Liturgie: "Reform der Reform" konkret

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ad-fontes
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben: Erst mit dem Abbruch des Lettners samt Kreuzaltar entstand die unglückliche Situation, daß das Volk - das immer noch im Hauptschiff stand und den Chor nicht betrat - so weit vom Altar entfernt stehen mußte. Ein typisches Beispiel dafür, wie eine Reform, die im Prinzip gut gemeint war, ihr Ziel verfehlte und das Gegenteil des gewollten erreichte.
:klatsch: :daumen-rauf:
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Niels
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Niels »

taddeo hat geschrieben: :ikb_notworthy:
:ja: :daumen-rauf:
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ad-fontes
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben: Hinter dem Archäologismus des 20. Jh. versteckt sich oft genug nur der Wunsch, die eigenen Vorstellungen mit höheren historischen Weihen zu versehen.
Ist nicht das "Hochfest der Gottesmutter Maria" am 1. Januar eine Frucht eben dieses Archäologismus, aber ohne daß sich bei diesem Beispiel klar erkennen liesse, worin seine Zielsetzung besteht (Abschaffung des Festes bzw. Leugnung der Beschneidung des Herrn?)?

Es ist m. W. das einzige Hochfest, das faktisch keine Rolle spielt bzw. nicht im Volk rezipiert worden ist.
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Bernado
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben: Hinter dem Archäologismus des 20. Jh. versteckt sich oft genug nur der Wunsch, die eigenen Vorstellungen mit höheren historischen Weihen zu versehen.
Ist nicht das "Hochfest der Gottesmutter Maria" am 1. Januar eine Frucht eben dieses Archäologismus, aber ohne daß sich bei diesem Beispiel klar erkennen liesse, worin seine Zielsetzung besteht (Abschaffung des Festes bzw. Leugnung der Beschneidung des Herrn?)?
Ich weiß es nicht, und habe auch gegenwärtig weder Zeit noch Lust, hinter den kruden Gedankengängen der Kalenderklempner her zu recherchieren.

Was ich nur merkwürdig finde, ist, daß man es heute für nötig hält, zu jedem passenden und unpassenen Anlaß bedeutungsschwer zu raunen "Jesus war Jude" - aber dann das Fest, aus dem die Einbindung Jesu in das Volk Israel und seinen Bund mit Gott am deutlichsten ersichtlich ist, gestrichen hat.

Wahrscheinlich erweist man vielen Maßnahmen der Liturgiereformer aus dem Hause Bugnini einfach zu viel Ehre, wenn man hinter all ihren Maßnahmen einen tieferen Sinn sucht. Sie hatten eine Agenda, und die haben sie verfologt, und dabei auch Lug und Betrug nicht gescheut.

Die Liturgiegeschichtge haben sie als Steinbruch benutzt: Was ihnen für ihre Linie irgendwie passend zu sein schien, haben sie genommen und in ihr Konstrukt eingebaut - was ihnen nicht passte, wurde weggelassen. Konsequenz und Konsistenz waren ihnen dabei ziemlich gleichgültig.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Lupus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Lupus »

Treffliche Antwort!

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Leguan
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Leguan »

Bernado hat geschrieben:Was ich nur merkwürdig finde, ist, daß man es heute für nötig hält, zu jedem passenden und unpassenen Anlaß bedeutungsschwer zu raunen "Jesus war Jude" - aber dann das Fest, aus dem die Einbindung Jesu in das Volk Israel und seinen Bund mit Gott am deutlichsten ersichtlich ist, gestrichen hat.
Diese seltsame Diskrepanz ist mir auch schon aufgefallen. Das Fest der Beschneidung des Herrn ist bei weitem nicht der einzige Fall. Mit der neuen Messe wurde so einiges, was jüdische Wurzeln hat, weggeworfen, am sichtbarsten z.B. die sechs Kerzen + Kruzifix.

Ich habe auch mal einen kurzen Fernsehbericht über die FSSP-Messe in Rom gesehen. Eine dort interviewte konvertierte Jüdin meinte, ihr sei die alte Messe lieber, weil der Bezug zum Judentum dort viel deutlicher sei. Vielleicht wollte man ja gerade diese "Anziehungskraft" loswerden?
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Bernado
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Bernado »

Leguan hat geschrieben: Ich habe auch mal einen kurzen Fernsehbericht über die FSSP-Messe in Rom gesehen. Eine dort interviewte konvertierte Jüdin meinte, ihr sei die alte Messe lieber, weil der Bezug zum Judentum dort viel deutlicher sei. Vielleicht wollte man ja gerade diese "Anziehungskraft" loswerden?
Wahrscheinlich gar nicht so konkret - man wollte einfach alles loswerden, was Sakralität und Tradition betont - "Erneuerung" aus dem Geist des Bruchs und der Säkularisierung.

Außerdem: Die Formel "Jesus war Jude" hat einen unüberhörbaren PC-Klang, sie wird oft gebraucht, um in irgendeiner Form "Solidarität mit Israel" d.h. mit der Politik des heutigen Staates, einzufordern oder irgendeinem aktuellen angeblichen "Antisemitismus" abzusagen. Das Fest der Beschneidung des Herrn dagegen läßt sich in keiner Weise derart in Dienst nehmen. Es gedenkt der Eingliederung des Menschen Jesus in das Gottesvolk des alten Bundes und des Heilsplans von Anfang an - nicht mehr, und nicht weniger.

Mehr noch als den Verlust dieses Festes an einem Tag im Jahr bedauere ich in dieser Hinsicht die aggressiv betriebene Außer-Gebrauchsetzung des römischen Kanons mit der wunderbaren Formel:
Blicke versöhnt und gütig darauf (unsere Opfergaben) nieder und nimm sie an wie einst die Gaben Deines gerechten Dieners Abel, wie das Opfer unseres Vaters Abraham, wie die heilige Gabe, das reine Opfer Deines Hohenpriesters Melchisedek.
Aber was solls. Jesus war Israeli, und die Kirche wurde uns geschenkt im Jahre 1966 nach der Zeitrechnung, die Liturgie 3 Jahre später.
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Robert Ketelhohn
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Der Papst schreibt zum Weltfriedenstag 2009 in der Weihnachtszeit.
Hm. Dieser Botschaft kann ich in manchem lebhaft und freudig zustimmen, an andern Stellen habe ich – teils sogar massive – Einwände. Aber abgesehen von den einzelnen Inhalten, kommt mir das ganze sonderbar deplaciert vor.

Offiziell begeht ja die Kirche heute ein sogenanntes „Hochfest der Gottesmutter Maria“. Wieso muß man da nach VN-Art einen „Weltfriedenstag“ drüberlegen? – Nun ja, vielleicht, weil seit der Einführung dieses bis heute seltsam künstlich wirkenden (weil eines Anlasses entbehrenden) Hochfestes der Gottesmutter Maria keiner dessen Sinn so recht verstanden hat?

Nach Art der Welt statt dessen profane Welt-irgendwas-Tage zu begehen scheint aber auch nicht wesentlich passender. Eigentlich ist der achte Tag nach der Geburt Jesu – abgesehen von der Oktavfeier – ja der Tag der Beschneidung. Zur Eliminierung dieses Fests schrieb ich einmal:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Das Fest am 2. Februar – volkstümlich Mariä Lichtmeß – nennt man offiziell übrigens auch nicht mehr purificatio Mariæ (Reinigung Mariens), sondern præsentatio Domini (Darstellung des Herrn [im Tempel]). Das wird damit begründet, es sei doch eigentlich ein Herrenfest. Doch mit dem Fest der Beschneidung hat man das Gegenteil getan, nämlich ein Herrenfest eliminiert, obgleich es im Ablauf des Weihnachtsfestkreises genau dort, am 1. Januar, seinen ordentlichen Platz hätte. Ebenso ergibt sich der Termin des 2. Februar unmittelbar zuerst für das Reinigungsopfer Mariens am 40. Tag, auch wenn die Darstellung dann praktischerweise zugleich geschah.

Warum also beide Änderungen? – Man wollte wohl, scheint mir, solche anstößigen Sachen den aufgeklärten Gläubigen nicht länger zumuten. Daß man den kleinen Jesus tatsächlich am Gottseibeiuns beschnitten hat, das ist doch wirklich pfui und baba! Und daß eine Wöchnerin ein Reinigungsopfer darbringen muß, wo man diesen natürlichsten aller Vorgänge doch wunderschön am Nachmittag im Fernsehen zeigen kann, das ist doch …! Und dann auch noch in der Kirche drüber reden – pfui pfui, schnell drei Kreuze geschlagen!

Was, Jesus war Jude? Natürlich! Unser älterer Bruder! Wie, was, die Juden tun das – beschn... – psssst! Geh mir weg damit, das sind halt Bräuche, aber hier geht um Theologie und um unser Glaubenszeugnis. Bleib doch weg mit irgendwelchen alten Riten. – Was, historisch war es … jetzt aber Schluß! Es geht doch darum, daß Gott Mensch werden kann! Wie bei Jesus, so bei mir und dir. Dafür ist Jesus uns ein Vorbild, aber mit der <nuschelnuschel> hat das doch wirklich <schüttel> nichts zu tun. Und was soll überhaupt immer diese alte Geschichte! Hier und heute sollen wir uns vergöttlichen! Aber das ist eine geistige Sache! Und jetzt Schluß mit diesem Thema. Sie sind ja völlig leibfeindlich!
Aber das bloß mal so am Rande … Friede allen! Pax omnibus vobis.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Bernado
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Bernado »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Man wollte wohl, scheint mir, solche anstößigen Sachen den aufgeklärten Gläubigen nicht länger zumuten. Daß man den kleinen Jesus tatsächlich am Gottseibeiuns beschnitten hat, das ist doch wirklich pfui und baba!
Und dabei gibt es/gab es im Mittelmeerraum ein halbes Dutzend Kirchen, die sich rühmten, in ihren Reliquienschätzen das sanctissimum praeputium zu besitzen...

Ach was sind wir so modern und aufgeklärt.
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lifestylekatholik
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von lifestylekatholik »

Bernado hat geschrieben:die Kirche wurde uns geschenkt im Jahre 1966 nach der Zeitrechnung
Nein, nein! Du musst noch mal zur Umschulung. Es heißt »im Jahre 1966 unserer Zeitrechnung«. Ts, ts, ts. :pfeif:
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Linus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Linus »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:die Kirche wurde uns geschenkt im Jahre 1966 nach der Zeitrechnung
Nein, nein! Du musst noch mal zur Umschulung. Es heißt »im Jahre 1966 unserer Zeitrechnung«. Ts, ts, ts. :pfeif:
ich DACHTE 2719 a. u. c .

Linus, manchmal am Römsten ;D
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Niels
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Niels »

Bernado hat geschrieben: Nach 4 Jahrzehnten Tiefflug-Katechese ist der Sensus Fidelium oft nicht mehr das, was er einmal war.
Aktuelles Beispiel:
Quelle hat geschrieben:"Viel ist zum Glück nicht passiert, der Pfarrer ist gerade noch rechtzeitig in die Kirche gekommen. Nur eine neue Tischdecke für den Altar brauchen wir jetzt. Denn die wurde bei dem Brand zerstört", berichtet Pastoralassistentin Beatrix Hofer.
:roll:
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Niels
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Niels »

Neues Blog zum Thema "Reform der Reform": http://ars-celebrandi.blogspot.com

"Zelebrationsschule der Messe nach der Ordnung Pauls VI. im Lichte der Ordnung Gregors des Großen" :daumen-rauf:
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Niels
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Niels »

iustus hat geschrieben: Scheint ein vernünftiger Mann zu sein, auch nach dem, was er sonst so gesagt hat
Gerade entdeckt:
Enoch zu Guttenberg im Interview mit der Zeitschrift CICERO hat geschrieben:Es heißt, Sie seien ein romtreuer Agnostiker, was muss man darunter verstehen?
Ich gehe jeden Sonntag mit meinen Kindern in die Kirche, und wir beten jeden Abend mit ihnen, weil ich finde sie können erst für oder gegen etwas entscheiden, wenn sie es kennen. Ich liebe die alte, tridentinische Kirchenliturgie, und ich liebe das Evangelium. Es gibt keine schönere Religion als das Christentum mit seinem Gesetz der Liebe. Mein zweiter Schwiegervater war radikaler Kommunist, und wir haben darüber viel gestritten. Aber er hat immer gesagt: Wenn ihr die Bergpredigt wirklich leben würdet, ihr Christen, hätte es keinen Marx gebraucht. Und da ist viel dran. Doch mein Gehirn ist absolut atheistisch, ich müsste wirklich lügen, wenn ich sagen würde, ich könnte glauben.

Sie glauben also nicht an die Existenz Gottes?
Nein, die halte ich für völlig ausgeschlossen. Sollte es wirklich einen Gott geben, der liebend in die Welt eingreift und Gebete erhört, wäre der Umkehrschluss doch irre: Hat sich denn bitte die Mutter im Kosovo, die dafür betet, dass wenigstens einer ihrer fünf Söhne lebendig nach Hause kommt, und ertragen muss, dass er trotzdem stirbt, hat die sich denn mit Gott weniger gut gestellt als andere? Nein, ich kann nicht glauben, schon gleich nicht an das Leben nach dem Tod. Ich bin zu klein dafür.
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Raimund J.
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Raimund J. »

Interview mit dem Kirchenrechtler Dr. Gero Weishaupt:
Martin Bürger: Welche Schritte zur „Reform der Reform“ schlagen Sie über das, was bis jetzt geschehen ist, hinaus vor?

Dr. Gero Weishaupt: Die Eingangsriten in der Messe, vor allem der Bußakt, müssen unbedingt neu überdacht werden. So kann er nicht bleiben, so ist er unbefriedigend. Vor allem sollte der Bußakt immer „zum Herrn“ hin erfolgen. Es geht hier nicht um einen Dialog zwischen Priester und Volk, sondern beide richten sich in Reue und Demut zu Gott. Der Friedensgruß sollte nicht mehr vor der Kommunion, sondern nach den Fürbitten ausgetauscht werden, also an der Nahtstelle zwischen Wort- und Opfergottesdienst. Die alten Opferungsgebete sollten die heutigen ersetzen. Man sollte nicht mehr von Gabenbereitung, sondern wieder von Opferung sprechen, denn was hier geschieht, ist eine Vorweihe der Opfergaben von Brot und Wein und ihre Vorbereitung auf die Wandlung. Die Eucharistischen Hochgebete sollten auf die vier offiziellen beschränkt werden, wobei der Römische Kanon die Regel sein soll, so wie es ja auch die Allgemeine Einführung zum Missale Paul VI. bereits vorsieht. Wichtig wäre auch wieder die Kanonstille, zumindest sollten die Wandlungsworte still gesprochen werden.

Aber ich glaube, wenn wir schon das, was rechtlich vorgesehen ist – die lateinische Kultsprache, der Gregorianische Choral und die klassische Polyphonie, die Zelebration „zum Herrn“ und die Mundkommunion – tatsächlich umsetzen könnten, dann hätten wir schon einen wichtigen Schritt zu einer „Reform der Reform“ im Sinne einer Verwirklichung dessen, was bereits geltendes liturgisches Recht ist, getan. Der zweite Schritt wäre dann einige direkte Verbesserungen im Novus Ordo Paul VI. selber. „Reform der Reform“ heißt darum zuerst, das, was bereits vorgesehen ist, durchzusetzen und zweitens das, was im Missale Paul VI. verbesserungsbedürftig ist, im Blick auf das Missale Romanum Pius V., also im Blick auf die Tradition, ändern. Denn Bezugspunkt der „Reform der Reform“ ist nach den Worten Joseph Ratzingers bzw. Benedikt XVI. das Missale Romanum von 1962. Die ordentliche Form des römischen Messritus wird also im Lichte der sogenannten außerordentlichen Form erneuert.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
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Raimund J.
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Raimund J. »

Erstaunlich, daß immer wieder (siehe Dr. Gero Weishaupt) Forderungen nach Rückkehr der Kanonstille laut werden. Papst Benedikt XVI. hat ja, so weit mir bekannt ist, auch früher schon eindeutig für die Kanonstille Stellung bezogen.
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iustus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von iustus »

Niels hat geschrieben:
iustus hat geschrieben: Scheint ein vernünftiger Mann zu sein, auch nach dem, was er sonst so gesagt hat
Gerade entdeckt:
Enoch zu Guttenberg im Interview mit der Zeitschrift CICERO hat geschrieben:Es heißt, Sie seien ein romtreuer Agnostiker, was muss man darunter verstehen?
Ich gehe jeden Sonntag mit meinen Kindern in die Kirche, und wir beten jeden Abend mit ihnen, weil ich finde sie können erst für oder gegen etwas entscheiden, wenn sie es kennen. Ich liebe die alte, tridentinische Kirchenliturgie, und ich liebe das Evangelium. Es gibt keine schönere Religion als das Christentum mit seinem Gesetz der Liebe. Mein zweiter Schwiegervater war radikaler Kommunist, und wir haben darüber viel gestritten. Aber er hat immer gesagt: Wenn ihr die Bergpredigt wirklich leben würdet, ihr Christen, hätte es keinen Marx gebraucht. Und da ist viel dran. Doch mein Gehirn ist absolut atheistisch, ich müsste wirklich lügen, wenn ich sagen würde, ich könnte glauben.

Sie glauben also nicht an die Existenz Gottes?
Nein, die halte ich für völlig ausgeschlossen. Sollte es wirklich einen Gott geben, der liebend in die Welt eingreift und Gebete erhört, wäre der Umkehrschluss doch irre: Hat sich denn bitte die Mutter im Kosovo, die dafür betet, dass wenigstens einer ihrer fünf Söhne lebendig nach Hause kommt, und ertragen muss, dass er trotzdem stirbt, hat die sich denn mit Gott weniger gut gestellt als andere? Nein, ich kann nicht glauben, schon gleich nicht an das Leben nach dem Tod. Ich bin zu klein dafür.
:heul: Ich nehm´s zurück.

iustus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von iustus »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Erstaunlich, daß immer wieder (siehe Dr. Gero Weishaupt) Forderungen nach Rückkehr der Kanonstille laut werden. Papst Benedikt XVI. hat ja, so weit mir bekannt ist, auch früher schon eindeutig für die Kanonstille Stellung bezogen.
Aus "Der Geist der Liturgie" (S. 184 f.):
Zum Verdruss mancher Liturgiker habe ich 1978 einmal gesagt, daß keineswegs der ganze Kanon laut gesprochen werden muss. Ich möchte das nach allem Uberlegen hier noch einmal nachdrücklich wiederholen in der Hoffnung, daß sich nach zwanzig Jahren mehr Verständnis für diese These finden lässt. Inzwischen haben die deutschen Liturgiker bei ihrem Bemühen für eine Reform des Missale selbst ausdrücklich bekundet, daß ausgerechnet der Höhepunkt der Eucharistiefeier, das Hochgebet, zu ihrem eigentlichen Krisenpunkt geworden ist. Man hatte dem seit der Reform zunächst durch die Erfindung fortwährend neuer Hochgebete zu begegnen gesucht und ist damit immer noch weiter ins Banale abgesunken. Die Vermehrung der Wörter hilft nicht, das ist inzwischen allzu offenkundig. ... Es ist gar nicht wahr, daß der vollständige, ununterbrochene laute Vortrag des Hochgebets die Bedingung für die Beteiligung aller an diesem zentralen Akt der Eucharistiefeier sei.... Wer je eine im stillen Kanongebet geeinte Kirche erlebt hat, der hat erfahren, was wirklich gefülltes Schweigen ist, das zugleich ein lautes und eindringliches Rufen zu Gott, ein geisterfülltes Beten darstellte".

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holzi
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von holzi »

Was Gero P. Weishaupt hier vorschlägt, ist ja schön und gut, aber: ob wir das erleben werden? Wir sollten uns nicht zu früh freuen!

Raimund J.
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Raimund J. »

holzi hat geschrieben:Was Gero P. Weishaupt hier vorschlägt, ist ja schön und gut, aber: ob wir das erleben werden? Wir sollten uns nicht zu früh freuen!
Ja, ich fürchte alles, was von den "alt68er Konzilsgeistern" als Rückschritt gedeutet wird, wird massivsten Widerstand auslösen. Der Heilige Vater - Gott möge ihm Gesundheit und ein langes Leben verleihen - kann derzeit nur versuchen den Boden zu bereiten. Ob die Saat aufgeht oder ob die zarten Keimlinge wieder platt gemacht werden, wird die Zukunft zeigen.
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Niels
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Niels »

holzi hat geschrieben:Was Gero P. Weishaupt hier vorschlägt, ist ja schön und gut, aber: ob wir das erleben werden? Wir sollten uns nicht zu früh freuen!
Die Hoffnung stirbt zuletzt...warten wir also ab... :ja:
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martin v. tours
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von martin v. tours »

wir können durchaus hoffnung haben.
auch wenn sich die alt68er truppe mit händen und füssen wehren wird.
ich war heute mal wieder bei der petrusbruderschaft in der kirche -im gegensatz zu "normalen" kirchen,bei denen die generation 60plus überwiegt,ist dort ein überdurchschnittlicher anteil junger kirchgänger festzustellen.

martin v. tours
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
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holzi
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von holzi »

martin v. tours hat geschrieben:wir können durchaus hoffnung haben.
auch wenn sich die alt68er truppe mit händen und füssen wehren wird.
ich war heute mal wieder bei der petrusbruderschaft in der kirche -im gegensatz zu "normalen" kirchen,bei denen die generation 60plus überwiegt,ist dort ein überdurchschnittlicher anteil junger kirchgänger festzustellen.
Das hab ich letzten Mai in Köln auch recht anschaulich festgestellt: am Samstag abend in St. Paul war der Altersdurchschnitt gefühlt um die 90 Jahre, modernistischer Pfarrer (so um die 70), "Kölner Eigenritus" mit allem Pipapo. :/ Am Sonntag dann in Maria Hilf, dort war die Kirche voll und etliche Junge Familien mit Kindern. :klatsch:
Hier in Regensburg sind wir noch nicht so weit. Da ist die alte Messe immer noch mehr sowas wie ein Gehimtip.

Stephen Dedalus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Stephen Dedalus »

martin v. tours hat geschrieben:wir können durchaus hoffnung haben.
auch wenn sich die alt68er truppe mit händen und füssen wehren wird.
ich war heute mal wieder bei der petrusbruderschaft in der kirche -im gegensatz zu "normalen" kirchen,bei denen die generation 60plus überwiegt,ist dort ein überdurchschnittlicher anteil junger kirchgänger festzustellen.

martin v. tours
Und wie ist das Verhältnis "normaler" Gemeinden zu FSSP?

Fünfhundert zu eins?
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martin v. tours
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von martin v. tours »

fünfhundert zu eins ???????
könnte hinkommen. aber frag mich in 10 jahren nochmal. auch wenn sich die besucherzahl bei der fssp nicht erhöhen würde, wäre das verhältniss dann schon vielleicht 100 zu 1 sein.
die katholische kirche (soweit ich das im deutschsprachigen raum sehe) wird es zerbröseln.
wenn die "reform der reform" kommt geht die dt. kirche mir rom und versinkt noch mehr in der bedeutungslosigkeit dieser welt,oder,
spaltet sich mehr oder weniger offen ab und mutiert zu einer art NGO (sozialgreenpeace plus unserem bruder jesus).
diese besucher der fssp die jetzt noch jung sind werden in den ruinen dessen was einmal volkskirche war wichtige wiederaufbauhelfer sein.
martin v. tours
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
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Stephen Dedalus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Stephen Dedalus »

martin v. tours hat geschrieben:fünfhundert zu eins ???????
könnte hinkommen. aber frag mich in 10 jahren nochmal. auch wenn sich die besucherzahl bei der fssp nicht erhöhen würde, wäre das verhältniss dann schon vielleicht 100 zu 1 sein.
Allzu rosig sieht es nicht aus. Die katholische Kirche hat ca. 12.000 Pfarreien in Deutschland, die FSSP hat 23 Meßorte. In Norddeutschland gibt es sie quasi überhaupt nicht. Auch ist bei der FSSP auch kein Anwachsen der Priesterweihen zu verzeichnen. Man hat pro Jahr im Schnitt nur 12 Weihen. Viel ist das nicht.
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Linus
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Linus »

Stephen Dedalus hat geschrieben: Man hat pro Jahr im Schnitt nur 12 Weihen. Viel ist das nicht.
Aber mehr als einzelne Diözesen (und teilweise Kirchenprovinzen gemeinsam) haben
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taddeo
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von taddeo »

Linus hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben: Man hat pro Jahr im Schnitt nur 12 Weihen. Viel ist das nicht.
Aber mehr als einzelne Diözesen (und teilweise Kirchenprovinzen gemeinsam) haben
Das ist soviel wie ganz Ostbayern (Regensburg und Passau) in einem guten Jahr insgesamt hat, bei knapp 2 Millionen Katholiken. Gar nicht schlecht für so ne kleine Gemeinschaft praktisch ohne bischöfliche Unterstützung.

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Niels
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Niels »

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Gamaliel
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Gamaliel »

Niels hat geschrieben:Interessantes Interview: http://www.kathnews.de/content/index.ph ... tellungen/
Das aber nicht über die Schwächen des Kommentars von Hw. Dr. Weishaupt hinwegtäuschen kann.

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taddeo
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von taddeo »

Gamaliel hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:Interessantes Interview: http://www.kathnews.de/content/index.ph ... tellungen/
Das aber nicht über die Schwächen des Kommentars von Hw. Dr. Weishaupt hinwegtäuschen kann.
Jetzt muß ich doch mal was loswerden.

Wenn der liebe Kanonistenkollege Weishaupt mit dem Kirchenrecht genauso schludrig umgeht wie mit seinem Namen, dann sollte man ihn auf jeden Fall mit Vorsicht genießen.

Bei Radio Vatikan liefert er ja die Übersetzungen zu den "Nuntii Latini". Dort übersetzt er seinen eigenen Namen mit "Gero Pius Caputsapiens". Da ist vielleicht der Wunsch Vater des Gedankens, eine namenskundlich seriöse Übersetzung ist das mit Sicherheit nicht. "Weis"haupt kommt etymologisch zu 1% nicht von "weise" (= sapiens), sondern von "weiß", also von jemandem mit weißen Haaren. (In der alten deutschen Orthographie wurde zwischen einfachem "s" und doppeltem "s" praktisch nicht unterschieden.) "Weishaupt" müßte also auf Lateinisch heißen "Caputalbum" oder sowas ähnliches - aber definitiv nicht "Caputsapiens".

Sch*** Hilfslateiner ... :regel: :motz:

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Bernado
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Re: Liturgie: "Reform der Reform" konkret

Beitrag von Bernado »

taddeo hat geschrieben:"Weishaupt" müßte also auf Lateinisch heißen "Caputalbum" oder sowas ähnliches - aber definitiv nicht "Caputsapiens".
Hat es bei den Humanisten nicht öfter solche euphemistischen Latinisierungen gegeben?
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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