Hochkirchliche Bruderschaften

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Marcus
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Hochkirchliche Bruderschaften

Beitrag von Marcus »

Mittlerweile gibt es ja einige hochkirchlich geprägte Bruderschaften, manche von ihnen sind im Internet präsent, andere wiederum nicht oder haben entweder veraltete oder informationskarge Internetseiten.

Wisst Ihr zufällig, welche Bruderschaften eher als konservativ, moderat oder liberal einzuordnen sind, sowohl auf ethnischem wie auch auf theologischem Gebiet?

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Ich wage kaum zu fragen, aber was bedeutet es, auf ethnischem Gebiet liberal oder konservativ zu sein?
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Da hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen, genauer gesagt ein „N“ zu viel.

Lese „Ethnisch“ also als „Ethisch“
Ich wage kaum zu fragen, aber was bedeutet es, auf ethnischem Gebiet liberal oder konservativ zu sein?
Ich auch nicht!

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tanatos
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Beitrag von tanatos »

Peregrin hat geschrieben:Ich wage kaum zu fragen, aber was bedeutet es, auf ethnischem Gebiet liberal oder konservativ zu sein?
Das dürfte doch wohl klar sein:

Konservativ = Judenchristen
Liberal = Heidenchristen

In diesem Sinne sind alle mir bekannten hochkirchlichen Bruderschaften höchst liberal.

Wenn wirklich nicht von ethnisch, sondern von ethisch die Rede sein sollte, würde ich auch nachfragen wollen:
Was ist ethische Liberalität: Bei den Liberalen darfst Du töten und stehlen, bei den Konservativen nicht?
- In diesem Sinne sind alle mir bekannten Bruderschaften höchst konservativ.
Die Konservativen legen Wert darauf, daß Frauen Kopftücher in der Messe tragen, den Liberalen ist schon der Gottesdienstbesuch an sich eher schnuppe?
- In diesem Sinne sind alle mir bekannten Bruderschaften weder konservativ noch liberal.

Die Frage ist wohl eher: In welcher Frage sind die jeweiligen Gruppen liberaler als andere, oder in welchen Ansichten unterscheiden sie sich, wie stehen sie z.B. zur Homosexuellen-Diskussion oder zur Frauenordination.

Und bei "theologisch konservativ" stellt sich die gleiche Frage: Was konkret ist hiermit gemeint? - konservativ in dem Sinne, die bestehenden Strukturen und "Theologien" in der EKiD erhalten und stärken zu wollen ist im Übrigen meines Wissens keine der Bruderschaften, alle wollen die Kirche erneuern.

Ich möchte diese Antwort nicht als Entmutigung verstehen sehen, sondern als Anregung, konreter nachzufragen.

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Ganz im Gegenteil! Nachfragen ist hier ganz angebracht.

Mit „ethisch“ meine ich natürlich die Haltung der einzelnen Bruderschaften zu Themen wie Homosexualität bzw. Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, Abtreibung, Sex vor der Ehe etc...

Bei theologischen Fragen ginge es mir darum, wie die einzelnen Bruderschaften z. B. zum Thema Bedeutung der Bibel bzw. Exegese, aber auch zur Tradition und den ökumenischen Konzilen stehen. Die Frauenordinationsfrage würde ich eher hier einordnen wollen. Diese kann man eigentlich nur befürworten, wenn man liberal und progressiv eingestellt ist. Konservative Bibelchristen und Traditionalisten würden sie hingegen ablehnen.

Dann könnte man noch die Frage stellen, wie sie zu ihrer Kirche stehen, der sie formal angehören. Es gibt ja hochkirchliche Bruderschaften, die sich z. B. den lutherischen Bekenntnisschriften m.o.w. unterwerfen, jedoch das katholische und apostolische Gut aus ihnen herauskitzeln und im Bewusstsein der evangelischen Christen wiederbeleben wollen, während andere mit dem Protestantentum m.o.w. überhaupt nichts zu tun haben wollen und eine Einheit unter Christen mit klarem Bekenntnis zur Katholizität und Apostolizität der Kirche anstreben.

