Müssen/können Katholiken ALLES verzeihen?

Allgemein Katholisches.
ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

WISSEN Sie wirklich nicht was sie tun, oder ist das eine "billige" Ausrede....
Deshalb hatte ich den Text auf mich bezogen.
Es geht hier wohl weniger darum, ob sie wußten, was sie taten, es geht einmal darum,dass sie das Boshafte ihrer Tat hätten erkennen können und zum anderen, dass sie sich als Ausführende zur Verfügung gestellt haben.
Aber man kann schon davon ausgehen, dass es sich bei solchen Menschen, und deshalb wurden sie ja für die Ausführung bestimmt, schon um eine besonders qualifizierte Art von vertierten Menschen gehandelt haben muß. Und gerade deshalb ist Verzeihung notwendig, damit sie, vielleicht durch die Gnade Gottes und auf welchem Weg auch immer, vor Ablauf ihres Lebens zur Einsicht in das Verwerfliche ihres Tuns gelangen und bereuen können.

Gruß, ad_hoc
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regina 32
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Beitrag von regina 32 »

ad_hoc hat geschrieben:
WISSEN Sie wirklich nicht was sie tun, oder ist das eine "billige" Ausrede....
Deshalb hatte ich den Text auf mich bezogen.

Gruß, ad_hoc
Ad hoc, ich möchte mich bei Dir entschuldigen (vielleicht kannst Du mir ja verzeihen ;) Ich bin nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, Dich damit zu meinen!

Aber wie Clemens schrieb, was ist mit Einbrechern, Menschen die sich absichtlich jenseits jeglichen sozialen Miteinanders stellen, dabei andere verletzen, traumatisieren oder anderweitig irreparablen Schaden zufügen.

WISSEN sie wirklich nicht was sie tun?

Ist das dann der Grund ihnen zu verzeihen? weil sie zu blöd sind es zu kapieren?

kommt mir auch ein bisschen nach einer biliigen ausrede vor

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Idiota
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Beitrag von Idiota »

regina 32 hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:"Vater verzeih' ihnen, sie wissen nicht, was sie tun".
Daran führt kein Weg vorbei. Verzeihung ist bedingungslos zu gewähren.
WISSEN Sie wirklich nicht was sie tun, oder ist das eine "billige" Ausrede....
Intrigen, Unterstellungen und Verleumdungen durch einen von sich überzeugten Christen, das ist nicht einfach wegzustecken. Er hielt das für legitime, nach dem Spruch: Der Zweck heiligt die Mittel.

Ein Bösewicht sieht immer einen Vorteil in dem was er tut. Daher hält er sein Handeln für richtig und gut, auch wenn er weiß, daß andere das anders sehen.

Daher muß ich mich in den Anderen hineindenken, versuchen ihn zu verstehen und ihm verzeihen.

Das sind die Erfahrungen von Idiota
Ich kreise um Gott den uralten Turm und ich kreise ...

sofaklecks
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Seid ihr sicher

Beitrag von sofaklecks »

Seid ihr sicher, das ihr alle daselbe unter dem Begriff "Verzeihen" versteht?

Ist das daselbe, was vergeben bedeutet, nämlich zunächst den Verzicht auf Rache, auf Revanche?

Oder gibt es da Stufen?

Ich meine: Vergeben ist der Verzicht auf Vergeltung als unterste Stufe. Damit verzichte ich darauf, Böses mit Bösem zu vergelten. Ich durchbreche die Spirale des Bösen. Das setzt nicht voraus, dass ich vergesse. Ich verhindere nur, dass sich das Unrecht durch wechselseitige Rache perpetuiert und zwar auch dann, wenn der andere nicht bereut.

Verzeihen ist das Tilgen der Erinnerung unter Verzicht darauf, vollständige Wiedergutmachung, eine adäquate Busse zu fordern. Da setzt normalerweise eine Einsicht des anderen voraus und ist auch dann nur schwer zu leisten, wenn jemand einen anderen bewusst und gewollt tief verletzt hat.

