Maria in den Kirchen der Reformation

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Lutheraner
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Lutheraner »

Um mal wieder zum Thema zurückzukommen: Es wird von Katholischer Seite oft gefragt, woher es kommt, dass die Marienverehrung bei Protestanten nicht besonders ausgeprägt ist. Die Antwort darauf ist m.E. recht einfach: Der Mensch ist nicht selbstlos, er tut nur etwas, wenn er davon was hat. Katholiken glauben, dass die Jungfrau Maria und die anderen Heiligen sie beschützen, ihre Wünsche erfüllen und Wunder vollbringen können. Folglich lohnt es sich ja auch ihnen Verehrung zukommen zu lassen. Sie bekommen dafür eine Gegenleistung (am ausgeprägtesten ist diese Vorstellung bei den Gelübden: Man fordert vom Heiligen etwas und bietet ihm dafür eine Gegenleistung an. In manchen Sprachen heißt es auch wortwörtlich "ein Gelübde bezahlen").
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Lioba
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Lioba »

Da geht eigentlich in Richtung des kleinen Exkurses im C.S. Lewis-Strang.
Richtig ist deine Sicht insoweit, als ein Austausch auf Gegenseitigkeit meist intensiver ist.
Aber ob sich Frömmigkeit- egal von welcher Fraktion darin erschöpft?
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
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Torsten
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Torsten »

Lutheraner hat geschrieben:Die Antwort darauf ist m.E. recht einfach: Der Mensch ist nicht selbstlos, er tut nur etwas, wenn er davon was hat.
Eine wirklich protestantische Sicht der Dinge. Marienverehrung aus einer Art marktwirtschaftlicher Erwägung. So weit es mich betrifft, steckt dahinter ein gewisses Frauenbild, was ich habe. Und auch wenn das ständig mit der Realität kollidiert, so glaube ich dennoch, dass Frauen zu ihrem eigenen Weg berufen sind. Abseits von falschen Versprechen gleichberechtigter Teilhabe an einer Vater-Sohn-Geschichte.

Allons
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Allons »

Lutheraner hat geschrieben:Um mal wieder zum Thema zurückzukommen: Es wird von Katholischer Seite oft gefragt, woher es kommt, dass die Marienverehrung bei Protestanten nicht besonders ausgeprägt ist. Die Antwort darauf ist m.E. recht einfach: Der Mensch ist nicht selbstlos, er tut nur etwas, wenn er davon was hat. Katholiken glauben, dass die Jungfrau Maria und die anderen Heiligen sie beschützen, ihre Wünsche erfüllen und Wunder vollbringen können. Folglich lohnt es sich ja auch ihnen Verehrung zukommen zu lassen. Sie bekommen dafür eine Gegenleistung (am ausgeprägtesten ist diese Vorstellung bei den Gelübden: Man fordert vom Heiligen etwas und bietet ihm dafür eine Gegenleistung an. In manchen Sprachen heißt es auch wortwörtlich "ein Gelübde bezahlen").
Mnaja, ob das der richtige Ansatzpunkt ist um solch eine Frage zu beantworten ? Richtiger wäre es imho zu sagen, dass die Protestanten Maria als Mutter Gottes verehren, soweit die Bibel uns dafür die Basis gibt. Ihren ersten und letzten "Auftritt" als Fürsprecherin hatte sie demnach bei der Hochzeit zu Kanaan. Das hat zwar halbwegs geklappt, birgt aber angesichts der fortgeschrittenen Zeit nur geringe Hoffnung für heute.

Du kannst die Diskussion auch knapper gestalten indem du höflich sagst : "Wir vermeiden es, mit Toten zu sprechen". HG, Allons!

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ad-fontes
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Lutheraner hat geschrieben:Um mal wieder zum Thema zurückzukommen: Es wird von Katholischer Seite oft gefragt, woher es kommt, dass die Marienverehrung bei Protestanten nicht besonders ausgeprägt ist. Die Antwort darauf ist m.E. recht einfach: Der Mensch ist nicht selbstlos, er tut nur etwas, wenn er davon was hat. Katholiken glauben, dass die Jungfrau Maria und die anderen Heiligen sie beschützen, ihre Wünsche erfüllen und Wunder vollbringen können. Folglich lohnt es sich ja auch ihnen Verehrung zukommen zu lassen. Sie bekommen dafür eine Gegenleistung (am ausgeprägtesten ist diese Vorstellung bei den Gelübden: Man fordert vom Heiligen etwas und bietet ihm dafür eine Gegenleistung an. In manchen Sprachen heißt es auch wortwörtlich "ein Gelübde bezahlen").
Zum Teil mag das ja stimmen, aber das innige Verhältnis zur Gottesmutter allein aus Zweckgründen erklären zu wollen, geht an dem Eigentlichen vorbei:

Ich (Wir) liebe(n) die Allheilige einfach so, aus inniger Zuneigung.


