Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Von Orgelpfeifen, Zimbelspielern und Kantoren.
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cantus planus
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Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von cantus planus »

Der große Naji Hakim - famoser Organist, genialer Improvisator, Komponist von Weltrang und Nachfolger Olivier Messiaens als Titularorganist - wirft an der Pariser Trinité das Handtuch. Hakim hat sich mehrfach sehr kritisch über die liturgische und musikalische Situation nach dem II. Vaticanum geäußert. Das dürfte wahrscheinlich auch einer der Gründe sein, dass er jetzt aufhört. Entsprechende Untertöne kann man im Interview durchaus heraushören, auch wenn sich Hakim wie üblich in Zurückhaltung übt.

Hier ein Radiointerview mit Hakim: Bayern 4 - Klassik

Was für ein tragischer Verlust für die Pariser Kirchenmusik!

Naji Hakim - Homepage
Naji Hakim - Werkübersicht bei wikipedia.de
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Aktuelle Informationen zur Paderborner Dommusik gibt es dort:
http://www.erzbistum-paderborn.de/dommusik/

Informationen zu Orgelkonzerten im Hohen Dom finden sich auf der Seite des Domorganisten:
http://www.gereonkrahforst.com/html/dkonzerte.html

Paul Heliosch
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Paul Heliosch »

cantus planus hat geschrieben:Der große Naji Hakim - famoser Organist, genialer Improvisator, Komponist von Weltrang und Nachfolger Olivier Messiaens als Titularorganist - wirft an der Pariser Trinité das Handtuch. Hakim hat sich mehrfach sehr kritisch über die liturgische und musikalische Situation nach dem II. Vaticanum geäußert. Das dürfte wahrscheinlich auch einer der Gründe sein, dass er jetzt aufhört. Entsprechende Untertöne kann man im Interview durchaus heraushören, auch wenn sich Hakim wie üblich in Zurückhaltung übt.

Hier ein Radiointerview mit Hakim: Bayern 4 - Klassik

Was für ein tragischer Verlust für die Pariser Kirchenmusik!
...
Naji Hakim - Zitate aus obigem Interview:

"...Das Wichtigste ist, daß ich mich in Gottes Händen weiß. Es gibt eben manchmal Entscheidungen, die delikat sind, aber dennoch wohlüberlegt - mehr möchte ich dazu nicht sagen....
(...) Mein Verständnis von Liturgie endet nicht an irgenwelchen Kirchenmauern, sondern ist vielmehr die Triebfeder für alle meine Aktivitäten...
(...) Alle meine Aktivitäten bislang sind liturgischer Herkunft, d.h. zuerst einmal Gott zu danken und dann die Herzen all derer zum Lächeln zu bringen mit denen ich im Kontakt bin...."
[right]http://www.najihakim.com/disco/signum130f-t.jpg[/right]

Fazit: Jede Gemeinde hat den Organisten, den sie verdient!
Zuletzt geändert von Paul Heliosch am Donnerstag 31. Juli 2008, 06:32, insgesamt 1-mal geändert.

Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

... dazu passen auch Auszüge aus einem anderen aktuellen Interview, das mir gestern per E-Mail zugespielt wurde:

( Quelle: „Gesungene Liturgie war immer das Normale“
aus „die tagespost“ KIRCHE AKTUELL 10.7.2008
Der Kirchenmusiker und Musikwissenschafter Albert Richenhagen betrachtet das Motu proprio "Summorum pontificum“ als Fortschritt für die Musica sacra
Professor Albert Richenhagen, Jahrgang 1952, lehrt an der Uni-versität der Künste Berlin das Fach Musiktheorie. Er musiziert als Orgelimprovisator, ehrenamtlicher Kirchenmusiker in Köln, gelegentlich auch als Jazzer und Kabarettist. Mit ihm sprach Hinrich Bues. )


"...

Es wird immer wieder argumentiert, die Liturgiereform sei gut, aber sie werde schlecht praktiziert. Welche Missstände beobachten Sie von der Orgelbank aus?
Das ist genau der Punkt. Im Prinzip werden oft Ausführungsbestimmungen des Novus Ordo ignoriert. Es dringen Elemente ein wie bürgerliche Höflichkeitsformen, die als liturgischer Gesang unmöglich wären. Man kann ja nicht singen: Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen und die Gemeinde antwortet: Danke gleichfalls. Das alles ist nicht vorgesehen. Solche Missstände könnte ich vielfältig benennen. Ich habe das in einem Artikel den "unordentlichen Ritus' genannt.