Das erstere ist für einen Christen Pflicht, das andere Kür. Ersteres muss man, um letzteres soll man sich bemühen. Ersteres nicht zu tun ist unchristlich, letzteres nicht zu können nicht, wenn man sich ernsthaft bemüht.

So sehe ich das.

sofaklecks
Zuletzt geändert von sofaklecks am Samstag 29. November 2008, 14:20, insgesamt 1-mal geändert.

Albert
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Beitrag von Albert »

@Sofaklecks

Sehr gut auf den Punkt gebracht.

Grüße,
Albert

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Passt diese Unterscheidung und Wertung mit dem Gleichnis vom Schalksknecht zusammen?

sofaklecks
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Vielleicht

Beitrag von sofaklecks »

Vielleicht, Clemens.

Mal Gegenfrage:

Ist die Bergpredigt Programm oder Verpflichtung?

Und:

War der Diener des Schalkknechts nicht einsichtig und gelobte Besserung und Begleichung der Schuld?

Hat Christus das Gleichnis bewusst so gebildet, dass hier keine Straftat, sondern ein Schuldenbezahlen in Rede stand. Erstreckt sich das Gebot tatsächlich auf die Verzeihung, nicht nur Vergebung vorsätzlichen bösen Tuns im schlimmster Form?

Klar für mich ist: Es gibt Unmenschlichkeiten, die zu verzeihen so schwer fällt, dass man das Unvermögen hierzu niemandem als unchristlich vorwerfen kann. Es ist ebensowenig unchristlich wie das Unvermögen, einer anderen Forderung Jesu nachzukommen, nämlich der, so vollkommen wie der Vater im Himmel zu sein.

Aber ich bin kein Theologe. Von Schopenhauer stammt meines Wissens der Satz, schon die Vergebung sei das Zum-Fenster-Hinauswerfen nützlicher Erfahrungen.

sofaklecks

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Clemens hat geschrieben:Ich finde Reginas Frage ganz interessant.

Wenn Jesus das sagt über seine Peiniger, dann hat das seine Richtigkeit.
Die Hohepriester und Römer und Helfershelfer wußten tatsächlich nicht,
daß sie den Gottessohn und Messias quälen. Und hätten sie es gewußt
(und geglaubt), wäre es ihnen bestimmt ganz furchtbar peinlich gewesen.

Aber ein gewöhnlicher Verbrecher: weiß der ebenso wenig, was er tut?

Jenes Wort Jesu gilt wohl den Legionären, nicht den Hohenpriestern.
Ob diese nicht wußten, was sie taten, darf man auch für fraglich hal-
ten. Doch darum geht es letztlich nicht. Der Punkt ist: Solange du
deinem schlimmsten Feind nicht vergeben kannst, der weder umkehrt
noch bereut, solange kannst du nicht ins Himmelreich eingehen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

regina 32 hat geschrieben:Ist das dann der Grund ihnen zu verzeihen?

Der einzige Grund ist die Liebe.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

sofalklecks hat geschrieben:
Das erstere (Verzeihen) ist für einen Christen Pflicht, das andere (Vergessen) Kür. Ersteres muss man, um letzteres soll man sich bemühen.
Das ist sehr gut.
Wobei das letztere deutlich schwerer ist. Das kostet totale Überwindung. Aber deshalb ist es ja die Kür, die erst nach der Pflicht stattfinden kann. ;)

Gruß, ad_hoc
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Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

Hallo Regina 32,
über "das Nichtvergessen und Nichtertragen erlittener Unbilden" (und warum Verzeihung, mithin Versöhnung) gibt es eine vielleicht hilfreiche | Erzählung von den Altvätern |.

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Clemens
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Re: Vielleicht

Beitrag von Clemens »

Ich bin nicht gewöhnt, zwischen Vergebung und Verzeihung zu unterscheiden. Tut man das bei "Euch"?


sofaklecks hat geschrieben: Ist die Bergpredigt Programm oder Verpflichtung?
Uiuiui, verpflichtendes Programm?? :hmm:

Nur Programm, keine Pflicht??