Das Problem ist, dass ständig neue Namen von irgendwelchen Bruderschaften im Netz auftauchen, manche davon ein veraltete oder eine informationskarge Seite haben. Mittlerweile fehlt mir da etwas der Durchblick.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Marcus hat geschrieben: Lese „Ethnisch“ also als „Ethisch“
Puh. :)
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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tanatos
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Beitrag von tanatos »

hallo marcus,
da ich selbst keiner derartigen bruderschaft angehöre, kann ich dir nur eine sehr begrenzte antwort geben. ich gebe hier meine eindrucke wider, all das ist allerdings nicht belegt. es wäre schön und würde mich auch freuen, wenn ein berufenerer hier antwort geben könnte.

zum thema sex vor der ehe kenne ich keine äußerung aus hochkirchlicher sicht. entweder das ist da nicht das angesagte thema oder ich hab es schlicht und einfach nicht mitbekommen.

zum thema homosexualität in der hochkirchlichen bewegung: hier habe ich eigentlich eher ablehnung gehört, vereinzelt allerdings auch offenere stimmen. meines wissens gibt es hier kaum veröffentlichungen. eine ablehnung vorstellen kann ich mir vor allem von den beiden dezidiert lutherisch-hochkirchlichen bruderschaften, der attanasius-bruderschaft und der ev.-luth. gebetsbruderschaft.
bei diesen beiden bruderschaften kann ich mir vor allem auch eine ablehnende haltung zur historisch-kritischen bibelexegese vorstellen.

zur stellung zur tradition kann ich nichts sagen, sie wird sicherlich von allen positiv gewertet, die frage ist, wie sie gewichtet ist.

die frauenordination wird meines wissens von einer deutlichen mehrheit der angehörigen der bruderschaften abgelehnt, aus biblischen und ökumeneischen gründen. im rahmen der hochkirchlichen st. johannisbruderschaft gibt es meines wissens vereinzelte befürwortern der frauenordination, die allerdings wohl in einer deutlichen minderheit sind. die jakobusbruderschaft und die erwähnten streng lutherischen bruderschaften lehnen die frauenordination m.w. deutlich ab.
die frage ist hier natürlich, wie weit du den begriff "hochkirchlich" fassen willst. nimmst du die michaelsbrüder hinzu, ist von einer zustimmung zur frauenordination und einer offenheit gegenüber gleichgeschlechtlichen fragestellungen schon eher auszugehen.
Marcus hat geschrieben: Dann könnte man noch die Frage stellen, wie sie zu ihrer Kirche stehen, der sie formal angehören. Es gibt ja hochkirchliche Bruderschaften, die sich z. B. den lutherischen Bekenntnisschriften m.o.w. unterwerfen, jedoch das katholische und apostolische Gut aus ihnen herauskitzeln und im Bewusstsein der evangelischen Christen wiederbeleben wollen, während andere mit dem Protestantentum m.o.w. überhaupt nichts zu tun haben wollen und eine Einheit unter Christen mit klarem Bekenntnis zur Katholizität und Apostolizität der Kirche anstreben.
bei der stellung zu den landeskirchen würde ich von einer kritischen begleitung ausgehen. ich bin bislang noch keinem hochkirchler begegnet, der mit dem zustand der landeskirchen glücklich ist.

was du mit "den lutherischen bekenntnisschriften unterwerfen und hierbei das katholische und apostolische gut herauskitzeln" meinst, verstehe ich nicht. auch ich würde die bekenntnisschriften so verstehen, daß das katholische und apostolische hier besonders betont wird. da braucht man nichts herauszukitzeln!
auch bin ich kaum einem hochkirchler begegnet, der sich selbst als "protestanten" versteht. der begriff "protestant" wird zumeist als etwas negatives angesehen, der er die katholizität der kirche nicht beinhaltet, sondern eine kirchenspaltende grundtendenz hat. allerdings muß ich zugeben, daß ich diesen deinen satz nicht ganz verstanden habe, kannst du den noch einmal verdeutlichen?

grundsätzliche unterschiede innerhalb der hochkirchlichen bewegung gibt es in ihrem verhältnis zu den lutherischen bekenntnisschriften.
Marcus hat geschrieben: Das Problem ist, dass ständig neue Namen von irgendwelchen Bruderschaften im Netz auftauchen, manche davon ein veraltete oder eine informationskarge Seite haben. Mittlerweile fehlt mir da etwas der Durchblick.
vielleicht kann dir hier weitergeholfen werden. welche bruderschaften sind dir denn begegnet?

