Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

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cantus planus
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Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von cantus planus »

Liebe Forengemeinde,

meine Frage geht aus dem Titel hervor. Wenn eine Person kanonisiert wird, darf und soll man sie verehren, ggf. ist es - je nach Einstufung des Feiertags - sogar verpflichtend. Daran will ich nicht rütteln, und auch diese Frage nicht anhand eines konkreten Heiligen diskutiert wissen.

Aber ist eine Heiligsprechung - insbesondere nach der Eiligsprecherei unter Johannes Paul II. und der Abschaffung des "advocatus diaboli" - immer unfehlbar? Unter welchen Voraussetzungen wäre die Heiligsprechung mängelbehaftet? Wann wäre der Gläubige gehalten, einen Heiligen nicht zu verehren?

Kanonisten, Kanoniere, Kanoniker und andere Kirchenrechtsexperten vor! ;D
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Clementine
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Clementine »

cantus planus hat geschrieben:Kanonisten, Kanoniere, Kanoniker und andere Kirchenrechtsexperten vor! ;D
Auch wenn ich nicht angesprochen bin, fühl ich mich so frei, was hierzu zu schreiben. :)

Ich habe mal gehört, dass die Unfehlbarkeit nicht für Heiligsprechungen gelten soll. Ob das stimmt, weiß ich natürlich nicht. Aber gewundert hat mich das schon sehr als ich es hörte. Stell Dir vor, Du erhebst jemanden "zu Ehren der Altäre" und dann sagst Du: Ups, da haben wir uns getäuscht...
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overkott
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von overkott »

Da die Heiligenverehrung eigentlich von unten, also von der Basis kommt und nur von oben gebilligt wird, ist diese Frage obsolet.

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cantus planus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von cantus planus »

overkott hat geschrieben:Da die Heiligenverehrung eigentlich von unten, also von der Basis kommt und nur von oben gebilligt wird, ist diese Frage obsolet.
Nein.
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Dottore Cusamano
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Dottore Cusamano »

Entscheidend ist allein, ob der Hl. Vater im Rahmen der Kanonisation - als einem kirchenrechtlichen Verfahren - "ex cathedra" spricht. Wenn man die Rechtsfolgen betrachtet, die an eine Heiligsprechung geknüpft sind, dürfte man zu dem Ergebnis kommen, dass man eine Anwendung des Unfehlbarkeitsdogmas auf dieses Verfahren und seinen jeweiligen Ausgang ablehnen muss.
"Da erhob sich ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und auch der Drache und seine Engel kämpften. Doch sie richteten nichts aus und es blieb kein Platz mehr für sie im Himmel." (Offb 12, 7-8)

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cantus planus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von cantus planus »

Clementine hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Kanonisten, Kanoniere, Kanoniker und andere Kirchenrechtsexperten vor! ;D
Auch wenn ich nicht angesprochen bin, fühl ich mich so frei, was hierzu zu schreiben. :)

Ich habe mal gehört, dass die Unfehlbarkeit nicht für Heiligsprechungen gelten soll. Ob das stimmt, weiß ich natürlich nicht. Aber gewundert hat mich das schon sehr als ich es hörte. Stell Dir vor, Du erhebst jemanden "zu Ehren der Altäre" und dann sagst Du: Ups, da haben wir uns getäuscht...
Darauf zielt meine Frage. Es ist übrigens richtig, dass Heiligsprechungen nicht vom Dogma der Unfehlbarkeit berührt werden. (Falls ich mich irre, bitte ich um Widerspruch.)

Es kommt einer Heiligsprechung natürlich eine gewisse "tatsächliche" Unfehlbarkeit zu, da man sie schlecht rückgängig machen kann. Genau dieser heikle Punkt würde mich interessieren.
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LaudaSion
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von LaudaSion »

cantus planus hat geschrieben: Aber ist eine Heiligsprechung - insbesondere nach der Eiligsprecherei unter Johannes Paul II. und der Abschaffung des "advocatus diaboli" - immer unfehlbar? Unter welchen Voraussetzungen wäre die Heiligsprechung mängelbehaftet? Wann wäre der Gläubige gehalten, einen Heiligen nicht zu verehren?