Ich weiß es noch nicht... :naja:

sofaklecks hat geschrieben: War der Diener des Schalkknechts nicht einsichtig und gelobte Besserung und Begleichung der Schuld?

Hat Christus das Gleichnis bewusst so gebildet, dass hier keine Straftat, sondern ein Schuldenbezahlen in Rede stand. Erstreckt sich das Gebot tatsächlich auf die Verzeihung, nicht nur Vergebung vorsätzlichen bösen Tuns im schlimmster Form?

Ich deute das Gleichnis so:
Ein Sünder erhält für seine riesige Schuld (Erbsünde plus Folgeschäden) von Gott den vollständigen Erlass seiner Sündenstrafen.
Er ist aber nicht bereit, seinerseits dem, der ihm etwas schuldet (Wiedergutmachung, Buße) zu vergeben, obwohl er ihn darum bat, was ihn wieder ins Fegfeuer (nicht in die Hölle!) bringt.


Welche der "Sofaklecksischen Stufen" ist nun hier gemeint?

Heißt das, dem, der nicht darum bittet, braucht man auch nicht zu vergeben?

sofaklecks
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Bei "uns"

Beitrag von sofaklecks »

Ich kann nur für mich sprechen.

Nein, vergeben muss man auch dem, der nicht darum bittet. Von sich aus, um das Böse nicht um sich greifen zu lassen.

sofaklecks

Petra
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Beitrag von Petra »

Im TV hat eben gerade ein Pfarrer erzählt, man müsse nur demjenigen vergeben, der darum bittet. Der Pfarrer ist evangelisch. Wo bitte gehts denn hier zum Evangelischwerden; viel einfacher haben die es, in fast jeder Beziehung. :)

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Edi
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Beitrag von Edi »

Petra hat geschrieben:Im TV hat eben gerade ein Pfarrer erzählt, man müsse nur demjenigen vergeben, der darum bittet. Der Pfarrer ist evangelisch. Wo bitte gehts denn hier zum Evangelischwerden; viel einfacher haben die es, in fast jeder Beziehung. :)
In der ev. Kirche gibt es ja keine offizielle Lehre, da kann jeder Pfarrer erzählen, was ihm so in den Sinn kommt.

Aber zu seiner Erzählung. Vergeben muss man immer und zwar schon im ureigensten Interesse. Der gute Mann kennt wohl das Vaterunser nicht recht. Da steht nirgends, dass erst derjenige, der sich an einem andern versündigt hat, um Vergebung bitten müsse.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Petra hat geschrieben:Wo bitte gehts denn hier zum Evangelischwerden; viel einfacher haben die es, in fast jeder Beziehung. :)
Immer dem Zeitgeist nach, den Papst weiträumig umfahren, dann vor dem Fegefeuer links ab und die lange Treppe hinunter. :mrgreen:
Zuletzt geändert von Clemens am Samstag 29. November 2008, 23:15, insgesamt 2-mal geändert.

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Pit
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Beitrag von Pit »

Edi hat geschrieben: ...
In der ev. Kirche gibt es ja keine offizielle Lehre, da kann jeder Pfarrer erzählen, was ihm so in den Sinn kommt.
...
Seit wann denn das?
Falls Du die Evangelisch-Lutherische Kirche meinst, ist das falsch, denn die kennt die Bekenntnisschriften, die schlicht und ergreifend verbindlich ! sind.

Gruß,Pit
carpe diem - Nutze den Tag !

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Da hast du, Pit, halb recht und halb unrecht.

Zuerst die gute Nachricht:
es gibt Bekenntnisse und da steht ne Menge solides Glaubensgut drin und theoretisch verpflichtet man sich bei der Ordination, daran zu glauben.