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Die Hochkirchliche Vereinigung A.B. wird z.B. von offen bekennenden Modernisten z.Zt. geleitet. Ich glaube die stehen auch der Frauenordination und der Homosexualität offen gegenüber. Wie das bei jedem Mitglied aussieht, weiß ich natürlich nicht. Die anderen kleineren hochkirchlichen Grüppchen dürften eher sehr konservativ sein.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Vielen Dank für Eure Antworten und Auskünfte!

tanatos hat geschrieben:hallo marcus,
Marcus hat geschrieben: Dann könnte man noch die Frage stellen, wie sie zu ihrer Kirche stehen, der sie formal angehören. Es gibt ja hochkirchliche Bruderschaften, die sich z. B. den lutherischen Bekenntnisschriften m.o.w. unterwerfen, jedoch das katholische und apostolische Gut aus ihnen herauskitzeln und im Bewusstsein der evangelischen Christen wiederbeleben wollen, während andere mit dem Protestantentum m.o.w. überhaupt nichts zu tun haben wollen und eine Einheit unter Christen mit klarem Bekenntnis zur Katholizität und Apostolizität der Kirche anstreben.
was du mit "den lutherischen bekenntnisschriften unterwerfen und hierbei das katholische und apostolische gut herauskitzeln" meinst, verstehe ich nicht.
Wieder ein missratener Satz von mir. Statt „Herauskitzeln“ hätte ich besser „Hervorheben“ schreiben sollen. Das liest sich sonst so, als wäre das apostolische und katholische Gut in den Bekenntnisschriften eine äußerst seltene Ware, was ja eigentlich nicht der Fall ist. Und anstelle von „Unterwerfen“ wäre es vielleicht besser, von „Respektieren“ zu schreiben.
tanatos hat geschrieben:die frage ist hier natürlich, wie weit du den begriff "hochkirchlich" fassen willst.
Hochkirchlich zu sein bedeutet für mich, die Liturgie und die Sakramente hoch zu schätzen, das kirchliche Amt wenigstens vom Apostolat abzuleiten oder gar die Wiederherstellung der apostolischen Sukzession zu befürworten, sich für episkopale Strukturen in der Kirche einzusetzen, die Tradition sowie die Heilige Schrift als ihren fundamentalen Teil zu achten und sich darauf aufbauend auch von liberalistischen und modernistischen Strömungen zu distanzieren.
tanatos hat geschrieben:vielleicht kann dir hier weitergeholfen werden. welche bruderschaften sind dir denn begegnet?
Hochkirchliche St.-Johannes-Bruderschaft
Evangelische Franziskaner
Apostolat St. Ansgar (schätze ich selbst als konservativ ein)
Kommunität St. Michael (m. M. n. auch konservativ)
Priorat Sankt Wigberti
St.-Jakobus-Bruderschaft
Evangelischen Michaelsbruderschaft (wohl eher liberal)
Deutscher Kreuzorden
Congregatio Augustini
Humiliatenorden
Athanasius-Bruderschaft (konservativ)
Communität Casteller Ring
Bekenntnisbruderschaft St. Peter und Paul

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

FranzSales hat geschrieben:Die Hochkirchliche Vereinigung A.B. wird z.B. von offen bekennenden Modernisten z.Zt. geleitet.
Achso, jetzt verstehe ich. Ein führendes Mitglied dieser Vereinigung meinte zu mir, dass er nur noch in die Kath. Kirche geht. Jetzt ist mir klar warum :mrgreen:


Ich habe mich auch vor ein paar Monaten mit dem Ältesten der Michaelsbruderschaft unterhalten. Er ist gegen die Frauenordination, meinte aber, dass es unter den Michaelsbrüdern hier unterschiedliche Auffassungen gibt.

Allgemein kann man wohl sagen, dass die Bruderschaften und Evang. Kommunitäten eher konservativ sind - nicht nur was Liturgie, Achtung von Bibel und Bekenntnis und Sakramentverständnis angeht. Ihr Einfluß ist in der Evang. Kirche auch viel größer als man denkt - offiziell werden sie ja eher als exotisch angesehen und manchmal belächelt.