Natürlich vertraue ich auch auf ihre Fürsprache.


Ich denke, das ist das Normale. Die ev. Beschäftigung mit Maria ist nach meinem Eindruck viel zu kopflastig, vielleicht sind auch zuviele Skrupel mit im Spiel, dadurch irgendwie Gott zu beleidigen.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Clemens
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Clemens »

Lutheraner hat geschrieben:Um mal wieder zum Thema zurückzukommen: Es wird von Katholischer Seite oft gefragt, woher es kommt, dass die Marienverehrung bei Protestanten nicht besonders ausgeprägt ist. Die Antwort darauf ist m.E. recht einfach: Der Mensch ist nicht selbstlos, er tut nur etwas, wenn er davon was hat. Katholiken glauben, dass die Jungfrau Maria und die anderen Heiligen sie beschützen, ihre Wünsche erfüllen und Wunder vollbringen können. Folglich lohnt es sich ja auch ihnen Verehrung zukommen zu lassen. Sie bekommen dafür eine Gegenleistung (am ausgeprägtesten ist diese Vorstellung bei den Gelübden: Man fordert vom Heiligen etwas und bietet ihm dafür eine Gegenleistung an. In manchen Sprachen heißt es auch wortwörtlich "ein Gelübde bezahlen").
Ich glaube, dass der Schwerpunkt der protestantischen Probleme mit Maria anders liegt:
- Anbetung gebührt nur Gott (und da katholische Marienfrömmigkeit von Prottis oft als Anbetung aufgefasst wird, sehen sie da das 1.Gebot schwerverletzt).
- Vermittlung durch Heilige (incl. Maria) bei der Anrufung Gottes ist schlicht überflüssig, da Gott selbst uns ja zuhört, wenn wir mit ihm reden. Wer diskutiert mit der Vorzimmerdame, wenn er freien Zutritt zum Chef hat? ;)
- Ein biblisches Argument für die Sinnfülle oder gar Notwendigkeit der Heiligenanrufung existiert nicht und Traditionsargumente sind Prottis idR. wurscht.
- Von manchen Hardlinern (meist Evangelikalen) wird Heiligenanrufung als Spiritismus bezeichnet, da Kontaktaufnahme mit Toten. So blödsinnig das auch ist, so ist es doch eine sehr weitverbreitete Ansicht.

Deshalb haben die allermeisten Protestanten massive Probleme mit der Marienfrömmigkeit und wenn ich Prottis frage, was an der RKK so schlimm ist, dass man sie so energisch ablehnen muss, kommt idR als wichtigstes Argument: die Mariologie.
BTW: Sollte je ein Miterlöserdogma kommen, wäre das aus prot. Sicht der Super-GAU (aus meiner Sicht übrigens auch).
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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Lutheraner
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Lutheraner »

Clemens hat geschrieben:Deshalb haben die allermeisten Protestanten massive Probleme mit der Marienfrömmigkeit und wenn ich Prottis frage, was an der RKK so schlimm ist, dass man sie so energisch ablehnen muss, kommt idR als wichtigstes Argument: die Mariologie.
Das geht mir eigentlich auch so. Ich sehe in den meisten Marien- und Heiligenwundergeschichten keinen Bezug zum Christentum. Ersetze "Maria" durch "Iemanja" oder eine andere heidnische Gottheit und ein heidnischer Priester kann die Geschichte wörtlich nacherzählen. Das ist ja nicht nur Volksfrömmigkeit, solche Geschichten kriegt man auch im Kath. Gottesdienst zu hören, mit dem Schlußsatz: "seht wie mächtig unsere Herrin ist".

Wie war das eigentlich zur Reformationszeit? Die Heiligen- und Marienverehrung spielte bei den Reformatoren weder in ihrer Kritik an der römischen Kirche, noch in ihrem Glaubensleben eine herausragende Rolle. War das schon immer ein primär südländisches Phänomen?
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Evagrios Pontikos
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Vielleicht eine kleine Ergänzung: Seitdem ich des Seligen Kardinals John Henry Newmans Brief an den hochwürdigen E. B. Pusey gelesen habe, leuchtet mir die Lehre von der unbefleckten Empfängnis Mariens und ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel, also ihr Status als Ersterlöste und Vollerlöste, ein. Ich kann diesen Brief allen Interessierten nur wärmstens empfehlen. Newman belegt dort schlüssig, dass die vornicänische Kirche Maria als die zweite Eva geglaubt hat, womit ihre Bewahrung vor der Erbsünde und ihre Erstvollendung impliziert ist. Was Eva verloren hat, hat Maria gewonnen. Eva brachte durch ihren Unglauben den Tod über die Menschheit, Maria brachte durch ihren Glauben das Leben, wurde zur wahren "Mutter alles Lebendigen" (vgl. Gen 3,20).