Kanonisten, Kanoniere, Kanoniker und andere Kirchenrechtsexperten vor! ;D
Ich bin wohl auch nicht angesprochen :) , aber persönlich vertraue ich darauf, dass durch das Wirken des heiligen Geistes im postulierenden Kirchenvolk, in den entscheidenden Gremien der Kurie und im Nachfolger des hl. Petrus bei einer Heiligsprechung der Wille des Dreifaltigen Gottes offenbar wird.

Vielleicht ist das sehr idealistisch gedacht: aber einen Irrtum halte ich aus diesem Grund für ausgeschlossen.
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cantus planus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von cantus planus »

Kann man das Pferd vielleicht anders herum aufzäumen? Beispiel: wenn ich an einer Universität eine Diplomprüfung ablege, nachdem ich guten Gewissens - mutwillige Täuschung darf natürlich nicht vorliegen! - eingeschrieben war, und die Uni merkt erst nach der Prüfung, dass ich eigentlich nur an einer Fachhochschule hätte studieren dürfen, so ist dieser Makel durch die bestandene Diplomprüfung geheilt.

Könnte man sagen, dass der Mangel eines Heiligsprechungsverfahrens oder auch bestimmte gegen die Kanonisierung sprechenden persönliche Umstände durch die erfolgte Erhebung zur Ehre der Altäre geheilt sind?
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Peregrin
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Peregrin »

Ist der hl. Georg ungültig?
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LaudaSion
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von LaudaSion »

cantus planus hat geschrieben: Könnte man sagen, dass der Mangel eines Heiligsprechungsverfahrens oder auch bestimmte gegen die Kanonisierung sprechenden persönliche Umstände durch die erfolgte Erhebung zur Ehre der Altäre geheilt sind?
Gäbe es einen solchen Fall, träfe Deine Hypothese auf meine (persönliche, sicher nicht kanonisch fundierte) volle Zustimmung, denn wie ich schrieb:
...dass durch das Wirken des heiligen Geistes ... bei einer Heiligsprechung der Wille des Dreifaltigen Gottes offenbar wird.
Ja, ich bin sogar fest davon überzeugt, dass sich der Wille Gottes (in z. B. der wichtigen Frage einer Heiligsprechung) auch entgegen vermuteter oder später festgestellter Unmöglichkeiten zeigt und durchsetzt.
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Kilianus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Kilianus »

Hust. Der Papst kann Gott per fehlerhafter Heiligsprechung dazu zwingen, einen Verdammten doch noch in den Himmel aufzunehmen?

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LaudaSion
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von LaudaSion »

Kilianus hat geschrieben:Hust. Der Papst kann Gott per fehlerhafter Heiligsprechung dazu zwingen, einen Verdammten doch noch in den Himmel aufzunehmen?
Nein umgekehrt, derjenige wäre nie verdammt und das würde durch die Heiligsprechung auch "hier unten" offenbar-ich glaube kaum (und soviel Eingreifen traue ich dem hl. Geist durchaus zu), dass Gott in solch wichtigen Fragen (wie der Heiligsprechung) seiner Kirche (dem mystischen Leib Christi) etwas zuließe, was seinem Willen widerspräche!
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Dottore Cusamano
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Dottore Cusamano »

Kilianus hat geschrieben:Hust. Der Papst kann Gott per fehlerhafter Heiligsprechung dazu zwingen, einen Verdammten doch noch in den Himmel aufzunehmen?
Durch die Kanonisierung ist nicht automatisch darüber befunden, dass der Heiliggesprochene auch tatsächlich im Himmel ist. Auch ist hiermit selbstverständlich nicht als "Rechtsfolge" die Aufnahme in den Himmel verbunden.
Zuletzt geändert von Dottore Cusamano am Montag 6. April 2009, 21:22, insgesamt 1-mal geändert.
"Da erhob sich ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und auch der Drache und seine Engel kämpften. Doch sie richteten nichts aus und es blieb kein Platz mehr für sie im Himmel." (Offb 12, 7-8)

