Judenmission

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Miserere Nobis Domine
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Re: Judenmission

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Raphael hat geschrieben: Da hätt' ich dann auch noch 'ne scholastische Gegenfrage: Warum gibt es dann bspw. das zweite mosaische Gebot? :hmm:

Wenn Gott - so wie es Deinen Worten zu entnehmen war - gar nicht beleidigt werden kann, dann könnten die Menschen doch auch völlig regellos mit seinem Namen umgehen, oder? :traurigtaps:
Es schadet nicht Gott, sondern die Menschen schaden sich selbst, wenn sie Gottes Namen missbrauchen, da sie sich dadurch von ihm entfernen. Da wir als Bild Gottes erschaffen sind, verkehren wir unser eigenes Wesen, wenn wir mit den Namen Gottes unnütz führen.

Miserere Nobis Domine
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Re: Judenmission

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Marion hat geschrieben:Es geht ums beleidigen, nicht ums beleidigt sein.
Doch, darum ging es. Braucht Gott das Opfer seines Sohnes, weil er beleidigt ist? Ich meine nein.

Natürlich möchte ich keinesfalls bestreiten, dass Menschen fähig sind, sich unangemessen, ja brutal, gegenüber Gott zu verhalten.

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ChrisCross
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Re: Judenmission

Beitrag von ChrisCross »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Marion hat geschrieben:Es geht ums beleidigen, nicht ums beleidigt sein.
Doch, darum ging es. Braucht Gott das Opfer seines Sohnes, weil er beleidigt ist? Ich meine nein.

Natürlich möchte ich keinesfalls bestreiten, dass Menschen fähig sind, sich unangemessen, ja brutal, gegenüber Gott zu verhalten.
Anselm meint, dass Opfer ist notwendig, da der Mensch sich durch die Beleidigung Gottes (Du weißt, wie ich das meine) eine Strafe zuzieht, die ihn ewig verdammen müsste. da Gott der Gerechte ist, muss er diese Strafe auch anwenden. Nun ist Gott aber auch die Liebe und will den Menschen retten. Was bleibt also: Es muss ein stellvertretendes Sühneopfer dargebracht werden, damit der Mensch erlöst wird.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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ChrisCross
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Re: Judenmission

Beitrag von ChrisCross »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
ChrisCross hat geschrieben: Dieser Herr hat nur mittels natürlicher Vernunft bewiesen, was aus der Heiligen Schrift ohnehin klar ist und seit jeher in der heiligen Messe gegenwärtig wird
Schauen wir mal in den Urtext, dort wo bei dir in den deutschen Texten tatsächlich etwas mit Sühne vorkommt:
Römer 3:25 ἱλαστήριον
Dieses Wort erscheint bereits mehrfach in der Septuaginta, dort als Übersetzung des hebräischen כפורת. Luther übersetzte dies im AT mit "Gnadenstuhl", etymologisch kommt es von der Wurzel כפר , was bedecken oder säubern bedeutet. Es handelt sich beim Gnadenstuhl um ein Objekt auf der Bundeslade im Tempel Salomons, das die Quelle der Gnade Gottes darstellte. Dass Paulus diesen alttestamentlichen Begriff für Jesus Christus verwendet, bedeutet als nicht, dass er die Sühnetheologie Anselms vorwegnahm. Stattdessen will er damit ausdrücken, dass Jesus Christus die Quelle der Gnade und der Reinigung ist.

Übrigens findet sich in der byzantinischen Kirchenarchitektur, die sich an Salomons Tempel anlehnt, auch eine Ikone über dem Altar, die als neustestamentlicher Gnadenstuhl bezeichnet wird: diese stellt nicht die Sühne am Kreuz, sondern die Inkarnation Christi dar (Maria mit Jesuskind).

Hebräer 2:17 ἱλάσκεσθαι
Dieses Verb ist von der selben Wurzel, steht interessanterweise in der Form des Mediums. Damit kommt zum Ausdruck, dass Christus sich selbst freiweillig hingibt.

