Origenes: Apokatastasislehre et al.

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Mittlerweile scheint sich das Gespräch auf die Fragen der exegetischen Methode zu konzentrieren. Nun, ist auch besser so. Ich hoffe, daß wir damit die heterodoxen dogmatischen Ansichten des Origenes um die Seelenlehre herum endlich ad acta legen können.
Raphael hat geschrieben:»Zur Entwicklung des vierfachen Schriftsinnes aus der origeneistischen Systematisierung der Bibelexegese: Eine genaue Textstelle kann ich Dir mangels eigener Primärliteratur nicht angeben. Details stehen sicherlich in dem Buch Lubac’s „Geist aus der Geschichte“; bei tieferem Interesse zu beziehen über den Johannes Verlag (http://www.johannes-verlag.de/1607.htm).«
Das verdienstvolle Standardwerk zum Thema des vierfachen Schriftsinns, Henri de Lubacs Exégèse médiévale. Les quatre sens de l'Ecriture ist übrigens erstaulicherweise bis heute nicht ins Deutsche übertragen worden. Bloß falls einer ein Betätigungsfeld sucht …
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Nun, ich kann Primärliteratur zu des Origenes Schriftauslegung liefern, nämlich einen Aufsatz aus der Feder von Sandra M. Schneiders, "Heilige Schrift und Spiritualität", abgedruckt im ersten Band der "Geschichte der christlichen Spiritualität".«
An Primärlitteratur, also Quellen, stehen mir hier nur de principiis (edd. Görgemanns & Karpp), die Sammlung der Lucas-Homilien (ed. Sieben) und der vielbändige Römerbriefkommentar (ed. Theresia Heither) des Origenes zur Verfügung; leider nicht der in deinem Zitat, Erich, erwähnte Hoheliedkommentar. Daneben auch noch die erhaltenen Teile der Hexapla (ed. Fields), doch trägt das zum Thema nicht viel bei.

Die Arbeit von Sandra Schneiders, aus welcher du zitierst, Erich, gehört zur Sekundärlitteratur. Ihre Hinweise nehme ich dankbar auf. Ich habe es mir allerdings zum Grundsatz gemacht, verwendete Sekundärlitteratur anhand der Quellen zu prüfen, sofern irgend möglich. Noch lieber gehe ich freilich gleich an die Quellen selber, oder ich lasse mich von der Sekundärlitteratur an die Quellen führen.

Laß mich im folgenden einige Bemerkungen zu Frau Schneiders machen:

Sandra Schneiders (zitiert nach Erich Dumfarth) hat geschrieben:»Der bedeutendste Schüler des Klemens und sicherlich der bedeutendste christliche Exeget der Antike war Origenes (ca. 185 - ca. 254); er entwickelte die in der Kirche bis zum Mittelalter vorherrschenden Theorien der biblischen Interpretation und wandte sie in einer umfangreichen Sammlung von Bibelkommentaren und theologischen Reflexionen über die Heilige Schrift an.«
Lassen wir die Bewertung einmal außen vor. Es ist legitim, ein zusammenfassendes Urteil an den Anfang einer Erörterung zu stellen, wenn man es anschließend begründet. Was an Sachaussagen in diesem Abschnitt steckt, erscheint mir jedoch zweifelhaft. Daß Origenes Schüler des Clemens von Alexandrien gewesen sei, ist mindestens anfechtbar. Man kann das vielleicht nicht gänzlich ausschließen, doch belegt ist das meines Wissens nicht, während man doch, wäre es so gewesen, mindestens bei Euseb einen Hinweis darauf erwartete.

Gewiß aber war Origenes Schüler des Ammonius Saccas, der auch Lehrer Plotins war und damit als Begründer des Neuplatonismus gilt. (Ich weiß, daß diese Schülerschaft des Origenes in der Forschung umstritten ist, könnte aber im Detail begründen, weshalb die Position des hochgeschätzten Heinrich Dörrie in dieser konkreten Frage unhaltbar ist; doch das würde jetzt, meine ich, wirklich zu weit führen.)

Daß Origenes »die in der Kirche bis zum Mittelalter vorherrschenden Theorien der biblischen Interpretation« entwickelt habe, ist auch nicht ganz korrekt formuliert. Tatsächlich hat Origenes die Methode der allegorischen Exegese, namentlich der Homer- und Plato-Exegese, vom mittleren Platonismus übernommen. Bereits vor ihm hatten jüdische Platoniker wie Philo von Alexandrien dies auf ähnliche Weise bereits hinsichtlich der Bücher des Alten Testaments begonnen. Origenes ist es, der diese Methode in den christlichen Bereich eingeführt hat (nicht ganz ohne Vorgänger, aber am konsequentesten und mit der nachhaltigsten Wirkung).

Theoretisch durchdacht hat er die Methode, soweit ich sehe, eher weniger, mit Ausnahme der unten noch zu behandelnden Stelle de princ. IV,2,4 sqq. Da ist vielmehr Hieronymus im Westen zu nennen, im Osten unter anderen Gregor von Nyssa, die beide – gerade in ihren Unterschieden zu Origenes – faktisch weit prägender für die Nachfolger wurden als die von Origenes an besagter Stelle gebotene theoretische Begründung.

Sandra Schneiders (zitiert nach Erich Dumfarth) hat geschrieben:»Seine Hexapla Bibel (ca. 240) war eine erstaunliche wissenschaftliche Leistung, die zur Genüge beweist, welch großes Interesse Origenes dem wörtlichen, dem Literalsinn der Heiligen Schrift, wie es moderne Exegeten ausdrücken würden, entgegenbrachte.«
Das ist keine stringente Argumentation. Die Hexapla beweist zunächst nichts als des Origenes Interesse am Textbestand des Alten Testaments. Primär ein philologisches Interesse. Ganz Ähnliches finden wir ja bei den Mittelplatonikern, so etwa in der überreichen philologischen Befassung mit Homers Epen, die gleichwohl – sobald es an die Exegese ging – ausschließlich allegorisch interpretiert wurden.

Gewiß hat Origenes den Litteralsinn der Schrift nicht ausgeschlossen. Das behauptet ja niemand. Manches hat er gar, gegen die Lehre der Kirche, allzu wörtlich genommen: und sich selbst entmannt, beispielshalber. Aber schauen wir weiter:

Sandra Schneiders (zitiert nach Erich Dumfarth) hat geschrieben:»Origenes entwickelte in seinem Buch "De principiis" (Über erste Grundsätze, Buch 4) eine Theorie über den dreifachen Sinn der Heiligen Schrift, der zum Vorläufer der Theorie ihres vierfachen Sinnes, der Norm mittelalterlichen Exegese wurde. Diese dreifache Teilung entsprach dem dreiteiligen Aufbau des Menschen (Körper, Seele, Geist) in den Augen der griechischen Väter. Der Literalsinn (Körper) war der geschichtliche Sinn; der typologische Sinn (Seele) war die moralische Anwendung auf das Individuum; der pneumatische Sinn (Geist) war die Vorahnung des Neuen Testaments im Alten.«
Auf diese Stelle habe ich ja oben schon verwiesen. Die Dreiteilung in „fleischlichen“ (so Origenes hier, nicht „leiblich“), „seelischen“ und „geistigen“ Sinn kann man natürlich versuchen, auf die spätere Methode zu deuten, also hier am ehesten auf Litteralsinn, moralischen Sinn und allegorisch-anagogischen Sinn.

Wie Frau Schneiders darauf kommt, die Typologie (Vorausbild – Urbild, Schatten – Wahrheit) der Seele zuzuordnen und als „moralischen Sinn“ zu bezeichnen, weiß ich nicht. Was sie im nächsten Halbsatz – bezogen auf den „geistlichen“ Sinn – »Vorahnung des Neuen Testaments im Alten« nennt, ist ja nichts anderes als Typologie. So bringt auch Origenes selbst die Typologie beim geistlichen Sinn unter. An sich gehört die Typologie jedoch gar nicht recht hierher, denn sie ist sozusagen bereits urchristlich, von Paulus über Irenæus bis zu den Kirchenvätern Gemeingut aller kirchlichen Schriftsteller. Also keineswegs eine Neuerung des Origenes, wiewohl man sie natürlich als einen Spezialfall der Allegorie (oder der Anagogie) ansehen mag und sie gewiß auch platonische Gedanken voraussetzt.

