Man muss sich natürlich an die richtige Ikonografie halten. Jesus kann nicht gesagt haben, wie es im Himmel aussieht, weil er aus dem Bereich der Toten kommt. Traditionellerweise heißt der Bereich der Grabeshöhle Hölle. Damit stehen wir vor mehreren Problemen. 1. Was macht der Gottessohn in der Hölle? 2. Wie erklären wir, dass Jesus nur drei Tage in der Hölle war, die meisten Menschen dort aber bis zum Jüngsten Tag ruhen werden?Sempre hat geschrieben:Der Auferstandene kommt gerade aus dem Reich der Toten und nicht aus dem himmlischen Jerusalem. Und ja: natürlich ist es gut und richtig, sich vorzustellen, dass die Verdammten allesamt auf heißen Herdplatten sitzen. Das empfiehlt selbst der hl. Bonaventura:overkott hat geschrieben:Von Evangelium zu Evangelium wird die Auferstehungsgeschichte detaillierter. Aber eins hat der Auferstandene nicht gesagt: Ich komme gerade aus dem Himmlischen Jerusalem. Gute Stimmung da. Der Vater, der Heilige Geist, ich, die Engel und die Heiligen des Alten Testaments, darunter der hl. Jesaja und der hl. Täufer. Die Gospa und die anderen Heiligen kommen später ohne Auferstehung mit sofortiger Himmelfahrt. Bis zum Jüngsten Gericht wird es wohl noch eine Weile dauern. Mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten. Aber so wie ich jetzt auferstanden bin, wird es den meisten ergehen. Wo ich jetzt genau meinen Richterstuhl hinstellen will, behalte ich auch erst mal für mich: vielleicht Jerusalem, vielleicht Rom, vielleicht Tibet. Dann werden die Guten in den Himmel verduften, während wir den anderen für den Rest der Ewigkeit Feuer unterm Hintern machen. Jetzt aber erst mal tschüss bis nächste Woche. Bringt dann den ungläubigen Thomas mit.Sempre hat geschrieben:Ich verstehe nicht recht, worauf Du hinauswillst. Was willst Du damit sagen? Dass Du glaubst, dass der Herr gemäß der für die Kirche maßgeblichen Schrift tatsächlich auferstanden ist, dass es sich gemäß dem (unbekannten?) Original hingegen bei den Berichten vom Auferstandenen um "heilige und fromme Legenden" handelt?overkott hat geschrieben:Mein Bekenntnis secundum scripturas bedeutet schon, dass die Schrift aus Buchstaben besteht. Aber ein Ecclesiasticus tut gut daran, das Vorwort der griechischen Übersetzung von Jesus Sirach für die ganze Bibel zu beherzigen. Darin wird deutlich, dass auch die griechische Übersetzung kein Original ist. [...]
Warum weichst Du immer aus und beantwortest nicht die Fragen?Ludwig von Granada hat geschrieben:Diese Strafen, sagt der hl. Bonaventura, muß man sich unter dem Bilde körperlicher Dinge vorstellen, wie uns die Heiligen lehrten. Es wird daher angemessen sein, sich den Ort der Hölle, wie der heilige Lehrer sagt, als eine dunkle, finstere, unter der Erde befindliche Stätte zu denken, als eine ungeheuer tiefe Grube voll Feuer, oder als eine furchtbare, finstere Stadt, die ganz in beständigen Flammen brennt, in welcher man nichts hört als die Rufe und die Seufzer der Marterer und der Gemarterten mit ewigem Geheul und Zähneknirschen.
Warum glaubst Du, dass der Gekreuzigte nicht tatsächlich auferstanden ist, dass er gegessen hat, dass der ungläubige Thomas ihn betastet hat. Warum lässt Du an diesen Stellen den Literalsinn der Evangelien nicht gelten und sprichst anstatt dessen von frommen Legenden? Andere Stellen der Evangelien nimmst Du hingegen als Tatsachenberichte.
Wir stoßen dabei in der Ikonografie auf das Zeit-Ewigkeits-Paradox. Denn offenbar haben wir es mit der Hölle vor dem Jüngsten Tag und der Hölle nach dem Jüngsten Tag zu tun. Die Vorstellung des hl. Bonaventura von der höheren Gerechtigkeit bezieht sich auf die Zeit nach dem Jüngsten Tag. Traditionellerweise wurde die 1. Frage mit der Vorstellung von Karsamstag beantwortet. Das Hinabsteigen in die Hölle war ein großer Triumpfzug zur Erlösung der Toten. Im Hinblick auf die 2. Frage betrachtete der hl. Bonaventura traditionellerweise die Zeitangaben nicht historisch, sondern allegorisch. Dabei war er sich der Paradoxie bewusst.
Dass sich in Legenden häufig historische Fakten und bildhafte Ideen mischen, gab es vor den Evangelien und gibt es heute noch. Die Frage nach den historischen Fakten ist durchaus berechtigt, auch wenn sie auf ein Nebengleis führt. Sie taucht vor allem dort auf, wo der Buchstabe, das Wort und die Schrift allein eine übergroße Bedeutung haben. Jesus selbst geht es jedoch nicht um Dichtung oder Wahrheit, sondern um Dichtung und Wahrheit. Die Wahrheit kommt im Gleichnis ebenso zum Tragen wie in ihrer Interpretation in Form weisheitlicher Sprüche. Der hl. Hieronymus und der hl. Bonaventura jedenfalls haben das verstanden.