an der Darlehenssumme als solcher. Die Leistung liegt in der (geldwerten) Überlassung der Gebrauchsvorteile der Geldsumme. Wirtschaftlich gesehen unterscheidet sich der Darlehensvertrag damit nicht wesentlich z.B. vom Mietvertrag. Leistung des Vermieters ist eben nicht das Eigentum an der Mietsache selbst, sondern der Besitz und die Gebrauchsvorteile daran.

Die Nutzungen der Darlehenssumme (in Form von Gebrauchsvorteilen, § 100 BGB) sind ein geldwerter Vorteil. Er stellt die eigentliche Leistung des Darlehensgebers dar. Erst wenn dieser Gebrauchsvorteil zum objektiven Marktwert, d.h. zum marktüblichen Zinssatz, vergütet wird, ist die "Gleichheit von Gabe und Rückgabe" wiederhergestellt. Das bloß verzinste Darlehen an sich stört also für sich genommen noch die Tauschgerechtigkeit, auf die "vix pervenit" Bezug nimmt.

Sittenwidig ist nach dt. Recht erst ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung durch Ausbeutung einer Schwächesituation, § 138 II. Ein solches auffälliges Missverhältnis vermutet die Rechtsprechung bei einem Zinssatz, der abslolut 12 Prozentpunkte oder relativ 100 % über dem marktüblichen Zinssatz liegt.

Ein Verbot der Zinswirtschaft erzwingt nicht nur die auch in "vix pervenit" erwähnten mannigfaltigen Umgehungsgeschäfte, sondern schafft auf dem Kapitalmarkt im Untergrund Monopolstellungen, die letztendlich zu den im Mittelalter üblichen horrend hohen Zinssätzen (von über 60-90 %!) führten.

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Florianklaus
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Re: Wucher

Beitrag von Florianklaus »

Herzlich willkommen und vielen Dank für diesen informativen Beitrag!

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Torsten
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Re: Wucher

Beitrag von Torsten »

Mirjanin hat geschrieben:Sagen wir der Einfachheit, es gäbe nur 10000 Geldeinheiten in einem kleinen Land. Ich nehme bei dir einen Kredit von 100 Geldeinheiten auf.
Machen wir es doch noch einfacher: Wir haben 11 Mann. Ich bin der elfte Mann und besitze 100 Geldeinheiten, warum auch immer. Die anderen besitzen nichts, warum auch immer. Da ich ein gerechter, selbstloser, aber wirtschaftlich "vernünftig denkender" Mensch bin, gebe ich jedem 10 Geldeinheiten. Zu 10% Zinsen ..

______________________________________________

>Die möglichen negativen Auswirkungen der Zins- und Kapitalwirtschaft auf die Gesamtökonomie bilden gerade nicht die entscheidende Argumentationsgrundlage der Enzyklika!<

Das ist auch gut so. Solche Enzykliken sind ja nicht dafür da, dem Teufel seinen eigenen Irrsinn zu erklären.

Raphael

Re: Wucher

Beitrag von Raphael »

Torsten hat geschrieben:
Mirjanin hat geschrieben:Sagen wir der Einfachheit, es gäbe nur 10000 Geldeinheiten in einem kleinen Land. Ich nehme bei dir einen Kredit von 100 Geldeinheiten auf.
Machen wir es doch noch einfacher: Wir haben 11 Mann. Ich bin der elfte Mann und besitze 100 Geldeinheiten, warum auch immer. Die anderen besitzen nichts, warum auch immer. Da ich ein gerechter, selbstloser, aber wirtschaftlich "vernünftig denkender" Mensch bin, gebe ich jedem 10 Geldeinheiten. Zu 10% Zinsen ..

______________________________________________

>Die möglichen negativen Auswirkungen der Zins- und Kapitalwirtschaft auf die Gesamtökonomie bilden gerade nicht die entscheidende Argumentationsgrundlage der Enzyklika!<

Das ist auch gut so. Solche Enzykliken sind ja nicht dafür da, dem Teufel seinen eigenen Irrsinn zu erklären.
Tja, mein lieber Torsten, dann wirst Du als Großkapitalist ganz schnell verhungern, weil Du keine Geldeinheiten mehr hast, um die erforderlichen Nahrungsmittel zu kaufen .........