Von diesen Fehlern im Detail abgesehen, kann man sich, wie gesagt, an dieser Parallele versuchen. Das bedürfte aber einiger argumentativer Anstrengungen, die ich hier nicht erkenne. Denn Origenes selbst ordnet die drei Sinne an besagter Stelle, wie ich oben schon andeutete, ganz anders zu: Es entsprächen nämlich diese drei Schriftsinne drei Arten von Gläubigen: Der „fleischliche“ Sinn sei für die breite Masse bestimmt, der „psychische“ Sinn für einige Fortgeschrittene und der „pneumatische“ Sinn endlich für die wenigen Vollkommenen.

Diese Dreiteilung »Anfänger – Fortgeschrittener – Vollkommener« findet sich zwar auch später vereinzelt immer wieder, doch ist das stets individuell gemeint, wie ich heute früh bereits ausgeführt habe. Da wird die Metapher von Fleisch, Seele und Geist, wie sie Origenes bringt, ergänzt oder ersetzt durch ein Lebensalter-Schema oder durch die architektonische Metapher vom aus Fundament, Wänden und Dach zu errichtenden Bau. Der Fortschritt des einzelnen Gläubigen ist also gemeint. Bei Origenes findet solch individueller Fortschritt erst auf dem Wege mehrfacher Inkarnationen einer Seele statt.

Nun ist zu prüfen, wie oder ob Origenes diese Methode tatsächlich anwendet:

Sandra Schneiders (zitiert nach Erich Dumfarth) hat geschrieben:»In der konkreten Anwendung ging Origenes häufig nach einer anderen Methode vor; er unterschied Literalsinn und pneumatischen Sinn …«
Prinzipiell richtig. Ich würde hier allerdings eher allgemein von allegorischem Sinn sprechen. Daß er bei nicht-litteraler Deutung tatsächlich „pneumatischen“ Sinn gemäß obiger Definition meint, bezweifle ich. Meist wird eher an „psychsichen“ Sinn zu denken sein, zumal die exegetischen Werke sich nicht bloß an wenige „Vollkommene“ richten (was man von de principiis eher wird behaupten dürfen). Aus dem origeneischen Wortlaut wird aber im konkreten Fall kaum je deutlich, ob der Autor überhaupt jenes Dreierschema aus de principiis im Hinterkopf hatte. Darum also redet man besser, meine ich, in unbestimmter Weise von Allegorese.
Sandra Schneiders (zitiert nach Erich Dumfarth) hat geschrieben:»…und bezog letzteren dann oft auf die individuelle christliche Seele. Sein Kommentar über das Hohelied ("In Canticum Canticorum", ca. 240) interpretiert er die Liebe der Braut als Beziehung der Kirche zu Christus und der christlichen Seele zum göttlichen Wort. (Wie die Tradition verstand Origenes das Hohelied als das Hochzeitslied Salomos). Es ist dies die vielleicht wichtigste und inspirierendste Anwendung seiner Methode.«

Ein interessanter Hinweis, zumal mir der Hoheliedkommentar des Origenes nicht zur Verfügung steht. Der Vergleich mit dem Hoheliedkommentar Gregors von Nyssa, den ich immerhin im Regal habe, wäre interessant. – Origenes ist es sicher zu verdanken, das fortan die „Braut“ auch auf die einzelne Seele gedeutet werden konnte und nicht bloß im paulinischen Sinne auf die Kirche.

Allerdings ist gerade dieses so hervorgehobene Beispiel der klassische Fall schlechthin einer rein allegorischen Exegese. Denn ein wörtliches Verständnis des Hohenliedes wurde zwar von einzelnen noch vertreten – so etwa von Theodor von Mopsuestia –, keinesfalls jedoch von Origenes. Auch von Gregor von Nyssa und der übrigen orthodoxen Tradition natürlich nicht, so daß sich hieran kein Unterschied festmachen läßt.

Diesen Unterschied finde ich dagegen sehr deutlich im Römerbriefkommentar und namentlich in den Lucashomilien. Gewiß geht Origenes vom Wortlaut aus, nimmt auch die geschilderten historischen Fakten als solche, aber sein eigentliches Interesse gilt der Allegorese. Er sucht den tieferen Sinn. Und erst in diesem tieferen Sinn findet er, was ihm heilswichtig ist. Das unterscheidet ihn grundsätzlich von den orthodoxen Schriftexegeten vor ihm und nach ihm.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Niels
Beiträge: 24027
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 11:13

Beitrag von Niels »

Gerade entdeckt: die Homepage vom "Arbeitskreis Origenes"
www.origenes.de
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Benutzeravatar
Niels
Beiträge: 24027
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 11:13

Beitrag von Niels »

Arbeitskreis Origenes hat geschrieben:Die Wiedergeburtslehre eines Pythagoras und Sokrates stammt, nach dem von Origenes zitierten Hermippos zu schließen, von den Juden und findet sich tatsächlich im Alten Testament (Weisheit Salomos 2,1 in Verbindung mit 2,5), ferner bruchstückhaft in undeutlich überlieferten Worten Jesu (Mat. 11, 14 und 17, 12; Mark. 9, 12).26
Das ,Auf- und Niedersteigen‘ der Seelen aus bzw. in mehrfache(n) Erdenleben ist nach Origenes nicht dem Zufall anheim gegeben, sondern wird von der Gotteswelt geleitet. Es ist kein (ewiger) Kreislauf, wie die Pythagoreer annahmen- — was vor Christi Erlösungstat gar kein so abwegiger Gedanke war (vgl. Cels. V21). Das ,Auf- und Niedersteigen‘ der Seelen dient dem Aufstieg und der Wiedereingliederung der Abgefallenen in die himmlische Hierarchie. Dies kann jedoch nicht durch Zwang oder übermäßige Beeinflussung erfolgen, denn die Wesen haben ihren freien Willen. Gott wählt den Weg der Erziehung durch Belehrung, und da der innerste Kern aller Geschöpfe göttlich ist, darf er der endlichen Wirkung seines Appells an ihre ursprüngliche sittliche Güte gewiss sein.
:kratz:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ketelhohn hat geschrieben:»Wie Frau Schneiders darauf kommt, die Typologie (Vorausbild – Urbild, Schatten – Wahrheit) der Seele zuzuordnen und als „moralischen Sinn“ zu bezeichnen …«
maybe its just a typo, coz of da bloody „y“ … ;)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich klick da drauf und … krieg die Krise:
Kloster Mariendonk hat geschrieben:Sie finden hier wöchentlich Texte der Kirchenväter zum Sonntagsevangelium
3. Fastensonntag C:
Lk 13,1-9
aus dem Kommentar des Origenes zum Römerbrief:
[…]
Aber jetzt muß ich einkaufen gehen. Gott sei Dank.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Niels
Beiträge: 24027
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 11:13

Beitrag von Niels »

Mariendonk steht auch im Linkverzeichnis vom "Arbeitskreis Origenes"...
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich muß erst mal dem Brevier Abbitte leisten. Hatte gedacht, der oben verlinkte Origenes-Text sei aus der Lesehore genommen. Mitnichten. Es handeln sich offenbar um eine eigene Mariendonker Auswahl. Nun ja, die Mariendonker Schwester Theresia Heither hat ja die Ausgabe des Römerbriefkommentars des Origenes in den Fontes Christiani veranstaltet. Daher weht also der Wind.

