Verbreitete Irrtümer über die Kirche

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Robert Ketelhohn
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Verbreitete Irrtümer über die Kirche

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lutheraner hat geschrieben:
Linus hat geschrieben:Wer ist die Mutter aller Kirchen? (Antwort:Lateran) Wo steht diese? (Rom)
Hm, also in Rom steht ein protziges Gebäude (Petersdom), das mit Betrügereien (Ablaßhandel) finanziert wurde. Das Grundstück, wo das protzige Ding draufsteht, wurde mit Vertragsfälschungen erschlichen (Pippinische "Schenkung"). Ich weiß nicht, was das mit Jesus Chrstus zu tun hat. Er hat zwar mit den Zöllnern gegessen, aber er war kein Räuber und Betrüger.
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Weder war der Petersablaß von 1506 Betrug, noch die pippinsche
Schenkung eine Fälschung, noch ging es bei dieser Schenkung um
das vatikanische Grundstück von Sankt Peter. Auch nicht um den
Lateran, wovon Linus sprach und was du wohl verwechselt hast.
Lediglich mit dem Protz magst du ein wenig recht haben.

(Im Jahre 1514 wurde der Petersablaß überaus unpassenderweise mit dem
Kuhhandel zwischen der Kurie, den Fuggern und Albrecht von Magdeburg
verknüpft. Das ist aber kein Betrug.

Zu Pippins sogenannter Schenkung habe ich anderswo mal einem, der sie
auch rundheraus zu einer Fälschung erklärte, geantwortet: »Gröbster Unfug.
Ich möchte mal wissen, welches konkrete Dokument da unecht sein sollte.
Der Tatbestand, um den es geht, ist zur Genüge überliefert. Allenfalls könnte
man über die Sinnhaftigkeit des Begriffs „Schenkung“ streiten; ferner könnte
man fragen, ob es angemessen sei, die Ereignisse von 756 durch das Schlag-
wort der „Pippinschen Schenkung“ so isoliert herauszuheben.

Aber „eine Fälschung“? Das ist so sinnvoll, als ob ich einem, der mir erzähl-
te, er habe hunderttausend Mark auf dem Konto, antwortete: „Ach was, das
ist doch alles Falschgeld.“«

Sachlich bezeichnet man mit dem Begriff der „pippinschen Schenkung“ üb-
licherweise die Übergabe der den Langobarden 754 und 756 abgewonnenen
Gebiete an den Stuhl Petri, was zur Grundlage des Kirchenstaats wurde, des
patrimonii Petri.)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Dafür gibt es doch schon die Klausnerei? ;D
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Lutheraner
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Re: Verbreitete Irrtümer über die Kirche

Beitrag von Lutheraner »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Weder war der Petersablaß von 1506 Betrug
Die römische Kirche hat etwas verkauft, über das sie gar nicht verfügen kann.
Robert Ketelhohn hat geschrieben: noch die pippinsche
Schenkung eine Fälschung, noch ging es bei dieser Schenkung um
das vatikanische Grundstück von Sankt Peter.
Der Petersdom steht auf dem Rest des Territoriums, das die damalige Westkirche angeblich geschenkt bekommen hatte. Erst später haben Otto I. und Friedrich II. die "Schenkung", die bis dato nicht nachweisbar war, bestätigt.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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holzi
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Re: Verbreitete Irrtümer über die Kirche

Beitrag von holzi »

Lutheraner hat geschrieben:Der Petersdom steht auf dem Rest des Territoriums, das die damalige Westkirche angeblich geschenkt bekommen hatte. Erst später haben Otto I. und Friedrich II. die "Schenkung", die bis dato nicht nachweisbar war, bestätigt.
Dann müsstest du aber die Existenz eines jeglichen Rechtes und Herkommens aus dieser Zeit bestreiten. Es war damals (im 8. Jhd!) noch nicht üblich, über alles und jedes Originalurkunden zu besitzen. Das kam erst im Hochmittelalter auf. Damals war es gang und gäbe, sich evtl. fehlende Originalurkunden aus dem Gedächtnis bzw. aus mündlicher Überlieferung zu rekonstruieren. Heute sagt man dazu zwar Fälschung - damals war das normal und nicht etwa falsch. Die Päpste hatten - und das war unbestritten - die Herrschaft über das Patrimonium Petri erlangt. Punkt. Vom Eselskarren ist die ja auch nicht gefallen.