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Pelikan
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Re: Wucher

Beitrag von Pelikan »

Kohelet hat geschrieben:Die Leistung des Darlehensgebers ist ja nicht das Eigentum an der Darlehenssumme als solcher. Die Leistung liegt in der (geldwerten) Überlassung der Gebrauchsvorteile der Geldsumme. Wirtschaftlich gesehen unterscheidet sich der Darlehensvertrag damit nicht wesentlich z.B. vom Mietvertrag. Leistung des Vermieters ist eben nicht das Eigentum an der Mietsache selbst, sondern der Besitz und die Gebrauchsvorteile daran.
Ja. Deshalb dreht sich die Debatte über den Zins seit jeher um die Frage, ob Geld eher wie ein Haus ist, dessen Gebrauch auch ohne Eigentum möglich ist, oder eher wie Wein oder Getreide (die Beispiele des hl. Thomas), deren Gebrauch sie verbraucht, so daß Eigentum und Besitz normalerweise nicht voneinander trennbar sind.

Ein Käsebrot läßt sich nicht vermieten.

Paul Heliosch
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Re: Wucher

Beitrag von Paul Heliosch »

Die Feststellung der Grenze zwischen tatsächlichem Wert und dem Wucher-Wert wird wohl einen verbindlichen Messpunkt benötigen...

Der Wert einer zu verkaufenden oder zu verleihenden Sache bemisst sich nach den ATl. Regeln nach der bis zum Jubeljahr verbleibenden Nutzungszeit.

Auf diese Weise wird dem kritischen (weil übermässigen bzw. gewillkürten, künstlichen) Wertzuwachs, genannt "Wucher" von vorneherein jener erforderliche Grenzwert/Messpunkt gesetzt.

Diese Wertfeststellung setzt aber sowohl eine gesellschaftlich vereinbarte 7x7plusEinJubeljahr-Zählung voraus sowie einen verbindlichen, monetären und immobilen Eigentumsausgangspunkt.

Nachzulesen ist dieses Prinzip in Lev 15,8 ff ...

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Torsten
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Re: Wucher

Beitrag von Torsten »

Es mag hier etwas Off-Topic sein, aber ich bin vorgestern auf Youtube über Grundeinkommen - Der Film gestolpert. Ich halte - mittlerweile - nicht mehr viel von weltlichen Heilsversprechen. Aber trotzdem kann ich ja nicht so glauben und leben, als ob jeder Tag der letzte wäre. Denn wann der letzte Tag ist, das weiß Gott allein. Und jeder, der etwas anderes behauptet, ist ein Lügner. Jedenfalls fand ich eine Aussage in dem Film besonders bemerkenswert: Nicht arbeiten, um ein Einkommen zu erzielen, sondern ein Grundeinkommen, um deine Arbeit zu ermöglichen, die unbezahlbar ist.

Weil es gibt so viel Arbeit, die unerledigt oder unbezahlt bleibt, während andererseits so viel Arbeit erledigt und bezahlt wird, welche die Menschen so frustriert und krank macht, die Umwelt zerstört, dass selbst das tägliche Gebet mit einer Demenzkranken dagegen für den einen oder anderen eine echte Alternative darstellen mag. Die Arbeit ist ein Kreuz. Aber nur der richtige Herr sorgt dafür, dass sie nicht zur Hölle für einen selbst und für andere wird.

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Peregrin
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Re: Wucher

Beitrag von Peregrin »

Kohelet hat geschrieben: Stattdessen fordere laut Enzyklika "die Rechtsnatur des Darlehens (...) notwendig die Gleichheit von Gabe und Rückgabe." Auf Basis dieser Erwägung ...
Ja, leider fehlt dieser Enzyklika zum Verständnis der Rechtsnatur eines Darlehens noch das Verständnis der Rechtsnatur eines realen Kreditgeschäfts. Die "Gleichheit von Gabe und Rückgabe", aus der die klaren Verhältnisse folgen, ist ja offensichtlich nur gewährleistet, wenn Gabe und Rückgabe zeitlich und örtlich zusammenfallen, welchenfalls der Kredit natürlich überhaupt überflüssig wird. Ansonsten war sicher auch den honorigen Kardinälen, Theologen und Rechtsgelehrten zumindest klar, daß ein Versprechen auf die mögliche Auszahlung einer Geldsumme morgen oder übermorgen oder zumindest irgendwann bei den Menschen nicht dieselbe Wertschätzung genießt, wie die gleiche Summe hier und jetzt aufgezählt zu erhalten. Die dargestellten Erkenntnisse sind also ebenso trivial wie nutzlos, was die Enzyklika ja selber indirekt zugesteht, wenn sie weiter unten anmerkt, daß unter Umständen, die auf den typischen Geschäftskredit zutreffen, die Auszahlung einer "Frucht" schon vereinbart werden kann. Wie hoch die genau sein darf, darüber schweigt nun die Enzyklika, und das ist wohl besser so.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Kohelet
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Re: Wucher