Um so fahrlässiger ist es – vorsichtig ausgedrückt –, daß da Origenes als Kirchenvater verkauft wird. Im Nachbarstrang sehen wir, wie von solchen Äußerungen reihenweise treue Gläubige in die Irre geleitet werden. Wie sprach der Dichter? – »Herr, die Not ist groß: Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los!«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Ja, da ist er endlich: Der langersehnte Nachweis, daß Origenes doch zu den Kirchenvätern zählt! :jump:

GsJC
Raphael

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Origenes ([i]in ep. ad Rom. comm. 7,18[/i]) hat geschrieben:»Anderseits erweist er den Reichtum seiner Herrlichkeit „an den Gefäßen des Erbarmens", die sich gereinigt haben von allem Schmutz der Sünde, von dem „niemand rein ist, auch wenn sein Leben nur einen Tag lang währte". Er hat diese Gefäße nicht aus unerkennbarer und willkürlicher Gnade für die Herrlichkeit bereitet, sondern weil sie sich vom Schmutz gereinigt hatten.«
Falls sich hier einer wundert, seit wann wir uns denn selbst vom „Schmutz“ reinigen, der lese zum rechten Verständnis dessen, was Origenes meint, bitte meine Ausführungen über seine Lehre im Nachbarstrang.

Die Sünde besteht für Origenes nämlich primär in der Abwärtswendung der ursprünglich körperlosen Geister hin zur Materie, der Schmutz ist der Leib, Reinigung bedeutet die Ablösung von der Materie, vom Leib.

Daß »niemand rein« sei, »auch wenn sein Leben nur einen Tag lang währte«, bezieht sich keineswegs auf die Erbsünde; diese Vorstellung ist Origenes völlig fremd. Es kann für ihn darum niemand rein sein – nicht einmal Jesus, wie er ausdrücklich sagt! –, weil das (selbstverschuldete) Behaftetsein mit einem Leib bereits Beschmutzung bedeutet.


_______________________________________

Hinweis: Dieser und die vorigen paar Beiträge standen ursprünglich woanders. Wegen der thematischen Koinzidenz wurden sie hierher verschoben. Daher steht oben noch was vom »Nachbarstrang«. Inzwischen sind die Nachbarn jedoch miteinander eins geworden.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Bild
"Origenes, In Numeros homilia XXVII, Schäftlarn (ca. 1160), Bayrische Staatsbibliothek, München"

Einladungsposter zum Internationalen Origeneskongress 2001 in Pisa, Italien.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Schwester Theresia Heither, Origenes - ein moderner Exeget?. - In: Erbe und Auftrag, Erzabtei Beuron.

... Der Römerbriefkommentar des Origenes gehört zu den ersten großen Schriftkommentaren der Alten Kirche. Er behandelt einen ganz entscheidenden Text des Neuen Testamentes. An diesem Beispiel kann die Aktualität der patristischen Exegese überhaupt deutlich werden. Jede Zeit und natürlich auch jeder einzelne Mensch begegnet der Schrift mit ganz bestimmten Fragestellungen, die das Verständnis einschränken, beziehungsweise die Schrift in einem ganz bestimmten Licht erscheinen lassen. Von daher ist es auf jeden Fall lohnend den Kommentar des Origenes zum Römerbrief zu studieren, der vor mehr als siebzehnhundert Jahren verfaßt wurde, in einer so ganz anderen Zeit und Situation der Kirche. ...
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Um so fahrlässiger ist es – vorsichtig ausgedrückt –, daß da Origenes als Kirchenvater verkauft wird.
Mit etwas gutem Willen, kann man ihn zwar nicht als Kirchenvater aber schon als Kirchenschriftsteller bezeichnen.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Juergen hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Um so fahrlässiger ist es – vorsichtig ausgedrückt –, daß da Origenes als Kirchenvater verkauft wird.
Mit etwas gutem Willen, kann man ihn zwar nicht als Kirchenvater aber schon als Kirchenschriftsteller bezeichnen.

Bibliothek der Kirchenväter : eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung. Herausgegeben von O. Bardenhewer, Th. Schermann, K. Weymann. Kempten & München : Kösel. 1911ff. - Band 1 - 62/63. Bibliothek der Kirchenväter : zweite Reihe. Eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung. Hrsg. von O. Bardenhewer ; J. Zellinger. München : Kösel & Pustet. 1932ff. -

Band 48 = Origenes I
Des Origenes Schriften vom Gebet und Ermahnung zum Martyrium. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau. 1926. LXXVII, 213 S.

Band 52 = Origenes II
Des Origenes acht Bücher gegen Celsus. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau. 1. Teil, Buch I-IV. 1926. XVI, 429 S.

Band 53 = Origenes III
Des Origenes acht Bücher gegen Celsus. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau. 2. Teil, Buch V-VIII. 1927. 395 S.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Gewiß aber war Origenes Schüler des Ammonius Saccas, der auch Lehrer Plotins war und damit als Begründer des Neuplatonismus gilt. (Ich weiß, daß diese Schülerschaft des Origenes in der Forschung umstritten ist, könnte aber im Detail begründen, weshalb die Position des hochgeschätzten Heinrich Dörrie in dieser konkreten Frage unhaltbar ist; doch das würde jetzt, meine ich, wirklich zu weit führen.)
Dazu Hubertus R. Dobner in Lehrbuch der Patrologie:
Drobner, S. 111 hat geschrieben:...In seinem radikalen Eifer verkaufte er alle profanen Bücher, um sich nur noch dem Christentum zu widmen, mußte aber bald darauf gerade zur Durchdringung der Glaubensbotschaft wieder zur Philosophie zurückkehren und nahm Unterricht bei dem Begründer des Neuplatonismus, Ammonius Sakkas...
Hervorhebung von mir.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Erich Dumfarth hat geschrieben:
Bibliothek der Kirchenväter :
...
Band 48 = Origenes I
...
Band 52 = Origenes II
...
Band 53 = Origenes III
Nun,
wer zu den Kirchenvätern gehört, wird traditionell an vier Kriterien fest gemacht:
  1. Doctrina orthodoxa - d.h. die Kirchenväter müssen mit ihrer gesamten Theologie in der Lehrgemeinschaft mit der Kirche stehen, was aber nicht bedeutet, daß sie in allen Einzelheiten irrtumslos sein müssen
  2. Sanctitas vitae - d.h. Heiligkeit im Sinne der Alten Kirche.
  3. Approbatio ecclesiae - d.h. die Anerkennung (wenn auch nicht die ausdrückliche Anerkennung) der Person und Lehre von Seiten der Kirche
  4. Antiquitas - d.h. sie müssen zur Antike/kirchl. Altertum gehören
Fehlt eines (oder mehrer) der ersten drei Kriterien und sie zur kath. Kirche gehören, spricht man von Kirchenschriftstellern; gehören sie nicht zur kath. Kirche von "frühchristlichen Autoren" oder "altchristlichen Autoren".

Der Begriff Kirchenlehrern trifft auf die Personen zu, bei denen die ersten drei Kriterien erfüllt sind und als viertes Kriterium die hervorragende wissenschaftliche Leistung (eminens doctrina) hinzukommt.

Die Begrenzung des Väterbegriff auf die Antike ist allerdings neueren Datums. Jean Mabillion (1632-1707) betrachtete noch Bernhard von Clairvaux (+1153) als Kirchenvater.
Jacques-Paul Migne beendet die Patrologia Graeca mit Gennadinus II (+ nach 1472) und die Patrologia Latina mit Innozenz II. (+1216)

Das Ende der "Antike" ist auch nicht klar festgelegt. Üblicherweise gibt es für die Kirchengeschichte / Patrologie drei Daten die in Frage kommen
- 604 Tod Gregor d. Großen
meist jedoch nimmt man:
- 636 für den Westen (Tod des Isidors v. Sevilla)
- um 750 für den Osten (Tod des Johannes v. Damaskus)
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Dazu ist allerdings zu sagen, dass die katholische Kirche diesen Titel - Kirchenvater - offiziell nur Ambrosius, Augustinus, Papst Gregor I. und Hieronymus, die "westlichen" Väter (1295 durch Papst Bonifatius VIII.) sowie an Athanasios von Alexandria, Basilius der Große, Johannes Chrysostomos und Gregor von Nazianz, die "östlichen" Väter (1568 durch Papst Pius V.) vergab.

