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Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Donnerstag 18. Mai 2017, 17:28
von 139:11-12
Was ist, wenn jemand in Übereinstimmung mit seinem Gewissen im Widerspruch zur Morallehre der Kirche lebt/handelt?
Erstens: Ist das moralisch richtig, aus Perspektive der Kirche? Ist man im Zweifelsfall der Morallehre der Kirche auch dann verpflichtet, wenn das eigene Gewissen etwas, wovon die Kirche lehrt, es sei falsch, auch nach reichlicher Überlegung noch nicht verurteilt?
Zweitens: Die betroffene Person kann diese Handlungen ja nicht beichten, weil sie sie gar nicht als Sünde ansieht und folglich auch nicht bereuen kann. Darf sie trotzdem das Bußsakrament empfangen? (Da ja trotzdem noch genug Sünden übrig bleiben können, die diese Person als Sünden erkennt und bereut)
Und darf sie die hl. Kommunion empfangen, obwohl sie etwas tut, was die Kirche als Sünde betrachtet, ohne es zu bereuen und ohne es vor Empfang der hl. Kommunion gebeichtet zu haben?

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Freitag 19. Mai 2017, 06:11
von Sempre
139:11-12 hat geschrieben:
Donnerstag 18. Mai 2017, 17:28
Was ist, wenn jemand in Übereinstimmung mit seinem Gewissen im Widerspruch zur Morallehre der Kirche lebt/handelt?
Erstens: Ist das moralisch richtig, aus Perspektive der Kirche? Ist man im Zweifelsfall der Morallehre der Kirche auch dann verpflichtet, wenn das eigene Gewissen etwas, wovon die Kirche lehrt, es sei falsch, auch nach reichlicher Überlegung noch nicht verurteilt?
Man ist verpflichtet, sein Gewissen an der Lehre der Kirche zu schulen und dann danach zu handeln. Käme jemand zu der falschen Überzeugung, dass die Kirche nicht Befolgbares lehrt, und beginge er dann entsprechende Todsünden, so wanderte er in die Hölle. Man ist zwar letztlich verpflichtet, nach seinem Gewissen zu handeln, auch wenn es objektiv irrt. Gott ist aber nicht verpflichtet, jemanden in den Himmel aufzunehmen, nur weil dieser jemand nach seinem Gewissen gehandelt hat. Gott garantiert andererseits den Weg in den Himmel allen, die nach der Lehre der Kirche handeln.

139:11-12 hat geschrieben:
Donnerstag 18. Mai 2017, 17:28
Zweitens: Die betroffene Person kann diese Handlungen ja nicht beichten, weil sie sie gar nicht als Sünde ansieht und folglich auch nicht bereuen kann. Darf sie trotzdem das Bußsakrament empfangen? (Da ja trotzdem noch genug Sünden übrig bleiben können, die diese Person als Sünden erkennt und bereut)
Jede Todsünde muss gebeichtet werden, sonst wäre die Beichte nicht gültig. Trotzdem zur Beichte zu gehen wäre eine weitere Sünde.

139:11-12 hat geschrieben:
Donnerstag 18. Mai 2017, 17:28
Und darf sie die hl. Kommunion empfangen, obwohl sie etwas tut, was die Kirche als Sünde betrachtet, ohne es zu bereuen und ohne es vor Empfang der hl. Kommunion gebeichtet zu haben?
Wenn es sich um eine Todsünde handelt, also etwa um einen bewussten Verstoß gegen eines der zehn Gebote, ist der Kommunionempfang ohne gültige Beichte eine weitere Sünde (und kein Segen).

Je nachdem ist auch die Frage zu stellen, ob die betreffende Person nicht bereits vom Glauben abgefallen sowie ggf. auch bereits ipso facto exkommuniziert ist.

Meint man allerdings mit Kirche all jene, die sich an Konzil und Franz halten, dann lautet die Antwort auf Deine Fragen: Nimm das nicht so wichtig. Du klingst ja wie ein rigider Traddie.

