Was ist wichtiger: Gehorsam oder dankbare Liebe mit Fehlern

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Julia Wolf
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Was ist wichtiger: Gehorsam oder dankbare Liebe mit Fehlern

Beitrag von Julia Wolf »

Für den Gläubigen gelten Erwartungen von Gottes Seite. Der Gläubige kann sie erfüllen oder nicht.
Das Ausmaß, mit dem man sich der Erfüllung widmet, kann durchaus verschieden sein. Von völliger, gleichgültiger Nachlässigkeit bis zu krankhafter Verbissenheit.
Mir scheint, als wäre früher einzig das Ausmass dieser Erfüllung ein Kriterium für die Gottgefälligkeit des Gläubigen gewesen.

Heute kommt ein anderer Zug öfters mehr ins Blickfeld.

Die eigene Schwachheit erkennen und annehmen und dafür staunende und liebende Dankbarkeit für die verzeihende Liebe Gottes empfinden (wobei mir heute die Gefahr zu bestehen scheint, nur den ersten Teil zu fordern und den zweiten zu vergessen).

Ich könnte jetzt noch vieles dazu sagen, würde aber gerne erst mal Eure Meinung dazu hören, denn meine theologischen Kenntnisse sind nicht sehr groß.

Eines denke ich, gilt es noch zu bedenken:
Die theologisch einwandfreie Position und die von der Masse der Gläubigen gelebte Wirklichkeit war wohl zu allen Zeiten nicht identisch. Hier ist es vielleicht wichtig, wovon man jeweils redet. Ich kenne mehr die gelebte Wirklichkeit als die theologische Position. Interessant finde ich beides.

Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Edith
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Beitrag von Edith »

Ich sehe eigentlich nicht, inwiefern sich das widerspricht.
Gehorsam und die Erkenntnis der eigenen Schwachheit passen ja sehr gut zueinander!

Ist Gehorsam nicht auch eine Folge dieser Erkenntnis? ;)

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Ja, im Grunde schon.

Aber ich habe halt den Eindruck, dass besonders früher (was dann zu viel Kirchenkritik führte und vielleicht ein wichtiger Grund heutiger Ablehnung ist), der Gehorsam an äußerlichen Dingen übertrieben wurde, mit dem unbewußte Hintergrund, sich seine Schwachheit nicht eingestehen zu müssen.
Das hat dann zur Folge, dass ich anfange, meine "Rechte" auf die Ewigkeit und vielleicht auch Gottes Gunst in diesem Leben, einzufordern. Noch kritischer wird es dann, wenn ich gleichzeitig aus dieser Haltung heraus die Bestrafung der nicht so äußerlich Gehorsamen einfordere.

Das ist sicher schon über 1000 mal in der theologischen Diskussion erörtert worden. Aber es bleibt doch immer aktuell. Auch für mich ganz persönlich. Kann nicht behaupten, dass ich nicht manchmal mich zufrieden fühle mit meiner Religiösität (und mich als "gehorsam" einstufe), und andere für etwas auf Abwegen halte. Stellt sich die Frage, wie gehe ich damit um, meinungslos soll ich ja auch wieder nicht sein.

Gehorsam aus Erkenntnis der eigenen Schwachheit ja, Gehorsam um die eigene Schwachheit nicht eingestehen zu müssen, nein.

Scheint ganz einfach, aber praktisch gesehen, find ich das ganz schön schwierig. Und vor allem betrifft es meine gesamte Grundhaltung, bis in die alltäglichsten Dingen hinein, nicht nur z.B. mein Verhalten beim Gottesdienst.

Herzliche Grüße
Julia
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Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben:Ja, im Grunde schon.

Gehorsam aus Erkenntnis der eigenen Schwachheit ja, Gehorsam um die eigene Schwachheit nicht eingestehen zu müssen, nein.
Julia
Ich bemühe mich redlich, Julia,... aber ich verstehe das Problem überhaupt nicht.
"Gehorsam um sich die eigene Schwachheit nicht eingestehen zu müssen" ... was solln das heißen? Was hat denn da das eine mit dem anderen zu tun??? Wie kommst Du darauf? Vielleicht hilft mir ein Beispiel?

Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben: Kann nicht behaupten, dass ich nicht manchmal mich zufrieden fühle mit meiner Religiösität (und mich als "gehorsam" einstufe), und andere für etwas auf Abwegen halte.
Julia
Nun, es gibt ja Spannbreiten....... jeder hat eben seine Schwerpunkte und leicht anderen Nuancen in seiner Spiritualität.
Man muß sich nur drüber klar werden, wo man Grenzen überschreitet.
Und da muß man sich auch gelegentlich mal belesen oder sich korrigieren lassen, von der heiligen Mutter Kirche. Auch wenn mans gerade nicht einsieht.
Gehorsam hat da auch mit Vertrauen zu tun. Denk ich.

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Hallo Edith,

ein schwarz-weiß Beispiel:

z.B. ich bin gehässig, wünsche jemanden Schlechtes und schaff das nicht zu überwinden = Schwachheit.

Ich belüge mich nun selber darüber, erzähle mir, dass diejenige Person es gar nicht anders verdient hat, und fühle mich gerecht, weil ich jeden Sonntag in den Gottesdienst gehe, regelmäßig beichte, dort wo es leicht zu überprüfen ist, die 10 Gebote brav halte, usw.
Mit dem Regeln-Einhalten täusche ich mich dann darüber hinweg, dass ich auf einer anderen Ebene gegen die Nächstenliebe verstoße, begründe es vielleicht sogar noch damit, dass der andere ja so materialistisch ist und das ja gar nicht anders sein kann, und Gott ihn auch zu strafen hätte.

Dabei übersehe ich, dass ich vielleicht den Balken im Auge habe, vergesse, dass ich genauso schwach bin, genauso wenig Anrecht auf Gottes Gnade habe und genauso dankbar sein müßte, wie jeder andere Mensch.

Weiß nicht, ob das jetzt verständlicher ist.

Ich kämpfe oft mit dieser Falle, die sich oft auch subtiler zeigen kann. Ich denke, ich mache vieles besser - aber tue ich das?

Naja, ist vielleicht irgendwie kompliziert. Denn selbst Bescheidenheit und Demut können ja besonders raffinierte Formen des Hochmuts sein. Vielleicht kann man im Grunde gar nicht darüber reden.

Herzliche Grüße
Julia
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Marlene
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Beitrag von Marlene »

Julia Wolf hat geschrieben: Gehorsam aus Erkenntnis der eigenen Schwachheit ja, Gehorsam um die eigene Schwachheit nicht eingestehen zu müssen, nein.
Hallo Julia,
kannst du mal bitte ein konkretes Beispiel geben, ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst ... d.h. eine vage Ahnung habe ich vielleicht: Meinst du den formalen Gehorsam, also dass man meinetwegen seine "Sonntagspflicht" erfüllt, und dann denkt, damit sei man schon ein guter Christ.? Also Erfüllung von Formalia, um sich vor Inhalten, sprich der Auseinandersetzung mit eigenen Schwächen zu drücken?

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Ja, das meine ich. Und dass man dann darüber hinwegsehen kann, dass man auf anderen Ebenen zu schwach ist, Gehorsam zu sein.

Wer kann denn von uns wirklich das Gebot der Nächstenliebe gottgewollt erfüllen? Ich glaube, das sind ganz wenige, oder gar niemand.

Sind wir ernsthaft bereit, unsere Schwachheit hier zu erforschen, anzunehmen und Gott anzuvertrauen? Oder machen wir uns leicht vor, dass wir doch Gehorsam sind, in den Punkten, die man äußerlich leicht erkennen kann?

Wenn ich aber mir eingestehe, dass ich schwach bin, dass ich den Anforderungen nicht gerecht werden kann, auch wenn ich mich bemühe, dann kann eine große Liebe zu Gott wachsen, der mich auch trotzdem annimmt.
Aber wenn ich meine Schwachheit hinter äußerem Gehorsam verstecke, dann wächst diese Liebe nicht.

Hoffe, dass es ein bißchen verständlich ist. Vielleicht ist es auch einfach zu banal und ihr erwartet was furchtbar Tiefgründiges.

Vielleicht sollte ich etwas noch aus meinem Leben sagen. Ich habe früher Gläubige innerlich verachtet. Trotzdem bin ich vom Herrn zum Glauben geführt worden, ohne Verdienste meinerseits. Daher liebe ich ihn um so mehr. Die Erfahrung, dass er mich trotz meine Sturheit und Ablehnung annimmt und holt, ist eine sehr tiefgreifende Erfahrung für mich gewesen.

Herzliche Grüße
Julia
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T. Boesche-Zacharow

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Ich merke gerade, dass das, was ich ausdrücken will, sehr schwer zu erklären ist.
Da ich theologisch nicht so geschult bin, glaube ich nicht, dass ich das hier hinreichend ausdrücken kann. Daher schließe ich von meiner Seite her lieber diese Diskussion, die sonst vielleicht ausarten könnte und vom Hundertsten ins Tausendste gehen könnte, ohne dass man hinterher weiter ist.
Vielleicht kann man gar nicht theoretisch sich darüber unterhalten, sondern es nur leben.

Herzliche Grüße
Julia
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T. Boesche-Zacharow

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Julia Wolf hat geschrieben:Daher schließe ich von meiner Seite her lieber diese Diskussion, die sonst vielleicht ausarten könnte
Schade! Hab sie gerade erst bemerkt und finde sie interessant!
Julia Wolf hat geschrieben:Vielleicht kann man gar nicht theoretisch sich darüber unterhalten, sondern es nur leben.
Mag sein, aber da man beim Leben durchaus in der einen oder anderen Richtung vom Weg abkommen kann, find ich Austausch wichtig (auch und gerade als Korrektiv für eigene Einseitigkeiten). Das von dir angesprochene Problem finde ich übrigens sehr treffend behandelt in dem Buch von Henri Nouwen: "Nimm sein Bild in dein Herz". Er geht dabei von dem Rembrandt-Bild von der Heimkehr des verlorenen Sohnes aus. Das von dir beschriebene Problem wird ja exemplarisch deutlich in den Figuren der beiden Söhne. - Lohnt sich zu lesen, auch wenn die deutsche Ausgabe wegen der recht aufwendigen (pardon: aufwändigen!) Gestaltung nicht ganz billig ist.

LG
Biggi

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Hallo Biggi,

die Diskussion kann ja trotzdem weitergehen. Nur mir fehlen im Moment die geeigneten Worte und Beispiele. Aber das heißt nicht, dass nicht andere dazu was schreiben könnten.

Danke für den Buchtip. Im Moment schaff ich es nicht mit dem Bücherlesen. Kurz öfter mal ins Internet schauen, was schnell schreiben, geht recht gut zur Zeit, aber lange in Ruhe an einem Buch sitzen nicht so gut. Aber vielleicht ist es etwas für den Urlaub.

Herzliche Grüße
Julia
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T. Boesche-Zacharow

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