In der orthodoxen Kirche wird dies anders gehandhabt.

Als Kirchenväter gelten in der orthodoxen Kirche die wichtigsten Schriftsteller der jungen Christenheit bis ins 8. Jahrhundert hinein - wobei der Maßstab der "Rechtgläubigkeit" großzügig bemessen wird. Ihre Lehrmeinungen gelten nicht automatisch als Lehren der Kirche, Maßstab der Lehre sind allein die sieben ökumenischen Konzilien. (Quelle).

Der Personenkreis ist daher sehr viel umfangreicher als in der römischen Kirche:
Ignatius von Antiochia (+ vor 117), Athenagoras (+ im 2. Jahrhundert), Melitos (+ im 2. Jahrhundert), Tatianus, der Syrer (+ im 2. Jahrhundert) Theophilos von Antiochia (+ um 186), Hermas (+ um 150), Justinus der Märtyrer (+ um 165), Polycarp von Smyrna (+ 155 / 156), Hippolyt von Rom (+ 236 ?), Julius Africanus (+ um 240), Cyprian von Karthago (+ 258), Dionysius von Alexandria (+ 265), Firmillian (+268), Gregor Thaumaturgus (+ um 270), Archelaus (+ 282), Methodius (+ 311), Eustachius von Antiochia (+ um 325), Aphraates (+ im 4. Jahrhundert), Serapion, der Scholastiker (+ 362), Caesarius of Nazianz (+ um 368), Athanasios von Alexandria (+ 373), Basilius, der Große (+ 379), Cyrill von Jerusalem (+ 386), Gregor von Nazianz (+ um 390), Diodoros von Tarsus (+ 390), Makarius der Ägypter (+ um 390), Gregor von Nyssa (+ 394), Epiphanius von Konstantia (+ 403), Johannes Chrysostomos (+ 407), Nilus der Ältere (von Ankara) (+ 430), Isidor von Pelusium (+ 431 / 451), Cyrill von Alexandria (+ 444), Proclus von Konstantinopel (+ 446), Theodoret von Zypern (+ 460), Gennadius I. (+ 471), Dionysius der Pseudo-Areopagite (+ um 500), Leontius von Byzanz (+ 543), Johannes Klimakos (+ nach 600), Isidor von Sevilla (+ 636), Sophronius von Jerusalem (560-638), Maximus (+ 662), Anastasius vom Sinai (+ um 700), Andreas von Kreta (+ 740 / 720), Germanus I. (+ um 733), Johannes von Damaskus (+ um 750).

Weiters werden verschiedentlich in der orthodoxen Kirchen auch noch Clemens von Alexandria (+ 215), Tertullian (nach 220), Origenes (+ 254), Eusebius von Cäsarea (+ 339), Didymus der Blinde (+ 398), Theodor von Mopsuetia (+ 428), Socrates Scholastikos (+ nach 439) genannt.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Weiters werden verschiedentlich in der orthodoxen Kirchen auch noch Clemens von Alexandria (+ 215), Tertullian (nach 220), Origenes (+ 254), Eusebius von Cäsarea (+ 339), Didymus der Blinde (+ 398), Theodor von Mopsuetia (+ 428), Socrates Scholastikos (+ nach 439) genannt.
Wobei man schon Anfragen an die "Rechtgläubigkeit" stellen kann.
Sowohl bei Origenes, als auch bei Theodor von Mopsuetia, der ebenfalls auf dem 2. Konzil v. Konstantinopel (DH 425; 434 et al.) verurteilt wurde. Auch das Konzil von Florenz (1442) verurteilt ihn nochmals (DH 1344).
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Juergen hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:Weiters werden verschiedentlich in der orthodoxen Kirchen auch noch Clemens von Alexandria (+ 215), Tertullian (nach 220), Origenes (+ 254), Eusebius von Cäsarea (+ 339), Didymus der Blinde (+ 398), Theodor von Mopsuetia (+ 428), Socrates Scholastikos (+ nach 439) genannt.
Wobei man schon Anfragen an die "Rechtgläubigkeit" stellen kann.
Sowohl bei Origenes, als auch bei Theodor von Mopsuetia, der ebenfalls auf dem 2. Konzil v. Konstantinopel (DH 425; 434 et al.) verurteilt wurde. Auch das Konzil von Florenz (1442) verurteilt ihn nochmals (DH 1344).
bitte mein Zitat zu beachten:
"Als Kirchenväter gelten in der orthodoxen Kirche die wichtigsten Schriftsteller der jungen Christenheit bis ins 8. Jahrhundert hinein - wobei der Maßstab der "Rechtgläubigkeit" großzügig bemessen wird. Ihre Lehrmeinungen gelten nicht automatisch als Lehren der Kirche, Maßstab der Lehre sind allein die sieben ökumenischen Konzilien. "


Zudem ging wohl auch das Konzil von Florenz der orthodoxen Kirche sonstwo vorbei.

Wiewohl natürlich zwischen "kircheninternem" Gebrauch des Wortes "Kirchenvater" und dem Gebrauch in der Patrologie unterschieden werden muss. Nicht umsonst ist er bei dem von Dir zitierten Dobner angeführt, in Mignes "Patrologie Graeco-Latina" sowie der deutschsprachigen Biblithek der Kirchenväter enthalten.
Zuletzt geändert von Erich_D am Sonntag 14. März 2004, 12:53, insgesamt 1-mal geändert.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Zudem ging wohl auch das Konzil von Florenz der orthodoxen Kirche sonstwo vorbei.
Das 2. von Konstantinopel aber wohl nicht.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Juergen hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:Zudem ging wohl auch das Konzil von Florenz der orthodoxen Kirche sonstwo vorbei.
Das 2. von Konstantinopel aber wohl nicht.
Das ist richtig. Dennoch gilt: nichts ist so überzeugend wie Fakten. Und ob man's nun gutheisst oder nicht, die orthodoxe Kirche definiert den Begriff "Kirchenvater" anders als die römische (siehe meinen vorherigen Beitrag), und - zwar nicht immer, aber doch gelegentlich - Origenes wird von dieser zu den Vätern gezählt.

Weiters bleibt aufrecht, dass abseits des sozusagen offiziellen Gebrauchs in der römischen Kirche in der Patrologie der Begriff "Kirchenvater" weiter gefasst ist.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Ralf

Beitrag von Ralf »

Aber die Aufzählung Tertullians als Kirchenvater erstaunt schon, der alte Montanist.

Doch gerade hatte ich nachgeschaut, ob Tertullian Donatist oder Montanist war (das kann ich nie auseinanderhalten, ist aber auch zum Heil nicht notwendig ;) ), da stelle ich fest, dass bei August Franzens "Kleiner Kirchengeschichte" (5. Auflage) Tertullian auch als Kirchenvater geführt wird, nämlich als solcher erwähnt (aufgrund seines Laienstatus) auf Seite 39.

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Weiters bleibt aufrecht, dass abseits des sozusagen offiziellen Gebrauchs in der römischen Kirche in der Patrologie der Begriff "Kirchenvater" weiter gefasst ist.
Es wäre m.E. sowieso zu fragen, inwieweit Origenes zu seiner Zeit heterodox war.
Oder anders ausgedrückt:
- Wie ist eine Verurteilung 300 Jahre nach dem Tod eines Autors zu bewerten.