Zu Jesaja 53: Da gibt es Fehler im masoretischen Text. Siehe http://www.oodegr.com/english/swthria/antilytron_4.htm (auf englisch).
Schau einmal bitte in ein gescheites Wörtberbuch. Überall wirst du Sühne finden. Gerade Luther als Meister der Textverdrehung hie zu zitieren beweist einiges.

Den Teil zu Jesaja habe ich mir nicht mehr genauer angesehen, die Vulgata ergibt jedenfalls trotz ihres höheren Alters als die Masochetenausgabe den selben Sinn, nämlich den der Sühne.

Zum Gnadenstuhl hilft dir dann vielleicht noch Levitikus 16 weiter, worauf sich nämlich der hebräerbrief gerne bezieht.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
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Miserere Nobis Domine
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Re: Judenmission

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Wer war zuerst, Anselm oder die von dir erwähnten Wörterbücher? Ich meine, die Wörtbücher sind nach Anselm geschrieben und somit ist die Dominanz seiner Theologie nicht wirkungslos auf diese geblieben.
"Gnadenstuhl" ist ein Begriff Luthers. Das können wir aber weglassen, wenn es dich so gewaltig stört. Man könnte stattdessen "Quelle der Reinigung" oder ähnliches sagen.

Die Vulgata spricht von "propitium". Dieser Begriff wurde aber erst durch Anselm in dem Sinne "Sühe für die Beleidigung des Vaters" definiert, wie du ihn verstehst. Früher wurde es anders verstanden, so z.B. vom hl. Gregor von Nazianz in seiner Zweiten Osterpredigt. Quelle: http://www.ewtn.com/library/SOURCES/GRGPASCH.TXT
Now we are to examine another fact and dogma, neglected by most
people, but in my judgment well worth enquiring into. To Whom was
that Blood offered that was shed for us, and why was it shed? I mean
the precious and famous Blood of our God and Highpriest and Sacrifice.
We were detained in bondage by the Evil One, sold under sin, and
receiving pleasure in exchange for wickedness. Now, since a ransom
belongs only to him who holds in bondage, I ask to whom was this
offered, and for what cause?

If to the Evil One, fie upon the outrage! If the robber receives
ransom, not only from God, but a ransom which consists of God Himself,
and has such an illustrious payment for his tyranny, a payment for
whose sake it would have been right for him to have left us alone
altogether.

But if to the Father, I ask first, how? For it was not by Him that we
were being oppressed; and next, On what principle did the Blood of His
Only begotten Son delight the Father, Who would not receive even
Isaac, when he was being offered by his Father, but changed the
sacrifice, putting a ram in the place of the human victim? Is it not
evident that the Father accepts Him, but neither asked for Him nor
demanded Him;
but on account of the Incarnation, and because Humanity
must be sanctified by the Humanity of God, that He might deliver us
Himself, and overcome the tyrant, and draw us to Himself by the
mediation of His Son, Who also arranged this to the honour of the
Father, Whom it is manifest that He obeys in all things?

So much we have said of Christ; the greater part of what we might say shall be reverenced with silence.
(Hervorhebungen von mir)

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ChrisCross
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Re: Judenmission

Beitrag von ChrisCross »

Also wenn du möchtest, dass wir "Sühne" und "Versöhnung" aus der deutschen Sprache streichen, nur weil Anselm einen großen Beitrag zu dem Thema geleistet hat... Ich schätze mal, dass die Philologen, deren Wörterbücher ich vor mir liegen habe und die in verschiedenen Sprachen das selbe aussagen, doch wissen, dass sie dort ziemlich genau mit "Sühne" bzw mit "versöhnung" zu übersetzen haben.

Auch mein Stowasser bietet zwar unter proptium kein Stichwort an, übersetzt aber sehrwohl bei heidnishcen Autoren mit "versöhnen" und ähnlichem, was auf Gott bezogen durch die deutsche Sprache zur "Sühne" wird.

