Fiore hat geschrieben:Auch diese Sichtweise hinkt etwas. Denn was ist dann mit Anna und Joachim? Erst ihr freiwilliger ehelicher Akt ermöglichte die Zeugung und Geburt Marias und damit im Endefeckt Marias Ja, oder deren Eltern, und die Eltern der Eltern ...... bis zu Adam und Eva haben wir dann nen ganzen Haufen Miterlöser. Weiters selbst wenn sie nicht gewollt hätte (Gott hätte sie dann ja nichtmal gefragt, da er ihre Antwort ja gekannt hätte), dann wäre es halt die Ludmila oder die Resi geworden. Und auch wenn sich keine Frau die bereit dafür gewesen wäre gefunden hätte, hätte es den Akt der Menschwerdung und die Erlösung am Kreuz gegeben, wie auch immer das ausgesehen hätte. Das zeigt das diese Annahme sehr schnell zum Gedanken führt "Gott braucht Maria", wodurch sie ja auch gleich sowas wie eine kleine Mitgöttin wird. Denn ohne Maria hätte es dann keine Erlösung gegeben. Gott ist weder von MAria noch von sonst jemanden abhängig.
Es war aber eben doch Maria, Fiore. Ihr Anteil am Erlösungswerk ist unter allen Menschen, außer Jesus Christus selbst, einzigartig. Und Gott hat sich sehr wohl an Mariens Fiat gebunden. Natürlich „wußte“ Er „vorher“, daß sie ja sagen würde. Die Herrlichkeit der Ratschlüsse Gottes mindert aber nicht Mariens oder, mutatis mutandis, irgendeines andern Heiligen Verdienst.
Es ist darum geradezu selbstverständlich, daß Maria in der Kirche vor allen andern Heiligen verehrt wird. Vergessen wir auch nicht ihr Privileg, bereits jetzt mit Leib und Seele in die Himmel aufgenommen zu sein, so daß der Leib, der Gott geboren hatte, die Verwesung nicht schaute.
Dennoch ist der Anteil der seligsten Jungfrau an der Erlösung nur ein indirekter. Jesus ist Fleisch von ihrem Fleisch und Bein von ihrem Bein. Gott ist „eingefleischt“ (incarnatus est) aus Maria, Seiner Mutter. Ohne diese Voraussetzung wäre die Erlösung nicht möglich gewesen. Aber die Voraussetzung – wiewohl so großartig und unbegreiflich, daß wir angesichts ihrer beim Credo die Knie beugen – ist nicht die Erlösung selbst.
Es gibt darum auch keine „erlösende Inkarnation“, wie leider Johannes Paul II. einmal irrig formuliert hat, sondern nur eine auf die Erlösung hingeordnete Inkarnation. Ebenso ist Mariens Fiat auf die Erlösung hingeordnet, aber nicht selbst erlösend, weder mit- noch alleinerlösend, weder vor- noch nacherlösend, weder ganz noch teilerlösend.
Nun wird man zu Recht bemerken, daß sich der Anteil der Jungfrau und Gottesgebärerin nicht auf ein einmaliges Ja beschränkt. Dies Ja bestimmt ihre Existenz. Sie bleibt Christi Mutter über Geburt und Darstellung im Tempel bis zum Kreuz, ja übers Kreuz hinaus in Ewigkeit. Sie hat sich in einem geistigen Sinn dem Leiden und Sterben ihres Sohnes angeschlossen, vor jedem andern Menschen.
Genau darin ist sie uns Vorbild, aber mehr noch: Fürsprecherin und Mittlerin. Wie das recht zu verstehen ist, dazu hilft, wie ich überzeugt bin, in hervorragender Weise das Stabat mater. Darum seien daraus noch einmal einige Strophen zitiert, begleitet von der volkstümlichsten, nicht ganz wörtlichen, aber sehr eindrücklichen Übersetzung:
Fac me vere tecum flere,
Crucifixo condolere,
Donec ego vixero.
Juxta crucem tecum stare
Te libenter sociare
In planctu desidero.
Virgo virginum praeclara,
Mihi jam non sis amara,
Fac me tecum plangere.
Fac ut portem Christi mortem,
Passionis eius sortem
Et plagas recolere.
Fac me plagis vulnerari,
Cruce hac inebriari
Ob amorem filii,
Inflammatus et accensus,
Per te virgo sim defensus
In die judicii.
Laß mich wahrhaft mit dir weinen,
mich mit Christi Leid vereinen,
solang mir das Leben währt.
Unterm Kreuz mit dir zu stehen,
unverwandt hinaufzusehen,
ist es, was mein Herz begehrt.
O du Jungfrau der Jungfrauen,
wollst in Liebe mich anschauen,
daß ich teile deinen Schmerz.
Daß ich Christi Tod und Leiden,
Marter, Angst und bittres Scheiden
fühle wie dein Mutterherz.
Laß mich tragen seine Peinen,
mich mit ihm am Kreuz vereinen,
trunken sein von seinem Blut.
Daß nicht zu der ew’gen Flamme
der Gerichtstag mich verdamme,
steh, o Jungfrau, für mich gut.