Vermutlich sind auch heute in einigen Schriften der im Westen anerkannten Kirchenväter Textepassagen zu finden, die mit der Theologie des II. Vaticanums nicht 100%ig übereinstimmen. Soll man deshalb diese Kirchenväter verurteilen? :kratz:
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Juergen hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:Weiters bleibt aufrecht, dass abseits des sozusagen offiziellen Gebrauchs in der römischen Kirche in der Patrologie der Begriff "Kirchenvater" weiter gefasst ist.
Es wäre m.E. sowieso zu fragen, inwieweit Origenes zu seiner Zeit heterodox war.
Oder anders ausgedrückt:
- Wie ist eine Verurteilung 300 Jahre nach dem Tod eines Autors zu bewerten.

Vermutlich sind auch heute in einigen Schriften der im Westen anerkannten Kirchenväter Textepassagen zu finden, die mit der Theologie des II. Vaticanums nicht 100%ig übereinstimmen. Soll man deshalb diese Kirchenväter verurteilen? :kratz:
Das ist genau das, worauf ich die ganze Zeit hinaus wollte. Ja, Origenes hat in seinen Schriften Thesen vorgetragen, die heterodox waren. Aber dass sie dies waren, darüber bestand zu seiner Zeit keine Einsicht. Zudem Origenes sich selber ausdrücklich als "Mann der Kirche" sah, verankert in deren Glaube. Dazu folgendes Zitat aus der Catholic Encyclopedia: Origen and Origenism:
...
The Church and the Rule of Faith
In the preface to the "De principiis" Origen laid down a rule thus formulated in the translation of Rufinus: "Illa sola credenda est veritas quae in nullo ab ecclesiastica et apostolica discordat traditione". The same norm is expressed almost in equivalent terms n many other passages, e.g., "non debemus credere nisi quemadmodum per successionem Ecclesiae Dei tradiderunt nobis (In Matt., ser. 46, Migne, XIII, 1667). In accordance with those principles Origen constantly appeals to ecclesiastical preaching, ecclesiastical teaching, and the ecclesiastical rule of faith (kanon). He accepts only four Canonical Gospels because tradition does not receive more; he admits the necessity of baptism of infants because it is in accordance with the practice of the Church founded on Apostolic tradition; he warns the interpreter of the Holy Scriptures, not to rely on his own judgment, but "on the rule of the Church instituted by Christ". For, he adds, we have only two lights to guide us here below, Christ and the Church; the Church reflects faithfully the light received from Christ, as the moon reflects the rays of the sun. The distinctive mark of the Catholic is to belong to the Church, to depend on the Church outside of which there is no salvation; on the contrary, he who leaves the Church walks in darkness, he is a heretic. It is through the principle of authority that Origen is wont to unmask and combat doctrinal errors. It is the principle of authority, too, that he invokes when he enumerates the dogmas of faith. A man animated with such sentiments may have made mistakes, because he is human, but his disposition of mind is essentially Catholic and he does not deserve to be ranked among the promoters of heresy.


Die CE ist in den Jahren 1905 bis 1914 entstanden. Also kein Produkt zeitgenössischer "liberaler" Theologie. Ich kann sie, bei der Gelegenheit gesagt, ungeachtet der Jahrzehnte, die über sie hinwegschritten, als Nachschlagewerk nur empfehlen.

Und ihrem Urteil, dass des Origenes Disposition essentiell katholisch ist und er es - trotz einiger Irrtümer, die die Kirche entsprechend ihrer Verantwortung als solche zurückwies - nicht verdient unter die Häretiker gezählt zu werden, schließe ich mich ausdrücklich an. Immerhin hat die ganze Diskussion hier eines bewirkt: ich werde mir die drei Bände "Origenes" aus der Bibliothek der Kirchenväter besorgen, auch das gerade erschiene Buch von Schwester Christiana Reemts, OSB, Priorin der Benediktinerinnenabtei Mariendonk am Niederrhein, "Origenes - Eine Einführung in Leben und Denken".

Nachtrag: falschen Link zu Sr. Reemts Buch korrigiert
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Samuel
Beiträge: 531
Registriert: Dienstag 3. Februar 2004, 18:35
Wohnort: Bayern

Beitrag von Samuel »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das verdienstvolle Standardwerk zum Thema des vierfachen Schriftsinns, Henri de Lubacs Exégèse médiévale. Les quatre sens de l'Ecriture ist übrigens erstaulicherweise bis heute nicht ins Deutsche übertragen worden. Bloß falls einer ein Betätigungsfeld sucht …
Rudolf Voderholzer hat in seiner Dissertation eine Übersetzung geliefert. Ich hab' allerdings keine Ahnung, wo man die bekommen kann - vielleicht bei Interesse ihn selbst fragen: Er müsste über die Münchener Pfarrei Christi Himmelfahrt (089 / 4304116) erreichbar sein.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Mann, Mann. Hier ging’s ja schon wieder munter weiter, während ich im Zoo war.. Also gut, der Reihe nach:
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Einladungsposter zum Internationalen Origeneskongress 2001 in Pisa, Italien.«
Aha.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Schwester Theresia Heither, Origenes - ein moderner Exeget?. - In: Erbe und Auftrag, Erzabtei Beuron. [Folgt längeres Zitat.]«
Was soll das, mir ein Zitat nach dem andern präsentieren? Von Schwester Theresia Heither OSB habe ich manches gelesen, und Origenes hat noch viel mehr Bewunderer und gar Anhänger. Das ist kein Geheimnis. Ich bin bislang auch brav auf deine Zitate eingegangen, Erich. Aber eigentlich rede ich doch mit dir, oder? Wie wär’s, wenn auch mal was zur Sache von dir selber käme, anstatt daß du dich hinter vermeintlichen Autoritäten versteckst?

Pro-Origenes-Zitate könnte ich wahrscheinlich zahlreicher beibringen als du selber, glaub mir. Wie z. B. dies:

Karl May (in: Am Jenseits, Bamberg 1951, S. 97 f.) hat geschrieben:»Er sprach weiter: „Durch das Zusammenwirken der Seele und des Leibes in diesem Leben bildet sich ein zweiter, für uns unsichtbarer Leib, der die Poren des irdischen durchdringt und die Verbindung zwischen ihm und der Seele herstellt; er entsteht aus den unwägbaren Stoffen des sterblichen Leibes und geht nicht mit diesem verloren, sondern begleitet die Seele in die Ewigkeit. Dieser für unser Auge nicht erkennbare Leib ist es, den der Apostel meint, wenn von der Kijâme [Auferstehung] des Leibes die Rede ist.“ – „Das war so ungefähr die Ansicht des Abu en Naßranija [Kirchenvaters (wörtl.: Nazarenervaters)] Origenes.“ Jetzt wieder wunderte er sich über mich. „Du kennst Origenes?“«
------------------------------------------------------------
Ketelhohn hat geschrieben:»Um so fahrlässiger ist es – vorsichtig ausgedrückt –, daß da Origenes als Kirchenvater verkauft wird.«
Jürgen hat geschrieben:»Mit etwas gutem Willen, kann man ihn zwar nicht als Kirchenvater, aber schon als Kirchenschriftsteller bezeichnen.«
Ja, wenn man unter der Rubrik „Kirchenschriftsteller“ beispielshalber auch Tatian, Tertullian, Arius, Julian von Æclanum, Nestorius, Martin Luther oder Hans Küng verstehen will.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Bibliothek der Kirchenväter : eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung.«
Ähm – der Titel einer (noch dazu privaten) Editionsreihe, soll das jetzt eine lehramtliche Aussage sein? Dieser Titel steht nur zur Bezeichnung eines (recht weit gefaßten) Zeitraums, aus welchem wichtige Werke zur Edition ausgewählt wurden. Die übliche Sprachregelung in der Patristik.

