Die Beschäftigung mit der Bibel und insbesondere mit dem Alten Testament führt bei mir immer wieder zu einiger Verwunderung dahingehend, dass doch in vielen Fällen ein ganz ähnlicher Erzählungsschatz vorliegt, wie wir ihn aus der griechischen oder altorientalischen Tradition kennen, die unzweifelhaft als Mythen kategorisiert sind.
Diese Mythologeme werden jedoch im jüdisch-christlichen Kontext ganz anders gedeutet als etwa im Zusammenhang der griechischen Mythologie. Zwar liest man die einschlägigen Stellen heute zumeist nicht (mehr?) wörtlich, doch gelten sie immerhin zumindest als Symbole, und zwar nicht als Symbole allein menschlicher Schöpfung, sondern als Teil des »Wortes Gottes«. Es kann sich also nicht um reine »Erfindung« handeln.
Wie lässt sich diese Unterscheidung aber legitimieren? Ich halte diese Parallelen im Gegenteil für einen triftigen Grund des Zweifels. Drei kurze Beispiele (von vielen, Prometheus bleibt etwa ausgespart):
- Die Opferung Isaaks spiegelt ziemlich sauber die Opferung von Helle und Phrixos wider, die ebenso verhindert wurde, was ebenfalls ein rettendes Widder-Element enthält. Von Theologen hört man oft die Deutung, dass Gott eben nicht an Menschenopfern interessiert sei und das in dieser Erzählung Ausdruck finde. Warum jedoch wurden auch Helle und Phrixos im letzten Moment dank eines Widders gerettet? Zudem gibt es eine sehr plausible anthropologische Deutung, die einfach darin besteht, dass in jener Zeit das Bewusstsein für das menschliche Individuum gereift war und man auf Menschenopfer zu verzichten begann. Das hat sich in den verschiedenen Mythenkreisen niedergeschlagen.
- Die Sintflut kommt zumindest im ganzen Mittelmeerraum als Mythologem vor. Wie kann man die dazugehörige Exegese auf Jahwe/Jehovah reduzieren?
- Beispielsweise in den Psalmen ist eindeutig von Göttern die Rede. (Z. B.: »Gott steht auf in der Gottesversammlung, inmitten der Götter hält er Gericht.«, Ps. 82, 1) Es wird also eindeutig der Weg vom Polytheismus zur Monolatrie und zum Monotheismus vollzogen. (Nicht umsonst ist Gott »eifersüchtig«.) Weshalb werden diese Götter, die eindeutig erwähnt werden, von der Exegese kaum wahrgenommen?
Danke!