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tanatos
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Beitrag von tanatos »

tanatos hat geschrieben:die frage ist hier natürlich, wie weit du den begriff "hochkirchlich" fassen willst.
Hochkirchlich zu sein bedeutet für mich, die Liturgie und die Sakramente hoch zu schätzen, das kirchliche Amt wenigstens vom Apostolat abzuleiten oder gar die Wiederherstellung der apostolischen Sukzession zu befürworten, sich für episkopale Strukturen in der Kirche einzusetzen, die Tradition sowie die Heilige Schrift als ihren fundamentalen Teil zu achten
soweit würde ich den begriff hochkirchlich auch fassen. ein schöne definition und beschreibung der hochkirchlichen bewegung findet sich übrigens unter http://de.wikipedia.org/wiki/Hochkirchlich
und sich darauf aufbauend auch von liberalistischen und modernistischen Strömungen zu distanzieren.
diese erweiterung des begriffs der hochkirchlichkeit halte ich für unangemessen. zumindest habe ich noch nie eine entsprechende einordnung wahrgenommen. wie kommst du zu dieser erweiterung des begriffs der hochkichlichkeit?
FranzSales hat geschrieben:Die Hochkirchliche Vereinigung A.B. wird z.B. von offen bekennenden Modernisten z.Zt. geleitet. Ich glaube die stehen auch der Frauenordination und der Homosexualität offen gegenüber. Wie das bei jedem Mitglied aussieht, weiß ich natürlich nicht. Die anderen kleineren hochkirchlichen Grüppchen dürften eher sehr konservativ sein.
da hier die hochkirchliche vereinigung genannt wurde, die mir von außen bekannt ist, denke ich, dass eine klarstellung sinn macht:
1. die hochkirchliche vereinigung selbst ist keine bruderschaft, sie passt also nicht unter die überschrift dieser diskussion.
2. vielmehr versteht sie sich als eine sammlung verschiedener hochkirchlicher gruppen und einzelpersonen.
3. das einende band ist meines wissens allein die hochkirchlichkeit, wie sie klassisch 1917 heinrich hansen in seinen 95 thesen (Spieße und Nägel) zu papier gebracht hat: http://www.hochkirchliche-vereinigung.d ... imuli.html
4. die fragestellung, was unter einem modernismus oder einem libertalismus zu verstehen ist, wird m.e. hier nicht berührt und entsprechend nicht abgelehnt oder befürwortet. (was unter der führung duch "offen bekennende modernisten" (franzsales) zu verstehen ist, ist mir im übrigen auch nicht klar. sagen die obermuftis der hochkirchlichen vereinigung über sich selbst "wir sind modernisten", oder wie ist das zu verstehen?)
5. anders als bruderschaften, die viel verbindlicher sind als eine solche offene vereinigung, muß die hochkirchliche vereinigung auch eine innere offenheit für die vielfalt der hochkirchlichen bewegung behalten, wenn sie ihren anspruch als sammelbecken nicht aufgaben will.
6. trotz dieser grundsätzlichen offenheit habe ich bislang allerdings nur konservative lutheraner als mitglieder der hochkirchlichen vereinigung kennengelernt.
7. somit würde ich hier eher geringe unterschiede zwischen den gruppen sehen.
8. unterschiede gibt es m.e. vielmehr, inwieweit man sich auf das lutherische bekenntnis als ganzes (formula concordie!) bezieht, dies ist eine in diesem rahmen viel sinnvollere unterscheidung als konservativ - liberal.

Allons
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Beitrag von Allons »

Wieder etwas bereicherndes hier erfahren, Danke dem Starter und Antworter.

Gruß, Allons!

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Ich kenne natürlich nicht alle Bruderschaften. Was ich sicher weiß ist, daß in folgenden Bruderschaften bzw. hochkirchlichen Gemeinschaften die Haltung zu praktizierter Homosexualität bzw. der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, Sex vor der Ehe, Frauenordination etc ... sagen wir mal: „traditionell“ ist, um den Begriff „konservativ“ zu vermeiden:
- Hochkirchlicher Apostolat St. Ansgar
- Kommunität St. Michael - Cottbus
- Athanasius-Bruderschaft
- Bekenntnisbruderschaft St. Peter und Paul.
Gleichzeitig bewertet man dort die historisch-kritische Exegese kritisch.
Wie es bezüglich dieser Dinge in den anderen Bruderschaften bzw. Gemeinschaften ist, weiß ich nur vom Hörensagen. Aber Hörensagen-Informationen möchte ich nicht kolportieren.