Der Glaube an Maria als zweite Eva wird von den hll. Justin, Tertullian und Irenäus bezeugt. Ihr Zeugnis ist voneinander unabhängig und lasst sich nur als apostolische Tradition erklären, das den Glauben der vornicänischen Kirche bezeugt. Viele andere heilige Väter der Kirche (Newman führt Texte von Cyrillus von Jerusalem, Ephräm dem Syrer, Epiphanius, Hieronymus, Augustinus, Petrus Chrysologus und Fulgentius an) haben die Eva-Maria-Typologie der vornicänischen Zeit aufgegriffen und dann weiter entfaltet.

Wesenszug des vornicänischen Zeugnisses und seiner Entfaltung durch die eben genannten Väter ist, dass sie eine völlige Entsprechung von Eva und Maria glauben. Das ist wichtig. Denn in dieser Entsprechung ermöglicht, ja bewirkt nach deren Zeugnis Maria durch ihre Tugenden die Erlösung! Eine für Protestanten häretische Vorstellung. Die Väter hatten damit keine Probleme. Wichtig für die Väter war, dass Maria nicht bloß das Fleisch geliefert hat, mit dem sich der göttliche Logos vereinigt hat, sondern dass sie in einem liebenden Ja sich selber zurückgenommen hat und dem Gottessohn in sich Raum gab. Diesen Glauben haben übrigens auch jene Väter gehabt, die gerne als Beleg gegen eine Bewahrung Mariens vor der Erbsünde herangezogen werden. Newman geht hierbei konkret auf den hl. Johannes Chrysostomos ein.

Ganz anders ist dies bei Martin Luther. Trotz aller Hochschätzung Mariens ist diese für ihn nur Lieferantin der Menschennatur Christi, bloßes Werkzeug der Erlösung, passiv. Obwohl Luther ihren Glauben hoch preist und auch lange an der Lehre der unbefleckten Empfängnis festgehalten hat, kommt Maria dadurch bloß auf der Seite aller übrigen Gläubigen zu stehen. Ihr für die Väter spezifischer Charakter, ihre Tugend, ihr liebendes Ja zu Gottes Plan geht unter. Dadurch aber, so behaupte ich, wird die Jungfräulichkeit Mariens und die Jungfrauengeburt für die Christologie prinzipiell entbehrlich, was dann die aufklärerische Theologie folgerichtig und konsequent durchgeführt hat. Sie wird zum biblizistischen Relikt der Konservativen, verliert aber ihren unabdingbaren Charakter. Mir ist das bei Edmund Schlink und seiner Ökumenischen Dogmatik aufgefallen. Schlink, ein konservativer lutherischer Theologe, der höchstes Ansehen in der Ökumene genoss, rückt die Jungfrauengeburt dort theologisch in die zweite Reihe. Mich hat dies damals erstaunt. Heute verstehe ich, warum er so denken muss.

Maria ist für die Alte Kirche also die zweite Eva, und zwar in einer völligen Entsprechung, auch was den Ursprung angeht. Anderslautende Zeugnisse (die hll. Basilius, Chrysostomus und Cyrillus; es sind also gar nicht sehr viele!), die durchweg deutlich nach den vornicänischen Zeugen belegt sind, erklärt Newman plausibel als Traditionen, die auf arianische Einflüsse zurückgehen.

Für Protestanten ist nun interessant, dass auch das NT schon diese Typologie Eva-Maria kennt. Man denke an die betonte Nennung von Maria als "Frau" im Johannesevangelium, wobei besonders auf die Kreuzesszene hingewiesen werden soll, wo der Herr seine Mutter zur Mutter der Kirche macht. Denn der Jünger, den Jesus liebhat, steht im Johannesevangelium ja nicht bloß für den historischen Johannes, sonder auch für die Kirche. Oder Gal 4,4-6 ist zu nennen, ein Text, der geradezu die Erfüllung des Protoevangeliums Gen 3,15 darstellt.
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Dienstag 18. Januar 2011, 13:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Marcus
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Marcus »

Clemens hat geschrieben:[Deshalb haben die allermeisten Protestanten massive Probleme mit der Marienfrömmigkeit und wenn ich Prottis frage, was an der RKK so schlimm ist, dass man sie so energisch ablehnen muss, kommt idR als wichtigstes Argument: die Mariologie.
BTW: Sollte je ein Miterlöserdogma kommen, wäre das aus prot. Sicht der Super-GAU (aus meiner Sicht übrigens auch).