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Freitag 19. Mai 2017, 18:27
von 139:11-12
Käme jemand zu der falschen Überzeugung, dass die Kirche nicht Befolgbares lehrt, und beginge er dann entsprechende Todsünden, so wanderte er in die Hölle.
Es ging mir nicht um die Frage, ob man das, was die Kirche lehrt, für befolgbar hält. Die ganze Botschaft Jesu ist aus menschlicher Sicht nicht befolgbar, das ist kein Argument dagegen. Und das ist ja auch der Grund, warum es z.B. die Beichte gibt. Weil Scheitern vorprogrammiert ist, das aber die Berechtigung der ethischen Ansprüche nicht aufhebt.
Aber es kann ja sein, dass jemand zu dem Ergebnis kommt, dass das, was die Kirche in einem bestimmten Punkt lehrt nicht verbindlich ist oder auf eine bzw. seine konkrete Situation nicht angewendet werden muss.
Man ist zwar letztlich verpflichtet, nach seinem Gewissen zu handeln, auch wenn es objektiv irrt. Gott ist aber nicht verpflichtet, jemanden in den Himmel aufzunehmen, nur weil dieser jemand nach seinem Gewissen gehandelt hat. Gott garantiert andererseits den Weg in den Himmel allen, die nach der Lehre der Kirche handeln
Natürlich ist Gott zu nichts verpflichtet und niemand hat ein Anrecht auf den Himmel. Aber warum ist man seinem Gewissen verpflichtet, auch wenn es objektiv irrt, wenn man dann trotzdem dafür in die Hölle kommt?
Jede Todsünde muss gebeichtet werden, sonst wäre die Beichte nicht gültig. Trotzdem zur Beichte zu gehen wäre eine weitere Sünde.Wenn es sich um eine Todsünde handelt, also etwa um einen bewussten Verstoß gegen eines der zehn Gebote, ist der Kommunionempfang ohne gültige Beichte eine weitere Sünde (und kein Segen).
Ist aber jeder Verstoß gegen die zehn Gebote auch bewusst? Wenn jemand im Widerspruch zur Lehre der Kirche handelt, weil ihm nicht ersichtlich ist, wie diese mit den zehn Geboten begründet ist, ist er sich dann dessen bewusst, gegen die zehn Gebote zu verstoßen. Und wenn Nein: Darf er dann also doch zur Beichte? Und die hl. Kommunion empfangen?
Je nachdem ist auch die Frage zu stellen, ob die betreffende Person nicht bereits vom Glauben abgefallen sowie ggf. auch bereits ipso facto exkommuniziert ist.
Wann ist das der Fall? Habe ich das richtig in Erinnerung, dass dem so ist, wenn jemand ein Dogma leugnet. Und wenn ja, gibt es Dogmen im Bereich der Morallehre?
Meint man allerdings mit Kirche all jene, die sich an Konzil und Franz halten, dann lautet die Antwort auf Deine Fragen: Nimm das nicht so wichtig. Du klingst ja wie ein rigider Traddie.
Ich meinte weder das Konzil noch Franziskus und bin auch kein Anhänger des Sedisvakantismus (das heißt doch so, oder?)
Mir geht es primär um die Situation im Allgemeinen, nicht nur bezogen auf eine konkrete Abweichung.
Ob ich ein "rigider Traddie" bin, weiß ich nicht, aktuell bin ich vor allem verwirrt, vermutlich auch meiner Jugend und meinem mangelnden Glaubenswissen geschuldet, weswegen ich eben diese Fragen stelle.