Gnade und Frieden!
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

tanatos hat geschrieben:
quote="Marcus"]
und sich darauf aufbauend auch von liberalistischen und modernistischen Strömungen zu distanzieren.
diese erweiterung des begriffs der hochkirchlichkeit halte ich für unangemessen. zumindest habe ich noch nie eine entsprechende einordnung wahrgenommen. wie kommst du zu dieser erweiterung des begriffs der hochkichlichkeit?
Ich würde da eher von einer Eingrenzung sprechen. Da das Festhalten an der abendländischen liturgischen Kultur in Verbindung mit liberalen (i.S.d. Liberalen Theologie) und modernistischen Gedankengut, die Hochkirchliche Bewegung zu einer reinen geistlosen Kulturpflegebewegung verkommen lassen würde, kann ich das nicht mehr als hochkirchlich ansehen. Ziel soll es sein, daran festzuhalten, dass die Reformation bzw. die Reorganisation der alten wahren katholischen Kirche im 16. Jahhundert aufgrund der damaligen Zustände in der RKK erforderlich war, diese Reformation aber im Laufe der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte zu einer Deformation geworden ist. Das, was in vielen Landeskirchen, auch in lutherischen Landeskirchen, heute zum Teil gelehrt und praktiziert wird, ist weder lutherisch ganz geschweige denn katholisch und apostolisch. Und eine Landeskirche, die sich „lutherisch“ nennt, aber der EKD angehört und die Leuenberger Konkordie angenommen hat, sollte auf das Wort „lutherisch“ im Namen verzichtet, weil das, was als lutherisch verkauft wird, in Wirklichkeit kryptocalvinistisches und philippistisches Gedankengut ist, was in Verbindung mit der dort zumindest tolerierten liberalen und feministischen Theologie dazu führt, dass beinahe jeder halbwegs konservative Christ, der sich zur Katholizität und Apostolizität der Kirche Christi bekennt, davon abgehalten wird, sich näher mit der Luthertum zu befassen oder gar evangelisch-lutherisch zu werden.
Das war bei mir z. B. so der Fall.

Der Fairness halber möchte ich es nicht unerwähnt lassen, dass es natürlich auch in den Landeskirchen die eine und andere lutherische Bekenntnisgemeinde gibt und unter deren Mitglieder auch Bekenntnislutheraner vorzufinden sind, die dort allerdings zur Minderheit gehören.
Mellon hat geschrieben:Ich kenne natürlich nicht alle Bruderschaften. Was ich sicher weiß ist, daß in folgenden Bruderschaften bzw. hochkirchlichen Gemeinschaften die Haltung zu praktizierter Homosexualität bzw. der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, Sex vor der Ehe, Frauenordination etc ... sagen wir mal: „traditionell“ ist, um den Begriff „konservativ“ zu vermeiden:
- Hochkirchlicher Apostolat St. Ansgar
- Kommunität St. Michael - Cottbus
- Athanasius-Bruderschaft
- Bekenntnisbruderschaft St. Peter und Paul.
Gleichzeitig bewertet man dort die historisch-kritische Exegese kritisch.
Wie es bezüglich dieser Dinge in den anderen Bruderschaften bzw. Gemeinschaften ist, weiß ich nur vom Hörensagen. Aber Hörensagen-Informationen möchte ich nicht kolportieren.

Gnade und Frieden!
Danke für die Auskunft, Mellon!

Weißt Du auch, wie man in den erwähnten Bruderschaften zu den luth. Bekenntnisschriften steht? Die Kommunität St. Michael bezeichnet sich ihrer Internetseite nach, als lutherische Bekenntnisgemeinde?