Eher aus evangelikaler Sicht. Manche der feministischen Theologinnen sowie sog. „liberale Christen“ würden sich wahrscheinlich zumindest darüber freuen, dass das weibliche Geschlecht damit objektiv auf einer ähnlichen Stufe bei der Erlösung wie das männliche Geschlecht gestellt wird.

In einem heidnischen Forum, auf das ich eher zufällig stieß, meinte eine Userin noch, Maria sei Teil der Trinität und damit jetzt schon göttlich. Entweder hat sie sich mit dem Katholizismus aus Koransicht befasst oder die Marienfrömmigkeit ihrer katholischen Mitmenschen entsprechend interpretiert. Da hilft wohl wirklich nur noch eine ordentliche Katechese. Mir wollte übrigens auch mal ein ehemaliger Katholik erklären – bitte festhalten – dass nach katholischer Lehre Hostie und Wein Christi Leib und Blut symbolisieren sollen. Darum kann ich es mir gut vorstellen, dass in Lateinamerika, wo mancherorts vielleicht auf einen Priester 50.000 Glieder kommen, in Wirklichkeit die alte Religion bloß unter einem neuen Namen praktiziert wird. Darum haben es die Evangelikalen dort auch mit ihrer Propaganda, Katholiken würden heidnischen Götzendienst praktizieren, recht einfach. Und das kostet der RKK dann auch letztlich etliche Glieder, die gute Christen sein wollen und daher den jetzt Katholizismus ablehnen, gar meinen, ihn „bekämpfen“ zu müssen. Lutheraner, der ja brasilianische Vorfahren hat und daher auch oft in Brasilien zu Besuch ist, wird vermutlich bei seiner Kritik an der „katholischen“ Marienfrömmigkeit auch seine dortigen Erfahrungen berücksichtigen.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Stephen Dedalus
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Stephen Dedalus »

Lutheraner hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:Deshalb haben die allermeisten Protestanten massive Probleme mit der Marienfrömmigkeit und wenn ich Prottis frage, was an der RKK so schlimm ist, dass man sie so energisch ablehnen muss, kommt idR als wichtigstes Argument: die Mariologie.
Das geht mir eigentlich auch so. Ich sehe in den meisten Marien- und Heiligenwundergeschichten keinen Bezug zum Christentum.
Das kann ich nicht bestätigen - allerdings ist zuzugeben, daß ich die Marienverehrung eher in einem anglikanischen als in einem rk-Kontext kennengelernt habe. Meine Erfahrung bei entsprechenden Gottesdiensten oder Wallfahrten (wie etwa in Walsingham) ist durchwegs, daß es sehr christozentrisch zugeht und Maria nicht überhöht wird, sondern immer in ihrer Rolle als Hinweisende auf Christus gesehen und verehrt wird.
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Allons
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Allons »

Clemens hat geschrieben: BTW: Sollte je ein Miterlöserdogma kommen, wäre das aus prot. Sicht der Super-GAU (aus meiner Sicht übrigens auch).
Mmmm, weiß ich nicht ob dass der Super GAU wäre. Die meisten würden nur sagen "Wir habens doch gleich gewußt.." und gänzlich neu ist der Gedanke ja nicht wie man bei Evagrios Pontikos schon in Umrissen erkennen kann. Und da alles auch etwas Gutes hat, es würde aus dem filioque Streit mit der Orthodoxie viel Dampf rauslassen.. ;D Grüße, Allons!

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ad-fontes
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:Deshalb haben die allermeisten Protestanten massive Probleme mit der Marienfrömmigkeit und wenn ich Prottis frage, was an der RKK so schlimm ist, dass man sie so energisch ablehnen muss, kommt idR als wichtigstes Argument: die Mariologie.
Das geht mir eigentlich auch so. Ich sehe in den meisten Marien- und Heiligenwundergeschichten keinen Bezug zum Christentum.
Das kann ich nicht bestätigen - allerdings ist zuzugeben, daß ich die Marienverehrung eher in einem anglikanischen als in einem rk-Kontext kennengelernt habe. Meine Erfahrung bei entsprechenden Gottesdiensten oder Wallfahrten (wie etwa in Walsingham) ist durchwegs, daß es sehr christozentrisch zugeht und Maria nicht überhöht wird, sondern immer in ihrer Rolle als Hinweisende auf Christus gesehen und verehrt wird.
Muß man Maria immer in ihrer Funktion sehen?

Muß man immer bemüht sein, bloß nicht den christologischen Bezug aus den Augen zu verlieren?


Darf man Maria nicht als Menschen an sich lieben und verehren? (Auch wenn sie ohne Gottes Ratschluß und ihrem fiat heute wohl vergessen wäre.)
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Allons
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Allons »

ad-fontes hat geschrieben:Muß man Maria immer in ihrer Funktion sehen?
Muß man immer bemüht sein, bloß nicht den christologischen Bezug aus den Augen zu verlieren?
Darf man Maria nicht als Menschen an sich lieben und verehren? (Auch wenn sie ohne Gottes Ratschluß und ihrem fiat heute wohl vergessen wäre.)
Lieber ad-fontes, müssen tun wir sterben. Klaro: man kann den christologischen Bezug aus den Augen verlieren und Maria zu mehr machen als sie es vermutlich je gewesen ist. Ich freue mich auch dass Du Menschen bzw. Frauen an sich liebst und verehrst. Nur: Wozu dann den ganzen Aufwand bzw. warum wundert Ihr euch, dass wir uns da anders orientieren? Grüße, Allons!

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Lutheraner
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Lutheraner »

ad-fontes hat geschrieben:Muß man immer bemüht sein, bloß nicht den christologischen Bezug aus den Augen zu verlieren?
Ja, das muss man. Ich kenne Katholiken, die man nur schwerlich als Christen einstufen kann, die aber zum Hl. Antonius beten, wenn sie etwas verlieren und der Jungfrau Maria gegenüber Gelübde (als Tauschgeschäft) ablegen, wenn sie ein größeres Problem haben. Da ist der Heilige schon längst zum Götzen geworden.
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Evagrios Pontikos
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Allons hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben: BTW: Sollte je ein Miterlöserdogma kommen, wäre das aus prot. Sicht der Super-GAU (aus meiner Sicht übrigens auch).
Mmmm, weiß ich nicht ob dass der Super GAU wäre. Die meisten würden nur sagen "Wir habens doch gleich gewußt.." und gänzlich neu ist der Gedanke ja nicht wie man bei Evagrios Pontikos schon in Umrissen erkennen kann. Und da alles auch etwas Gutes hat, es würde aus dem filioque Streit mit der Orthodoxie viel Dampf rauslassen.. ;D Grüße, Allons!
"Miterlöserdogma" ist natürlich ein schwieriges Wort. Es ist zu plakativ und grell. Was wäre Miterlösung konkret? Wenn Eltern intensiv für ihren missratenen Sohn beten und der schließlich zum Glauben findet und schlussendlich gerettet wird - sind die Eltern dann Miterlöser? In gewisser Weise ja! Den Begriff Miterlöser in einem völlig ausschließenden Sinne kann nur jemand ablehnen, der eine Prädestinationslehre vertritt, in der alles menschliche Mitwirken in einer marionettenhaften Weise von Gott gewirkt ist. Dann wäre ernstes Beten nur eine virtuelle Sache, die letztlich im Wirken Gottes gründet, der wie ein Puppenspieler die Menschen am Faden hat.

Wenn man die Väterstellen anschaut, die Newman in seinem oben von mir angeführten Brief an Pusey heranzieht, dann merkt man sehr deutlich, dass jene Väter von einer Mitwirkung Marias am Heil sprechen. Z.B. Tertullian: "Was die eine durch den Glauben [ihr Vertrauen dem Teufel gegenüber] gefehlt hatte, löschte die zweite durch ihren Glauben [ihr Vertrauen Gott gegenüber] aus". Oder von Irenäus zitiert Newman sehr viele Texte. Ein besonders deutlicher Satz: "Und da durch eine Jungfrau [d.h.: Eva] das Menschengeschlecht dem Tode überliefert worden war, so wurde es auch durch eine Jungfrau gerettet; der Ungehorsam einer Jungfrau wurde durch den Gehorsam einer Jungfrau aufgewogen". Irenäus nennt Maria in jenem Zusammenhang auch Fürsprecherin [!!] der Jungfrau Eva. (Für die Väter war es nicht unwichtig, dass Eva bei der Verführung durch die Schlange noch Jungfrau war!) Oder Augustinus: "Durch ein Weib der Tod, durch ein Weib das Leben", an anderer Stelle von Augustinus dann entfaltet mit ironischer Wendung: der Teufel sollte durch die Erlösung von beiden Seiten gequält werden, von der männlichen (durch Christus) und von der weiblichen (durch Eva), weil dieser die Freude des Falles beider Geschlechter genossen hätte.

Was ich damit sagen will: Der Begriff der Miterlöserin muss näher bestimmt werden. Denn die Lehre der Väter ist ja, dass auch Maria der Erlösung bedürfte, nur eben, dass Gott sie im Moment der Empfängnis vor der Erbsünde bewahrte, nämlich sola gratia um der zukünftigen Erlösung durch Christus willen. D.h. auch die Erlösung Mariens gründet in der von Christus vollbrachten Erlösung. Luther hat das lange Zeit auch so gesehen. Und in jüngerer Zeit gab es weitere evangelische Theologen, die sich dieser Lehre anschlossen, so R. Schimmelpfennig und M. Thurian.

Insofern habe ich keine Angst, dass die katholische Kirche ein Dogma verkünden würde, das im Widerspruch zur Väterlehre stehen würde und die Erlösungsbedürftigkeit Mariens leugnete. So sagt ja auch das Dogma von 1854, dass Maria "durch ein einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jedem Makel der Erbsünde rein bewahrt blieb". Hier wird ja klar von Christus als dem Erlöser des Menschengeschlechtes und somit auch Mariens gesprochen. Im Hinblick auf seine Verdienste, also nicht aus sich heraus, wurde Maria vor der Erbsünde bewahrt. D.h. Maria ist der Anfang der neuen Menschheit, der Anfang der Kirche. Sie gehört ganz auf die Seite der Menschen, weil sie ganz von der Gnade Gottes abhängt und herkommt. Es wäre verkehrt, sie auf die Seite Gottes, womöglich noch als vierte Person in Gottes Dreieinigkeit, hinüberschieben zu wollen.

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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Allons »

Lutheraner hat geschrieben:Ich kenne Katholiken, die man nur schwerlich als Christen einstufen kann
Das ist doch eigentlich genau der Stil, den wir uns hier immer verbitten, oder wie meinst Du das mit dem "schwerlich als Christen einstufen kann"? LG, Allons!

Stephen Dedalus
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Stephen Dedalus »

Der Kern liegt in der Unterscheidung von Mitwirkung und Miterlösung.

Der Begriff der 'Miterlösung' durch Maria muß abgelehnt werden, denn Erlöser ist nur einer: Gott selbst.

Daß aber die Verwirklichung des Heilsplanes Gottes, seine Heilsökonomie, das Wirken (eben Mitwirken) von Menschen einschließt, kann nicht geleugnet werden. Maria ist deshalb Mitwirkende im Heilsplan Gottes, von ihm durch seine Gnade für dieses Mitwirken bereitet. Ihre besondere Rolle kann nicht genug hervorgehoben werden, jedoch ist sie von der des Erlösers zu trennen.
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Lutheraner »

Allons hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Ich kenne Katholiken, die man nur schwerlich als Christen einstufen kann
Das ist doch eigentlich genau der Stil, den wir uns hier immer verbitten, oder wie meinst Du das mit dem "schwerlich als Christen einstufen kann"? LG, Allons!
Naja, in diesem Forum würde man sie als Taufscheinchristen oder ähnliches bezeichnen. Aber das trifft es nicht ganz.
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Lutheraner »

Clemens hat geschrieben:- Von manchen Hardlinern (meist Evangelikalen) wird Heiligenanrufung als Spiritismus bezeichnet, da Kontaktaufnahme mit Toten. So blödsinnig das auch ist, so ist es doch eine sehr weitverbreitete Ansicht.
In einem anderen Thread dieses Forums habe ich heute gelesen, dass ein Bischof der verstorbenen Hildegard von Bingen untersagt haben soll, weiterhin Wunder zu wirken. Das geht doch schon stark in die Richtung.
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Der Kern liegt in der Unterscheidung von Mitwirkung und Miterlösung.

Der Begriff der 'Miterlösung' durch Maria muß abgelehnt werden, denn Erlöser ist nur einer: Gott selbst.

Daß aber die Verwirklichung des Heilsplanes Gottes, seine Heilsökonomie, das Wirken (eben Mitwirken) von Menschen einschließt, kann nicht geleugnet werden. Maria ist deshalb Mitwirkende im Heilsplan Gottes, von ihm durch seine Gnade für dieses Mitwirken bereitet. Ihre besondere Rolle kann nicht genug hervorgehoben werden, jedoch ist sie von der des Erlösers zu trennen.
Und vor allem: sie ist ganz und gar Mensch!
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Lutheraner hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Muß man immer bemüht sein, bloß nicht den christologischen Bezug aus den Augen zu verlieren?
Ja, das muss man. Ich kenne Katholiken, die man nur schwerlich als Christen einstufen kann, die aber zum Hl. Antonius beten, wenn sie etwas verlieren und der Jungfrau Maria gegenüber Gelübde (als Tauschgeschäft) ablegen, wenn sie ein größeres Problem haben. Da ist der Heilige schon längst zum Götzen geworden.
Wenn das so ist, gebe ich dir Recht: ohne Christus ist das alles vergebliche Liebesmüh. Ich meine ja nur, man muß nicht immer kognitiv-reflektiv den Gesamtbezug auf Gott für sich durchkauen, bevor man ein "Maria, hilf!" spricht.

Einfach etwas unbefangener; aber zugleich Gott nicht aus dem Blick geraten lassen; Er ist das Ziel und das Zentrum und ihm alleine gebührt die Anbetung.
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Der Glaube an Maria als zweite Eva.
Vielleicht liegt der Grund der Zuneigung zu Maria nicht so sehr darin, sondern daß sie das Urbild der Kirche, ja in gewisser Weise die Kirche ist (als Realsymbol sozusagen).

So sehr ich mich auch bemühe die Heilige A. und die Heilige B. (fangen wirklich mit diesem Buchstaben an) zu lieben, es funktioniert nicht, weil Liebe eben doch kein Willensakt ist; - wie ich jetzt einfach mal so aus dem Bauch heraus behaupte.
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Allons »

ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Der Glaube an Maria als zweite Eva.
Vielleicht liegt der Grund der Zuneigung zu Maria nicht so sehr darin, sondern daß sie das Urbild der Kirche, ja in gewisser Weise die Kirche ist (als Realsymbol sozusagen).
Die real existierende Kirche würde dann also im real existierenden Leib Mariens inkorporiert. Ein schöner Gedanke afaik. Grüße, Allons!

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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Allons hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Der Glaube an Maria als zweite Eva.
Vielleicht liegt der Grund der Zuneigung zu Maria nicht so sehr darin, sondern daß sie das Urbild der Kirche, ja in gewisser Weise die Kirche ist (als Realsymbol sozusagen).
Die real existierende Kirche würde dann also im real existierenden Leib Mariens inkorporiert. Ein schöner Gedanke afaik. Grüße, Allons!
Die Kirche ist Fleisch von ihrem Fleisch. :)
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Clemens »

Lutheraner hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:- Von manchen Hardlinern (meist Evangelikalen) wird Heiligenanrufung als Spiritismus bezeichnet, da Kontaktaufnahme mit Toten. So blödsinnig das auch ist, so ist es doch eine sehr weitverbreitete Ansicht.
In einem anderen Thread dieses Forums habe ich heute gelesen, dass ein Bischof der verstorbenen Hildegard von Bingen untersagt haben soll, weiterhin Wunder zu wirken. Das geht doch schon stark in die Richtung.
Ich kenne diese Geschichte nicht und habe sie im verlinkten Thread bei oberfächlichem Durchschauen auch nicht gefunden. Sei`s drum:
Hat jener Bischof die heilige Hildegard herbeschworen (wie die Hexe den Samuel), um ihr das mitzuteilen?
Oder hat er seine Botschaft sozusagen in den heiligen Raum gerufen (wie ein Gebet) in der Annahme, dass sie es schon hören wird?
Ersteres wäre in der Tat Spiritismus, letzteres eher eine eigenartige Vorstellung von der Reichweite der eigenen Autorität.
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

Evagrios Pontikos
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Clemens hat geschrieben:... herbeschworen (wie die Hexe den Samuel) ...
Das ist in der Tat ein wichtiger Gesichtspunkt, der sich übrigens auch auf das Gebet zu Gott anwenden ließe: Ein Gebet, das sich Gottes habhaft machen möchte, wäre auch äußerst problematisch. Demgegenüber ist der Umgang mit den Heiligen ja ein anderer: sie sind die vollendeten Mitbrüder und Mitschwestern im Leib Christi, in welchem ein Glied das andere trägt und ein Glied mit dem anderen leidet. Dergestalt ist auch der Charakter der Anrufung der Heiligen: eben kein Herbeibeschwören, sondern eine brüderliche Bitte um Hilfe und Fürbitte.

Auch als Evangelische, die vielleicht die Anrufung der Heiligen nicht praktizieren (aber auch nicht verteufeln sollten!), täte es uns gut, uns in eine reale Hausgenossenschaft mit den Heiligen einzuüben. Viele Evangelische denken an die Heiligen als bloße historische Gestalten, also als historischen Gegenstand, als historisches Objekt. Das ist fatal. Aus liebender Gemeinschaft des Leibes Christi wird so ein Subjekt-Objekt-Verhältnis. Die Heiligen sind keine historischen Gegenstände, Vergangenheit, sondern lebendige Gegenwart. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass deshalb in der Alten Kirche nirgends ein Bruch aufzuweisen ist, wo das Gedenken der Märtyrer in ein explizites Anrufen derselben übergegangen ist. Denn die Alten lebten auch schon in neutestamentlichen Zeit in diesem Bezug der lebendigen Gegenwart mit den "vollendeten Geistern der Gerechten" (Hebr 12,23). Einen Umbruch weg von der liebenden Gemeinschaft hin zu einem Subjekt-Objekt-Verhältnis hätten sie als unnatürlich und der Sache nicht angemessen empfunden.

Das haben die Reformatoren leider nicht mehr verstanden. Zwar feierten sie weiterhin die Heiligenfeste, aber für sie wurden die Heiligen historische Größen, Objekte der Geschichte, an denen der Glaube erinnert werden konnte. Dies bedeutete aber eine Pädagogisierung der Heiligenfeste. Das aber war ein Paradigmenwechsel im Vergleich mit der Alten Kirche.

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ad-fontes
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

ad-fontes hat geschrieben:
Allons hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Der Glaube an Maria als zweite Eva.
Vielleicht liegt der Grund der Zuneigung zu Maria nicht so sehr darin, sondern daß sie das Urbild der Kirche, ja in gewisser Weise die Kirche ist (als Realsymbol sozusagen).
Die real existierende Kirche würde dann also im real existierenden Leib Mariens inkorporiert. Ein schöner Gedanke afaik. Grüße, Allons!
Die Kirche ist Fleisch von ihrem Fleisch. :)
Das Fleisch des inkarnierten Logos.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Allons »

ad-fontes hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Allons hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Der Glaube an Maria als zweite Eva.
Vielleicht liegt der Grund der Zuneigung zu Maria nicht so sehr darin, sondern daß sie das Urbild der Kirche, ja in gewisser Weise die Kirche ist (als Realsymbol sozusagen).
Die real existierende Kirche würde dann also im real existierenden Leib Mariens inkorporiert. Ein schöner Gedanke afaik. Grüße, Allons!
Die Kirche ist Fleisch von ihrem Fleisch. :)
Das Fleisch des inkarnierten Logos.
Moment, ich komme durcheinander - wer ist jetzt Fleisch von wem im Verhältnis Kirche - Christus - Maria?

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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Die Kirche ist der Leib Christi. Christus hat seinen Leib (besser: sein Fleisch, seine menschliche Natur) von Maria her.

Indem die Kirche Leib Christi ist, hat sie ihren materiellen Urgrund in Maria, der neuen Eva.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Stephen Dedalus
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Stephen Dedalus »

Und in der Eucharistie empfangen wir - genau: Den Leib Marias. :daumen-rauf:

Ab Sonntag will ich blaue Hostien!
If only closed minds came with closed mouths.

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ad-fontes
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von ad-fontes »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Und in der Eucharistie empfangen wir - genau: Den Leib Marias. :daumen-rauf:

Ab Sonntag will ich blaue Hostien!
1. Maria ist der Tempel Gottes.
2. Auch die Kirche ist sein Tempel, erbaut aus lebendigen Steinen.
3. Gott wohnt in seinem Tempel.

Das heißt er zieht ein, vereinigt sich mit diesem seinem Heiligtum und vergöttlicht die Steine (= das irdische Fleisch, Maria und die übrigen Heiligen), indem er sich selber als Speise darbietet.
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Evagrios Pontikos
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Re: Maria in den Kirchen der Reformation

Beitrag von Evagrios Pontikos »

ad-fontes hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:Und in der Eucharistie empfangen wir - genau: Den Leib Marias. :daumen-rauf:

Ab Sonntag will ich blaue Hostien!
1. Maria ist der Tempel Gottes.
2. Auch die Kirche ist sein Tempel, erbaut aus lebendigen Steinen.
3. Gott wohnt in seinem Tempel.

Das heißt er zieht ein, vereinigt sich mit diesem seinem Heiligtum und vergöttlicht die Steine (= das irdische Fleisch, Maria und die übrigen Heiligen), indem er sich selber als Speise darbietet.
Halt, halt! Die Meinung der Anwesenheit Marias in der Eucharistie hat es tatsächlich gegeben! Sie wurde in der römischen Kirche (und von J.H. Newman in seinem berühmten Brief an Pusey) immer zurückgewiesen.

Zum Verhältnis von Maria und Kirche: Im Moment des fiat hat der göttliche Logos in Maria Fleisch angenommen. In jenem Moment war Maria quasi die "Kirche im Ursprung" (so der Titel eines Buches von H.U. v. Balthasar und J. Ratzinger). Sie trug in jenem Moment den Menschgewordenen, und somit die Kirche als dessen Leib, in sich. Und doch war der Menschgewordene bis zu seiner Geburt quasi ein Teil Marias, obwohl er natürlich von Anfang an eine eigene Person war und von Ewigkeit her ist. Wir sind Glieder der Kirche als Glieder am Leib Christ, indem wir Gott zum Vater und Maria zur Mutter haben.

Konnte das die lutherische Reformation auch so sagen? Die Kirche als unsere Mutter war immer unbestritten. Ob der Bezug zu Maria auch gesehen wurde, weiß ich nicht. Von Lk 1-2, wo Maria sehr deutlich als Tochter Zion gezeichnet wird, könnte ich mir das aber auch bei Luther durchaus vorstellen, wenn auch eher in einer symbolischen Deutung. Müsste mal in meiner Walch-Ausgabe nachforschen. Aber vielleicht weiß jemand näheres dazu?

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