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. Mai 2017, 05:04
von Sempre
139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Käme jemand zu der falschen Überzeugung, dass die Kirche nicht Befolgbares lehrt, und beginge er dann entsprechende Todsünden, so wanderte er in die Hölle.
Es ging mir nicht um die Frage, ob man das, was die Kirche lehrt, für befolgbar hält. Die ganze Botschaft Jesu ist aus menschlicher Sicht nicht befolgbar, das ist kein Argument dagegen.
Die Kirche lehrt bloß, was offenbart ist. Du konstruierst einen Unterschied zwischen der Botschaft Jesu und der Lehre der Kirche, den es nicht gibt.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Und das ist ja auch der Grund, warum es z.B. die Beichte gibt. Weil Scheitern vorprogrammiert ist, das aber die Berechtigung der ethischen Ansprüche nicht aufhebt.
Die Beichte ist ein vom Herrn selbst instituiertes Sakrament. Man kann die Sakramente nicht wirklich von der "Botschaft Jesu" trennen.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Aber es kann ja sein, dass jemand zu dem Ergebnis kommt, dass das, was die Kirche in einem bestimmten Punkt lehrt nicht verbindlich ist oder auf eine bzw. seine konkrete Situation nicht angewendet werden muss.
Ist sein Schluß korrekt, dann handelt er nicht gegen die Lehre der Kirche. Ansonsten schon. Im letzteren Fall sieht es schlecht für ihn aus.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Man ist zwar letztlich verpflichtet, nach seinem Gewissen zu handeln, auch wenn es objektiv irrt. Gott ist aber nicht verpflichtet, jemanden in den Himmel aufzunehmen, nur weil dieser jemand nach seinem Gewissen gehandelt hat. Gott garantiert andererseits den Weg in den Himmel allen, die nach der Lehre der Kirche handeln
Natürlich ist Gott zu nichts verpflichtet und niemand hat ein Anrecht auf den Himmel. Aber warum ist man seinem Gewissen verpflichtet, auch wenn es objektiv irrt, wenn man dann trotzdem dafür in die Hölle kommt?
Das Grundprinzip des Naturrechts lautet: Das Gute ist zu tun und das Böse zu unterlassen. Das Gewissen ist letzlich die Instanz, die uns anzeigt, ob etwas böse ist oder nicht. Wir haben keine weitere Instanz, die uns etwa anzeigen könnte, dass unser Gewissen irrt. Gibt uns jemand anderes einen Rat, können wir wiederum nur mit unserem Gewissen entscheiden, ob der Rat gut ist. Es wäre widernatürlich, würden wir unserem Gewissen nicht folgen. Dem Gewissen nicht folgen wäre wie dem Augenlicht nicht folgen. Ich sehe einen unschuldigen Menschen vor mir, traue aber meinen Augen nicht und drücke den Abzug des Revolvers. Das wäre pervers.

Dennoch ist unser Gewissen durch die Erbsünde getrübt. Wir können uns daher einerseits nicht wirklich darauf verlassen, müssen es aber andererseits dennoch tun, in Ermangelung an Alternativen. Das beste, was wir tun können, ist beten und studieren, was die Kirche lehrt. Wer das fleißig tut und danach handelt, der darf die Hoffnung pflegen, nicht verworfen zu werden.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Jede Todsünde muss gebeichtet werden, sonst wäre die Beichte nicht gültig. Trotzdem zur Beichte zu gehen wäre eine weitere Sünde.Wenn es sich um eine Todsünde handelt, also etwa um einen bewussten Verstoß gegen eines der zehn Gebote, ist der Kommunionempfang ohne gültige Beichte eine weitere Sünde (und kein Segen).
Ist aber jeder Verstoß gegen die zehn Gebote auch bewusst?
Du hattest von jemandem geredet, der "in Übereinstimmung mit seinem Gewissen im Widerspruch zur Morallehre der Kirche lebt/handelt". Ich war davon ausgegangen, dass derjenige weiß, dass er "im Widerspruch zur Morallehre der Kirche lebt/handelt". Ansonsten besteht eine Informationspflicht. Praktisch jeder kann etwa den Katechismus Romanus lesen und verstehen.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Wenn jemand im Widerspruch zur Lehre der Kirche handelt, weil ihm nicht ersichtlich ist, wie diese mit den zehn Geboten begründet ist, ist er sich dann dessen bewusst, gegen die zehn Gebote zu verstoßen. Und wenn Nein: Darf er dann also doch zur Beichte? Und die hl. Kommunion empfangen?
Er hat Informationspflicht.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Je nachdem ist auch die Frage zu stellen, ob die betreffende Person nicht bereits vom Glauben abgefallen sowie ggf. auch bereits ipso facto exkommuniziert ist.
Wann ist das der Fall? Habe ich das richtig in Erinnerung, dass dem so ist, wenn jemand ein Dogma leugnet. Und wenn ja, gibt es Dogmen im Bereich der Morallehre?
Ja selbstverständlich. So ist etwa das ordentliche Lehramt der Kirche unfehlbar. Beispiel: Die Kirche hat immer und überall gelehrt, dass die Sünden Sodoms Sünden sind. Wer leugnet, dass die Sünden Sodoms Sünden sind, ist ipso facto exkommuniziert.