Und nun die Schlechte:
Wenn man das nicht tut, passiert überhaupt nix (und davon profitieren sogar Leute wie ich :P ) und man darf in der Evangelischen Kirche über alles (und auch alles) predigen, nur nicht über 20 Minuten!

regina 32
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Beitrag von regina 32 »

ad_hoc hat geschrieben:sofalklecks hat geschrieben:
Das erstere (Verzeihen) ist für einen Christen Pflicht, das andere (Vergessen) Kür. Ersteres muss man, um letzteres soll man sich bemühen.
Das ist sehr gut.
Wobei das letztere deutlich schwerer ist. Das kostet totale Überwindung. Aber deshalb ist es ja die Kür, die erst nach der Pflicht stattfinden kann. ;)

Gruß, ad_hoc
kann man nicht erst wirklich verzeihen, wenn die Erinnerung daran einen nicht mehr die "Wände hochgehen" lässt?
Wenn man damit "leben" kann?
Wenn man dem erlittenen etwas "gleichgültiger" gegenüber steht?

gibt es wirklich keinen unterschied zwischen vergeben und verzeihen?

ich hätte jetzt spontan gesagt Verzeihung gewähren muss derjenige, gegen den die Tat/Sünde/was auch immer gerichtet war

Vergeben kann auch jemand anderes (der Beichtvater - so derjenige jemals bei der Beichte war / bereut)

Henry44
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Vergeben und vergessen

Beitrag von Henry44 »

Dazu zwei Fälle von mir:

Ein Mitarbeiter, für den ich viel getan hatte, hat gekündigt und zugleich versucht, mich beim Vorstand mit wüsten Beschuldigungen, die, hätten sie gestimmt, eine fristlose Entlassung zur Folge gehabt hätten, anzuschwärzen. Sein Ziel war offensichtlich, mich abzuschießen und wirtschaftlich zu vernichten.

Ich habe vor Jahren für einen Freund eine Bürgschaft unterschrieben, die schlagend wurde und ich musste seinen Kredit tilgen, was meine eigene Familie finanziell schwer gefährdete.

Er hat die Rückzahlung immer wieder versprochen, mich so durch Jahre hingehalten und dann erklärt, die Forderung sei verjährt. Er hatte noch die Stirn, zu sagen, dass ich damals in der Bürgschaft gar kein Risiko gesehen hätte und ich sei ein Scheinfreund, da ich von ihm das Geld zurück forderte. Ja, ich war dumm, aber es war ein Freund, dem ich helfen wollte und es stimmt auch, dass ich auf Grund der scheinbar guten sonstigen Sicherheiten nicht damit gerechnet hatte, zahlen zu müssen.

Da fällt es wahrlich nicht leicht, in den beiden Fällen ehrlichen Herzens zu verzeihen. Im ersten Fall noch leichter, da der Mann sein Ziel nicht erreicht hat.

Henry44
Und wenn ich auch wandere durchs finstere Tal, so fürcht ich kein Unglück, denn du, Herr, bist bei mir.

regina 32
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Beitrag von regina 32 »

Henry, danke für Deine "Geschichte" ist da für Dich ein Unterschied zwischen Verzeihen, und vergeben?

Clementine
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Beitrag von Clementine »

Edi hat geschrieben:Vergeben muss man immer und zwar schon im ureigensten Interesse. Der gute Mann kennt wohl das Vaterunser nicht recht. Da steht nirgends, dass erst derjenige, der sich an einem andern versündigt hat, um Vergebung bitten müsse.
Das ist richtig: Das Vater Unser hält uns kein Hintertürchen offen, nur denen vergeben zu müssen, die bei uns Abbitte leisten. Aus meiner laienhaften Sicht denke ich, dass das auch notwendig ist, denn müssten wir nur dem vergeben, der um uns Verzeihung bittet und/oder sich einsichtig zeigt, würden wir selbst auch nie Vergebung erlangen. Denn machen wir uns nichts vor, wir selbst verfehlen uns ständig gegenüber unseren Mitmenschen, und machen uns von dem Ausmaß ggf. gar kein Bild. Der Umfang der Verfehlungen ist natürlich Gegenstand der Gewissenserforschung - wird dabei aber nie vollständig ausgelotet werden können. In der tridentinischen Messe heißt es nicht umsonst bei der Darbringung des Brotes "... für meine unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten..."

