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Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 16:44
von Thomas Morus
Wenn das Thema hier schon hinreichend besprochen wurde und ich es nur nicht gefunden habe, verlinkt mich bitte.

Wozu gab es auf dem Vat. II überhaupt eine Liturgiekonstitution, wenn das Meßbuch doch ohnehin kurz vor dem Konzil neu aufgelegt wurde? Man könnte auf den ersten Blick ja meinen, Joh. XXIII. hätte die Liturgie vor weiterem Zugriff retten und alles in trockene Tücher bringen wollen. Und dann - ist die Liturgie gleich in der ersten Sitzungsperiode dran. Schließlich müßten die Arbeiten am Meßbuch und die Vorbereitungen zum Konzil parallel gelaufen sein.

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 18:36
von Didymus
Nach Auskunft von Papst Benedikt XVI. im Vorwort zu seinen Gesammelten Schriften über die Theologie der Liturgie war es "äußerlich betrachtet eher ein Zufall", daß die Liturgie das erste Thema auf dem Konzil war. Das Konzil hatte vom hl. Papst Johannes XXIII. kein festes Programm, keinen Kompaß vorgegeben bekommen, und so begann man mit dem Thema Liturgie.

Benedikt XVI. wörtlich:
"Unter allen Projekten erschien der Text über die heilige Liturgie am wenigsten kontrovers zu sein. So schien es am ehesten gleichsam als eine Art Übungsstück geeignet, an dem die Väter die Methode konziliarer Arbeit erlernen konnten. Was äußerlich als Zufall erscheinen mag, erweist sich im Blick auf die Rangordnung der Themen und Aufgaben der Kirche als das auch von innen her Richtige. Durch den Beginn mit dem Thema Liturgie wurde der Primat Gottes, die Erstrangigkeit des Themas Gott unmissverständlich ins Licht gesetzt. Gott zuerst, so sagt uns der Anfang mit der Liturgie."
Quelle, JRGS 11, Vorwort.

Das ist nun keine Antwort, auf deine Frage, weshalb Liturgie überhaupt Thema war, aber zumindest darauf, weshalb sie zuerst behandelt wurde.

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 18:56
von overkott
Didymus hat geschrieben:Nach Auskunft von Papst Benedikt XVI. im Vorwort zu seinen Gesammelten Schriften über die Theologie der Liturgie war es "äußerlich betrachtet eher ein Zufall", daß die Liturgie das erste Thema auf dem Konzil war. Das Konzil hatte vom hl. Papst Johannes XXIII. kein festes Programm, keinen Kompaß vorgegeben bekommen, und so begann man mit dem Thema Liturgie.

Benedikt XVI. wörtlich:
"Unter allen Projekten erschien der Text über die heilige Liturgie am wenigsten kontrovers zu sein. So schien es am ehesten gleichsam als eine Art Übungsstück geeignet, an dem die Väter die Methode konziliarer Arbeit erlernen konnten. Was äußerlich als Zufall erscheinen mag, erweist sich im Blick auf die Rangordnung der Themen und Aufgaben der Kirche als das auch von innen her Richtige. Durch den Beginn mit dem Thema Liturgie wurde der Primat Gottes, die Erstrangigkeit des Themas Gott unmissverständlich ins Licht gesetzt. Gott zuerst, so sagt uns der Anfang mit der Liturgie."
Quelle, JRGS 11, Vorwort.

Das ist nun keine Antwort, auf deine Frage, weshalb Liturgie überhaupt Thema war, aber zumindest darauf, weshalb sie zuerst behandelt wurde.
Die Liturgie stand am Anfang des Konzils wie der Sonntag am Anfang der Woche. Dass die zum Konzil versammelten Priester nicht über Jahre hinweg erst eine Liste mit Nachrangigkeiten abarbeiten würden, lag auf der Hand. Der Name der Liturgiekonstitution bringt das Selbstverständnis des Konzils als ein Konzil der Liturgiereform zum Ausdruck. Schließlich gab es dafür unter Pius XII. schon einen langen Vorlauf.

Hier ein Bild mit Konzilsvätern:


Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 20:32
von Hubertus
Daß man "zuerst" über die Liturgie sprach, hängt doch mit Unstimmigkeiten wegen eines anderen Themas, das eigentlich zuerst diskutiert werden sollte (Kirche?), zusammen.
Man hat dann die Liturgiekonstitution sozusagen "vorgezogen", um überhaupt weitermachen zu können. Kann jetzt aber auf die Schnelle nicht nachschauen, wie das gleich noch mal genau war ...