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cantus planus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von cantus planus »

Gerade habe ich meinen logischen Bockschuß bemerkt, aber ihr habt es ja schon geschrieben. Eine Häresie bleibt eine Häresie, auch, wenn man den Häretiker heiligspricht.
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anneke6
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von anneke6 »

Mich interessiert die Frage auch — weil ich die Antwort nicht weiß. :)
Heilige wurden schon aus Kalendern gestrichen, Philomena und Expeditus, zum Beispiel, weil ihre Historizität umstritten ist. Das wäre nachvolziehbar: Wer nie gelebt hat, kann nicht gültig heiliggesprochen werden. Ob Andreas Oxner (Anderl von Rinn) jemals heiliggesprochen wurde, weiß ich nicht…er steht jedenfalls auch nicht (mehr) im Kalender.
???

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Leguan
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Leguan »

Naja, die "gestrichenen" Heiligen stammen alle noch aus der Zeit, als es keine Heiligsprechung gab, sondern heilig einfach die waren, die man für heilig hielt.

Zum Thema gibt es einen eigenen Abschnitt im Heiligsprechungsartikel der Catholic Encyclopedia. Das ist also wohl kein Dogma, aber war doch die Ansicht sehr vieler Heiliger und Theologen.
If any stupid priest or bishop in Nigeria feels he wants to copy the American model, then there is something wrong with his head. --Olubunmi Anthony Kardinal Okogie

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LaudaSion
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von LaudaSion »

Dottore Cusamano hat geschrieben: ... dass der Heiliggesprochene auch tatsächlich im Himmel ist.....
Mhm, ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass die Heiligen "im Himmel", in unmittelbarer Nähe Gottes sind und dort als Fürsprecher auftreten.
Weiß da jemand mehr?
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Robert Ketelhohn
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

anneke6 hat geschrieben:Ob Andreas Oxner (Anderl von Rinn) jemals heiliggesprochen wurde, weiß ich nicht…
Benedikt XIV. hat am 15. Dezember 1752 den im Volk bereits seit langem bestehenden
Kult des seligen Märtyrers Andreas von Rinn bestätigt und ein eigenes Meßformular
und Offizium für ihn eingeführt. Einen Monat später wurde zusätzlich ein vollkommener
Ablaß für Wallfahrten zu den Gebeinen des sel. Andreas an seinem Gedenktag, dem
12. Juli, eingeführt.

Mit der Bulle Beatus Andreas vom 22. Februar 1755 endlich hat Benedikt XIV. das Ver-
fahren als äquipollente Seligsprechung ausführlich begründet. Anlaß war das Begehren
nach formaler Heiligsprechung des Märtyrerkindes. Benedikt bekräftigte neben der Se-
ligsprechung des Andreas von Rinn zugleich auch diejenige des sel. Simon von Trient
und erläuterte dann den weiteren Weg zu einer Heiligsprechung, wozu es allerdings in
beiden Fällen nie kam.

Mit der Darstellung der kanonistischen Fragen erörtert Benedikt in jener Bulle – weil ka-
nonisch erforderlich – auch die Fakten jener Fälle und deren historische Untersuchung
und Überlieferung. In unseren Tagen hat man, Benedikts Feststellungen ignorierend,
kirchlicherseits die Kulte verboten und teilweise die Reliquien der Märtyrer geschändet.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Leguan hat geschrieben:Naja, die "gestrichenen" Heiligen stammen alle noch aus der Zeit, als es keine Heiligsprechung gab, sondern heilig einfach die waren, die man für heilig hielt.
Die Verehrung stammt aber teilweise aus recht junger Zeit.
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pierre10
cum angelis psallat Domino
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von pierre10 »

Obwohl ich nicht katholisch bin, würde ich gerne dazu etwas sagen. Mir scheint, dass diese Heiligsprecherei eine sehr menschliche Geschichte ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott auf Fürsprecher hört, so wie Politiker auf Lobbyisten. Vielleicht entstand diese Geschichte durch das Bedürfnis der Menschen, Gott zu verstehen und dass man dazu, wie auf der Erde, hohe Persönlichkeiten braucht, die vom Allerhöchsten gehört werden, wenn man als ganz Kleiner nicht an die Chance glaubt er-gehört zu werden.