Beitrag von Kohelet »

Bei Verträgen über die Gebrauchsüberlassung von Sachen ist zu differenzieren: Muss die überlassene Sache selbst zurückgegeben werden, liegt ein Mietvertrag (wenn entgeltlich) oder eine Leihe (wenn unentgeltlich) vor. Müssen dagegen nur Sachen gleicher Art, Menge und Güte zurückerstattet werden, liegt entweder ein Sachdarlehensvertrag oder ein Gelddarlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) vor.

Klar, ein Käsebrot z.B. kann man nicht (wirtschaftlich sinnvoll) vermieten. Man könnte aber trotzdem einen entgeltlichen (Sach-)darlehensvertrag darüber abschließen. Sehr viel unkomplizierter wäre es natürlich, der Darlehensgeber stellte dem Darlehensnehmer einfach den Geldbetrag dazu zur Verfügung, damit dieser sich das "Käsebrot" selbst kaufen kann. Das Entgelt bliebe davon unberührt und hieße dann "Zins". Zwischen diesen beiden Varianten besteht kaum ein entscheidender wirtschaftlicher oder moralischer Unterschied; das (umständlichere) Sachdarlehen könnte aber als Umgehungsgeschäft dienen im Falle eines religiös motivierten Verbots von verzinsten Gelddarlehen.

Dem Gelde wohnt also, wie jeder anderen Sache auch (gleich ob verbrauchbar oder nicht), ein Gebrauchsvorteil inne, weil man damit auch jede andere Sache erwerben könnte. Diesen Gebrauchsvorteil vergilt der Zins.

Interessant ist, wie die Kirche heute mit dem Zinsverbot umgeht. In keiner ethischen Frage könnte die einhellige Meinung der Hl. Schrift, der Kirchenväter und einer sehr langen und ehrwürdigen Reihe von Konzilien und Enzykliken klarer, eindeutiger und unmissverstänlicher sein als bezüglich des Zinsverbots. Dennoch scheint es in Lehre, Verkündigung und Praxis nahezu bedeutungslos.

Im Internet kursiert dazu folgende Anekdote, über deren Wahrheitsgehalt ich nichts aussagen kann:
"Estelle und Mario Carota ersuchten in der lateinamerikanischen Schuldenkrise 1985 den Vatikan, seine Position zum Wucher darzulegen. Sie wurden von Kardinal Ratzinger beschieden, dass die Lehre über den Wucher nie neu formuliert worden sei, dass sich nichts geändert habe. Informell wurde ihnen weiter mitgeteilt, dass es unglücklicherweise keinen einzigen Experten zu dieser Frage mehr in Rom gebe, weil sich alle auf die Themen Sexualität und Abtreibung spezialisiert hätten."

Wenn also die Kirche alte Positionen stillschweigend einfach so übergeht, könnte das doch irgendwann auch für alle anderen "heißen Eisen" gelten, von denen manche schließlich weit weniger gut biblisch belegbar sind...

Raphael

Re: Wucher

Beitrag von Raphael »

Warum soll sich die Kirche so intensiv mit dem Gegengott Mammon beschäftigen, wo sie doch zur Verehrung des wahren Gottes gestiftet worden ist? :hmm:

Das Wert des Geldes wird Geheimnis bleiben, denn das Gute offenbart sich! :)

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Pelikan
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Re: Wucher

Beitrag von Pelikan »

Kohelet hat geschrieben:Klar, ein Käsebrot z.B. kann man nicht (wirtschaftlich sinnvoll) vermieten. Man könnte aber trotzdem einen entgeltlichen (Sach-)darlehensvertrag darüber abschließen. Sehr viel unkomplizierter wäre es natürlich, der Darlehensgeber stellte dem Darlehensnehmer einfach den Geldbetrag dazu zur Verfügung, damit dieser sich das "Käsebrot" selbst kaufen kann. Das Entgelt bliebe davon unberührt und hieße dann "Zins". Zwischen diesen beiden Varianten besteht kaum ein entscheidender wirtschaftlicher oder moralischer Unterschied; das (umständlichere) Sachdarlehen könnte aber als Umgehungsgeschäft dienen im Falle eines religiös motivierten Verbots von verzinsten Gelddarlehen.
Das Verbot ist ja weder religiös noch geht es ums Geld. Es geht genau um diesen von dir ausgeführten Punkt: ob man gerechterweise einen entgeltlichen Sachdarlehensvertrag über ein Käsebrot abschließen kann.