Als Kirchenväter werden in der lateinischen Kirche nur acht Kirchenlehrer angesehen: die westlichen Väter Ambrosius, Augustin, Hieronymus und Gregor der Große sowie die östlichen Väter Athanasius der Große, Basilius der Große, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomus. Die Orthodoxen anerkennen als Kirchenväter im strikten Sinne (also „Väter“ und Kirchenlehrer) allein die drei letztgenannten, also Basilius, Gregor und Johannes.
  • (Nachträglicher Hinweis zur Begriffsklärung: Ich beziehe mich hier auf die Begriffe „Kirchenväter“ und „Kirchenlehrer“, wie wir sie im Westen verwenden; das heißt, dasselbe Gewicht, das bei uns die „Kirchenväter“ im engen Sinne haben, haben im Osten in etwa die drei großen Kappadozier. Von „Vätern“ redet man im Osten dagegen oft in viel weiterem Sinn: Da kann auch ein Starez aus dem neunzehnten Jahrhundert gemeint sein.)

Erich Dumfarth hat geschrieben:»Dazu ist allerdings zu sagen, daß die katholische Kirche diesen Titel - Kirchenvater - offiziell nur an Ambrosius, Augustinus, Papst Gregor I. und Hieronymus, die "westlichen" Väter, (1295 durch Papst Bonifatius VIII.) sowie an Athanasios von Alexandria, Basilius den Großen, Johannes Chrysostomos und Gregor von Nazianz, die "östlichen" Väter, (1568 durch Papst Pius V.) vergab.«
Ah ja, da sagst du’s ja selber.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»In der orthodoxen Kirche wird dies anders gehandhabt.«
Prinzipiell richtig, siehe oben. Aber so sehr viel anders nun auch wieder nicht.
Erich Dumfarth hat geschrieben:
www.heiligenlexikon.de hat geschrieben:»Als Kirchenväter gelten in der orthodoxen Kirche die wichtigsten Schriftsteller der jungen Christenheit bis ins 8. Jahrhundert hinein - wobei der Maßstab der "Rechtgläubigkeit" großzügig bemessen wird. Ihre Lehrmeinungen gelten nicht automatisch als Lehren der Kirche, Maßstab der Lehre sind allein die sieben ökumenischen Konzilien.«
»Der Personenkreis ist daher sehr viel umfangreicher als in der römischen Kirche«
www.heiligenlexikon.de hat geschrieben:»Ignatius von Antiochia (+ vor 117), Athenagoras (+ im 2. Jahrhundert), Melitos (+ im 2. Jahrhundert), Tatianus, der Syrer (+ im 2. Jahrhundert) Theophilos von Antiochia (+ um 186), Hermas (+ um 150), Justinus der Märtyrer (+ um 165), Polycarp von Smyrna (+ 155 / 156), Hippolyt von Rom (+ 236 ?), Julius Africanus (+ um 240), Cyprian von Karthago (+ 258), Dionysius von Alexandria (+ 265), Firmillian (+268), Gregor Thaumaturgus (+ um 270), Archelaus (+ 282), Methodius (+ 311), Eustachius von Antiochia (+ um 325), Aphraates (+ im 4. Jahrhundert), Serapion, der Scholastiker (+ 362), Caesarius of Nazianz (+ um 368), Athanasios von Alexandria (+ 373), Basilius, der Große (+ 379), Cyrill von Jerusalem (+ 386), Gregor von Nazianz (+ um 390), Diodoros von Tarsus (+ 390), Makarius der Ägypter (+ um 390), Gregor von Nyssa (+ 394), Epiphanius von Konstantia (+ 403), Johannes Chrysostomos (+ 407), Nilus der Ältere (von Ankara) (+ 430), Isidor von Pelusium (+ 431 / 451), Cyrill von Alexandria (+ 444), Proclus von Konstantinopel (+ 446), Theodoret von Zypern (+ 460), Gennadius I. (+ 471), Dionysius der Pseudo-Areopagite (+ um 500), Leontius von Byzanz (+ 543), Johannes Klimakos (+ nach 600), Isidor von Sevilla (+ 636), Sophronius von Jerusalem (560-638), Maximus (+ 662), Anastasius vom Sinai (+ um 700), Andreas von Kreta (+ 740 / 720), Germanus I. (+ um 733), Johannes von Damaskus (+ um 750).«
»Weiters werden verschiedentlich in den orthodoxen Kirchen auch noch genannt:«:
www.heiligenlexikon.de hat geschrieben:»Clemens von Alexandria (+ 215), Tertullian (nach 220), Origenes (+ 254), Eusebius von Cäsarea (+ 339), Didymus der Blinde (+ 398), Theodor von Mopsuetia (+ 428), Socrates Scholastikos (+ nach 439).«
Nee, das ist nun genau grundfalsch. Es sind nur, wie oben gesagt, Basilius, Gregor und Johannes. Natürlich schätzt die byzantinische Kirche daneben auch eine Reihe weiterer Kirchenschriftsteller des Altertums hoch, wie wir im Westen ja auch. Die Namen sind teilweise dieselben wie bei uns, teilweise auch andere, die man hier kaum kennt.

Obige Liste ist aber wüst zusammengestoppelt. „Melitos“ heißt in Wahrheit Melito (lat.) oder Meliton (gr.). Lesen sollte man können. Tatian war Führer einer gnostischen Sekte und gehört überhaupt nicht hierher. Gelesen wurde natürlich seine Evangelienharmonie; auch bei uns: Otfried hat sie bekanntlich ins Althochdeutsche übersetzt. Aber nie ist jemand im Traum auf die Idee verfallen, den Mann einen Kirchenvater zu nennen. Hermas nennt sich der weiter nicht bekannte Verfasser des Pastor Hermæ. Abwegiger Gedanke, einen unbekannten Autor zum Kirchenvater machen zu wollen.

Epiphanius „von Konstantia“, das sei noch gesagt, kennt man üblicherweise als Epiphanius von Salamis. Aber ich will die Liste nicht einzeln durchgehen. Erstaunlich ist nämlich auch, wer in der Liste fehlt: fast die gesamte westliche Tradition, außer Justin und Hippolyt. Weil sie griechisch schrieben? Das gälte aber auch für Irenæus von Lyon, der wiederum fehlt. Ebenso Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor I., weiter Hilarius, Cyprian, Clemens von Rom. Die gehörten in eine Liste der bei den Orthodoxen hochgeehrten Kirchenschriftsteller des Altertums ebenso hinein wie etwa die beiden Cyrilli von Jerusalem und Alexandrien.

Socrates Scholasticus war ein braver Kirchenhistoriker, aber nicht mehr. Den Montanisten Tertullian allerdings, den Arianer Euseb und die verurteilten Irrlehrer Origenes und Theodor von Mopsuestia (nicht: „Mopsuetia“) wird gewiß kein Orthodoxer unter die Kirchenväter zählen, auch wenn er (wie ich selber) manches aus ihrer Feder liest.

Mit diesen Internet-Lexika ist es immer dasselbe: Da schreibt einer, der von der Materie selber keine Ahnung hat, blindlings Sekundärlitteratur unterschiedlichster Qualität aus. Ob’s am Ende stimmt, was rauskommt, ist reine Glückssache.