139:11-12 hat geschrieben:
Freitag 19. Mai 2017, 18:27
Meint man allerdings mit Kirche all jene, die sich an Konzil und Franz halten, dann lautet die Antwort auf Deine Fragen: Nimm das nicht so wichtig. Du klingst ja wie ein rigider Traddie.
Ich meinte weder das Konzil noch Franziskus und bin auch kein Anhänger des Sedisvakantismus (das heißt doch so, oder?)
Mir geht es primär um die Situation im Allgemeinen, nicht nur bezogen auf eine konkrete Abweichung.
Ob ich ein "rigider Traddie" bin, weiß ich nicht, aktuell bin ich vor allem verwirrt, vermutlich auch meiner Jugend und meinem mangelnden Glaubenswissen geschuldet, weswegen ich eben diese Fragen stelle.
Das Prädikat "rigide" zitiere ich aus Franzens Reden. Franz macht sich damit über Katholiken lustig, die glauben, was Katholiken immer geglaubt haben. Er macht sich über Katholiken lustig, die glauben, dass es gut und richtig ist, auch im 20. und 21. Jahrhundert sowie in allen Jahrhunderten, die noch kommen oder nicht mehr kommen, an dem festzuhalten, was die Altvorderen aus den vorangegangenen Jahrhunderten geglaubt haben. Über die, die nicht den Spinnereien der modernen Pseudokirche folgen wollen, die bloß auf komischen Krücken der Welt des Antichristen humpelnd hinterherhinkt.

Wenn Du "aktuell vor allem verwirrt bist", ist das ein gutes Zeichen in diesen Zeiten, in denen die Menschen nicht mehr Gott sondern den Menschen anbeten.

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Sonntag 28. Mai 2017, 13:44
von 139:11-12
Die Kirche lehrt bloß, was offenbart ist. Du konstruierst einen Unterschied zwischen der Botschaft Jesu und der Lehre der Kirche, den es nicht gibt.
[...]
Ist sein Schluß (dass etwas, was die Kirche lehrt, in einer bestimmten Situation nicht zutrifft/verbindlich ist) korrekt, dann handelt er nicht gegen die Lehre der Kirche. Ansonsten schon. Im letzteren Fall sieht es schlecht für ihn aus.
Der Unterschied, den ich meine, ist der zwischen der Offenbarung, die mit Jesus Christus abgeschlossen ist und dem Lehramt, das also nicht Offenbarung sondern nur Auslegung sein kann. Die Kirche hat sich durchaus lehramtlich zu Fragen geäußert, zu denen Jesus damals nichts gesagt hat, weil das damals noch gar nicht gab (z.B. Abtreibung, Verhütung, ...)
Hier muss ich also das Vertrauen darauf haben, dass sie, durch den Heiligen Geist geführt, der Botschaft Jesu gemäß lehrt. Aber das ist nicht für jeden, der die Bibel liest automatisch als Botschaft Jesu erkennbar.
Das hatte ich gemeint.

Und daraus resultiert dann das Problem der Unterscheidung. Du hast in einem anderen Thread geschrieben, dass man auch als "einfacher Laie" dazu verpflichtet ist, zu überprüfen, ob das Lehramt der Kirche mit der Botschaft Jesu (noch) übereinstimmt. Da ist es ja automatisch auch möglich, dass man sich ohne böse Absicht und trotz ehrlichen Versuchen, die Wahrheit zu finden, irrt. Ist denn Irrtum Sünde? (Vorausgesetzt natürlich, man hat sich wirklich intensiv mit einem Thema auseinandergesetzt und nicht mal so eben aus dem Bauch heraus entschieden, dass die Kirche da halt im Unrecht ist)

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Dienstag 30. Mai 2017, 07:18
von Sempre
139:11-12 hat geschrieben:
Sonntag 28. Mai 2017, 13:44
Der Unterschied, den ich meine, ist der zwischen der Offenbarung, die mit Jesus Christus abgeschlossen ist und dem Lehramt, das also nicht Offenbarung sondern nur Auslegung sein kann. Die Kirche hat sich durchaus lehramtlich zu Fragen geäußert, zu denen Jesus damals nichts gesagt hat, weil das damals noch gar nicht gab (z.B. Abtreibung, Verhütung, ...)
Hier muss ich also das Vertrauen darauf haben, dass sie, durch den Heiligen Geist geführt, der Botschaft Jesu gemäß lehrt. Aber das ist nicht für jeden, der die Bibel liest automatisch als Botschaft Jesu erkennbar.
Das hatte ich gemeint.
Ja, wenn jemand bloß die Schrift liest, muss er erstmal Geschichte u.v.a.m. studieren, um herauszufinden, wer und wo denn jetzt die Kirche und die Apostel sind, von denen dort die Rede ist. Es gibt heute mehr als 50.000 Sekten, die sich Kirche nennen.