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 20:47
von ad_hoc
Hubertus hat geschrieben:Daß man "zuerst" über die Liturgie sprach, hängt doch mit Unstimmigkeiten wegen eines anderen Themas, das eigentlich zuerst diskutiert werden sollte (Kirche?), zusammen.
Man hat dann die Liturgiekonstitution sozusagen "vorgezogen", um überhaupt weitermachen zu können. Kann jetzt aber auf die Schnelle nicht nachschauen, wie das gleich noch mal genau war ...
Die genauen Abläufe einschl. erfolgter Umplanungen sind in den bekannten Büchern "Jota Unum", von Romano Amerio und "Das Zweite Vatikanische Konzil" von Roberto de Mattei nachzulesen.
Mir ist es im Moment zu viel, daraus zu zitieren.

Gruß, ad_hoc

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 21:16
von PigRace
Hi Thomas Morus,

hier müßtest Du grob Antwort auf Deine Frage finden. Die Qualität der Seite im allgemeinen kann ich allerdings nicht beurteilen, habe sie nur schnell ergoogelt. Der starke Bezug auf Roberto de Mattei erschien mir positiv, weswegen ich den Link mal hier reinsetze.

Roberto de Matteis "V2 - eine ungeschriebene Geschichte" liest sich wirklich spannender als alles, was man sich denken kann. Einmal angefangen, legst Du es kaum mehr aus der Hand.

Gruß

PigRace

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 22:04
von Bernado
Die von Josef Ratzinger gegebene Erklärung beruht auf den den sehr lesenswerten Ausführungen von Ralph Wiltgen S.V.D in "Der Rhein fließt in den Tiber". Bekanntlich hat die Gruppe der "Reformer" zu Beginn des Konzils mit einer Ausnahme die von den "Traditionalisten" an der Kurie erarbeiteten Schemata (=Beschlussvorlagen) zu Fall gebracht. So daß man praktisch nichts zum Abstimmen hatte. Das von Bugnini und Co erarbeitete Schema zur Liturgie war das Einzige, das halbwegs Gnade bei den Reformern fand und dann auch den "Traditionalisten" durch einige Formelkompromisse schmackhaft gemacht werden konnte. Deshalb wurde es bereits in der ersten Sitzungsperiode verabschiedungsreif gemacht.

Wie hier ebenfalls bereits erwähnt wurde, tagte das Konzil zur Hoch-Zeit der von der Liturgischen Bewegung ausgelösten Reformbegisterung. Es wäre unmöglich gewesen, dieses die Kirche in allen ihren Gliederungen intensiv beschäftigende Thema auf dem Konzil nicht zu behandeln. Im Gegenteil: Alle erwarteten vom Konzil in dieser Frage Maßstäbe und Orientierung.

Dazu kommen noch andere Motivationslagen. Die Liturgiereform - wenn man sie denn nicht mit der tiefgreifenden Umarbeitung des Breviers 1911 anfangen lassen will - war spätestens seit der Zulassung des neuen stark hebraisierenden Pius-XII-Psalters im Jahr 1945 in vollem Gang. 1951 wurde die Karwoche "Ad Experimentum" umgestaltet, spätestens seit diesem Jahr ist Annibale (Nomen est Omen) Bugnini als Spiritus Rector der ganzen Reform erkennbar. 1955 wurde die stark modernistisch angehauchte neue Liturgie der Hohen Woche und der Osternacht verbindlich eingeführt. (Sie musste dann 1969 für den Novus Ordo nur noch in einigen Details feingeschliffen werden). 1961 kamen die neuen Rubriken des Missales, 1962 dann die neue Fassung des Ordo und des Systems der Festtage.

Die Grundprinzipien für die weiteren Veränderungen lagen zu dieser Zeit bereits fest, ebenso die taktische Absicht, diese Veränderungen in einem Prozess der "Permanenten Revolution" umzusetzen. Durch eine nicht enden wollende Fülle von Einzelschritten und Einzelmaßnahmen sollte das Bewußtsein von der Verbindlichkeit überlieferter Formen zerstört, deren Kenntnis und affektive Akzeptanz erschüttert und der Boden für Neuerungen im Geiste des Rationalismus und des Ökumenismus vorbereitet werden. Das auszusprechen bedeutet keine bösartige Unterstellung, sondern kann sich auf erstaunlich offene Aussagen Bugninis (in seiner Geschichte der Liturgiereform) und seiner internationalen Unterstützer wie Lengeling oder Gelineau stützen.