Und zum Thema Änderung der Rechtsauffassungen: glaubst du, dass du noch vor 200 Jahren irgendjemandem das rechtliche Konstrukt von "intellektuellem Eigentum" hättest erklären können? Du wärest sofort in die Klapse gesteckt worden! Und bald sind wir soweit, dass wir uns auch noch das Atmen lizenzieren lassen müssen...

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Marcus
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Re: Verbreitete Irrtümer über die Kirche

Beitrag von Marcus »

holzi hat geschrieben:Und zum Thema Änderung der Rechtsauffassungen: glaubst du, dass du noch vor 200 Jahren irgendjemandem das rechtliche Konstrukt von "intellektuellem Eigentum" hättest erklären können? Du wärest sofort in die Klapse gesteckt worden! Und bald sind wir soweit, dass wir uns auch noch das Atmen lizenzieren lassen müssen...
Die Idee des "geistigen Eigentums" dürfte bereits im Zeitalter der Aufklärung (18. Jahrhundert) aufgekommen sein. In der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 ist das "geistige Eigentum" bereits manifestiert:
§ 40 hat geschrieben:Erfindungs-Patente werden ausschließlich von Reichswegen auf Grundlage eines Reichsgesetzes ertheilt; auch steht der Reichsgewalt ausschließlich die Gesetzgebung gegen den Nachdruck von Büchern, jedes unbefugte Nachahmen von Kunstwerken, Fabrikzeichen, Mustern und Formen und gegen andere Beeinträchtigungen des geistigen Eigenthums zu.
Muss mal schauen, ob ich in meiner Sammlung noch ältere Verfassungen finde, die bereits den Schutz des "geistigen Eigentums" vorsehen.

John Grantham
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Re: Verbreitete Irrtümer über die Kirche

Beitrag von John Grantham »

Marcus hat geschrieben:
holzi hat geschrieben:Und zum Thema Änderung der Rechtsauffassungen: glaubst du, dass du noch vor 200 Jahren irgendjemandem das rechtliche Konstrukt von "intellektuellem Eigentum" hättest erklären können? Du wärest sofort in die Klapse gesteckt worden! Und bald sind wir soweit, dass wir uns auch noch das Atmen lizenzieren lassen müssen...
Die Idee des "geistigen Eigentums" dürfte bereits im Zeitalter der Aufklärung (18. Jahrhundert) aufgekommen sein. In der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 ist das "geistige Eigentum" bereits manifestiert:
§ 40 hat geschrieben:Erfindungs-Patente werden ausschließlich von Reichswegen auf Grundlage eines Reichsgesetzes ertheilt; auch steht der Reichsgewalt ausschließlich die Gesetzgebung gegen den Nachdruck von Büchern, jedes unbefugte Nachahmen von Kunstwerken, Fabrikzeichen, Mustern und Formen und gegen andere Beeinträchtigungen des geistigen Eigenthums zu.
Muss mal schauen, ob ich in meiner Sammlung noch ältere Verfassungen finde, die bereits den Schutz des "geistigen Eigentums" vorsehen.
Patentgesetz von Venedig, 1474

Statute of Monopolies 1623 von England (wurde später nach dem Act of Union 1707 auf ganz Großbritannien ausgedehnt)

Erste Erwähnung in einer Verfassung: US Constitution 1787, Art. I, Section 8 ("... to promote the progress of science and useful arts, by securing for limited times to authors and inventors the exclusive right to their respective writings and discoveries...")

200 Jahre? Kein Problem. ;)

Cheers,

John
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holzi
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Beitrag von holzi »

Gibt's das Zeug tatsächlich schon so lang? Blöd ist nur, dass sich heute alle dran halten müssen. Wen juckte denn ein reichsstädtisch nürnbergisches Patent, wenn er gleich nebenan in einem anderen Kleinstaat saß? Und dass man heute für das öffentliche Pfeifen von Liedern eine Lizenz haben muss, finde ich trotzdem abseitig. Vor eingien Jahrhunderten wäre man für das unerlaubte Pfeifen bestimmter Lieder auch eingelocht worden, aber wohl nicht wegen unbezahlter Lizenzen...