Jürgen hat geschrieben:»Nun, wer zu den Kirchenvätern gehört, wird traditionell an vier Kriterien fest gemacht:
  1. Doctrina orthodoxa - d.h. die Kirchenväter müssen mit ihrer gesamten Theologie in der Lehrgemeinschaft mit der Kirche stehen, was aber nicht bedeutet, daß sie in allen Einzelheiten irrtumslos sein müssen
  2. Sanctitas vitae - d.h. Heiligkeit im Sinne der Alten Kirche.
  3. Approbatio ecclesiae - d.h. die Anerkennung (wenn auch nicht die ausdrückliche Anerkennung) der Person und Lehre von Seiten der Kirche
  4. Antiquitas - d.h. sie müssen zur Antike/kirchl. Altertum gehören
«[/color]
Ja, die Definition ist natürlich auch zulässig – und sogar die ältere, traditionellere –, und sie faßt den Begriff weiter als jener der formalen Ernennung. Da kommen dann auch im Westen einige aus obiger Liste dazu, auch einige, die darin fehlen. Aber viele der dort aufgezählten – nicht bloß Origenes – scheitern eben an diesen Kriterien. Auch viele rechtgläubige Kirchenschriftsteller des Altertums erfüllen sie nicht, weil sie nicht als Heilige verehrt werden. So etwa Lactanz, um einen Namen zu nennen.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Dennoch gilt: nichts ist so überzeugend wie Fakten. Und ob man's nun gutheisst oder nicht, die orthodoxe Kirche definiert den Begriff "Kirchenvater" anders als die römische (siehe meinen vorherigen Beitrag), und - zwar nicht immer, aber doch gelegentlich - Origenes wird von dieser zu den Vätern gezählt.«
Noch einmal: Das ist gröblichst falsch.
Ralf hat geschrieben:»… da stelle ich fest, dass bei August Franzens "Kleiner Kirchengeschichte" (5. Auflage) Tertullian auch als Kirchenvater geführt wird, nämlich als solcher erwähnt (aufgrund seines Laienstatus) auf Seite 39.«
Im Ernst? Traue ich Franzen kaum zu. Zur „patristischen Litteratur“ wäre der Montanist Tertullian (und der noch nicht montanistische Tertullian erst recht) sicher zu zählen, nämlich im Sinne des Begriffsverständnisses im wissenschaftlichen Diskurs, wo es um eine Epochenbegrenzung geht. Kirchenvater im Sinne des kirchlichen Glaubens ist Tertullian natürlich nicht. Franzens Wortlaut würde mich ja interessieren.
Jürgen hat geschrieben:»Es wäre m.E. sowieso zu fragen, inwieweit Origenes zu seiner Zeit heterodox war. Oder anders ausgedrückt: Wie ist eine Verurteilung 300 Jahre nach dem Tod eines Autors zu bewerten?«
Er war heterodox – damals. Seine Seelenlehre (und der ganze Weltbau, auf dem das beruht) widersprach damals offenkundig der gesamten Tradition, und dabei blieb es.
Jürgen hat geschrieben:»Vermutlich sind auch heute in einigen Schriften der im Westen anerkannten Kirchenväter Textepassagen zu finden, die mit der Theologie des II. Vaticanums nicht 100%ig übereinstimmen. Soll man deshalb diese Kirchenväter verurteilen?«
Es geht bei Origenes nicht um einzelne »Textpassagen«, sondern um das Fundament.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Aber dass sie dies waren, darüber bestand zu seiner Zeit keine Einsicht.«
Erneut: Das ist falsch. Ich habe das gestern bereits unter Verweis auf Basilius und Gregor von Nazianz widerlegt. Von Augustin gar nicht zu reden.

Das folgende Zitat aus der Catholic Encyclopedia belegt nur, was ohnehin bekannt ist: Daß Origenes sich selbst stets als betont orthodox darstellte. Das hinderte ihn jedoch nicht, seine Lehren auf ein dem kirchlichen Glauben gänzlich fremdes Fundament zu bauen, und es hinderte ihn nicht einmal, sich irregulär zum Priester weihen zu lassen (wofür er bekanntlich exkommuniziert wurde). Die fett zitierte Bewertung des Origenes durch den Verfasser des Artikels ignoriert nicht nur diese Fakten, sondern auch die klare Verurteilung durch das Ökumenische Konzil. Unbegreiflich.

Erich Dumfarth hat geschrieben:»Immerhin hat die ganze Diskussion hier eines bewirkt: ich werde mir die drei Bände "Origenes" aus der Bibliothek der Kirchenväter besorgen, auch das gerade erschiene Buch von Schwester Christiana Reemts, OSB, Priorin der Benediktinerinnenabtei Mariendonk am Niederrhein, "Origenes - Eine Einführung in Leben und Denken".«
Trotz ist keine christliche Tugend.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Hier der betreffende Text aus der "Kleinen Kirchengeschichte", 5. Auflage, S. 39:

Den Ehrennamen "Kirchenväter" geben wir jenen großen Theologen, die nicht bei der Verteidigung stehengeblieben sind, sondern sich die tiefere theologische Durchdringung des Glaubensgutes von der Grundlage der Offenbarung her zum Ziele gesetzt haben. Die meisten von ihnen sind Bischöfe gewesen; daher auch der Name "Vater", der ursprünglich den Bischöfen in der Gemeinde reserviert war; einige aber waren auch nur Priester, wie z.B. Hieronymus, oder Laien, wie Tertullian.

Soweit das Zitat.

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Jürgen hat geschrieben:»Es wäre m.E. sowieso zu fragen, inwieweit Origenes zu seiner Zeit heterodox war. Oder anders ausgedrückt: Wie ist eine Verurteilung 300 Jahre nach dem Tod eines Autors zu bewerten?«
Er war heterodox – damals. Seine Seelenlehre (und der ganze Weltbau, auf dem das beruht) widersprach damals offenkundig der gesamten Tradition, und dabei blieb es.
[Polemik]
  • Dann führe mal die "gesamten Tradition" der Kirche gegen ihn auf; also jene, die sich direkt gegen seine Ansichten ausgesprochen haben, die ihn veruteilt haben. Welche ökumenischen Konzilien zu seiner Zeit habe ihn verurteilt (- achja, da gab es ja noch keine -), oder welche Provinzialsynoden? Gleichzeitig solltest Du dann auch die Legitimation und die Allgemeinverbindlichkeit dieser Synoden belegen etc. etc. etc.
[/Polemik]

Bei einem Theologen, der etwa 250 gestorben ist, wird das etwas schwierig werden.

Im nachhinein ist das alles gaanz einfach. Da kann man entscheiden wer rechtgläubig war und wer nicht, aber in einer Zeit als viele Dinge auch der Kirche noch nicht klar waren - oder besser gesagt - als die Kirche noch um genaue Begriffe und Definitionen rang, da gab es an 100 Ecken 100 verschiedene Konzepte von denen die einen ganz abseits lagen, manche ziemlich auf dem richtigen Weg waren und andere den Nagel auf den Kopf trafen, der erst 100 Jahre später bereitstand.

Von einer gesamten und einheitlichen Tradition oder Lehre ist in vielen Dingen kaum zu sprechen.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
- Offline -

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Robert, nicht alles, was ich hier, im Kreuzgang allgemein, zum Thema Origenes im besonderen, schreibe, ist an Dich (alleine) gerichtet. Ich finde das Thema interessiert, also poste ich dazu, was mich interessiert, sei's ein Bild, sei es ein Zitat aus anderer Quelle, sei es eine Antwort auf einen Beitrag von jemand anderem hier. Du musst also nicht alles, was ich in der Sache schreibe, auf Dich beziehen oder als Kritik missverstehen. Das hat nichts mit Trotz zu tun, sondern mit Interesse.

Immerhin, da Du meine persönliche Meinung erfrägst, ein persönliches Wort an Dich gerichtet: meiner Meinung nach hast Du mitunter eine gewisse Tendenz den katholischen Glauben, dessen Kultur, wie ich es mal nennen möchte, unangemessen zu verengen, ihm sozusagen die Luft rauszulassen. Das wird für mich exemplarisch am Fall des Origenes recht deutlich. Das finde ich recht schade, weil Du mit Deinem großen Wissen viel zu geben wüsstest, würdest Du nur Dein Wissen anbieten - und nicht aufdränge.

Dass Origenes Sätze formulierte, die irrig sind und die von der Kirche daher als solche zurückgewiesen wurden, hat niemand bestritten. Nur deshalb das Kind mit dem Bade auszuschütten, ihn und sein Werk gänzlich zu verwerfen, diesem jeglichen Wert abzusprechen, wie Du es teils offen, teils unterschwellig tust, halte ich für falsch. Mich - das habe ich einsehen müssen - nimmst Du als Gesprächspartner in der Sache nicht sonderlich ernst. Also begnüge ich mich mit dem posten von Beiträgen aus fremder Feder, die auf diesem Gebiete mehr verstehen als ich - und möglicherweise mehr auch als Du. So weisse ich Dich nochmals auf jenen Satz hin, den ich aus der CE zitierte ...

