Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Paul Heliosch
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Paul Heliosch »

Sempre hat geschrieben:Warum beantwortest Du keine einzige Frage von mir zu Deinen Ausführungen und dem konkreten Text mit einem geeigneten Zitat?
Passende Zitate, von denen ich hoffte Dir damit dienen zu können, habe ich bisher angeführt.

Du bist mit meinen Antworten nicht zufrieden? Das tut mir leid!

Du willst das Buch nicht lesen? Schade!

Ich fand es hilfreich, daß Du mit einfachen Worten meine schlussfolgernde These und daraufhin Deine Wünsche skizziert hast.

(Übrigens habe ich in diesem Thread bereits erzählt, unter welchen Umständen ich zu dem Buch kam.)

Ich gehe jetzt in die Pause.

Raphael

Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Raphael »

Sempre hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Ratzinger übte also in seiner Habilitationsschrift sehr wohl Kritik an der akademischen Leistung innerhalb der Mediävistik an der Münchener Universität, die im Wesentlichen von Michael Schmaus vertreten wurde!
Das ist klar.
Bislang war Dir das offensichtlich nicht so klar! :roll:
Sempre hat geschrieben: Paul Heliosch aber behauptet, Ratzinger habe Kritik an einem falschen Offenbarungsbegriff geübt, den Schmaus und das Lehramt vertreten hätten.

Gruß
Sempre
Der Sachverhalt wurde anders dargestellt als Du ihn rezipierst hast:
Paul Heliosch hat geschrieben:Ratzinger geriet durch seine Habilitationsschrift völlig unabsichtlich zum Antipoden eines in sola scriptura betonierten Offenbarungsbegriffs, zu dessen Verteidigung Prof. Schmaus damals wohl meinte genötigt worden zu sein. - Soweit meine These.

Raphael

Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Und das wieder bedeutet, daß es ein reines »Sola scriptura« (»durch die Schrift allein«) nicht geben kann, daß zur Schrift das verstehende Subjekt Kirche gehört, womit auch schon der wesentliche Sinn von Überlieferung gegeben ist.
Aha.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das darf man aber nun freilich nicht so sehen, als sei diese „historisch bereits erfolgte und abgeschlossene Offenbarung“ im Ergebnis einfachhin steril in Schriftform gegossen, und das sei es gewesen. Solche Sichtweise verkennte, wer eigentlich der Empfänger der geschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes gewesen ist. Nämlich nicht die Individuen, die hörten, sahen, aufschrieben, weitersagten, sondern: die Kirche. Die Kirche als Subjekt der Heilsgeschichte, als Ziel jenes »göttlichen Tuns«, von welchem Ratzinger spricht. Und die Kirche nicht als Theorie, nicht als Prinzip, nicht als „Institution“, sondern als Volk, das neue Volk der Auserwählten Gottes, herausgerufen aus Juden und Heiden, die civitas Dei.

Das »Innesein der göttlichen Kunde« vollzieht sich in der Kirche und ist da vollendet. Es geht da um genau das, was Ratzinger in seiner Dissertation über Augustin so trefflich herausgearbeitet hat (und über der Habilitation kaum vergessen haben wird): Gewiß ist für den einzelnen die Annahme der Offenbarung essentiell, aber sie vollzieht sich im Maß seiner Eingliederung in den Leib der Kirche, seiner Gliedwerdung im Volkskörper, seiner Einbürgerung in die Stadt Gottes. Und sie vollzieht sich primär nicht intellektuell, sondern sakramental.
Ich war da offensichtlich auf der rechten Spur. Ratzingers Offenbarungsbegriff führt keineswegs zu jener radikalen Vereinzelung der Glieder der Gemeinde, die man aus manchen protestantischen Strömungen kennt, die den einzelnen entgeschichtlichen und die unter Verkennung der sakramentalen Wirklichkeit der Kirche alles aufs je neue existentiale Angerufensein der Person ankommen lassen.
In der DT ist vor ungefähr einem Jahr ein Artikel von Michael Karger veröffentlicht worden, der offenbar anläßlich der kurz bevorstehenden Veröffentlichung der ersten beiden Teile von Ratzinger's Habilitation verfaßt worden ist: Ein Drama in vier Akten

Er zeichnet die Entwicklungen nach und schildert auch die theologischen Auseinandersetzungen um die Frage, wie »Offenbarung« inhaltlich zu verstehen ist.