Pierre, ein bisschen ketzerich.........
Grenzen im Kopf sind sehr hinderlich

Miserere Nobis Domine
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Welcher nach ordentlichem Verfahren Heiliggesprochene wäre denn fraglich?

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Peregrin
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Peregrin »

pierre10 hat geschrieben: Mir scheint, dass diese Heiligsprecherei eine sehr menschliche Geschichte ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott auf Fürsprecher hört, so wie Politiker auf Lobbyisten.
Wie Dr. Cusamano schon angemerkt hat, entfaltet eine Heiligsprechung oder ihre Unterlassung wohl kaum "Rechtsfolgen" für den Heiliggesprochenen, sondern regelt die Verehrung Verstorbener im irdischen Leben, zeigt Vorbilder für die Nachfolge auf etc.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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overkott
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von overkott »

Dottore Cusamano hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben:Hust. Der Papst kann Gott per fehlerhafter Heiligsprechung dazu zwingen, einen Verdammten doch noch in den Himmel aufzunehmen?
Durch die Kanonisierung ist nicht automatisch darüber befunden, dass der Heiliggesprochene auch tatsächlich im Himmel ist. Auch ist hiermit selbstverständlich nicht als "Rechtsfolge" die Aufnahme in den Himmel verbunden.
Wichtig ist der Unterschied zwischen der Metaphysik und der Physik. Der übernatürliche Himmel ist nicht der natürliche Himmel. Der übernatürliche Himmel ist ein geistiger Himmel, der von reinen Geistwesen bevölkert wird: Gott, Engel, Heilige, Seelen mit einem Geistleib. Über diese Geisteswelt befindet die Kirche authentisch. Die Schlüsselgewalt zum Himmel hat Petrus (Mt 16,19). Der Himmel ist die Erkenntnis (Lk 11,52). Katholischen Schriftgelehrten wie dem hl. Bonaventura war das klar. Aber auch bei den Franziskanern gab und gibt es Brüder mit unterschiedlichem Bildungsgrad. Allerdings entscheidet nicht der Bildungsgrad über das Maß der Gottes- und Nächstenliebe. Die Volksfrömmigkeit pflegte immer einen eigenen Umgang mit der theologischen Bilderwelt, die Ausdruck christlicher Kultur ist.

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Cordoba
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Cordoba »

pierre hat geschrieben: Mir scheint, dass diese Heiligsprecherei eine sehr menschliche Geschichte ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott auf Fürsprecher hört, so wie Politiker auf Lobbyisten.
Lieber Pierre,

ganz generell: da wäre mir da nicht so sicher, die Schrift (bzw. Jesus) ist da sehr eindeutig, siehe:
Mt. 16,18-19 hat geschrieben: Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Die Heiligen sind also keine menschliche Erfindung. In der frühchristlichen Didache steht (nur als Beispiel):
Kap. 4,2 hat geschrieben: Täglich sollst du das Antlitz der Heiligen suchen, damit du Ruhe findest durch ihre Worte.
Die Ausgestaltung und Modi der Heiligsprechung (was ja auch das Thema dieses Threads ist), ist natürlich eine andere Frage. Aber wie gesagt: generell hat die Kirche die Vollmacht genau das zu tun, was sie tut :)
"Poetry is sane because it floats easily in an infinite sea; reason seeks to cross the infinite sea, so make it finite. The result is mental exhaustion." (C.K. Chesterton, "Orthodoxy")

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overkott
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von overkott »

Cordoba hat geschrieben:Die Heiligen sind also keine menschliche Erfindung. In der frühchristlichen Didache steht (nur als Beispiel):
Kap. 4,2 hat geschrieben: Täglich sollst du das Antlitz der Heiligen suchen, damit du Ruhe findest durch ihre Worte.
Das ist richtig. Denn schon in einer anderen frühchristlichen Geschichte stand:
Kap. 2,46 hat geschrieben: Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens.