139:11-12 hat geschrieben:
Sonntag 28. Mai 2017, 13:44
Und daraus resultiert dann das Problem der Unterscheidung. Du hast in einem anderen Thread geschrieben, dass man auch als "einfacher Laie" dazu verpflichtet ist, zu überprüfen, ob das Lehramt der Kirche mit der Botschaft Jesu (noch) übereinstimmt. Da ist es ja automatisch auch möglich, dass man sich ohne böse Absicht und trotz ehrlichen Versuchen, die Wahrheit zu finden, irrt. Ist denn Irrtum Sünde? (Vorausgesetzt natürlich, man hat sich wirklich intensiv mit einem Thema auseinandergesetzt und nicht mal so eben aus dem Bauch heraus entschieden, dass die Kirche da halt im Unrecht ist)
Ich habe von Widersprüchen gesprochen, die sich ergeben, wenn man das, was die Bildzeitung heute Katholische Kirche nennt, als solche akzeptiert. Da steht dann Lehramt von heute gegen Lehramt von gestern, als müsse sich das Lehramt von heute nicht an unfehlbare Lehre des Lehramts von gestern halten.

Dabei geht es nicht um (eigene) Interpretation der Schrift, sondern um einen Vergleich heutiger Lehre mit älterer definierter Lehre, wobei beide Lehren bereits Interpretation sind und beanspruchen, autorisierte Interpretation zu sein. Von der Kirche vorgelegte Auslegung bedarf keiner weiteren Interpretation mehr, sonst wäre das Lehramt schlicht sinnlos und überflüssig.

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Freitag 19. März 2021, 12:22
von Bruder Donald
Erzbischof versetzt Priester, der Pro-Abtreibungs-Politikerin Kommunion verweigert hat
Robert Whitney, ein katholischer Priester der Erzdiözese Anchorage-Juneau (US-Bundesstaat Alaska), hat der liberalen Senatorin Lisa Murkowski die Kommunion verweigert und ist deshalb von seinem Erzbischof in eine andere Pfarre versetzt worden.
Abgesehen davon, dass der Priester ja kirchenrechtlich völlig konform gehandelt hat, welche Rolle spielt bei der Kommunionsspendung eigentlich das Gewissen des Priesters?
Man hört ja immer nur "wir verweigern niemanden die Kommunion, der nach seinem Gewissen diese empfangen möchte". Ich höre aber nichts davon, dass das Gewissen eines Priesters zu einem anderen Ergebnis kommen kann.
Warum gilt das Gewissen des Empfängers mehr als jenes des Spenders? Wurde das je thematisiert?

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Freitag 19. März 2021, 12:39
von Protasius
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 19. März 2021, 12:22
Erzbischof versetzt Priester, der Pro-Abtreibungs-Politikerin Kommunion verweigert hat
Robert Whitney, ein katholischer Priester der Erzdiözese Anchorage-Juneau (US-Bundesstaat Alaska), hat der liberalen Senatorin Lisa Murkowski die Kommunion verweigert und ist deshalb von seinem Erzbischof in eine andere Pfarre versetzt worden.
Abgesehen davon, dass der Priester ja kirchenrechtlich völlig konform gehandelt hat, welche Rolle spielt bei der Kommunionsspendung eigentlich das Gewissen des Priesters?
Man hört ja immer nur "wir verweigern niemanden die Kommunion, der nach seinem Gewissen diese empfangen möchte". Ich höre aber nichts davon, dass das Gewissen eines Priesters zu einem anderen Ergebnis kommen kann.
Warum gilt das Gewissen des Empfängers mehr als jenes des Spenders? Wurde das je thematisiert?
Meines Wissens gilt dazu folgendes: Wenn ein Priester bspw. aus dem Beichtstuhl weiß, daß jemand ein unbußfertiger Sünder ist und er ihm die Lossprechung verweigert hat, darf er ihm die Kommunionspendung nicht verweigern, solange es geheime Sünden sind; wenn es öffentlich bekannte Sünden sind, darf er das schon. Zumindest im ersten Fall ist das Gewissen des Spenders dabei mW unerheblich.