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Robert Ketelhohn
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Danke schön. – Daraus:
Im dritten Teil steht sogar eine Entkräftung des Einwandes, daß dieses Offenbarungsverständnis einem „subjektivistischen Aktualismus“ Vorschub leiste, der an die Stelle der objektiven Offenbarungswahrheiten trete. Das Gegenargument Ratzingers besteht darin, „daß das die Schrift je erst zur ,Offenbarung‘ erhebende Verständnis sich nicht als Sache des Einzellesers auffassen läßt, sondern sich allein im lebendigen Schriftverständnis der Kirche zuträgt. Die Objektivität des Glaubensanspruchs ist damit zweifellos sichergestellt.“
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Sempre
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Sempre »

Derselbe Michael Karger schreibt 2007 in der Tagespost:
Michael Karger hat geschrieben:Gerechtigkeit verdient allerdings auch der „Fastsaboteur“ der Habilitation des späteren Papstes, Michael Schmaus, dem Seewald „verletzte Eitelkeit“ unterstellt. Die nachkonziliare Entwicklung in den Bibelwissenschaften übertraf alle Befürchtungen von Schmaus. Er war zwar im Unrecht, aber der von ihm an die Wand gemalte „Subjektivismus“ ist tatsächlich hereingebrochen. Der von Ratzinger und dem Zweiten Vatikanum vertretene Offenbarungsbegriff erforderte auf Seiten der Theologen eine sehr anspruchsvolle Glaubenshermeneutik, zu der man erst im Nachhinein und auch nur in Ansätzen gefunden hat.
Gruß
Sempre
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Sempre
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Sempre »

Ein Gespräch mit Joseph Kardinal Ratzinger 1999 über die christliche Prophetie, deren Wurzel Ereignisse von Offenbarung sind. Daraus:
Niels Christian Hvidt hat geschrieben:RATZINGER: Ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass - wiederum nach dem Deuteronomium - das Besondere bei Mose war, daß er mit Gott redete, wie ein Freund mit einem Freund redet. Darin würde ich den Kern oder die Wurzel des Prophetischen sehen. Es ist genau dieses "Auge in Auge mit Gott", dieses "Reden wie ein Freund mit einem Freund". Von dieser direkten Begegnung mit Gott her kann der Prophet dann in die Zeit hinein reden.

[...]

RATZINGER: Ja, es gibt die These, daß mit der Vollendung der Offenbarung das Ende der Prophetie gegeben sei. Diese These scheint mir ein doppeltes Mißverständnis einzuschließen. [...] Das zweite Mißverständnis ist ein intellektualistisch verengtes Verständnis von Offenbarung, wo man Offenbarung als einen Schatz von mitgeteilten Erkenntnissen betrachtet, die nun fertig sind und an die nichts mehr angefügt werden kann. Das eigentliche Ereignis von Offenbarung ist aber, daß wir in dieses "Auge in Auge mit Gott" hineingeführt werden. Offenbarung ist wesentlich, daß Gott sich selber uns gibt, eine Geschichte mit uns macht und uns zusammenfügt und zusammenführt. Sie ist insofern ein Begegnungsereignis, das freilich auch eine Mitteilungsdimension hat und eine kognitive Struktur in sich trägt. Es hat also Implikationen für die Erkenntnis der Wahrheit der Offenbarung.
Das ganze Interview passt hier sehr gut. Ratzinger erklärt ausführlich anhand diverser Beispiele christlicher Prophetie, warum er es für wichtig erachtet, das eigentliche Ereignis von Offenbarung zu betonen.

Offenbarungen nach der - nicht in sola-scriptura betonierten sondern - kanonisierten Offenbarung sind Offenbarungen niederer Rangstufe, aber dennoch wichtig für das Ganze der Kirche. Hinter jedem großen Theologen stehe immer irgendwo zuerst ein Prophet.
Niels Christian Hvidt hat geschrieben:RATZINGER: Der Begriff "privat" [in Privatoffenbarung] bedeutet in der Theologie nicht, daß etwas nur den Betroffenen angeht und alle anderen nicht. Er ist vielmehr Ausdruck für eine Rangstufe, so z.B. auch beim Begriff "Privatmesse". Es soll also gesagt sein: Die "Offenbarungen" christlicher Mystiker und Propheten können nie denselben Rang haben wie die biblische Offenbarung, sie können nur zu ihr hinführen und sind an ihr zu messen. Das bedeutet aber nicht, daß solche Offenbarungen ohne Bedeutung fürs Ganze der Kirche wären. Lourdes und Fatima zeigen das Gegenteil. Sie sind letztlich nur Erinnerung an die biblische Offenbarung, aber gerade deshalb wichtig.
Gruß
Sempre
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Sempre
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Sempre »

Joseph Ratzinger hat geschrieben:Es geht um zwei große Fragen. Eine könnte man etwa so ausdrücken: Wenn christlicher Glaube an eine vor langem abgeschlossene Offenbarung gebunden ist, ist er dann nicht dazu verurteilt, rückwärts gewandt zu sein und den Menschen an eine vergangene Zeit zu ketten? Kann er dann mit der weitergehenden Geschichte Schritt halten, hat er ihr überhaupt noch etwas zu sagen? Muß er nicht allmählich veralten und schließlich einfach unrealistisch sein? Bonaventura hat darauf geantwortet, indem er den Zusammenhang von Christus und Heiligem Geist gemäß dem Johannes-Evangelium stark herausgestellt hat: Das historische Offenbarungswort ist endgültig, aber es ist unerschöpflich und gibt immer neue Tiefen frei. Insofern spricht der Heilige Geist als Interpret Christi mit seinem Wort zu jeder Zeit und zeigt ihr, daß dieses Wort immerfort Neues zu sagen hat. Der Heilige Geist wird nicht, wie bei Joachim von Fiore, in eine zukünftige Periode extrapoliert, sondern immerfort ist Geist-Zeitalter. Das Christus-Zeitalter ist das Zeitalter des Heiligen Geistes. Die zweite Frage, die damit ansteht, ist die von Eschatologie und Utopie. Es fällt dem Menschen schwer, nur auf das Jenseits oder nur auf eine neue Welt nach dem Untergang der gegenwärtigen zu hoffen. Er möchte eine Verheißung in der Geschichte. Joachim, der eine solche Verheißung konkret formuliert hat, hat damit die Weichen für Hegel gestellt, wie P. De Lubac gezeigt hat, wobei Hegel wiederum das Denkschema für Marx bereitgestellt hat. Bonaventura hat sich gegen die Utopie gewandt, die den Menschen betrügt. Er hat auch einem schwärmerischen, geistlich-anarchischen Konzept der franziskanischen Bewegung gegenüber ein nüchternes und realistisches Konzept durchgesetzt, was ihm viele übelgenommen haben und noch übelnehmen. Aber er hat gerade in solchen nicht-utopischen, aber von der Leidenschaft des Glaubens getriebenen Gemeinschaften die Antwort auf die Frage der Utopie gesehen: Sie arbeiten nicht für eine Welt von übermorgen, sondern dafür, daß heute etwas vom Licht des Paradieses in dieser Welt da ist. Sie leben jetzt »utopisch«, so gut es geht, indem sie auf Besitz, auf Selbstverfügung, auf den Eros und seine Erfüllungen verzichten. So kommt frischer Wind in die Welt herein, ihre Zwänge werden durchbrochen, und Gott wird ganz nahe mitten in dieser Welt.
Aus: Joseph Ratzinger: Salz der Erde, S. 66f)
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Albert
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Albert »

@Sempre

Danke, für den PDF-Link.

Am Hochfest der Muttergottes dir und allen, einen gesegneten Sonntag.

Grüße,
Albert

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overkott
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von overkott »

Sempre hat geschrieben:
Joseph Ratzinger hat geschrieben:Es geht um zwei große Fragen. Eine könnte man etwa so ausdrücken: Wenn christlicher Glaube an eine vor langem abgeschlossene Offenbarung gebunden ist, ist er dann nicht dazu verurteilt, rückwärts gewandt zu sein und den Menschen an eine vergangene Zeit zu ketten? Kann er dann mit der weitergehenden Geschichte Schritt halten, hat er ihr überhaupt noch etwas zu sagen? Muß er nicht allmählich veralten und schließlich einfach unrealistisch sein? Bonaventura hat darauf geantwortet, indem er den Zusammenhang von Christus und Heiligem Geist gemäß dem Johannes-Evangelium stark herausgestellt hat: Das historische Offenbarungswort ist endgültig, aber es ist unerschöpflich und gibt immer neue Tiefen frei. Insofern spricht der Heilige Geist als Interpret Christi mit seinem Wort zu jeder Zeit und zeigt ihr, daß dieses Wort immerfort Neues zu sagen hat. Der Heilige Geist wird nicht, wie bei Joachim von Fiore, in eine zukünftige Periode extrapoliert, sondern immerfort ist Geist-Zeitalter. Das Christus-Zeitalter ist das Zeitalter des Heiligen Geistes. Die zweite Frage, die damit ansteht, ist die von Eschatologie und Utopie. Es fällt dem Menschen schwer, nur auf das Jenseits oder nur auf eine neue Welt nach dem Untergang der gegenwärtigen zu hoffen. Er möchte eine Verheißung in der Geschichte. Joachim, der eine solche Verheißung konkret formuliert hat, hat damit die Weichen für Hegel gestellt, wie P. De Lubac gezeigt hat, wobei Hegel wiederum das Denkschema für Marx bereitgestellt hat. Bonaventura hat sich gegen die Utopie gewandt, die den Menschen betrügt. Er hat auch einem schwärmerischen, geistlich-anarchischen Konzept der franziskanischen Bewegung gegenüber ein nüchternes und realistisches Konzept durchgesetzt, was ihm viele übelgenommen haben und noch übelnehmen. Aber er hat gerade in solchen nicht-utopischen, aber von der Leidenschaft des Glaubens getriebenen Gemeinschaften die Antwort auf die Frage der Utopie gesehen: Sie arbeiten nicht für eine Welt von übermorgen, sondern dafür, daß heute etwas vom Licht des Paradieses in dieser Welt da ist. Sie leben jetzt »utopisch«, so gut es geht, indem sie auf Besitz, auf Selbstverfügung, auf den Eros und seine Erfüllungen verzichten. So kommt frischer Wind in die Welt herein, ihre Zwänge werden durchbrochen, und Gott wird ganz nahe mitten in dieser Welt.
Aus: Joseph Ratzinger: Salz der Erde, S. 66f)
Zwei Gedanken möchte ich daraus aufgreifen: Für Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. ist der hl. Bonaventura ein Christ in der Gegenwart, weil für ihn Gott a) nicht einfach eine Urerinnerung ist und b) sein Wort schon heute nüchtern und realistisch Gestalt annehmen soll.

Dass auch der sel. Joachim von Fiore ein christliches Menschenbild hatte, sollte bei aller Hochschätzung des hl. Bonaventura nicht übersehen werden.

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overkott
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von overkott »

Der Papst hat sich nicht nur mit Bonaventura beschäftigt:

http://cgi.ebay.de/Benedikt-XVI-Ratzing ... 437921831

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overkott
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von overkott »

Auf Englisch gibt es schöne Bonaventura-Bücher:

http://www.amazon.de/s?ie=UTF8&tag=fire ... lla-search

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Lioba
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Lioba »

@Paul Heliosch
Ich habe beim nochmaligen Lesens des Threads bemerkt, dass ich vergessen habe, dir zu danken. :tuete:
Du hattest meine Frage verstanden und die Antwort gegeben, die ich suchte. :huhu:
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

Peduli
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Re: Martin Grabmann (1875-1949)

Beitrag von Peduli »

Hubertus hat geschrieben:
Freitag 22. Dezember 2023, 19:37
Als Einstieg empfielt sich der Nachruf auf Martin Grabmann von Prof. Dr. Michael Schmaus (an dessen Grab ich unlängst stand) in Geist u. Gestalt 1 [1959]: https://www.zobodat.at/pdf/Geist-und-Ge ... 1-0227.pdf
Ist das der Michael Schmaus, der damals beinahe die Habilitation von Joseph Ratzinger verhindert hätte? :hmm:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

Peduli
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Re: Martin Grabmann (1875-1949)

Beitrag von Peduli »

Hubertus hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 15:57
Peduli hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 10:59
Hubertus hat geschrieben:
Freitag 22. Dezember 2023, 19:37
Als Einstieg empfielt sich der Nachruf auf Martin Grabmann von Prof. Dr. Michael Schmaus (an dessen Grab ich unlängst stand) in Geist u. Gestalt 1 [1959]: https://www.zobodat.at/pdf/Geist-und-Ge ... 1-0227.pdf
Ist das der Michael Schmaus, der damals beinahe die Habilitation von Joseph Ratzinger verhindert hätte? :hmm:
:ja: Er hatte den Dogmatik-Lehrstuhl in München inne.
Womit also der Nachweis erbracht wäre, daß auch Dogmatiker 'mal von allen guten Geistern verlassen werden können! :pfeif: :pfeif: :pfeif:

Gottlob gab es einen Gottlieb .....................
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Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

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Hubertus
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Re: Martin Grabmann (1875-1949)

Beitrag von Hubertus »

Peduli hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 17:51
Hubertus hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 15:57
Peduli hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 10:59


Ist das der Michael Schmaus, der damals beinahe die Habilitation von Joseph Ratzinger verhindert hätte? :hmm:
:ja: Er hatte den Dogmatik-Lehrstuhl in München inne.
Womit also der Nachweis erbracht wäre, daß auch Dogmatiker 'mal von allen guten Geistern verlassen werden können! :pfeif: :pfeif: :pfeif:

Gottlob gab es einen Gottlieb .....................
:roll:

Hast Du die Habilitationsschrift von Ratzinger gelesen? Weißt Du um die konkreten Kritikpunkte, die vorgetragen wurden?
Ehrlich gesagt, ich müßte beide Fragen selbst verneinen. Das ist mit Sicherheit ein komplexes Problem, in dem, nicht zuletzt, auch menschliche Gründe einen Einfluß gehabt haben dürften. Eine knappe, wenngleich möglicherweise zugunsten Ratzingers ausgelegte, Darstellung bietet z.B. "Ein Drama in vier Akten : Joseph Ratzingers Habilitation über den Franziskanertheologen Bonaventura war der Auftakt für sein Mitwirken in entscheidenden Phasen der Theologiegeschichte".
Zuletzt geändert von Hubertus am Samstag 23. Dezember 2023, 18:34, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Obsolet gewordene "Hinweise als Mod." entfernt.
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Peduli
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Re: Martin Grabmann (1875-1949)

Beitrag von Peduli »

Hubertus hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 18:16
Das ist mit Sicherheit ein komplexes Problem, in dem, nicht zuletzt, auch menschliche Gründe einen Einfluß gehabt haben dürften.
Nunja, wenn etwas geeignet ist, komplexe Probleme zu lösen, dann ja wohl die katholische Theologie, oder? ;D ;D ;D
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
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Hubertus
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Re: Martin Grabmann (1875-1949)

Beitrag von Hubertus »

Peduli hat geschrieben:
Sonntag 24. Dezember 2023, 05:17
Hubertus hat geschrieben:
Samstag 23. Dezember 2023, 18:16
Das ist mit Sicherheit ein komplexes Problem, in dem, nicht zuletzt, auch menschliche Gründe einen Einfluß gehabt haben dürften.
Nunja, wenn etwas geeignet ist, komplexe Probleme zu lösen, dann ja wohl die katholische Theologie, oder? ;D ;D ;D
:D
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

Peduli
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

Um das 'mal ein bißchen weiterzuführen: :unbeteiligttu:

In Ratzingers Dissertation ging es um den Begriff der Offenbarung.
Diesen Begriff kann man nun als einen monolithischen Block verstehen, der unveränderbar vorgegeben ist und den der Gläubige zu akzeptieren hat. Versteht er ihn nicht oder will er ihn nicht verstehen, dann ist er eben kein Gläubiger. So verstanden ist Offenbarung die Antithese zu einem Hardcore-Physikalismus, der nur empirisch Nachweisbares als existent betrachtet.

Den Begriff kann man aber auch von einem Sinn her verstehen, der beinhaltet, daß Offenbarung einen Sender und einen Empfänger hat. Eine Offenbarung, die nicht empfangen wird (aus welchen Gründen auch immer), wird sinnlos. So verstanden ist Offenbarung mit der subjektiven Verpflichtung zu Weitergabe verbunden, die vom Völkerapostel so ausgedrückt wird:
Denn wenn ich die Heilsbotschaft verkündige, so habe ich daran keinen Grund zum Rühmen, denn ich stehe dabei unter einem Zwang; ein ›Wehe!‹ träfe mich ja, wenn ich die Heilsbotschaft nicht verkündigte!
(1 Kor 9, 16)
Dieses etwas andere Verständnis ist organischer und wäre damit im naturwissenschaftlichen Paradigma eher im biologischen Bereich anzusiedeln. Daher reden Katholiken ja auch von einem lebendigen Gott.
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

Ein weiteres Detail bei dem Prozeß der Habilitation von Joseph Ratzinger finde ich bemerkenswert: :ja:

Die ursprünglich erstellte Habilitationsschrift, die eingereicht worden war, umfaßte ca. 900 Seiten; mithin ein monumentales Werk. Es war unterteilt in drei Abschnitte von offensichtlich unterschiedlichem Umfang. Die ersten beiden Abschnitte waren von Prof. Schmaus einer scharfen Kritik unterzogen worden, während der dritte Abschnitt eher nicht beanstandet wurde.
Nur in den ersten beiden Abschnitten hatte jedoch Joseph Ratzinger den Stand der dogmatischen Forschung an theologischen Fakultät der Universität München deutlich auf Defizite hingewiesen. Es wäre möglich, daß sich dadurch Prof. Schmaus "auf seine Verantwortlichkeiten" hingewiesen fühlte und deswegen etwas "überreagierte". :emil:

Der Gag jedoch ist, daß letztendlich der mehr oder weniger unbeanstandete dritte Abschnitt als komplette Habilitationsschrift anerkannt wurde und Joseph Ratzinger zum Professor - was ja bekannt Bekenner bedeutet - ernannt wurde. Wobei dieser dritte Abschnitt lediglich 200 Seiten umfaßte und damit der kleinste war. Joseph Ratzinger war wohl "zu gut für diese Welt"! :emil:

Selten hat die Welt einen besseren Professor gesehen ...................
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Libertas Ecclesiae
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Die Debatte über die Habilitation Joseph Ratzingers wird in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Publik Forum“ (1/2024) aufgegriffen. Dort will ausgerechnet der (inzwischen hochbetagte) Theologe und langjährige Vorstand am Münchener Martin-Grabmann-Institut Richard Heinzmann (geb. 1933) beweisen, dass Joseph Ratzinger seinen Münchener Dogmatikprofessor Michael Schmaus diffamierte. Heinzmann beruft sich auf ein bisher unveröffentlichtes Dokument zur Habilitation von Joseph Ratzinger und fordert „von den Verantwortlichen Konsequenzen“.

Michael Karger kontert in der Online-Ausgabe der „Tagespost“ (16. Januar 2024), dass die These Heinzmanns den Fakten nicht standhalte und spricht von dem untauglichen Versuch Heinzmanns, „alte Anti-Ratzinger-Ressentiments“ befriedigen zu wollen. Die Gutachten aus dem Nachlass von Schmaus, die Heinzmann vorliegen, seien laut Karger allerdings in mehrfacher Hinsicht wichtig: „Hier bereitet sich die Auseinandersetzung auf dem Konzil vor, die Ratzinger wesentlich mitbestimmt hat.“

Leider befinden sich die betreffenden Artikel allesamt hinter einer Bezahlschranke:

Joseph Ratzingers geschönte Geschichte
(von Matthias Drobinski)

„Trotz der Vorzüge des Werks habe ich schwere Bedenken“
(Das Gutachten von Michael Schmaus im Wortlaut)

„Aufs Ganze gesehen eine ausgereifte Untersuchung“
(Das zweite Gutachten vom 2. Januar 1957)

Über das „Drama“ der Habilitation
(von Richard Heinzmann)

Ein untauglicher Versuch, alte Anti-Ratzinger-Ressentiments zu befriedigen
(von Michael Karger)
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

Peduli
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

So etwas beschmutzt die katholische Theologie mehr als die Vorwürfe, die unter dem Namen "sexueller Mißbrauch" bekannt geworden sind. :roll: :roll: :roll:
Autophagie ist ein Phänomen, welches in der natürlichen Umwelt vorkommt, dem Übernatürlichen jedoch fremd ist. :nein: :nein: :nein:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
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Hubertus
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Hubertus »

Peduli hat geschrieben:
Mittwoch 17. Januar 2024, 08:28
So etwas beschmutzt die katholische Theologie mehr als die Vorwürfe, die unter dem Namen "sexueller Mißbrauch" bekannt geworden sind. :roll: :roll: :roll:
Unsinn! Das nun wirklich nicht! Bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:
Mittwoch 17. Januar 2024, 08:00
Leider befinden sich die betreffenden Artikel allesamt hinter einer Bezahlschranke
Es gibt hier eine relativ ausgewogene Darstellung, die offenbar unter Rückgriff auf das jüngst auf Publik-Forum veröffentlichte Dokument entstanden ist. Darin kommt der Autor zugunsten Schmaus' zu dem Schluß, daß
Quelle hat geschrieben:es aber dennoch darum gegangen [sei], Ratzingers Habilitation und damit die Voraussetzung für seine wissenschaftliche Karriere zu retten
, ja, er faßt zusammen:
Deutliche Kritik, aber Habilitation sollte gerettet werden
(Hervorgehoben i.O.)


