Kirchenmusiker = "Pastoralmusiker"?

Von Orgelpfeifen, Zimbelspielern und Kantoren.
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cantus planus
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Kirchenmusiker = "Pastoralmusiker"?

Beitrag von cantus planus »

Manchmal liest man einen Artikel, und hält ihn für nicht sonderlich relevant. Manchmal fallen einem dann beim zweiten Durchlesen doch noch einige Dinge auf. So ging es mir heute mit diesem Artikel hier:
The New Liturgical Movement hat geschrieben: The language of church musicians
posted by Arlene Oost-Zinner
I just happened upon a liturgy planning guide put out by a well known publisher of contemporary Catholic music. Instead of referring to musicians as church musicians, the term that is used again and again throughout the publication is "pastoral" musician. Yes, I know there is a national association of people who refer to themselves as pastoral musicians, but I had never spent time thinking about the term as such, and the effect this kind of language has on the way a musician views his role in the liturgy.

Not able to shake the question, I looked up some directives in the 2003 GIRM:

103. Among the faithful, the schola cantorum or choir exercises its own liturgical function, ensuring that the parts proper to it, in keeping with the different types of chants, are properly carried out and fostering the active participation of the faithful through the singing.87 What is said about the choir also applies, in accordance with the relevant norms, to other musicians, especially the organist.

And,

104. It is fitting that there be a cantor or a choir director to lead and sustain the people's singing. When in fact there is no choir, it is up to the cantor to lead the different chants, with the people taking part.

Then, to beg the question, I looked up a definition of pastoral, in case I was missing something. Here's what the Wikipedia says:

Pastoral, as an adjective, refers to the lifestyle of shepherds and pastoralists, moving livestock around larger areas of land according to seasons and availability of water and feed.

Now if I read the GIRM correctly, it seems the role of a musician is to serve the liturgy - to make sure that correct music is in place. Oh yes, and lead the singing. Seems clear enough. But add to that the term pastoral (I understand that the above needs to understood metaphorically) and I'm left wondering how the serious parish musician with sound training and dedication to the music and traditions of the Church, and with focus on the quality and beauty of the music he provides for the Mass, should suddenly be required to consciously provide for the vital needs of the many souls crying out for salvation at the same time.

Isn't that why we have pastors? Shouldn't pastors be the ones providing proper guidance to musicians (especially if we're seen as part of the faithful, as per the GIRM)and parishioners alike? Bottom line - isn't what happens at liturgy ultimately the responsibility of the pastor?
Arlene Oost-Zinner berichtet über den Terminus "Pastoralmusiker" (oder "pastoraler Musiker"), der in einer Publikation anstelle des Wortes "Kirchenmusiker" verwendet wird.
Zunächst nimmt sie sich die Anweisungen aus der Institutio Generalis Missalis Romani 2002 (in den USA vermutlich erst 2003 übersetzt?) vor, und dann mit der etymologischen Herkunft des Begriffes "pastoral" - unter diesem Stichwort findet man in der englischsprachigen Wikipedia einen anderen Artikel als in der deutschen.
Nach O.-Z.'s Meinung stellt die IGMR fest, dass der Kirchenmusiker in erster Linie Diener der Liturgie und für die korrekte Ausführung der musikalischen Dienste im Gottesdienst verantwortlich ist. Darüber sollte wohl Einigkeit bestehen.

Nun wirft O.-Z. die Frage auf, wie der "serious" (seriös, ernsthaft, ernstzunehmende?!) Kirchenmusiker bewusst und wissentlich ("consciously") den vielen Seelen, die nach Erlösung schrien, Unterstützung bieten kann. Sind für diese Aufgabe nicht die Geistlichen (pastor = Hirte) bestellt?

Es kann m. E. keine Frage sein, dass die Geistlichen zunächst und hauptsächlich für das Heil der Seelen innerhalb ihres Wirkungsbereichs zuständig sind. Aber ist es einem Kirchenmusiker tatsächlich nicht möglich, durch seine Tätigkeit die Geistlichen bei dieser Aufgabe zu unterstützen? Könnte man daher Kirchenmusiker auch mit Recht als "pastoral musicians" bezeichnen, wie in jener Publikation geschehen?

Da ich selber Kirchenmusiker bin, und zu diesem Thema natürlich viel sagen könnte, würden mich zunächst einmal eure Meinungen interessieren!
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Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Eine solche Bezeichnung würde ich zwar nicht unbedingt verwenden mögen, denn auch wenn ich ab und zu bei uns in der Gemeinde an der Orgel sitze, sehe ich mich doch in erster Linie als Teil der Herde.

In der Konstitution "Musicam Sacram" ist als eigentlicher Zweck der Musica sacra die „Verherrlichung Gottes und die Heiligung der Gläubigen“ genannt. Des weiteren wird darin aber auch ausdrücklich gesagt, daß „die Feierlichkeit des Ritus zu einer größeren pastoralen Wirkung führt“.

Der Kirchenmusiker ist also nach meinem Verständnis allenfalls ein Helfer in der Pastoral.
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cantus planus
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Re: Pastoralmusiker?

Beitrag von cantus planus »

Zu dieser Frage hier noch ein interessantes Zitat aus einem Beitrag von Joseph Kardinal Ratzinger zum 100. Jubiläum der Regensburger Kirchenmusikschule:
Joseph Kardinal Ratzinger: Kirchenmusikberuf als liturgischer und pastoraler Dienst
entnommen aus: „Im Angesicht der Engel“ – Von der Musik im Gottesdienst (Herder)

Ich möchte mein Thema in vier Thesen darstellen.
  • 1. These:
    Die Kirchenmusik stellt gemäß Art. 112 der Liturgiekonstitution des Vatikanum II einen „notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie“ dar.

    [...]
  • 2. These:
    Kirchenmusik ist demgemäß ihrem Wesen nach ein liturgischer, aber sie ist ebenso sehr ein musikalischer Akt.

    Sie ist den Gesetzen der Liturgie zugeordnet, aber sie ist liturgisch, indem sie das innere Wesen des Musikalischen dem Liturgischen einfügt. Damit sind zwei Extrempositionen abgewiesen: Abgewiesen ist einerseits eine nur ästhetische Vorstellung, die Musik und Liturgie je nur aus sich zu verstehen bereit ist, das Bindestrichwort Kirchen-Musik daher im Grund ablehnen muß und Musik als eine rein aus der künstlerischen Gesetzlichkeit zu vollziehende Aufgabe ansieht, die nur in einen zufälligen, aber nicht in einen inneren Zusammenhang mit der Liturgie tritt. Der Kirchenmusiker bräuchte dann nur Musiker zu sein, dessen Arbeitsstätte zufällig die Kirche ist, ohne daß eine innere Beziehung zum eigentümlichen Wesen der liturgischen Handlung gegeben wäre.

    Die Kehrseite dieser Auffassung geht vom gleichen Ausgangspunkt aus: Unmöglichkeit einer inneren Verbindung der zwei Wesenheiten Musik und Liturgie, diesmal aber in einer rein pastoralliturgischen Lösung, die Kirchenmusik nicht als Musik, sondern nur streng instrumental als Mittel liturgischen Handelns auffaßt. Musik bräuchte hier nicht musikalisch, sondern nur zweckdienlich liturgisch zu sein. Der Kirchenmusiker wäre reiner Liturge, für den es sogar eher schädlich wäre, allzu viel von Musik zu verstehen.

    Demgegenüber wird hier behauptet, die Liturgie sei so geartet, daß sie für Musik in ihrem Selbersein nicht nur offensteht, sondern dieses geradezu ruft; Frömmigkeit und Zweckdienlichkeit könne daher nicht an Stelle von innerer musikalischer Angemessenheit und Qualität treten, solche Vertauschung laufe vielmehr auf ein Mißverständnis auch der Frömmigkeit und der Liturgie hinaus. Zugleich wird der Standpunkt vertreten, auch Musik sei so beschaffen, daß sie nicht das reine l’art pour l’art verlange, um in ihrem wahren Wesen bestehen zu können, sondern dienende Einfügung in den Akt der gemeinschaftlichen Anbetung nicht nur zulasse, vielmehr ihrem Wesen gemäß daraufhin offen sei. Daraus folgen nun die dritte und die vierte These von selbst.
  • 3. These:
    Der Kirchenmusikberuf ist daher ein eigentlich liturgischer und pastoraler Beruf.

    Wenn in dem Wort Kirchen-Musik beider Worthälften in sensu forti gelten, wie eben ausgeführt, dann kann Kirchenmusik sachgemäß nur durch den vollzogen werden, der sie aus dem Wesen der Liturgie heraus versteht und sie selbst auf dieses Wesen hin treibt. Dann ist aber auch Kirchenmusik nicht nur ästhetisches Handeln am Rande der Kirche, sondern selbst liturgischer Dienst, womit sich zwei Mißverständnisse auflösen: Einerseits ist aus dem liturgischen Charakter der Kirchenmusik in Teilen der kirchlichen Überlieferung geschlossen worden, der Musiker als Liturge könne eigentlich kein Laie sein, woraus der Ausschluß der Frauen und sogar das Erfordernis von Weihestufen abgeleitet wurde.

    Hier steht man entweder vor der vorhin abgelehnten Funktionalisierung von Musik ins Bloß-Liturgische hinein oder vor einem Mißverständnis liturgischen Handelns, bei dem der Ganzheit der Kirche der Subjektcharakter in der Liturgie abgesprochen und auf die Kleriker zurückgezogen wird, oder vor einer Verbindung von beidem. Abzulehnen ist dann auch die völlige Trennung der Funktionen: weil musikalischer Dienst liturgischer Dienst ist, kann er sich sehr wohl als eine Form pastoralen und auch priesterlichen Dienstes vollziehen lassen. Kirchenmusik, die wahrhaft aus dem Anspruch der Liturgie vollzogen wird, ist eine Weise des Apostolats und dient dem Aufbau der Gemeinde.
  • 4. These:
    Kirchenmusikberuf ist aber auch ein eigentlich musikalischer Beruf und verlangt wirkliche musikalische Qualifikation.

    [...]
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