Natürlich ist es menschlich sehr schwer, jemanden zu vergeben, der sich uneinsichtig zeigt bzw. gar nicht um Verzeíhung bittet. Noch schwieriger finde ich es allerdings (um nicht zu sagen unmenschlich), jemanden zu vergeben, der so tut, als hätte die Verfehlung gar nicht stattgefunden und darüber hinaus bei den Fehlern anderer sich moralisch entrüstet.

Aber: es hat halt (leider) niemand gesagt, dass es Vergebung zum Nulltarif gibt (sprich: dass es einfach ist).
regina 32 hat geschrieben:ich hätte jetzt spontan gesagt Verzeihung gewähren muss derjenige, gegen den die Tat/Sünde/was auch immer gerichtet war

Vergeben kann auch jemand anderes (der Beichtvater - so derjenige jemals bei der Beichte war / bereut)
Vergeben kann m.E. nur derjenige, der betroffen ist. Wie fändest Du es denn, wenn ich Deinem "Schuldigern" die Verfehlung Dir gegenüber vergeben würde? So als Nicht-Betroffene ist das ja immer einfacher. Hab' ich also kein Problem mit. Vergeb' ich ihm halt. Der Beichtvater vergibt als Stellvertreter - und zwar als Stellvertreter eines von der Verfehlung Dir gegenüber ebenfalls Betroffenen.

Meine Meinung.

regina 32
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Beitrag von regina 32 »

Clementine hat geschrieben:
regina 32 hat geschrieben:ich hätte jetzt spontan gesagt Verzeihung gewähren muss derjenige, gegen den die Tat/Sünde/was auch immer gerichtet war

Vergeben kann auch jemand anderes (der Beichtvater - so derjenige jemals bei der Beichte war / bereut)
Vergeben kann m.E. nur derjenige, der betroffen ist. Wie fändest Du es denn, wenn ich Deinem "Schuldigern" die Verfehlung Dir gegenüber vergeben würde? So als Nicht-Betroffene ist das ja immer einfacher. Hab' ich also kein Problem mit. Vergeb' ich ihm halt. Der Beichtvater vergibt als Stellvertreter - und zwar als Stellvertreter eines von der Verfehlung Dir gegenüber ebenfalls Betroffenen.

Meine Meinung.

Nun, ganz ehrlich, und spontan "aus dem Bauchgefühl" raus,

wenn ihm jemand anderes vergibt, bitteschön, darf er, soll er, solange ich es nicht muss :-)


ich hatte es oben irgendwo schon geschrieben, Möge Gott Dir vergeben, ICH kann es nicht.

Wenn er von einem Beichtvater vergebung erfährt, dann muss er es ja immerhin bereut haben.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Aber zum Beichten genügt auch unvollkommene Reue ("ich habe Angst vor der Hölle")…das erinnert mich irgendwie ein bißchen an die "Ich will nicht ins Gefängnis"-Attitüde.
Gott ist barmherzig, und er vergibt auch bei unvollkommener Reue. Aber wenn jemand mir seine unvollkommene Reue bekundet, bin ich nicht ganz so barmherzig.
Seid barmherzig wie…ich weiß. Ist aber nicht immer einfach.
???

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Eine Geschichte/Begebenheit, die ich gerade gelesen habe und deren Ende ich ganz bewusst offen lasse, aber mit der Frage, wie hier wohl gehandelt worden ist:
In einer Kirche in München hatte Coorie ten Boom über Vergebung gesprochen. Später erschien ihre Lebensgeschichte als Buch und als Film. In dem Vortrag sagte sie, dass Sündenvergebung bedeute, dass die Sünden ins Meer geworfen würden, und zwar dort, wo es am tiefsten sei.
Nach dem Vortrag bahnte sich ein kahlköpfiger schwerer Mann den Weg zu ihr. Corrie ten Boom erkannte in ihm unmittelbar den grausamsten Wächter des KZ Ravensbrück, in dem sie selbst viele Jahre infaftiert worden war. Plötzlich stand er vor ihr und streckte ihr die Hand entgegen. Sie erinnerte sich an ihn und an die Lederpeitsche, die damals in seinem Gürtel steckte.
"Sie ewähnten Ravensbrück in ihrem Vortrag", sprach er sie an. "Ich war Wärter dort. Aber das ist vorbei. Ich bin inzwischen Christ geworden. Ich weiß, dass Gott mir alle Grausamkeiten, die ich dort getan habe, vergeben hat. Aber ich möchte es auch aus ihrem Munde hören! Können Sie mir vergeben?"

sofaklecks
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Ich hätte

Beitrag von sofaklecks »

Ich hätte gesagt, dass ich ihm vergebe. Ich zeige nicht mit dem Finger auf ihn und sage: "Da seht ihr den brutalsten Schläger von Ravensbrück."