Ja, es mag schäbig sein, dies nach Benedikts Heimgang noch einmal aufzuwärmen, zumal man gleichsam den Eindruck einer persönlichen Abrechnung nicht völlig auszuschließen vermag. Andererseits wird man sicher die Zuschreibung eines "Mozarts der Theologie" kritisch betrachten dürfen. Letztlich taugen Vergleiche immer nur im Zeitzusammenhang. Übersetzt auf meine bayerische Heimat könnte man sagen: Eine höchste Erhebung im Voralpenland mag vielen wie ein Berg erscheinen. Gegenüber dem Hochgebirge verbietet sich ein solcher Vergleich jedoch komplett.

Mir ist es nicht um eine "Generalabrechnung" mit der Ratzinger-Theologie zu tun. Gleichzeitig muß ich mich, gerade aus theologischen Gründen, einer Verabsolutierung bis hin zur [theologischen!] "Heiligsprechung" widersetzen.

Im vorliegenden Falle fehlt mir jedoch sowohl die nötige Expertise allgemein als auch der Zugang ("Bezahlschranke") zu den Dokumenten im besonderen.

Ich kann in diesem Zusammenhang nur dazu ermutigen, es mit den Worten des heiligmäßigen Papstes Pius XII. zu halten, der, angesichts der bangen Frage, ob die von ihm angeordneten Ausgrabungsarbeiten zur Auffindung des Grabes des hl. Petrus nicht evtl. ein "falsches" Ergebnis zeitigen könnten, sinngemäß mit den Worten antwortete:
Pius XII. hat geschrieben:Ein Katholik braucht die Wahrheit nicht zu fürchten.
(Hervorhebung durch mich.)

Vertrauen wir darauf, daß auch in dieser Causa sich am Ende ein allen Beteiligten angemessenes, theologisch sauberes Bild ergibt, und die Person Ratzingers vor dem Thron der Geschichte ein gerechtes Urteil erfährt!
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

Peduli
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

Hubertus hat geschrieben:
Mittwoch 17. Januar 2024, 19:17
Peduli hat geschrieben:
Mittwoch 17. Januar 2024, 08:28
So etwas beschmutzt die katholische Theologie mehr als die Vorwürfe, die unter dem Namen "sexueller Mißbrauch" bekannt geworden sind. :roll: :roll: :roll:
Unsinn! Das nun wirklich nicht! Bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!
Nein, überhaupt keine Unsinn! :roll:
Die allzu offensichtliche Motivation hinter der "Abrechnung" mit der theologischen Leistung von Joseph Ratzinger erkennst Du selber und nennst sie schäbig, aber ziehst daraus keine Konsequenzen. :daumen-runter:

Den Betreibern dieser Kampagne geht es nicht um die Wahrheit, als deren Zeuge Jesus Christus in die Welt kam.
Pius XII. hat geschrieben:Ein Katholik braucht die Wahrheit nicht zu fürchten.
Und genau deswegen ist eine Schmierenkampagne auch als eine solche zu betiteln! 8)
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

Peduli
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

Spannend, daß Prof. Heinzmann in seiner Ausarbeitung zu den Schmaus-Gutachten die Unfehlbarkeit in Anspruch nimmt, obwohl er gar kein Papst ist: :pfeif: :pfeif: :pfeif:
Die Fakten stünden für sich und seien jeder Relativierung entzogen.
(zitiert nach dem Karger-Artikel in der Tagespost)
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

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Libertas Ecclesiae
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Eine weitere sehr ausgewogene Zusammenfassung der Debatte mit einigen durchaus erhellenden Zitaten bietet dieser CNA-Artikel:

Neue Dokumente liefern neue Details über Ratzingers zunächst abgelehnte Habilitation
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

Peduli
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

In diesem Artikel deutet sich etwas an, was - ohne das es expressis verbis ausformuliert wird - möglicherweise der theologische "Kern des Pudels" ist: :doktor:
Der Thomist Schmaus neigt von seiner aquinatischen Prägung her eher dem Objektivismus zu, während Ratzinger aus seiner Beschäftigung mit der personalistisch orientierten Theologie des Bonaventura eher dem Subjektivismus zuneigt. In der Interpretation kann da leicht eine Hermeneutik des Verdachts Platz greifen, weil der jeweils andere theologische Ansatz nicht so verstanden wird, wie er eigentlich gemeint ist. Die theologische Schärfe - was hier nicht Genauigkeit meint 8) - läßt dann eine Wagenburgmentalität entstehen, die durch bereits vorhandene charakterliche Dispositionen verstärkt werden kann.