Was meinen Sie mit dem "unordentlichen Ritus"?
Faktisch gibt es den ordentlichen, den außerordentlichen und den unordentlichen Ritus. Letzterer ist von keinem Konzil beschlossen und zeichnet sich durch zahlreiche Beliebigkeiten aus. Da werden zum Beispiel Passagen aus dem "Kleinen Prinzen" von Antoine Saint-Exupery vorgelesen oder irgendwelche, aus obskuren Quellen stammenden Messkanones benutzt. Da gibt es eine unheimliche Abenteuerlust bei den Priestern. Mich ärgert daran, dass diejenigen, die den außerordentlichen Ritus praktizieren wollen, in den hintersten Winkel verbannt werden, für diesen Unfug aber ist in vielen Kirchen Platz. Genau umgekehrt müsste es sein.

Gibt es für diesen "Unfug" eines unordentlichen Ritus, wie Sie es nennen, nicht vielleicht doch Anhaltspunkte in den Konzilstexten?
Nein gar nicht, aus dem schon erwähnten Text von SC, Kap. 6 geht an keiner Stelle hervor, dass solche Missstände erlaubt sein sollen.

Viele Priester, die zu einer sogenannten "kreativen Gottes-dienstgestaltung" greifen, wollen den Menschen entgegenkommen. Ist das nicht ein berechtigtes Anliegen, gerade, was den Musikstil angeht?
Nein, das muss misslingen; Viele der neuen geistlichen Lieder sind dilettantisch gemacht. Ich bin selber Jazzmusiker und bin auch für die Unterhaltungsmusik sehr aufgeschlossen. Ich bin an der Universität auch mit Popmusik befasst und interessiere mich sehr dafür. Bedauerlich ist, dass schlechte Unterhaltungsmusik, die nicht diskothekenfähig ist und nie in die Charts kommen würde, als neues geistliches Lied in die katholische Kirche kommt. Und das kirchensteuersubventioniert!

Kritisieren Sie hier hauptsächlich die Qualität der Musik oder den mangelnden geistlichen Tiefgang dieser Lieder?
Beides, das mangelnde handwerkliche Können und den fehlenden geistlichen Tiefgang. Besonders peinlich sind in dieser Hinsicht Stadiongottesdienste bei Katholikentagen und Papstbesuchen, wo Gesänge erklingen, von denen viele bald vergessen werden wie Eintagsfliegen.

...

Welche positiven Erwartungen haben Sie nach der päpstlichen Erlaubnis für den außerordentlichen Ritus für die Zukunft der Kirchenmusik und Gottesdienstliturgie?
Wenn der von mir so benannte "unordentliche Ritus" aufhört, wird es auch keine Probleme mehr zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Ritus geben. Der ordentliche Ritus sollte wieder regelmäßig in seiner Hochform gefeiert werden. Es gibt ja nur einen Ritus in zwei Formen, wie der Papst lehrt. Vieles wird in der Zukunft von den Bischöfen abhängen. Wenn diese wollen, dann wird sich vieles zum Guten wenden können.

Was würde das zum Beispiel für Bischofsstädte bedeuten?
Das würde für Bischofsstädte bedeuten; dass es im Dom an einem Tag der Woche eine Messe im außerordentlichen Ritus gäbe Damit würde man zeigen, dass diese Form des römischen Ritus zum Leben der Kirche gehört. Dieses Angebot würde von vielen traditionell empfindenden Katholiken dankbar angenommen. Umgekehrt kann der außerordentliche Ritus natürlich auch die neuen Präfationen, Heiligenfeste etc. aufnehmen, die in den letzten vierzig; Jahren entstanden sind.

Bedeutet das auch die Aufnahme von moderner Musik in den Außerordentlichen Ritus?
Genau dafür plädiere ich. Es ist nicht einzusehen, warum in vielen Feiern des außerordentlichen Ritus nur Musik aus der Zeit bis zum neunzehnten Jahrhundert vorkommt. Es gibt sehr gute Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts, deren Musik in beiden Formen des Messritus aufgenommen werden kann. Ein sonntägliches Hochamt im außerordentlichen Ritus mit gregorianischem Proprium und mit dem mehrstimmigen Ordinarium von Igor Stravinsky oder eines Komponisten wie Arvo Pärt wäre sehr zu begrüßen!

..."

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Das gesamte o.g. Interview siehe hier
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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Prof. Wolfram Menschick, der emeritierte Domkapellmeister von Eichstätt, wurde am 23. Mai vom Päpstlichen Institut für Kirchenmusik in Rom zum "Doctor honoris causa" promoviert.

Herzlichen Glückwunsch zu dieser sehr ehrenvollen Auszeichnung!

http://www.donaukurier.de/lokales/eichs ... 75,1882556

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Maurus
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Beitrag von Maurus »

Der ehemalige Münchener Domorganist Franz Lehrndorfer feiert heute seinen 80. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

Ein hervorragendes Referat von Dr. Gabriel M. Steinschulte, gehalten auf der diesjährigen Tagung der Sinfonia-Sacra-Gesellschaft: hier nachzulesen.

Ich betone es immer wieder: das Konzil hat die Stellung der Kirchenmusik einzigartig aufgewertet. Am Kahlschlag, der jedoch in der Praxis eingetreten ist, ändern schöne Wort nichts. Möge der Heilige Geist sein fruchtbares Wirken auch hier entfalten!
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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Schaut so aus, als würde demnächst die Stelle des Münchener Domkapellmeisters neu ausgeschrieben:

http://www.tz-online.de/de/aktuelles/mu ... 55985.html

Es gibt auch eine offizielle Stellungnahme des Erzbistums dazu:

http://www.erzbistum-muenchen.de/EMF009 ... wsID=15231

michaelis
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von michaelis »

Die Entlassung / Vertragsauflösung ist unter diesen Umständen wohl in Ordnung, aber

SOWAS GEHÖRT NICHT IN DIE ÖFFENTLICHKEIT [Punkt] :motz: :ikb_hammer: :motz: :ikb_hammer: :motz: :ikb_hammer:

Man denke dabei nur mal an die Kinder und die Ehefrau. :(

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taddeo
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von taddeo »

michaelis hat geschrieben:Die Entlassung / Vertragsauflösung ist unter diesen Umständen wohl in Ordnung, aber

SOWAS GEHÖRT NICHT IN DIE ÖFFENTLICHKEIT [Punkt] :motz: :ikb_hammer: :motz: :ikb_hammer: :motz: :ikb_hammer:

Man denke dabei nur mal an die Kinder und die Ehefrau. :(
Ich schätze mal, der Mann ist in Bezug auf seine Ehe und Familie bestraft genug; denn ob seine Frau das so einfach schlucken kann, halte ich für fraglich, ebenso, ob er nochmal wo eine vernünftige Stelle im Kirchendienst bekommt. Da kommt es auf die öffentliche Hinrichtung via Zeitung auch schon nimmer an. Und wer an so herausgehobener Stelle arbeitet, muß immer mit einem öffentlichen Interesse rechnen.

Raimund J.
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Raimund J. »

Ganz unabhängig von dem o.g. Fall ist es vor allem erschreckend wie einfach man jemand beruflich und gesellschaftlich fertig machen könnte, so leichtfertig wie viele mit dem Thema Datensicherheit umgehen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Da haben offensichtlich einige Heuchler Rechnungen beglichen
(sage ich mal, ohne einen der Beteiligten zu kennen).
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Kilianus
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Kilianus »

Formal presserechtlich gesehen geht die Veröffentlichung wohl auch bei Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen in Ordnung - da wird ihm seine herausgehobene Position zum Verhängnis. Wobei man natürlich nicht alles machen muß, was man presserechtlich machen darf.

Die Pressestelle des Ordinariats ist dabei allerdings in einer besonderen Zwickmühle: Da sich so etwas schnell durch inoffizielle Kanäle rumspricht, muß sie mit Anfragen rechnen - und sich die Frage stellen, ob sie nicht lieber offensiv bestätigt, was sowieso als Tatsache in den Zeitungen stehen wird, um so wenigstens den Vorwurf zu umgehen, einen innerkirchlichen Sexskandal unter den Teppich kehren zu wollen.

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Robert Ketelhohn
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich verorte die Heuchler allerdings nicht in der Pressestelle, sondern im Domkapitel.
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ar26
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ar26 »

Soweit ich das sehe, geht die Veröffentlichung auf der Seite des Erzbistums, die immerhin auf Montag datiert ist, nicht in Ordnung. Das weltliche Recht lass ich mal außen vor, wobei ein Dommusiker mE nach keine Person der Zeitgeschichte ist, so daß seine Privatspähre absolut geschützt ist.

Aus dem 8. Gebot folgt nach jedem traditionellen Katechismus und Gewissensspiegel, daß ehrabschneidende Äußerungen zu unterlassen sind. Ehrabschneidend ist das Weitergeben wahrer Tatsachen zum Nachteil des Betroffenen an Dritte, die kein Recht auf Kenntnis dieser Informationen haben. Vorliegend haben ein Recht auf Kenntnis dieser Information die unmittelbaren Dienstvorgesetzten des Dommusikers sowie Rechtsbeistände etc. sowie die Ehefrau. Die Öffentlichkeit hat kein Recht darauf. Eine Preisgabe an die Öffentlichkeit kann auch nicht durch eine Gefährdung Schutzbefohlener begründet werden, denn vorliegend kann nur konstatiert werden, daß ein ungeordnetes Verlangen nach Sexualität im "Erwachsenenbereich" vorliegt. Man darf nicht vergessen, daß dies ein Problem ist, welches einen beträchtlichen Teil der internetnutzenden Bevölkerung betrifft. Die ganze Sache macht den Mann zum Sünder, nicht zum Aussätzigen. Auch frage ich mich gerade, ob jeder Geistliche, der ein Problem mit dem 6. Gebot im heterosexuellen Erwachsenenbereich hat, des Amtes enthoben wird.

Aus dem vorher gesagten, folgt für mich ganz klar, daß die Verantwortlichen im Ordinariat schwer gegen das 8. Gebot gesündigt haben.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

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julius echter
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von julius echter »

Was würde das zum Beispiel für Bischofsstädte bedeuten?
Das würde für Bischofsstädte bedeuten; dass es im Dom an einem Tag der Woche eine Messe im außerordentlichen Ritus gäbe Damit würde man zeigen, dass diese Form des römischen Ritus zum Leben der Kirche gehört. Dieses Angebot würde von vielen traditionell empfindenden Katholiken dankbar angenommen. Umgekehrt kann der außerordentliche Ritus natürlich auch die neuen Präfationen, Heiligenfeste etc. aufnehmen, die in den letzten vierzig; Jahren entstanden sind.


Das würde in mancher Kathedrale aber nicht gehn oder gewünscht
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Kilianus
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Kilianus »

ar26 hat geschrieben:Soweit ich das sehe, geht die Veröffentlichung auf der Seite des Erzbistums, die immerhin auf Montag datiert ist, nicht in Ordnung. Das weltliche Recht lass ich mal außen vor, wobei ein Dommusiker mE nach keine Person der Zeitgeschichte ist, so daß seine Privatspähre absolut geschützt ist.
Ich laß die Moraltheologie mal außen vor und beschränke mich aufs weltliche Recht: Ich weiß nicht, welche öffentliche Wirkung der betreffende Herr entfaltet hat. Ich kenne allerdings Domkapellmeister, die (z.B. im kulturellen Leben) durchaus eine gewisse Prominenz erreichen, über deren Wirken auch in den Medien regelmäßig berichget wird - übrigens auch außerhalb des kirchlichen Dunstkreises. Von daher: Ich halte ihn schon für eine Person der Zeitgeschichte. (Aktueller Paralellfall übrigens die öffentlich ausgetragene Debatte um angebliche Verfehlungen des Würzburger Generalmusikdirektors, dessen Position ja durchaus mit der eines Domkapellmeisters vergleichbar ist.)

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ar26
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ar26 »

Machen wir es doch mal rund. Die meisten Kreuzgänger sind "kirchenverbundene Christen". Wer von denen hat von der in Rede stehenden Person schon einmal gehört oder kennt deren Namen? Es handelt sich hier um eine Person, die allenfalls lokale oder brancheninterne Bedeutung hat. Wir reden nicht über den Intendanten der Regensburger Domspatzen.
Zudem ist für die Beurteilung der zeitgeschichtlichen Relevanz auch die Neigung, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, von Relevanz. Eine solche Neigung ist hier wohl nicht vorhanden.

Wäre ich an seiner Stelle, würde ich das Erzbistum wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Gleichzeitig würde ich versuchen, in Rom mal die moraltheologische Seite der Angelegenheit anzusprechen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Robert Ketelhohn »

ar26 hat geschrieben:Auch frage ich mich gerade, ob jeder Geistliche, der ein Problem mit dem 6. Gebot im heterosexuellen Erwachsenenbereich hat, des Amtes enthoben wird.

Aus dem vorher gesagten, folgt für mich ganz klar, daß die Verantwortlichen im Ordinariat schwer gegen das 8. Gebot gesündigt haben.
Ganz genau. Das ist ein widerliches, verlogenes Schmierentheater, das man dort aufgeführt hat.

(Nach weltlichem Recht kann es nur um private Nutzung des dienstlichen Schlepptopps gehen; ob das Domkapitel damit vorm Arbeitsgericht durchkäme, scheint mir zweifelhaft, außer es stünden scharfe Unterlassungsvorgaben ausdrücklich im Arbeitsvertrag. Aber man hat den Mann ja offenbar schon so weit fertiggemacht, daß er „freiwillig“ gekündigt werden wollte.)
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taddeo
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von taddeo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:(Nach weltlichem Recht kann es nur um private Nutzung des dienstlichen Schlepptopps gehen; ob das Domkapitel damit vorm Arbeitsgericht durchkäme, scheint mir zweifelhaft, außer es stünden scharfe Unterlassungsvorgaben ausdrücklich im Arbeitsvertrag. Aber man hat den Mann ja offenbar schon so weit fertiggemacht, daß er „freiwillig“ gekündigt werden wollte.)[/color]
Zu diesem Aspekt ein durchaus sachlich korrekter Artikel in der Süddeutschen Zeitung:
http://www.sueddeutsche.de/656383/116/2 ... warnt.html

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ar26
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ar26 »

Beim weltlichen Recht sind hier zwei Aspekte zu beachten. Zunächst der arbeitsrechtliche, dann der zivilrechtliche (deliktische). Die Richtigkeit des SZ-Artikels unterstellt, ist eine Kündigung, gar eine fristlose gerechtfertigt. Der Arbeitsvertrag, bzw. die Rahmenregelungen der Erzdiözese scheinen da ganz eindeutig.

Davon zu trennen ist aber die Frage, ob derartige Details an die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Die öffentliche Mitteilung der Vertragsaufhebung ist eine Sache, die Mitteilung der Gründe eine andere (insbesondere weil es sich um eine "einvernehmliche" Vertragsaufhebung handelte). Letzteres greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Informationen der Intimssphäre (immer und ausnahmslos geschützt) oder der Privatspähre (grundsätzlich geschützt, bei Personen zeitgeschichtlicher Relevanz aber Beeinträchtigungen hinzunehmen) zuzuordnen sind. Weil aber die Person über keine zeitgeschichtliche Relevanz verfügt, ist jedenfalls ihre Privatsphäre in rechtswidriger Weise verletzt worden. Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein sonstiges Recht nach § 823 I BGB ist, steht dem Dommusiker ein Schadensersatzanspruch nach dieser Norm zu. Ich meine zudem, daß das Öffentlich machen der Gründe eine Nebenpflichtverletzung hinsichtlich des Aufhebungsvertrages darstellt, woraus sich auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch ableiten lässt.

Vielleicht weiß Sofaklecks noch ein wenig mehr zur Thematik. Bei solchen Dingen sind mehrere Meinungen immer besser.
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Kilianus
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Kilianus »

ar26 hat geschrieben:Weil aber die Person über keine zeitgeschichtliche Relevanz verfügt, ist jedenfalls ihre Privatsphäre in rechtswidriger Weise verletzt worden. Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein sonstiges Recht nach § 823 I BGB ist, steht dem Dommusiker ein Schadensersatzanspruch nach dieser Norm zu. Ich meine zudem, daß das Öffentlich machen der Gründe eine Nebenpflichtverletzung hinsichtlich des Aufhebungsvertrages darstellt, woraus sich auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch ableiten lässt.
Noch einmal: Ein Domkapellmeister steht im Lichte der Öffentlichkeit. Sein Name prangt auf Plakaten, sein Wirken (zum Beispiel bei Konzerten) wird öffentlich-medial gewürdigt. Mithin ist es Person der Zeitgeschichte, zumindest innerhalb eines bestimmten geographischen Raums.

Von daher ist es üblich, daß eine Pressestelle berichtet, wenn er seine Stelle antritt, wenn er sie verläßt, wenn er mit irgendwelchen Titeln geehrt wird usw. Ginge er ganz normal in den altersbedingten Ruhestand, so würde das (mit Begründung) verkündet. Wechselte er auf eine andere Stelle, so würde das ebenso verkündet.

Wie soll eine Pressestelle Deiner Meinung nach vor diesem Hintergrund mit der gegebenen Situation umgehen?
1. Gar nichts vermelden und warten, bis die Medien Wind davon kriegen, weil die Stelle ausgeschrieben wird, die Dommusiker tratschen oder auf einmal ein Vertreter am Pult steht? Und was dann auf die Fragen antworten?
2. Eine allgemeine Floskel ("unüberbrückbare Differenzen")? Provoziert weitere Fragen. Was drauf antworten? Außerdem: Tratsch greift ebenfalls.
3. Offene Lüge? Wird nicht lange halten. Siehe Tratsch.

Übrigens: Wenn die Berichterstattung der Pressestelle ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte war, dann war es der SZ-Artikel auch. Auch wenn der Name dort nicht genannt wurde: Identifizierbar ist der Mann angesichts der überschaubaren Zahl Münchener Domkapellmeister trotzdem.

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ar26
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ar26 »

Es mag ja sein, daß ein Domkapellmeister im Licht der Öffentlichkeit steht, daß betrifft aber nicht jede Facette seiner Person. Es hat eine Abwägung stattzufinden. Lesenswert hierzu das bekannte Caroline von Monaco Urteil. Letztlich kommt es aber darauf auch nicht an. Fragen der Sexualität betreffen regelmäßig den Intimbereich der eigenen Persönlichkeit. Der steht auch Prominenten zu. Im Unterschied dazu kann es aber sein, daß man über Prominente durchaus berichten darf, wer mit wem ausgeht. Bei uns Normalbürgern wäre schon das problematisch.

Die einzige Frage ist, ob der Laptop des Betreffenden auch in räumlicher Hinsicht Privatsphäre ist. Natürlich kann man das verneinen, da es sich um ein Arbeitsgerät handelt. Aber unter Zugrundelegung der Rechtssprechung des BVerfG:
Bundesverfassungsgericht hat geschrieben:Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, läßt sich nicht generell und abstrakt festlegen. Sie können vielmehr nur aufgrund der jeweiligen Beschaffenheit des Ortes bestimmt werden, den der Betroffene aufsucht. Ausschlaggebend ist, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein.


kann man sagen, wenn einer Dateien auf seinen Rechner lädt und sie dann löscht aber hierbei nicht gründlich genug ist (kein Eraserprogramm verwendet sondern nur Windoof) schafft trotzdem einen Privatbereich.
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Kilianus
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Kilianus »

ar26 hat geschrieben:Fragen der Sexualität betreffen regelmäßig den Intimbereich der eigenen Persönlichkeit. Der steht auch Prominenten zu. Im Unterschied dazu kann es aber sein, daß man über Prominente durchaus berichten darf, wer mit wem ausgeht.

Ok. Berichterstattung über Personen der Zeitgeschichte ist Deiner Meinung nach also nicht zulässig, sobald der Bereich der Sexualität berührt ist. Setze den Oberbürgermeister an Stelle des Domkapellmeisters. Was wäre dann?

Außerdem: Hier wird doch nicht über die Sexualität des Mannes als solche berichtet (was im Boulevard-Bereich ja durchaus vorkommt), sondern darüber, daß er seinen Job verloren hat. Der sexuelle Bereich ist zwar tangiert, aber er ist nicht der Kern der Berichterstattung. Ich kenne jede Menge analoge Fälle. Betriebsratschef eines großen Betriebs der öffentlichen Hand zum Beispiel, dem eine Kollegin sexuelle Belästigung vorwirft. Oder ein Bürgermeister, der anstößige Bilder über seine Dienst-E-Mail-Adresse verschickt hat. Auch da wurde identifizierend berichtet.

Nochmal: Wie hätten Pressestelle (und sämtliche Münchener Medien) Deiner Meinung nach mit dem Fall umgehen sollen?

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ar26
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ar26 »

Wenn man den eigenen Glauben wirklich ernst nehmen würde (passiert in der dt. Kirche eher selten heutzutage) hätte man dem Betreffenden ganz im Sinne von Jesu Worten an die Sünderin im Evangelium etwas anderes anbieten müssen, vielleicht verbunden mit einer geistlicher Einkehr, Exerzitien usw. Eine Änderungskündigung mit verringertem Aufgabenbereich oder dergleichen. Wenn das nicht möglich ist, dann muss man sich in der öffentlichen Mitteilung zumindest zurückhalten. Ergo: einvernehmliche Vertragsaufhebung aus persönlichen Gründen und Schluss.

Was den juristischen Teil angeht, so handelt es sich hier nicht um Meinung sondern um Rechtssprechung, deren Leitlinien ich unterstütze, da sie mit der katholischen Moral konform gehen. Zumindest muss man zu diesem Ergebnis kommen, wenn man auch in räumlicher Hinsicht Privatsphäre bejaht. Eine (strafbare) sexuelle Belästigung oder das Kund tun an Dritte per E-Mail ist da schon was anderes. Zudem muss man bedenken, daß es bei Beginn eines Strafverfahrens zu Recht aus anderen Gründen öffentlich wird. Hier gibt es aber keine Strafbarkeit!! Ich vermute zudem mal, der Kapellmeister hat dem Vertrag auch deswegen zugestimmt, weil er den öffentlichen Rummel vermeiden wollte, den ein Verfahren vor dem ArbG verursacht hätte.

Ergo ist der Sachverhalt auch beim OB nicht anders.

PS: Nur weil es gemacht wird, ist es noch lange nicht richtig oder legal. Oftmals werden sich die Betroffenen aber nicht wehren wollen.
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Kilianus
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Kilianus »

Es geht mir nicht um die Frage, wie man mit dem Mann in der Sache selbst umgegangen ist. Da teile ich jene Bedenken, die Du und Robert artikuliert haben.

Mir geht es ausschließlich um die Frage, wie Pressestelle/Medien mit der Situation umgehen sollen, nachdem die Entscheidung gefallen ist.

Deine Argumentation würde dazu führen, daß über die Entlassung einer Person der Zeitgeschichte nicht berichtet werden dürfte, falls ihr Dienstvergehen irgendwie den sexuellen Bereich berührt. Noch mal der Fall: Angenommen, der OB der Stadt M in B hätte seinen Dienst-Computer zur Speicherung porngraphischer Inhalte genutzt und damit gegen die Dienstvorschriften der eigenen Stadtverwaltung verstoßen. Deiner Argumentation zufolge düfte man zwar über denkbare Rücktrittsforderungen oder Disziplinarverfahren gegen den Mann berichten, dürfte aber niemals erwähnen, welcher Natur die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sind.

Deine Differenzierung zwischen strafrechtlicher und nichtstrafrechtlicher des Dienstvergehens kann ich an der Stelle nicht nachvollziehen. Auch über Straftäter muß ja nicht-identifizierbar berichtet werden.

Einen Verweis auf "persönliche Gründe" würde ich im konkreten Fall übrigens als schlichte Lüge einstufen. Immerhin gab es einen konkreten Verstoß gegen Dienstvorschriften.

Raimund J.
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Raimund J. »

Was mich bei solchen Geschichten vor allem immer "amüsiert" ist die Scheinheiligkeit der Saubermänner (u. -Frauen), die ja einerseits immer so liberal und modern sein wollen und andererseits dann jemand dafür öffentlich gesellschaftlich hinrichten weil er es nicht lassen konnte sich ein paar Bildchen anzuschauen und so dumm war sich dabei erwischen zu lassen.
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holzi
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von holzi »

Raimund Josef H. hat geschrieben:[...] weil er es nicht lassen konnte sich ein paar Bildchen anzuschauen und so dumm war sich dabei erwischen zu lassen.
Und genau diese Dummheit wird hier bestraft. Wobei hier wohl offenbar vorher schon etwas vorgefallen sein muss, sonst wäre allein deswegen noch kein so ein Aufhebens gemacht worden.

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ar26
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ar26 »

@ Kilianus

Dir ist sicher bekannt, daß über einem Gerichtsurteil "Im Namen des Volkes" steht, über einer Kündigung steht der Name des Arbeitgebers. Zum Wesen des Strafrechts gehört es, daß es allgemeine Rechtsgüter und das allgemeine Rechtsempfinden schützt. Gerichtsverhandlungen sind in aller Regel öffentlich. Da kann man hingehen und sich das anschauen.

In unserer Rechtsordnung hat die Kirche einen teilweise öffentlich-rechtlichen Charakter, im Arbeitsrecht ist sie Arbeitgeber mit besonderen Privilegien. Dort gilt Arbeitsrecht als besonderes Zivilrecht. Dienstrecht bei Beamten wiederum ist öffentliches Recht. Man muss eben zunächst die Entscheidung zwischen "inter omnes" = öffentliches Recht und "inter pares" = Zivilrecht treffen. Ich persönlich bin ja als Traditionalist gar kein Freund von freier Kirche in freiem Staat. In einem kath. Staat müsste ein derartiges Vergehen der kirchlichen Oberen (Bruch des 8. Gebotes) aber vorm souveränen Kirchengericht verhandelt werden. Das öffentliche Interesse in einem kath. Staat zielt ja auch auf die Einhaltung aller Gebote. Man erinnere sich zudem an die Gründe für die Einführung der geheimen Ohrenbeichte.

Nun ist aber in unserer Rechtsordnung das Verhältnis kirchlicher Arbeitgeber - kirchlicher Angestellter ein privatrechtliches Verhältnis. Schon daraus ergibt sich, daß Informationen, diesen Vertrag betreffend, nicht über die Vertragsparteien hinausgehen dürfen. Wer einen Kreditvertrag abschließt, will ja auch nicht, daß die Bank alle Einzelheiten des Kreditnehmers in die Welt hinausposaunt. Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde hingegen handelt es sich um ein internes Ermittlungsverfahren gegen einen Beamten. Dort steht zwar auf der einen Seite der Staat, mithin die Allgemeinheit, jedoch kann das Vergehen wohl noch kein öffentliches Interesse erheischen, wenn es nicht strafbar ist. Hier kann man aber möglicherweise anderer Ansicht sein. Es ist aber für den Fall nicht relevant.

Die Floskel persönliche Gründe kann alles und nichts heißen, daher ist sie keine Lüge. Der korrekte arbeitsrechtliche Terminus wäre "verhaltensbedingte Gründe".
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

ambo
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von ambo »

Also ich finde die ganze Diskussion artet etwas aus. Lest Euch mal den nachfolgenden Artikel durch, dann werdet ihr feststellen

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/505/454189/text/

das

a) von pornographischem Material im erheblichen Umfang die Rede ist - es geht hier wohl nicht um zwei Playboy-Bildchen

b) die Staatsanwaltschaft rund 3 Monate gebraucht hat, um festzustellen, dass sich nicht um Material handelt, dessen Besitz straftbar ist, d.H. implizit das "Material" war wohl von einer Art, die zumindest auf den ersten Blick an strafbare Handlungen denken läst

c) der Domkapellmeister, der oberste Kirchenmusiker des Bistums ist und Dienstvorgesetzter zahlreicher Mitarbeiter

d) er als Leiter der Schule auch die Verantwortung für die Ausbildung von rund 300 Kindern hat

und

e) ganz wichtig: Die gütliche Einigung im November zustande kam und dass Ordinariat eben sehr wohl dicht gehalten hat und nichts kommuniziert hat. (Man hat erzählt er sei krank)

Offensichtlich ist also, dass erst eine undichte Stelle die Presse munitioniert hat und dass Ordinariat dann mit der Pressemitteilung reagiert hat. Jetzt kann man natürlich spekulieren, wo diese undichte Stelle sitzt, aber die kann genauso im Ordinariat wie in der Staatsanwaltschaft sitzen.

Jedenfalls hat das Ordinariat sich m.E. absolut korrekt verhalten und musste dann um größeren Schaden von Bistum und Kirche abzuwenden die Fakten auf den Tisch packen. Hätte man das nicht getan hätte es wieder geheissen, die Kirche versuche einen Sex-Skandal unter den Tisch zu kehren. Im übrigen darf ich daran erinnern was im letzten Jahr für ein medialer Aufstand in München losbrach, als bekannt wurde, dass man barmherzigerweise dem "Sex-Priester" Rothe (Skandal in St. Pölten) eine Bewährungsstelle in München verschafft hatte?


Ich verstehe jetzt auch nicht warum hier auf einmal die grosse Mitleidstour für den DKM gefahren wird. Keiner von uns weiss doch, ob man nicht ihm irgendwelche anderen Möglichkeiten angeboten hat. Robert und ar 26 beschweren sich dass man den armen DKM "hinrichtet", aber ihr urteilt über das Ordinariat ohne zu wissen, welche Möglichkeiten zum Gespräch und zur Weiterbeschäftigung hier angeboten worden sind. Ich weiss es natürlich auch nicht, diese Dinge sind zu Recht vertraulich, nur masse ich mir kein Urteil darüber an. Ich halte dass Vorgehen des Ordinariates für sauber und keineswegs für scheinheilig.
Zuletzt geändert von ambo am Donnerstag 15. Januar 2009, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.

Kilianus
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Re: Nachrichten aus der Kirchenmusik-Szene

Beitrag von Kilianus »

ar26 hat geschrieben:Gerichtsverhandlungen sind in aller Regel öffentlich. Da kann man hingehen und sich das anschauen.
Was nichts daran ändert, daß eine identifizierende Berichterstattung grundsätzlich unzulässig ist. (Und auch nicht praktiziert wird.)
Dort steht zwar auf der einen Seite der Staat, mithin die Allgemeinheit, jedoch kann das Vergehen wohl noch kein öffentliches Interesse erheischen, wenn es nicht strafbar ist. Hier kann man aber möglicherweise anderer Ansicht sein. Es ist aber für den Fall nicht relevant.
Sähe ich mit Blick auf den OB anders. Und sehe ich angesichts der Prominenz des Domkapellmeisters auch in diesem Fall anders. Wenn man Deine Argumentation konsequent zu Ende dächte, dürfte unsere Diskussion hier übrigens auch nicht stattfinden.

Übrigens könnte die offensive Herangehensweise der Pressestelle die Lage für den Betroffenen sogar ein wenig entschärft haben. Der Münchener Boulevard hätte einen kirchlichen "Porno-Skandal" vermutlich mit Begeisterung noch höher gehängt, wenn er damit Vertuschungsvorwürfe gegenüber der Erzdiözese hätte verbinden können. (Ich verweise auf die Berichterstattung zu einem Münchnener Altenheim-Seelsorger, der aus einer österreichischen Diözese stammt...)

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