"... A man animated with such sentiments may have made mistakes, because he is human, but his disposition of mind is essentially Catholic and he does not deserve to be ranked among the promoters of heresy.

... und bitte Dich zu akzeptieren, dass es respektable katholische Stimmen mit großer Kenntnis in dem konkreten Fall gibt, die Deine Bewertung bzgl. Origenes nicht teilen.


Nachtrag: da Du Basilius und Gregor von Nazianz anführst, nach der CE nannte der Heilige Gregor von Nyssa, jüngerer Bruder des Basilius und Freund des Gregor von Nazianz, "Origen the prince of Christian learning in the third century (P. G., XLVI, 905)."
Gemeinsam mit Basilius gab Gregor von Nazianz unter dem Titel "Philocalia" eine Auswahl aus Origens Werken heraus. Allem Anschein nach haben sie den Origenes anders bewertet als Du.
Zuletzt geändert von Erich_D am Sonntag 14. März 2004, 20:44, insgesamt 3-mal geändert.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Samuel hat geschrieben:»Rudolf Voderholzer hat in seiner Dissertation eine Übersetzung geliefert.«
Echt? Alle vier Bände? Alle Achtung!
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Was die Orthodoxen betrifft, gibt es dort offenbar ähnliche Forendebatten. Siehe etwa hier:

http://www.kuraev.ru/forum/view.php?subj=17667

Leider ist Nietenolaf zur Zeit nicht da, sonst könnte er das übersetzen und überhaupt mehr dazu sagen.

Falls doch jemand was verstehen kann: Der dritte Beitrag dort (von Diakon Андрей Глущенко aus Kiew) faßt die Lehre des Origenes dort in sechs Hauptpunkten sehr klar zusammen. Hätte ich das eher entdeckt, hätt’ ich’s einfach in Übersetzung hier reinstellen können.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Erich Dumfarth hat geschrieben:»Nachtrag: da Du Basilius und Gregor von Nazianz anführst, nach der CE nannte der Heilige Gregor von Nyssa, jüngerer Bruder des Basilius und Freund des Gregor von Nazianz, "Origen the prince of Christian learning in the third century (P. G., XLVI, 905)."
Gemeinsam mit Basilius gab Gregor von Nazianz unter dem Titel "Philocalia" eine Auswahl aus Origens Werken heraus. Allem Anschein nach haben sie den Origenes anders bewertet als Du.«
диакон Андрей Глущенко hat geschrieben:»Богословская система Оригена — сплав христианства с платонизмом. Оккультизма там, конечно, маловато, но еретических положений — достаточно. Главная и единственная заслуга Оригена заключается в том, что он впервые постарался построить систему научного христианского богословия. Он не везде ошибался — поэтому Каппадокийцы относились к нему с уважением, но и далеко не везде был прав — потому и был осужден – Das theologische System des Origenes ist eine Legierung aus Christentum und Platonismus. Okkultismus gibt es da gewiß ein wenig, häretische Positionen dagegen reichlich. Das hauptsächliche und einzige Verdienst des Origenes besteht darin, daß er als erster versucht hat, ein System wissenschaftlicher christlicher Theologie zu errichten. Er hat nicht in allem geirrt; darum haben ihm die Cappadocier Achtung gezollt. Doch er hatte bei weitem nicht in allem Recht: Deshalb wurde er verurteilt«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ketelhohn hat geschrieben:»Er war heterodox – damals. Seine Seelenlehre (und der ganze Weltbau, auf dem das beruht) widersprach damals offenkundig der gesamten Tradition, und dabei blieb es.«
Jürgen hat geschrieben:»[Polemik]
Dann führe mal die "gesamten Tradition" der Kirche gegen ihn auf; also jene, die sich direkt gegen seine Ansichten ausgesprochen haben, die ihn veruteilt haben. Welche ökumenischen Konzilien zu seiner Zeit habe ihn verurteilt (- achja, da gab es ja noch keine -), oder welche Provinzialsynoden? Gleichzeitig solltest Du dann auch die Legitimation und die Allgemeinverbindlichkeit dieser Synoden belegen etc. etc. etc.
[/Polemik]

Bei einem Theologen, der etwa 250 gestorben ist, wird das etwas schwierig werden.

Im nachhinein ist das alles gaanz einfach. Da kann man entscheiden wer rechtgläubig war und wer nicht, aber in einer Zeit als viele Dinge auch der Kirche noch nicht klar waren - oder besser gesagt - als die Kirche noch um genaue Begriffe und Definitionen rang, da gab es an 100 Ecken 100 verschiedene Konzepte von denen die einen ganz abseits lagen, manche ziemlich auf dem richtigen Weg waren und andere den Nagel auf den Kopf trafen, der erst 100 Jahre später bereitstand.

Von einer gesamten und einheitlichen Tradition oder Lehre ist in vielen Dingen kaum zu sprechen.«
Lieber Jürgen, ich rede doch wahrlich nicht chinesisch. Ich habe nicht geschrieben, die gesamte Tradition habe sich gegen Origenes gewandt, sondern seine (Irr-)Lehren hätte damals – als er sie in die Welt setzte – der gesamten bisherigen christlichen Tradition widersprochen. Sie stehen vielmehr in der Tradition der platonischen Seelen-, Welt- und Gotteslehre.

Höchst umstritten – und gefeiert: so rief ihn um 218/219 gar Julia Mamæa, die Mutter und Regentin des Kaisers Severus Alexander, nach Antiochien, um ihn persönlich kennenzulernen – war Origenes aber schon zu Lebzeiten. Mit seiner Alexandriner Heimatkirche entzweit, entwich er nach Palästina, während ihn in Alexandrien eine Synode wegen irregulärer Weihe und Häresie verurteilte. In Palästina dagegen wurde er geduldet und gedeckt.

Dank der reichlich fließenden Mittel eines Gönners konnte er dort seine bekannte halbchristliche Philosophenschule führen und zugleich mit Hilfe eines materiell und personell hervorragend ausgestatteten Schreibbureaus seiner höchst produktiven litterarischen und editorischen Tätigkeit nachgehen.

Sein Einfluß auf die späteren ist höchst unterschiedlich; ich bestreite aber entschieden, daß diejenigen unter den kirchlich anerkannten Lehrern, die sich stärker von ihm anregen ließen, die oben dargestellten Irrlehren übernommen hätten. Nein, sie halten sich an die traditionelle Lehre.

Der Streit um Origenes beruhigt sich vorübergehend ein wenig, flammt dann aber in der Väterzeit wieder auf, in aller Schärfe um die Wende vom 4. zum 5. Jht. Der Streit zwischen Hieronymus und Rufin ist berühmt. Dies führt schließlich zur Verurteilung von 553, die ja keineswegs vom Himmel fiel.

Durch Rufins und des Hieronymus Übersetzungen blieb dem lateinischen Westen aber stets ein Teil des origeneischen Werks erhalten. Die Aussagen desselben Hieronymus und des Gelasianum, manche (exegetische) Schriften des Origenes seien durchaus erlaubterweise und gar mit Gewinn zu lesen, taten ein übriges: Die ganze weitere Geschichte ist von einer sehr zwiespältigen Haltung zu Origenes gekennzeichnet. Man kannte ihn als verurteilten Ketzer, las aber dennoch nicht selten und nicht ohne Bewunderung viele seiner Werke.

Dies ging so bis zum Neo-Origenismus der Moderne: Der schöpft nun nicht mehr einzelne exegetische Früchte unterschiedlichster Güte aus Origenes, sondern er nimmt die alten, verurteilten Irrlehren wieder auf. Eben dies stand ja vor einigen Tagen am Anfang unserer Debatte. Und genau darum muß man heute so entschieden dagegen angehen wie zur Zeit des Hieronymus.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema