HeGe hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Man müßte das noch präzisieren. Die Seele ist zunächst einmal das Prinzip des Lebens, das, was den Leib lebendig macht. Also ist sie offensichtlich von Anfang an vorhanden. Was also ist gemeint?
Stephen Dedalus weist richtig auf den Begriff der „Sukzessivbeseelung“ hin. Das soll heißen, daß das „Geistprinzip“, das die Gottebenbildlichkeit ausmacht, womöglich erst (etwas) später hinzutreten könnte.
Horst Seidl hat daran vor einigen Jahren einmal zu erinnern versucht – und ist dafür von seiten mancher „Lebensrechtler“ harsch kritisiert worden. Zu Unrecht, meine ich. Vgl. dazu auch Charles Probst in: Theologisches 36 (2006), H. 1-2, Sp. 33.
Auch hier stellt sich mir aber die Frage, warum man die Seele in dieser Weise "aufteilt". Was hat man davon, dem Kind in den ersten Wochen die Gottesebenbildlichkeit abzusprechen und wie kommt man auf diese Idee? Wenn ich deinen ersten Beitrag und den Beitrag von Wikipedia richtig verstehe, geht das alles wohl irgendwie auf Aristoteles zurück, richtig? Hier fehlt mir nun natürlich der philsophische Hintergrund, um das irgendwie nachvollziehen zu können.
Ich könnte es ja noch irgendwie nachvollziehen, wenn ich auch die Meinung nicht teile, wenn man sagen würde, erst nach der Geburt, also sozusagen mit Eigenständigkeit und Sichtbarkeit des Menschen kommt diesem auch die Gottesebenbildlichkeit zu. Aber diesen Zeitpunkt irgendwo vorher im Mutterleib anzusetzen, erschließt sich mir nicht.
Wir stehen hier vor einem doppelten Problem: einem theoretischen und einem ethischen.
Theologisch fragen wir zunächst nach der Seelenlehre der Bibel. Dabei kommen wir zu einem differenzierten Verständnis. Lebewesen werden verstanden als atmende Wesen. Der Atem ist das Bild für das Leben und die Seele.
Gen 2,7 Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Weish 15,11 Seinen eigenen Bildner hat er nämlich nicht erkannt, den, der ihm eine wirkende Seele eingehaucht und Lebensatem eingeblasen hat.
Darüber hinaus werden Herz und Seele zum Bild aller Gefühlsregungen und der Persönlichkeit.
Schon bei der Familiensaga des Abraham kommt früh das Verständnis des Lebens vor der Geburt zum Ausdruck:
Gen 25,22 stießen die Söhne einander im Mutterleib. Da sagte sie: Wenn das so ist, was soll dann aus mir werden? Sie ging, um den Herrn zu befragen.
Auch dieses Stoßen wird als Gefühlsregung und Persönlichkeit verstanden:
Hos 12,4 Schon im Mutterleib hinterging er seinen Bruder, und als er ein Mann war, rang er mit Gott.
Früheste Menschenwürde lässt sich ableiten aus:
Jer 1,5 Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.
Seele und Geist werden auch im Neuen Testament als Bild für den Atem betrachtet.
Lk 23,46 und Jesus rief laut: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Nach diesen Worten hauchte er den Geist aus.
Darüber hinaus findet sich eine Vergeistigung:
Joh 1,33 Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.
Die Gabe des Heiligen Geistes in der Taufe ist die Beseelung zum neuen Leben:
Kol 2,13 Ihr wart tot infolge eurer Sünden, und euer Leib war unbeschnitten; Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben.
In diesem Geist mögen die Gläubigen für immer leben:
1Thess 5,23 Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt.
Welche ethischen Konsequenzen ergeben sich daraus?
Die Bibel erklärt Gott als Anfang und Prinzip der ständigen Bewegung und des ewigen Lebens. Diese schöpfungstheologische Sicht hat Konsequenzen für das Verständnis der Würde des Menschen von Anfang an. Für das Gesetzesverständnis lässt sich daraus ableiten, dass das Gebot der Nächstenliebe weder aufgehoben, noch eingeschränkt werden kann. Der Gläubige kann von der Stimme Gottes in seinem Herzen nicht entpflichtet werden. Gegen das, was er für gut erkannt hat, darf er nicht verstoßen, ohne sich selbst das Urteil zu sprechen.