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Freitag 19. März 2021, 12:48
von Lycobates
Protasius hat geschrieben:
Freitag 19. März 2021, 12:39
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 19. März 2021, 12:22
Erzbischof versetzt Priester, der Pro-Abtreibungs-Politikerin Kommunion verweigert hat
Robert Whitney, ein katholischer Priester der Erzdiözese Anchorage-Juneau (US-Bundesstaat Alaska), hat der liberalen Senatorin Lisa Murkowski die Kommunion verweigert und ist deshalb von seinem Erzbischof in eine andere Pfarre versetzt worden.
Abgesehen davon, dass der Priester ja kirchenrechtlich völlig konform gehandelt hat, welche Rolle spielt bei der Kommunionsspendung eigentlich das Gewissen des Priesters?
Man hört ja immer nur "wir verweigern niemanden die Kommunion, der nach seinem Gewissen diese empfangen möchte". Ich höre aber nichts davon, dass das Gewissen eines Priesters zu einem anderen Ergebnis kommen kann.
Warum gilt das Gewissen des Empfängers mehr als jenes des Spenders? Wurde das je thematisiert?
Meines Wissens gilt dazu folgendes: Wenn ein Priester bspw. aus dem Beichtstuhl weiß, daß jemand ein unbußfertiger Sünder ist und er ihm die Lossprechung verweigert hat, darf er ihm die Kommunionspendung nicht verweigern, solange es geheime Sünden sind; wenn es öffentlich bekannte Sünden sind, darf er das schon. [...]
muß er sogar.

Ein bewährter Priester sagte mir einmal, Gott würde von ihm (und allen Priestern) Rechenschaft fordern über jede Kommunion, die er gespendet habe.
(Jedenfalls, sofern die Disposition eines jeden Kommunikanten ihm bekannt ist, bzw. sein soll, oder zumindest mit moralischer Gewißheit erkannt werden kann.)

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Freitag 19. März 2021, 13:12
von Bruder Donald
Protasius hat geschrieben:
Freitag 19. März 2021, 12:39
Meines Wissens gilt dazu folgendes: Wenn ein Priester bspw. aus dem Beichtstuhl weiß, daß jemand ein unbußfertiger Sünder ist und er ihm die Lossprechung verweigert hat, darf er ihm die Kommunionspendung nicht verweigern, solange es geheime Sünden sind; wenn es öffentlich bekannte Sünden sind, darf er das schon. Zumindest im ersten Fall ist das Gewissen des Spenders dabei mW unerheblich.
Ja, gut, das ist in meinen Augen die kirchenrechtliche Perspektive, die ich überhaupt nicht in Zweifel ziehe. Allein aus diesem Grund hatte der Erzbischof kein Argument, den Priester zu "sanktionieren". (Könnte der Priester eigentlich gegen diese Entscheidung Klage einreichen? :hmm: Oder steht ein Bischof "über dem Gesetz"?)
Aber mir geht es mehr um eine "theologische" Begründung/Erklärung. Wie kann man einerseits quasi dem Empfänger fast schon Narrenfreiheit mit dem Argument "Gewissen" gewähren, aber beim Spender hat dieses Argument offenbar keine Gültigkeit? Ist die theologische Diskussion darüber tatsächlich so einseitig, oder wurde/wird das Gewissen des Priesters auch honoriert?
Mir ist klar, dass das nicht so einfach vom Kirchenrecht zu trennen ist, da ja die Theologie dieses bedingt, aber da fangen die Probleme doch erst an.
Oder ist es nun einfach so, dass man das Kirchenrecht nicht von der Theologie trennen kann und daher beides im Zusammenhang gesehen und verstanden werden muss?

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. März 2021, 09:07
von Petrus
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 19. März 2021, 13:12
Protasius hat geschrieben:
Freitag 19. März 2021, 12:39
Meines Wissens gilt dazu folgendes: Wenn ein Priester bspw. aus dem Beichtstuhl weiß, daß jemand ein unbußfertiger Sünder ist und er ihm die Lossprechung verweigert hat, darf er ihm die Kommunionspendung nicht verweigern, solange es geheime Sünden sind; wenn es öffentlich bekannte Sünden sind, darf er das schon. Zumindest im ersten Fall ist das Gewissen des Spenders dabei mW unerheblich.
Ja, gut, das ist in meinen Augen die kirchenrechtliche Perspektive, die ich überhaupt nicht in Zweifel ziehe. Allein aus diesem Grund hatte der Erzbischof kein Argument, den Priester zu "sanktionieren". (Könnte der Priester eigentlich gegen diese Entscheidung Klage einreichen? :hmm: Oder steht ein Bischof "über dem Gesetz"?)
Aber mir geht es mehr um eine "theologische" Begründung/Erklärung.
1) danke, Protasius- hier handelt es sich nicht nur um deine Einschätzung. Hier handelt es sich um geltendes Kirchenrecht. Gut gesprochen!