Ich kann das nach wie vor nicht nachvollziehen. Ich gebe dir also ein Käsebrot, und du versprichst, mir eine Woche später nicht nur ein äquivalentes Käsebrot zurückzugeben, sondern auch den Gebrauchsvorteil zu vergelten, den du für einwöchigen Gebrauch des Brotes genossen hast. Aber worin besteht dieser Vorteil? Das Brot hat doch gar keinen separaten Gebrauch, außer sich selbst. Wenn man es gebraucht, ist es weg. Ein solcher Vetrag beinhaltet eine Sache, die nicht existiert.
Dem Gelde wohnt also, wie jeder anderen Sache auch (gleich ob verbrauchbar oder nicht), ein Gebrauchsvorteil inne, weil man damit auch jede andere Sache erwerben könnte. Diesen Gebrauchsvorteil vergilt der Zins.
Daß derjenige, der etwas verleiht, für die Dauer der Leihe die Sache (die bei einem Verbrauchsgut mit ihrem Gebrauch identisch ist) entbehren muß, ist offensichtlich und liegt in der Natur eines solchen Vertrages. Er legt die Dauer dieser Entbehrung selbst fest und kann für diesen seinen willentlichen Entschluß allein keine Kompensation verlangen, sondern allenfalls für einen nachweisbar erlittenen Verlust.

Raphael

Re: Wucher

Beitrag von Raphael »

Pelikan hat geschrieben:Das Verbot ist ja weder religiös noch geht es ums Geld. Es geht genau um diesen von dir ausgeführten Punkt: ob man gerechterweise einen entgeltlichen Sachdarlehensvertrag über ein Käsebrot abschließen kann.

Ich kann das nach wie vor nicht nachvollziehen. Ich gebe dir also ein Käsebrot, und du versprichst, mir eine Woche später nicht nur ein äquivalentes Käsebrot zurückzugeben, sondern auch den Gebrauchsvorteil zu vergelten, den du für einwöchigen Gebrauch des Brotes genossen hast. Aber worin besteht dieser Vorteil? Das Brot hat doch gar keinen separaten Gebrauch, außer sich selbst. Wenn man es gebraucht, ist es weg. Ein solcher Vetrag beinhaltet eine Sache, die nicht existiert.
Der Gebrauch des Käsebrotes führt dazu, daß nicht nur das Käsebrot weg ist, sondern ebenso der Hunger desjenigen, welcher das Käsebrot verzehrt; zumindest teilweise, denn es gibt ja auch Leute, die brauchen mehrere Käsebrote, um satt zu werden. :roll:

Mithin wurde ein Bedürfnis befriedigt und in der Ökonomie geht es nunmal um Bedürfnisbefriedigung. Diese spezielle Bedürfnisbefriedigung wiederum ist der offensichtliche Gebrauchsvorteil des Käsebrotes!

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Pelikan
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Re: Wucher

Beitrag von Pelikan »

Raphael hat geschrieben:
Pelikan hat geschrieben:Das Verbot ist ja weder religiös noch geht es ums Geld. Es geht genau um diesen von dir ausgeführten Punkt: ob man gerechterweise einen entgeltlichen Sachdarlehensvertrag über ein Käsebrot abschließen kann.

Ich kann das nach wie vor nicht nachvollziehen. Ich gebe dir also ein Käsebrot, und du versprichst, mir eine Woche später nicht nur ein äquivalentes Käsebrot zurückzugeben, sondern auch den Gebrauchsvorteil zu vergelten, den du für einwöchigen Gebrauch des Brotes genossen hast. Aber worin besteht dieser Vorteil? Das Brot hat doch gar keinen separaten Gebrauch, außer sich selbst. Wenn man es gebraucht, ist es weg. Ein solcher Vetrag beinhaltet eine Sache, die nicht existiert.
Der Gebrauch des Käsebrotes führt dazu, daß nicht nur das Käsebrot weg ist, sondern ebenso der Hunger desjenigen, welcher das Käsebrot verzehrt; zumindest teilweise, denn es gibt ja auch Leute, die brauchen mehrere Käsebrote, um satt zu werden. :roll:

Mithin wurde ein Bedürfnis befriedigt und in der Ökonomie geht es nunmal um Bedürfnisbefriedigung. Diese spezielle Bedürfnisbefriedigung wiederum ist der offensichtliche Gebrauchsvorteil des Käsebrotes!
Genau. Und eben diese wird 1:1 vergolten, indem ein Käsebrot mit gleichem Nährwert zurückgegeben wird.