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Juergen
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Juergen »

Wenn jemand heilig gesprochen wird, freut sich die ganze Christenheit.
Die ganze Christenheit?
Nein, in einem land nördlich der Alpen fragt man sich:

- Ist das jetzt unfehlbar?
- Muß ich da jetzt dran glauben?
- Haben wir nicht schon genug Heilige?
- Machen wir und nicht die Beziehungen zu den Protestanten kaputt?
- Wurde auch genau geguckt, wie beim neuen Heilige sein Verhältnis zu den Juden war?
- ...

:boese:
Gruß Jürgen

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- Offline -

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ottaviani
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von ottaviani »

auch eine frucht des neuen pfingsten

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Lioba
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Lioba »

Die Beziehung zu den Protestanten würde ich mal draussen vor lassen- der Protestantismus hat da eh eine etwas andere Sicht und ein Heiliger mehr oder weniger macht da kaum einen Unterschied- wobei ich persönlich früher noch mit manchen katholischen Heiligen und ihrer Geschichte vertraut war, aber inzwischen schlicht die Übersicht verloren habe, weil es immer mehr werden.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

Ralf

Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Ralf »

cantus planus hat geschrieben:Aber ist eine Heiligsprechung - insbesondere nach der Eiligsprecherei unter Johannes Paul II. und der Abschaffung des "advocatus diaboli" - immer unfehlbar?
Ja (soweit ich weiß).

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cantus planus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von cantus planus »

Juergen hat geschrieben:Wenn jemand heilig gesprochen wird, freut sich die ganze Christenheit.
Die ganze Christenheit?
Nein, in einem land nördlich der Alpen fragt man sich: [...]
Wie ich schon sagte, möchte ich die Frage gerne einmal theoretisch erläutern, und nicht existierende Heilige oder Personen, deren Verfahren gerade läuft diskreditieren. Solche Fragen zu stellen muss erlaubt sein.
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Peti
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Peti »

cantus planus hat geschrieben: Wie ich schon sagte, möchte ich die Frage gerne einmal theoretisch erläutern, und nicht existierende Heilige oder Personen, deren Verfahren gerade läuft diskreditieren. Solche Fragen zu stellen muss erlaubt sein.
Bei der seligen Anna Schäfer würde ich mich über eine Heiligsprechung sehr freuen.
http://www.anna-schaeffer.info/
Was für ein Glück für uns, dass wir wissen können, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
Johannes Maria Vianney

Kilianus
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Re: Können Heiligsprechungen fehlbar sein?

Beitrag von Kilianus »

cantus planus hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Wenn jemand heilig gesprochen wird, freut sich die ganze Christenheit.
Die ganze Christenheit?
Nein, in einem land nördlich der Alpen fragt man sich: [...]
Wie ich schon sagte, möchte ich die Frage gerne einmal theoretisch erläutern, und nicht existierende Heilige oder Personen, deren Verfahren gerade läuft diskreditieren. Solche Fragen zu stellen muss erlaubt sein.
Das methodische Problem bei Deiner Frage: Ein definitiver "Irrtum" bei einer Heiligsprechung würde heißen: Wir erkennen nun mit Gewißheit, daß die betreffende Person ihre Vollendung (noch) nicht erreicht hat, sie also entweder der ewigen Verdammung anheimgefallen ist oder sie sich zumindest noch im Fegefeuer befindet.

Solche Urteile hat die Kirche noch nie getroffen - mit gutem Grund...

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