Ein Beispiel dazu: Wenn ich aus der Kirche "ausgetreten" wäre (nö, ich bin immer noch drin), ich zum Kommunion-Empfang käme, und nur der Pfarrer von meinem "Austritt" wüßte, dürfte er mir die Kommunion nicht verweigern, weil er damit meine "Sünde" öffentlich machen würde. Wozu er nicht befugt ist.

2) Bruder Donald: Was meintest du mit der Unterscheidung zwischen "kirchenrechtlicher Perspektive" und "theologische Begründung/Erklärung"?

Soweit ich weiß, ist "Kirchenrecht" immer noch eine theologische Disziplin, gleichwertig und gleichgestellt mit AT, NT, Moraltheologie, Fundamentaltheologie, Liturgiewissenschaft, etc.

so. persönlich.

diesen Beitrag habe ich auch geschrieben in dankbarer Erinnerung an "meinen" sehr verehrten Lehrer im Kirchenrecht - Klaus Mörsdorf :ikb_thumbsup:

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. März 2021, 09:33
von taddeo
Petrus hat geschrieben:
Samstag 20. März 2021, 09:07
Ein Beispiel dazu: Wenn ich aus der Kirche "ausgetreten" wäre (nö, ich bin immer noch drin), ich zum Kommunion-Empfang käme, und nur der Pfarrer von meinem "Austritt" wüßte, dürfte er mir die Kommunion nicht verweigern, weil er damit meine "Sünde" öffentlich machen würde. Wozu er nicht befugt ist.

diesen Beitrag habe ich auch geschrieben in dankbarer Erinnerung an "meinen" sehr verehrten Lehrer im Kirchenrecht - Klaus Mörsdorf :ikb_thumbsup:
Da hättest du bei Mörsdorf mal besser aufpassen sollen. Du verbreitest wieder mal kanonistische Fake News. :regel:

Wenn du aus der Kirche augetreten wärst, dann hättest du das beim Standesamt deiner zuständigen politischen Gemeinde machen müssen. Damit ist der Kirchenaustritt per se ein öffentlicher Akt, genauso wie eine standesamtliche Heirat. Der Priester muss dir also auf jeden Fall den Kommunionempfang verweigern.
Der Austritt aus einer Kirche, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, bedarf nach Art. 3 Abs. 4 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes (KirchStG) zur öffentlich-rechtlichen Wirkung der mündlichen oder schriftlichen Erklärung bei dem Standesamt des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes. Bei einer schriftlichen Austrittserklärung muss die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt sein.
Quelle: https://www.freistaat.bayern/dokumente/ ... 9775446502

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. März 2021, 12:00
von Schulevonathen
taddeo hat geschrieben:
Samstag 20. März 2021, 09:33
Wenn du aus der Kirche augetreten wärst, dann hättest du das beim Standesamt deiner zuständigen politischen Gemeinde machen müssen. Damit ist der Kirchenaustritt per se ein öffentlicher Akt, genauso wie eine standesamtliche Heirat. Der Priester muss dir also auf jeden Fall den Kommunionempfang verweigern.
Was ist denn die kanonistische Definition von "Öffentlichkeit"? De facto wissen um die Vorgänge auf dem Standesamt ja idealerweise nur die Personen, die von Amts wegen damit befasst sind (während unverheiratetes Zusammenleben, das - soweit ich verstanden habe - keinen Ausschluss von der Kommunion nach sich zieht, u. U. viel allgemeiner bekannt ist).

