Selbstverständnis der Theologie / Priesterausbildung

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Juergen
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Selbstverständnis der Theologie / Priesterausbildung

Beitrag von Juergen »

Zitate aus dem Thread "Kindheitsgeschichten"
cathol01 hat geschrieben:
Die exegetische Praxis der Gegenwart mißachtet leider zumeist die klare Interpretation des Lehramts.
Was auch gut ist, denn die Theologie sollte nich blosses Sprachrohr des Lehramtes sein. Das ist eine Reduktion, eine unzureichende Auffassung von Theologie. Das gilt insbesondere für die Exegese, die zunächst einmal "unvoreingenommen" an die Texte herangehen sollte, statt sich an der Interpretation der Kirche zu orientieren, die die Bibel lange Zeit nicht ernst genommen hat (sie wurde oft zum blossen Zitatenreservoir degradiert, als dass der Text wirklich ernst genommen wurde; und auch auf der lokalen Ebene galt auch eher das das, was der Pfarrer sagte als das, was in der Bibel stand).
Rahmenordnung für die Priesterbildung (Fassung: 2003):
15. Die wissenschaftliche Theologie soll den Priester befähigen, vom Glauben, den er verkündet, Rechenschaft zu geben. Er muss die Entwicklungen und Ergebnisse der Theologie in Vergangenheit und Gegenwart kennen, verstehen und werten lernen. Die theologische Reflexion soll ihn dazu führen, unter den vielen theologischen Aussagen die alles tragende Mitte zu finden, um so vom Nebeneinander vieler Erkenntnisse zur einen Wahrheit des Evangeliums vorzudringen. Dadurch gewinnt er die Fähigkeit, die einzelnen Glaubensaussagen in das Ganze einzuordnen und sich nicht im Detail zu verlieren. Theologische Erkenntnis und Spiritualität dürfen nicht unverbunden nebeneinander stehen. Vielmehr muss die wissenschaftliche Theologie geistliche Erfahrung und geistliches Leben eröffnen und integrieren helfen. Umgekehrt müssen geistliche Erfahrung und geistliches Leben theologisch verankert werden.
Theologische Bildung befähigt schließlich, Strömungen und Erkenntnisse heutigen Denkens in ihrer Bedeutung für den Glauben zu sehen und andererseits die Erfahrungen und Probleme der heutigen Menschen aus dem Evangelium sachgerecht zu erhellen. Die im Studium erworbene theologische Urteilsfähigkeit ist Voraussetzung für ein verantwortliches Mitwirken in Kirche und Gesellschaft.
Man könnte fragen, wie "wissenschaftliche Theologie" und Priesterausbildung zusammenhängen. Ist die "Theologie für Seminaristen" etwas eigenständiges und auf der anderen Seite steht eine rein dem wissenschaftlichen Fortschritt verpflichtete "Theologie der Universitäten"?

Meines Erachtens ist so ein Ansatz unsinn. Theologie ist keine Wissenschaft, wie andere Wissenschaften, in der es allein um weitere "Erkenntnis" geht, sondern eine Wissenschaft, die immer in Einklang mit dem Glaubensleben stehen muß, die einen "Sitz im Leben" haben muß.
Hat sie dies nicht, so ist sie keine Theologie mehr, sondern wird zur Philologie (bei der Exegese); Erkenntnistheorie (bei der Gotteslehre) etc. etc.
Sie hat dann keinen Sitz mehr im Leben, sondern nur noch einem Platz im Elfenbeinturm.
Gruß Jürgen

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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Wissenschaft hat an sich nichts mit Wahrheit zu tun, denn jede Erkenntnis der Wissenschaft gilt nur solange, bis sie widerlegt wird.

Ein Priester aber sollte die Wahrheit verkünden und nicht irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse. Er ist damit dem Lehramt der Kirche verpflichtet.

Ich finde auch nicht, dass ein Priester Exegese betreiben sollte. Er sollte vielmehr mit Hilfe der Bibel den heutigen Menschen den Glauben erklären, so wie das Lehramt es vorsieht. Dass ein Priester sein eigenes Unverständnis der Wahrheit und Unvermögen an einige Glaubenswahrheiten zu glauben, als Maßstab seines Handelns macht, ist nicht einzusehen.
Zuletzt geändert von Dr. Dirk am Dienstag 30. Dezember 2003, 11:23, insgesamt 1-mal geändert.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Einige grundsätzlichen Überlegungen zur Theologie meinerseits:

DIE Theologie gibt es, glaube ich, nicht. Auch das kirchliche Lehramt vertritt eine bestimmte Theologie (manche sagen: manchmal eine schlechte Theologie). An den theologischen Fakultäten wird eine teilweise andere Theologie gelehrt.