Raphael

Re: Wucher

Beitrag von Raphael »

Pelikan hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Pelikan hat geschrieben:Das Verbot ist ja weder religiös noch geht es ums Geld. Es geht genau um diesen von dir ausgeführten Punkt: ob man gerechterweise einen entgeltlichen Sachdarlehensvertrag über ein Käsebrot abschließen kann.

Ich kann das nach wie vor nicht nachvollziehen. Ich gebe dir also ein Käsebrot, und du versprichst, mir eine Woche später nicht nur ein äquivalentes Käsebrot zurückzugeben, sondern auch den Gebrauchsvorteil zu vergelten, den du für einwöchigen Gebrauch des Brotes genossen hast. Aber worin besteht dieser Vorteil? Das Brot hat doch gar keinen separaten Gebrauch, außer sich selbst. Wenn man es gebraucht, ist es weg. Ein solcher Vetrag beinhaltet eine Sache, die nicht existiert.
Der Gebrauch des Käsebrotes führt dazu, daß nicht nur das Käsebrot weg ist, sondern ebenso der Hunger desjenigen, welcher das Käsebrot verzehrt; zumindest teilweise, denn es gibt ja auch Leute, die brauchen mehrere Käsebrote, um satt zu werden. :roll:

Mithin wurde ein Bedürfnis befriedigt und in der Ökonomie geht es nunmal um Bedürfnisbefriedigung. Diese spezielle Bedürfnisbefriedigung wiederum ist der offensichtliche Gebrauchsvorteil des Käsebrotes!
Genau. Und eben diese wird 1:1 vergolten, indem ein Käsebrot mit gleichem Nährwert zurückgegeben wird.
Nun hat sich aber im Laufe der Wirtschaftsgeschichte herausgestellt, daß die echten Tauschgeschäfte (Ware gegen Ware) dadurch vereinfacht werden können, wenn man ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel "dazwischenschaltet". :blinker:

Also A hat Geld und Hunger, B hat das Käsebrot und keinen Hunger. A gibt dem B das Geld und wird durch den Verzehr des Käsebrotes gesättigt. Wenn B nun Hunger bekommt, geht die Aktion mit C weiter ........

Als gewinnorientierter Unternehmer ist der Hersteller der Käsebrote jedoch nicht dumm und bekommt mehr Geld für das Käsebrot als er selber für die Herstellung dieses Käsebrotes aufwenden mußte. Diesen Mehrerlös nennt man Gewinn G oder Unternehmerlohn U. Diesen Gewinn spart er bei sich an, indem er eine Schatztruhe S unter dem Bett in seinem Schlafzimmer versteckt.

Außerdem überlegt er sich, es wäre doch gut, wenn er eine Maschine hätte, mit der er viel mehr Käsebrote herstellen könnte. Denn dann würde ja die Schatztruhe S unter seinem Bette immer mehr gefüllt werden. :klatsch:

Nun hat er aber noch nicht genug Mehrerlös/Gewinn angespart, um sich diese Maschine beim Hersteller Z zu kaufen. Z macht übrigens mit der Käsebrotherstellungsmaschinen genau das, was A mit den Käsebroten macht.
A geht also zur Bank K und leiht sich den Betrag X, um den Kaufpreis an Z zu zahlen. Die Bank K möchte aber nicht nur den Geldbetrag X zurück, sondern zusätzlich noch den jährlichen Zinsbetrag R (= Rendite), denn auch bei der Bank K handelt es sich um ein gewinnorientiertes Unternehmen. Die Bank K wiederum hat das Geld, welches sie verleiht, von dem V, dem W und dem Y, die sich überlegt haben, ihr Geld nicht in der Schatzkiste unter dem Bett zu verstecken, sondern es an die Bank zu verleihen, um selber auch einen Zinsbetrag R (= Rendite) einzustreichen.

Es kommt wie es kommen muß: A stellt mithilfe der Maschine mehr Käsebrote als bisher her, verkauft diese auch, weil jetzt der C, der D und der E zusätzlich Kunden werden. A kann also die Tilgung T und die Zinsen R an die Bank K zahlen und trotzdem noch sein Schatzkästchen S unter seinem Bette füllen. :)

That's what economics is all about! :)

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