Und gerade die USA sind Anfang des 19. Jhds. industriell groß geworden, weil dort die englischen und alle anderen Patente schamlos missachtet wurden. Japan vor 60, Korea vor 30 Jahren und China gerade jetzt sind weitere Beispiele.

John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

holzi hat geschrieben:Gibt's das Zeug tatsächlich schon so lang? Blöd ist nur, dass sich heute alle dran halten müssen.
Zwar geht Patent- und Copyright-Schutz heute tatsächlich teilweise viel zu weit und wird ins Absurdum geführt, aber die Idee an sich ist etwas Gutes: So können Menschen von ihren intellektuellen Leistungen am ehesten profitieren und die Entwicklung von Technologie wurde dadurch beschleunigt, da es einen stärkeren Motiv gab, neue Ideen zu entwickeln und zu verbreiten.

Heute geht das allerdings in eine falsche Richtung, denn Profit wird stärker betont als Entwicklung von Ideen. Die ursprüngliche Idee wurde verkrümmt und heute wird Gegenteiliges bewirkt. Aber das heißt nicht, daß Copyright und Patente blöd sind.

Würde man heute zum Beispiel zu den alten, viel kürzeren Schutzzeiten zurückkehren (meist um die 20 Jahre), würde einiges heute ganz anders aussehen. Mickey Maus wäre seit Generationen frei. ;)
holzi hat geschrieben:Wen juckte denn ein reichsstädtisch nürnbergisches Patent, wenn er gleich nebenan in einem anderen Kleinstaat saß?
Patente waren damals noch nicht international bzw. es gab noch keine zwischenstaatliche Abkommen, daher gab es im hochfragmentierten Deutschland keinen zuverlässigen Patentschutz -- was aber die Herrschaften in Frankfurt 1848-49 zügig ändern wollten, daher der Paragraph, den Marcus zitiert. Nichts desto trotz versuchte man in Europa schon recht früh, die Idee des "geistigen Eigentums" umzusetzen, vor allem in den Wirtschaftsmächten der Zeit, Venedig und England (ich meine auch in den Niederländen, finde aber die Infos dazu nicht).

Cheers,

John
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Lutheraner
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Re: Verbreitete Irrtümer über die Kirche

Beitrag von Lutheraner »

holzi hat geschrieben:Die Päpste hatten - und das war unbestritten - die Herrschaft über das Patrimonium Petri erlangt. Punkt.
Der kuriose Begriff Patrimonium Petri ist doch die Grundlage dieser ganzen Legende. Petrus hat als Apostel Christi ("Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - ipsissima vox) nicht den Grundstein eines weltlichen Kirchenreiches gelegt. Das widersprach dem Auftrag Christi (wie die römische Kirche, nachdem ihr das Territorium fast vollständig wieder genommen wurde, zwangsweise eingestehen musste). Nachdem der Bischof von Rom sich als einziger Nachfolger des Apostels Petrus sah (unabhängig irgendwelcher direkter Sukzessionslinien, worauf sonst so viel Wert gelegt wird und unabhängig davon, dass die Apostel sonst beliebig viele Bischöfe als Nachfolger haben durften), hat man versucht das weltlich sichtbar zu verankern. Rom musste der Kirche gehören, um diesen geistlichen Anspruch weltlich und damit für das Fleisch beweisbar zu machen.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

holzi hat geschrieben:Und gerade die USA sind Anfang des 19. Jhds. industriell groß geworden, weil dort die englischen und alle anderen Patente schamlos missachtet wurden. Japan vor 60, Korea vor 30 Jahren und China gerade jetzt sind weitere Beispiele.
Diebstahl macht einen schnell reich, das stimmt. :P

Wo Japan aber nun selbst Ideen entwickelt, sieht es auf einmal anders aus.

Die USA und England hatten damals keine gegenseitige Anerkennung von Patenten, daher wurden britische Patente in den USA nicht anerkannt. Das geschah erst 1887. In so fern kann man an der Stelle von "Mißachtung" nicht sprechen.

Im heutigen China ist es aber anders: China hat den Paris Convention for the Protection of Industrial Property 1985 unterschrieben und ist somit in Verzug bzgl. Anerkennung von ausländischen Patenten und Copyright.

Cheers,

John
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