Wo allerdings die englsche Übersetzung der Osterpredigt mir den Begriff des propitiums näher erklären soll, kann ich nicht ganz verstehen. Auch sehe ich darin nicht zwingend einen Widerspruch zu Anselms These, vielmehr diese teilweise schon angedeutet.
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Augustinus Conf. I. 1

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Re: Judenmission

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Naja, wenn du ernsthaft meinst, Anselms These werde "teilweise angedeutet", wenn z.B. klar über den Vater gesagt wird "For it was not by Him that we were being oppressed", dann kann ich dir leider auch nicht helfen.

Vielleicht wirst du ja glücklich mit deinem Glauben. Für Juden aber, um zum eigentlichen Threadthema zurückzukommen, ist Anselms Theologie aber sicher nicht überzeugend. Im Judentum glauben sie, die auserwählten Lieblinge Gottes zu sein. Und plötzlich sollen sie glauben, dass Gott so wütend, beleidigt oder was auch immer auf sie ist, dass er sie in die ewige Hölle wirft, ausser wenn sie an Jesus glauben, ausgerechnet den, den sie nur als Sektierer oder bestenfalls als Witzfigur kennen.

Raphael

Re: Judenmission

Beitrag von Raphael »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben: Da hätt' ich dann auch noch 'ne scholastische Gegenfrage: Warum gibt es dann bspw. das zweite mosaische Gebot? :hmm:

Wenn Gott - so wie es Deinen Worten zu entnehmen war - gar nicht beleidigt werden kann, dann könnten die Menschen doch auch völlig regellos mit seinem Namen umgehen, oder? :traurigtaps:
Es schadet nicht Gott, sondern die Menschen schaden sich selbst, wenn sie Gottes Namen missbrauchen, da sie sich dadurch von ihm entfernen. Da wir als Bild Gottes erschaffen sind, verkehren wir unser eigenes Wesen, wenn wir mit den Namen Gottes unnütz führen.
Die Sündhaftigkeit der Menschen hatte zu einer Disharmonie in der Schöpfung geführt, die die ursprüngliche Schöpfungsabsicht Gottes verhinderte. Diese ursprüngliche Schöpfungsabsicht war es, auch in der Schöpfung Theosis zu ermöglichen.
Um diese ursprüngliche Schöpfungsabsicht wiederherzustellen, hat Gott seinen Sohn gesandt, denn nur der Eingriff einer göttlichen Person konnte die ursprüngliche Schöpfungsharmonie wiederherstellen.

Diese Wiederherstellung entspricht dem vor aller Zeit gefaßten Schöpfungsplan Gottes, der selbstredend wußte, daß Adam und Eva im Paradies sündigen würden und das Opfer des Sohnes zur Wiederherstellung der Schöpfungsharmonie erforderlich sein würde.

Gottes Souveränität erweist sich in der Hingabe seines eigenen Sohnes; ein Opfer, welches ER noch nicht einmal von seinem treuen Gefolgsmann Abraham, dem Vater aller Gläubigen, verlangt hatte.

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ad-fontes
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Re: Judenmission

Beitrag von ad-fontes »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben: Worum geht es eigentlich im Christentum, ja worum geht es in der Menschwerdung, Kreuzigung und Auferstehung?

Ja, warum musste Gott seinen Sohn schicken und konnte es nicht nur dabei belassen, Propheten zu senden. die den Menschen aufzeigten, was Gott von ihnen erwartet und wie sie leben sollen.
Musste oder wollte er?
Edi hat geschrieben:Eigentlich ist die Antwort auf diese Frage einfach und sie zeigt auch auf, warum es ohne Jesus kein Heil geben kann.
Naja, ich weiss nicht, ob die Antwort so einfach ist. Immerhin ist die Antwort, die Robert gibt (und wohl auch du?) weder die einzig mögliche, noch die historisch erste.

Ich selbst bleibe lieber bei der Aussage des hl. Irenäus von Lyon (ca. 135-202 n.Chr.), einem der wichtigsten frühen Kirchenväter: "Denn er (d.h. der Logos) wurde Mensch, damit wir vergottet würden".
Das ist der wahre Sinn der Menschwerdung Christi. Er erniedrigt sich, um uns zu erhöhen. Er richtet die gefallene Natur wieder auf und ermöglicht und die Gemeinschaft mit Gott.