Aber verzeihen könnte ich ihm nicht, es sei denn, sein Wissen um seine Verzeihung durch Gott hätte nicht den "Schwamm drüber"-Charakter, der hier durchscheint, sondern er täte ersichtlich Busse.

Vielleicht werfe ich Begriffe durcheinander. Aber ist es denn Liebe, jemandem zu ersparen, dass er seine Schuld einsieht und Busse dafür tut?

Merkwürdig: Immer lese ich hier über die Verbindlichkeit des alten Testaments. Dass der Vater den Stock nicht sparen soll und was weiss ich für alte Weisheiten.

Ich erlebe es gerade in nächster Verwandtschaft, wohin das vorbehaltlose Nachsichtigsein mit Fehlverhalten im Namen einer mir insoweit völlig fremden Regung füht, die als Liebe bezeichnet wird und dazu führt, dass an den anderen keine Anforderungen mehr gestellt werden.

Hat nicht Papst Benedikt den Bären im Wappen, der seinerzeit den Esel des Heiligen gefressen hatte? Der Heilige hat ihn nicht verflucht, aber sein Gepäck tragen lassen. Das scheint mir durchaus christlich. Christlicher als das Allesvergebenundallesverzeihen-Ge...., oh, da hätte ich jetzt fast etwas Unchristliches geschrieben. Man vergebe mir.

sofaklecks

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

(Irrtum - bitte wegmoderieren!)
Zuletzt geändert von Clemens am Sonntag 30. November 2008, 17:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Ich möchte nochmal nach dem Unterschied von Vergeben und Verzeihen fragen.
Für mich sind diese Begriffe völlig synonym. :hmm:

Ist die Unterscheidung, wie Sofaklecks sie vornimmt, noch sonst wo verbreitet, oder eine private Definition?

Clementine
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Re: Ich hätte

Beitrag von Clementine »

sofaklecks hat geschrieben:Aber verzeihen könnte ich ihm nicht, es sei denn, sein Wissen um seine Verzeihung durch Gott hätte nicht den "Schwamm drüber"-Charakter, der hier durchscheint, sondern er täte ersichtlich Busse.

Vielleicht werfe ich Begriffe durcheinander. Aber ist es denn Liebe, jemandem zu ersparen, dass er seine Schuld einsieht und Busse dafür tut?

...

Ich erlebe es gerade in nächster Verwandtschaft, wohin das vorbehaltlose Nachsichtigsein mit Fehlverhalten im Namen einer mir insoweit völlig fremden Regung füht, die als Liebe bezeichnet wird und dazu führt, dass an den anderen keine Anforderungen mehr gestellt werden.
Als ich mit einem befreundeten Priester über das Thema diskutiert habe, meinte er, dass Verzeihung nicht heißt: Schwamm drüber.

Vergebung heißt für mich nicht, vorbehaltlose Nachsichtigkeit mit Fehlverhalten. Dabei sind beide Worte fehl am Platz: sowohl vorbehaltlos als auch Nachsichtigkeit. In der Bibel gibt es zwar die Stelle, wo ich meinem dem Gegenüber auch noch die andere Wange hinhalten soll - aber für mein Verständnis hat das nichts mit dem hier diskutierten Thema zu tun. Vergebung heißt nicht, sich zum Fußabtreter zu machen bzw. machen zu lassen.

Vergebung heißt für mich nicht "vergeben und vergessen" (im Sinne von "wollen so tun als sei es nie geschehen") - sondern dass man es nicht mehr nachträgt - wie Du es so treffend formuliert hast: "Damit verzichte ich darauf, Böses mit Bösem zu vergelten." Das heißt jedoch wiederum nicht, dass man nicht eine Änderung des Verhaltens des anderen verlangt. Soweit dies möglich ist... (die Möglichkeit bezieht sich dabei nicht auf das Vermögen oder Unvermögen der Verhaltensänderung, sondern die Möglichkeit des Einforderns. Wo dies jedoch nicht möglich ist, muß man andere Konsequenzen ziehen.)


@ Clemens: Die Unterscheidung von Sofaklecks habe ich sonst auch noch nicht gehört - hat aber m.E. etwas für sich.

regina 32
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Beitrag von regina 32 »

Für mich persönlich haben Vergeben und Verzeihen schon leicht unterschiedliche Bedeutungen, wie es Ethymologisch aussieht... keine Ahnung, wir haben sogar ein Ethymologisches Wörterbuch zu hause, aber wo mein Mann dies versteckt hat???


rein intuitiv würde ich Verzeihen als den "persönlicheren" Vorgang ansehen, d.h. hier ist der "Geschädigte" beteiligt, und wird, meist sogar um Verzeihung gebeten....

Vergebung kann ich denke ich auch von anderen (Gott) erfahren..

aber das sind meine Naturwissenschaftlergedanken die keinerlei klassische Bildung aufweisen :mrgreen:

regina 32
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Re: Seid ihr sicher

Beitrag von regina 32 »

sofaklecks hat geschrieben:Seid ihr sicher, das ihr alle daselbe unter dem Begriff "Verzeihen" versteht?

Ist das daselbe, was vergeben bedeutet, nämlich zunächst den Verzicht auf Rache, auf Revanche?

Oder gibt es da Stufen?

Ich meine: Vergeben ist der Verzicht auf Vergeltung als unterste Stufe. Damit verzichte ich darauf, Böses mit Bösem zu vergelten. Ich durchbreche die Spirale des Bösen. Das setzt nicht voraus, dass ich vergesse. Ich verhindere nur, dass sich das Unrecht durch wechselseitige Rache perpetuiert und zwar auch dann, wenn der andere nicht bereut.

Verzeihen ist das Tilgen der Erinnerung unter Verzicht darauf, vollständige Wiedergutmachung, eine adäquate Busse zu fordern. Da setzt normalerweise eine Einsicht des anderen voraus und ist auch dann nur schwer zu leisten, wenn jemand einen anderen bewusst und gewollt tief verletzt hat.

Das erstere ist für einen Christen Pflicht, das andere Kür. Ersteres muss man, um letzteres soll man sich bemühen. Ersteres nicht zu tun ist unchristlich, letzteres nicht zu können nicht, wenn man sich ernsthaft bemüht.

So sehe ich das.

sofaklecks
Hallo Sofaklecks, ich weiss nicht, ob ich Dich richtig verstanden habe, ist für Dich der "verzicht auf Rache" schon ein Teil des Vergebens bzw. dessen elementarster Teil?
Ich denke, DANN sind wir wirklich in der Pflicht zu vergeben. Aber reicht das aus? reicht DAS aus um mit sich und der Umwelt (und Gott) wieder ins reine zu kommen? und was hat in diesem Fall der "Übeltäter" überhaupt für eine Rolle?

sofaklecks
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Nur meine Meinung

Beitrag von sofaklecks »

@Clemens

Ich leiste mir den Luxus einer eigenen Meinung.

Die Unterscheidung ist ganz privat die meinige. Wie gesagt, es kann sein, dass ich die Begriffe verwechsle. Es kann sehr gut sein, dass ich im Gegensatz zu allen Auslegungen des Neuen Testamentes stehe. Mit katholisch oder evangelisch hat das gar nichts zu tun.

Ich schreibe nur das, was ich für richtig halte. Und wenn mir jemand in der Hinsicht weiterhilft, bin ich ihm dankbar. Und zwar unabhängig davon, ob er evangelisch, katholisch, Jude, Moslem oder Freimaurer ist.

sofaklecks

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