Hegel und sein Epigone Harnack hätten vermutlich ihre Freude daran gehabt, weil so ein Disput scheinbar a priori das dialektische Denken in der Theologie zwangsläufig erforderlich macht. :pfeif:
Die Philosophie wäre auf diese Weise von der Magd zur Herrin der Theologie geworden! :auweia:
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Peduli
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von Peduli »

Hier noch ein paar Auszüge aus einem kürzlich erschienen Zeitungsartikel, der die Sachlage ausleuchtet:
Die erste Begegnung mit Thomas von Aquin hat bei Joseph Ratzinger keine Begeisterung ausgelöst. In seiner Autobiographie erinnert er sich daran: „Ich hatte dagegen eher Schwierigkeiten, den Zugang zu Thomas von Aquin zu finden, dessen kristalline Logik mir gar zu fest erschien. Das mag auch daran gelegen haben, dass der Philosoph unserer Hochschule (…), uns einen rigiden neuscholastischen Thomismus vortrug.“
Joseph Ratzinger steht in der Reihe großer Theologen, die zunächst vom Thomismus abgeschreckt wurden und bei den Kirchenvätern aufatmeten. Auch für Ratzinger war die Begegnung mit Lubac über eines
seiner Bücher das Schlüsselerlebnis. Hier begann der lebenslange Dialog, den Ratzinger mit Augustinus führte: „Richtig ist, dass ich Anfang 1946 auf Augustinus gestoßen war und einiges von ihm gelesen hatte. Dieses persönliche Ringen, das bei Augustinus zum Ausdruck kommt, hat mich sehr angesprochen. Was Thomas schrieb, das sind im Großen und Ganzen Schulbücher, und die sind irgendwie unpersönlich. Obwohl natürlich auch hier ein großes Ringen dahintersteht, das entdeckt man erst später” („Letzte Gespräche“).
Läpple [ein Kommilitone Ratzingers] war geprägt durch den Münchener Dogmatiker und bedeutenden Scholastikforscher Martin Grabmann, der ihn auch auf die Bedeutsamkeit dieser unübersetzten Quaestio aufmerksam gemacht hatte. Weder Läpple noch Ratzinger haben sich dem Thomismus zugewandt: Läpple promovierte im Fach Moraltheologie über den Gewissensbegriff bei John Henry Newman, Ratzinger in Fundamentaltheologie über die Ekklesiologie des heiligen Augustinus. Ratzingers Distanz zu Michael Schmaus, der als Lehrstuhlnachfolger von Grabmann 1954 an der Münchener Universität das „Martin-Grabmann- Forschungsinstitut für Mittelalterliche Philosophie und Theologie” gegründet hatte, wäre ihm dann bei seiner Habilitation über den „Scholastiker” Bonaventura fast zum Verhängnis geworden.
Mit Zustimmung von Papst Benedikt XVI. hat der Regensburger Philosoph und Thomas-Experte Rolf Schönberger die Erstübersetzung der „Untersuchung über die Liebe” 2017 herausgegeben. Das hervor-
ragende Nachwort und die Anmerkungen von Schönberger machen diese zweisprachige Edition zu einer exemplarischen und gut lesbaren Einführung in das Denken des heiligen Thomas. Nach dem Urteil von
Schönberger ist die Übersetzung „von einer ganz außerordentlichen sprachlichen Gewandtheit”.
(Quelle: Artikel von Michael Karger in der Tagespost vom 7.3.2024)
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Re: Ratzingers Offenbarungsbegriff und Bonaventura

Beitrag von holzi »

Ein befreundeter Priester aus Regensburg, der derzeit in Rom am Angelicum promoviert, hat mir die Anekdote erzählt, dass sie vor einiger Zeit beim Papst em. zu Besuch waren und eben auch über den Hl. Thomas diskutiert ahtten, da meinte dan EB Gänswein: "Sehen Sie, Hl. Vater, Thomas v. Aquin war doch ein ganz Großer!", Benedikts Antwort "Scheint so"

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