Was ist also Theologie, und was ist ihre Rolle in der Kirche?

Drei Konzeptionen der Theologie sind m.E. unzureichend:

1. Theologie als verlängerter Arm des kirchlichen Lehramtes, als Sprachrohr Roms. In diesem Falle würde sie eine rein ideologische Funktion ausüben.

2. Theologie als Thematisierung der Erlebnisse einer bestimmten Gruppierung/Bewegung. Diese Theologie wäre auch ideologisch und zudem provinzialistisch.

3. Theologie als die Wissenschaft, die die ewig gültige Lehre in eine angepasstere Sprache übersetzt. Nein! Es geht um mehr als um ein Übersetzungsproblem! Es kann nicht nur darum gehen, die guten alten traditionellen Lösungen in eine neue Sprache zu fassen. Es stellen sich ganz neue Probleme, die beantwortet werden müssen!

Es ist am sinnvollsten, die Theologie zu verstehen als eine Mittlerin zwischen Vergangenheit und Zukunft sowie zwischen Lehramt und Gottesvolk, und dies in zwei Richtungen:
Einerseits bemühen sich die Theologen um einen reflektierten Ausdruck des Glaubenslebens der christlichen Gemeinschaft.
Andererseits bemühen sich die Theologen, die offizielle Lehre der Kirche zu erklären und zu interpretieren, so dass es in den Herzen und in der Vernunft der Gläubigen angenommen werden kann.

Ich sehe die Theologie als eine zugleich schöpferische und treue Reinterpretierung der christlichen Botschaft. Dafür braucht der Theologe einen gewissen Freiheitsraum, damit er dieser schwierigen Mittlerfunktion nachkommen kann. Der Theologe fühlt sich persönlich verantwortlich für die Zukunft des Glaubens vor der kritischen Instanz der menschlichen Vernunft. Und er weiß, dass er nicht nur die progressiven Häresien, sondern auch - und vielleicht insbesondere - die konservativen Häresien kritisieren muss.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

cathol01 hat geschrieben:Einerseits bemühen sich die Theologen um einen reflektierten Ausdruck des Glaubenslebens der christlichen Gemeinschaft.
Ja.
Andererseits bemühen sich die Theologen, die offizielle Lehre der Kirche zu erklären und zu interpretieren, so dass es in den Herzen und in der Vernunft der Gläubigen angenommen werden kann.
Die offizielle Lehre zu erklären mag Aufgabe der Theologie sein; die offizielle Lehre zu interpretieren jedoch nicht.
Der Theologe fühlt sich persönlich verantwortlich für die Zukunft des Glaubens vor der kritischen Instanz der menschlichen Vernunft.
Für die Zukunft des Glaubens ist zuerst der Hl. Geist zuständig; zudem auch das Lehramt der Kirche, daß die geoffenbarte Wahrheit treu bewahrt und auslegt.
Gruß Jürgen

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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

cathol01 hat geschrieben:Ich sehe die Theologie als eine zugleich schöpferische und treue Reinterpretierung der christlichen Botschaft. Dafür braucht der Theologe einen gewissen Freiheitsraum, damit er dieser schwierigen Mittlerfunktion nachkommen kann. Der Theologe fühlt sich persönlich verantwortlich für die Zukunft des Glaubens vor der kritischen Instanz der menschlichen Vernunft. Und er weiß, dass er nicht nur die progressiven Häresien, sondern auch - und vielleicht insbesondere - die konservativen Häresien kritisieren muss.
Ich stimme da zu, zumindest unter einer Bedingung: Der Theologe, der diesen Anspruch hat, sollte am Tag mehr Zeit für das Gebet verwenden, als sich mit seiner Wissenschaft beschäftigen. Eigentlich sollte der Theologe seine Wissenschaft vollständig als betrachtendes Gebet durchführen, also immer in der Gegenwart Gottes und im Rahmen der Tradition der Kirche. Nur dann kann es zu wirklich nützlichen Erkenntnissen kommen.

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