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. März 2021, 13:11
von taddeo
Schulevonathen hat geschrieben:
Samstag 20. März 2021, 12:00
taddeo hat geschrieben:
Samstag 20. März 2021, 09:33
Wenn du aus der Kirche augetreten wärst, dann hättest du das beim Standesamt deiner zuständigen politischen Gemeinde machen müssen. Damit ist der Kirchenaustritt per se ein öffentlicher Akt, genauso wie eine standesamtliche Heirat. Der Priester muss dir also auf jeden Fall den Kommunionempfang verweigern.
Was ist denn die kanonistische Definition von "Öffentlichkeit"?
Das kanonische Recht unterscheidet zwischen "forum externum" und "forum internum": https://de.wikipedia.org/wiki/Forum_(Kirchenrecht)
Was im "forum externum" geschieht, ist per Definition öffentlich.
De facto wissen um die Vorgänge auf dem Standesamt ja idealerweise nur die Personen, die von Amts wegen damit befasst sind (während unverheiratetes Zusammenleben, das - soweit ich verstanden habe - keinen Ausschluss von der Kommunion nach sich zieht, u. U. viel allgemeiner bekannt ist).
Ein auf dem Standesamt vollzogener Akt ist immer ein Akt im "forum externum", das liegt in der Natur der Sache. Ein Kirchenaustritt wird dort amtlich aufgenommen, beurkundet und eine Urkunde darüber an das zuständige Pfarramt weitergeleitet - alles öffentliches Verwaltungshandeln. Der Pfarrer weiß also vom Kirchenaustritt seines Schäfchens nicht aus dem "forum internum", etwa der Beichte oder einem unter das Beichtgeheimnis fallenden seelsorglichen Gespräch, sondern aus einer amtlichen Urkunde - unabhängig davon, wieviele Personen tatsächlich von diesem Vorgang wissen.
Ein unverheiratet zusammenlebendes Paar hingegen mag zwar bei der Nachbarschaft weithin bekannt sein, aber es hat dadurch noch keine Handlung gesetzt, aufgrund derer es öffentliche kanonische Sanktionen zu befürchten hätte. Die wären erst gerechtfertigt (und treten auch von selbst ein!), wenn es sich im Zusammenleben "wie Mann und Frau" verhält, also Sex miteinander hat. Während bei einem (auch nur standesamtlich) verheirateten Paar die Rechtsvermutung des sexuellen Verkehrs greift und damit "Öffentlichkeit" hergestellt ist, ist diese Frage bei einem reinen Konkubinat ein Thema des "forum internum".

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. März 2021, 13:30
von Schulevonathen
Danke, Taddeo!

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Samstag 20. März 2021, 14:20
von Jakobgutbewohner
Um vielleicht das nochmal aufzugreifen:
139:11-12 hat geschrieben:
Sonntag 28. Mai 2017, 13:44
Ist denn Irrtum Sünde?
Mir erschließt es sich so, daß Jesus Chrisus in direkter Beziehung zu einem einzelnen Menschen mit diesem einen eigenen, individuellen Weg geht. Er zeigt dem Menschen, wo die Punkte sind, die er als nächstes angehen sollte. Sünde ist relativ geworden, wenn durch die Beziehung zu Jesus ja die Trennung von Gott (Sünde) bereits überwunden ist. Auf der anderen Seite halte ich es für fraglich, ob ein Gesetzesbefolgen dazu taugt ins Reich Gottes zu gelangen, selbst wenn all die befolgten Gesetze an sich moralisch richtig sind.

"Dem aber, der Werke tut, wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus Schuldigkeit. Dem aber, der nicht Werke tut, aber an Den glaubt, Der den Gottlosen gerecht macht, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. Wie denn auch David den Menschen selig preist, dem Gott Gerechtigkeit zurechnet ohne Werke: Selig sind die, denen die Missetaten vergeben und deren Sünden bedeckt sind. Selig ist der Mann, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet." Röm 4,4-8

Re: Gewissen und Lehramt/Kirche im Konflikt

Verfasst: Sonntag 21. März 2021, 12:26
von Bruder Donald
Petrus hat geschrieben:
Samstag 20. März 2021, 09:07
2) Bruder Donald: Was meintest du mit der Unterscheidung zwischen "kirchenrechtlicher Perspektive" und "theologische Begründung/Erklärung"?
Soweit ich weiß, ist "Kirchenrecht" immer noch eine theologische Disziplin, gleichwertig und gleichgestellt mit AT, NT, Moraltheologie, Fundamentaltheologie, Liturgiewissenschaft, etc.
Ich kann sehr wohl lesen und das Gelesene verstehen.
Mich interessieren aber die Gedanken davor, die vor einer Ausformulierung eines kirchenrechtlichen Paragraphen stehen.
Aktuell, so meine Wahrnehmung, wird primär mit dem Gewissen des Empfängers argumentiert, etwas vergleichbares mit dem Gewissen des Spenders kenne ich nicht.