Wenn es nur darum ginge, nicht in die Hölle zu kommen, könnte Gott das einfach anordnen.
Ich rate davon ab, Erlösung und Heil auseinanderzudividieren, so als seien es zwei völlig getrennte Sachen.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Miserere Nobis Domine
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Re: Judenmission

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

ad-fontes hat geschrieben: Ich rate davon ab, Erlösung und Heil auseinanderzudividieren, so als seien es zwei völlig getrennte Sachen.
Habe ich das getan?
Ich würde sogar meinen, "Erlösung" und "Heil" seien beides deutsche Übersetzungen für das griechische σωτηρία.

Ich sage aber, dass bei der Menschwerdung, Kreuzigung und Auferstehung Christi hauptsächlich darum geht, die Gemeinschaft des Menschen mit Gott wiederherzustellen, und nicht um irgendetwas mit Hölle.

KlausLange
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Re: Judenmission

Beitrag von KlausLange »

Selbstverständlich kann heute auch ein Jude, der als solcher nicht an Christus glaubt, in den Himmel kommen.

Wenn er aber errettet wird, dann eben durch Christus und Seine Heilstat am Kreuz. Jeder Mensch, der letztlich errettet wird - auch wenn er Angehöriger einer anderen Religion ist -, wird stets durch Christi Heilstat errettet.

Zu den Schriftzitaten: Also beim Missionsbefehl in Matthäus wird für 'Völker' ein Wort verwendet, das für die heidnischen Völker steht.

Wenn gesagt wird, dass den Juden zuerst das Wort verkündet werden soll, dann ist es bereits eine historische Tatsache. Zuerst wurde den Juden das Himmelreich gepredigt. Spätestens aber mit der Tempelzerstörung gilt in erste Linie aber die Heidenmission, um eben das jüdische Volk zur Eifersucht zu reizen, wie es im Römerbrief heißt.

Schließlich: Paulus schreibt jenen, die wegen ihrer Gesetzesbefolgung aus der Gnade gefallen sind, dass sie eben wieder das ganze Gesetz tun müssen. Weil sie nun wieder unter dem Gesetz stehen und nicht mehr unter der Gnade Christi. Daraus folgt, dass eben auch ein gesetzestreuer Jude nicht von vornherein zur Hölle verdammt ist, sonst wäre Paulus Aufforderung im Galaterbrief hinfällig!

Fazit: Jedem Menschen gilt das christliche Zeugnis - am besten durch ein entsprechendes Leben in Christus - eine spezielle Judenmission nach der Tempelzerstörung wäre aber eine Vorwegnahme dessen, was Gott selbst - siehe Sacharja - mit Seinem Volk bewerkstelligen möchte, denn die Gnadengaben des Herrn sind unbereubar!

Pilgerer
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Re: Judenmission

Beitrag von Pilgerer »

Vermutlich wird es im Jenseits bei der 2. Auferstehung für alle Nicht-Christen eine Art Gewissenspiegel und Lebensrückschau (Offenbarung: "Die Werke folgen ihnen nach") geben, die mit der Reinheit und Herrlichkeit Jesu Christi konfrontiert wird.
Alle lebendigen Christen (=die Jesus wirklich kennen, auf ihn vertrauen und keine Furcht mehr vor dem Gericht haben) kommen jetzt schon durch die Erkenntnis Gottes in Christo zur 1. Auferstehung, die sie in einen Zustand der Sicherheit/Errettung bringt, solange sie Gott treu bleiben. Allerdings kann es Phasen im Leben von Christen geben, in denen sie Gott untreu werden. Manchmal trübt sich das Gewissen ein und verhüllt den Blick auf Gott. Dann kommen auch Christen (wahrscheinlich) in den Topf der Heiden und Juden.

Evtl. können Juden durch großes Gottvertrauen in die Stapfen Abrahams treten und in seiner Art in einen Stand einer gewissen "Glaubensgerechtigkeit" kommen, der sie bereit macht, Christus und das Reich Gottes zu empfangen.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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