Der Liturgiekonstitution des Konzils kam dabei die Aufgabe zu, diesen Transformationsprozess durch eine Stellungnahme höchster Autorität abzusichern. Deshalb wurde dieses Dokument in einer Weise abgefasst, die einerseits den Bedenken der Traditionswahrer entgegenzukommen schien, andererseits durch unübersichtliche "Soll" und "Kann"-Vorschriften Bugnini und seinen Leuten weitgehend freie Hand gab. Als Glücksfall für Bugnini erwies sich dann der frühe Tod des liturgisch konservativen Papstes Johannes XXIII. und der Pontifikat Pauls VI., der Bugnini in vielem (nicht in allem!) freie Hand ließ und letztlich einen "Novus Ordo" promulgierte, der noch über die bereits weitherzigen Formulierungen der Konstitution hinausging.

Die Fakten der historischen Abläufe liegen inzwischen weitgehend offen - nur die hochbrisanten Tagebücher von Louis Bouyer werden noch unter Verschluss gehalten. Leider gibt es aber noch keine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Zusammenschau der ganzen Entwicklung.

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Montag 28. April 2014, 22:42
von overkott
Eine schöne Einführung in das Dilemma, das darin gipfelte, dass deutschsprachige Journalisten heute keine Kirchenmeldung mehr absetzen, ohne einmal das "Wort" hineingespuckt zu haben.

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Dienstag 26. August 2014, 09:12
von Protasius
Permanence and Change in the Liturgy
Ein interessanter Artikel zum Thema Liturgiereform im Allgemeinen und Reform Pauls VI. im Besonderen.

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Mittwoch 27. August 2014, 15:28
von marcus-cgn
Thomas Morus hat geschrieben:
Wozu gab es auf dem Vat. II überhaupt eine Liturgiekonstitution, wenn das Meßbuch doch ohnehin kurz vor dem Konzil neu aufgelegt wurde? Man könnte auf den ersten Blick ja meinen, Joh. XXIII. hätte die Liturgie vor weiterem Zugriff retten und alles in trockene Tücher bringen wollen.
Diese These - lassen wir Johannes mal außen vor - wird ja auch vertreten. Die Rubrikenreform und die jüngste Ausgabe des alten Messbuches seien ein Versuch gewesen, eine umfassende Umgestaltung der Liturgie zu verhindern; allerdings nicht sehr erfolgreich, weil die Liturguekonstitution ja ohne nennenswerten Widerstand verabschiedet wurde (wobei offen bleibt, was den Verantwortlichen genau vorschwebte).

Re: Wozu überhaupt eine Liturgiekonstitution?

Verfasst: Mittwoch 27. August 2014, 16:13
von cantus planus
marcus-cgn hat geschrieben:
Thomas Morus hat geschrieben:
Wozu gab es auf dem Vat. II überhaupt eine Liturgiekonstitution, wenn das Meßbuch doch ohnehin kurz vor dem Konzil neu aufgelegt wurde? Man könnte auf den ersten Blick ja meinen, Joh. XXIII. hätte die Liturgie vor weiterem Zugriff retten und alles in trockene Tücher bringen wollen.
Diese These - lassen wir Johannes mal außen vor - wird ja auch vertreten. Die Rubrikenreform und die jüngste Ausgabe des alten Messbuches seien ein Versuch gewesen, eine umfassende Umgestaltung der Liturgie zu verhindern; allerdings nicht sehr erfolgreich, weil die Liturguekonstitution ja ohne nennenswerten Widerstand verabschiedet wurde (wobei offen bleibt, was den Verantwortlichen genau vorschwebte).
Letzteres durchaus nicht, man lese dazu Ralph Wiltgens Buch "Der Rhein fliesst in den Tiber". Es gab genug kritische Stimmen von Konzilsvätern, die des Traditionalismus vollkommen unverdächtig sind. Auch Erzbischof Bugnini hat den Schurz, äh... Pardon!... die Maske bereitwillig fallen lassen. Ich wies bereits darauf hin, vor allem in diesem Beitrag; aber auch hier und hier und an weiteren Orten.