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tanatos
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Beitrag von tanatos »

Marcus hat geschrieben: Ich würde da eher von einer Eingrenzung sprechen.
Gut, in diesem Sinne kann ich das sehr gut mitgehen. Die Hochkirchliche Bewegung per se würde ich halt weiter fassen als die Teilmenge, die Du hier nennst.
Marcus hat geschrieben: Da das Festhalten an der abendländischen liturgischen Kultur in Verbindung mit liberalen (i.S.d. Liberalen Theologie) und modernistischen Gedankengut, die Hochkirchliche Bewegung zu einer reinen geistlosen Kulturpflegebewegung verkommen lassen würde, kann ich das nicht mehr als hochkirchlich ansehen.
Dies ist halt deine persönliche Definition dieser Teilmenge...
Marcus hat geschrieben: Ziel soll es sein, daran festzuhalten, dass die Reformation bzw. die Reorganisation der alten wahren katholischen Kirche im 16. Jahhundert aufgrund der damaligen Zustände in der RKK erforderlich war, diese Reformation aber im Laufe der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte zu einer Deformation geworden ist. Das, was in vielen Landeskirchen, auch in lutherischen Landeskirchen, heute zum Teil gelehrt und praktiziert wird, ist weder lutherisch ganz geschweige denn katholisch und apostolisch. Und eine Landeskirche, die sich „lutherisch“ nennt, aber der EKD angehört und die Leuenberger Konkordie angenommen hat, sollte auf das Wort „lutherisch“ im Namen verzichtet, weil das, was als lutherisch verkauft wird, in Wirklichkeit kryptocalvinistisches und philippistisches Gedankengut ist.

Diese deine konfessionell - lutherische Fragestellung hat allerdings nicht für alle die gleiche zentrale Stellung.

Andere kommen z.B. ausgehend von Friedrich Heilers (langjährige Führungspersönlichkeit von Hochkirchlicher St. Johannesbruderschaft und Evangelischen Franziskaner-Tertiaten) Verständnis der Evangelischen Katholizität als der "spannungsvollen Einheit" der verschiedenen Konfessionen zu dem gleichen Ergebnis.

Die Jakobusbruderschaft, die aus Lutheranern und Römern besteht, kann natürlich ebenso nicht die konfessionell-lutherische Grundlegung haben.

Ich gehe davon aus, daß deine Äußerung soweit (vielleicht von der Michaelsbruderschaft abgesehen, die ich allerdings nicht als hochkirchlich bezeichnen würde) von allen hochkirchlichen Gruppierungen unterzeichnet werden würde.

Über Leuenberg z.B. habe ich bei Hochkirchlern aus lutherischer oder ökumenischer Sicht nur Ablehnung vernommen. Dort wurde das lutherische Abendmahlsverständnis zu Grabe getragen, ein weiterer Schritt auf dem Weg dieser Konfession: Das Luthertum in Deutschland befindet sich zweifelsohne im Prozeß der Selbstauflösung; eine genuin lutherische Theologie gibt es in Deutschland kaum noch und die sich lutherisch nennenden Landeskirchen sind auch kurz davor, die VELKD aufzulösen und stattdessen die EKiD auch juristisch zu einer Kirche zu machen. Brrrrr.....
Marcus hat geschrieben: was in Verbindung mit der dort zumindest tolerierten liberalen und feministischen Theologie dazu führt, dass beinahe jeder halbwegs konservative Christ, der sich zur Katholizität und Apostolizität der Kirche Christi bekennt, davon abgehalten wird, sich näher mit der Luthertum zu befassen oder gar evangelisch-lutherisch zu werden.
Das war bei mir z. B. so der Fall.

Der Fairness halber möchte ich es nicht unerwähnt lassen, dass es natürlich auch in den Landeskirchen die eine und andere lutherische Bekenntnisgemeinde gibt und unter deren Mitglieder auch Bekenntnislutheraner vorzufinden sind, die dort allerdings zur Minderheit gehören.
Mellon hat geschrieben:Ich kenne natürlich nicht alle Bruderschaften. Was ich sicher weiß ist, daß in folgenden Bruderschaften bzw. hochkirchlichen Gemeinschaften die Haltung zu praktizierter Homosexualität bzw. der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, Sex vor der Ehe, Frauenordination etc ... sagen wir mal: „traditionell“ ist, um den Begriff „konservativ“ zu vermeiden:
- Hochkirchlicher Apostolat St. Ansgar
- Kommunität St. Michael - Cottbus
- Athanasius-Bruderschaft
- Bekenntnisbruderschaft St. Peter und Paul.
Gleichzeitig bewertet man dort die historisch-kritische Exegese kritisch.
Wie es bezüglich dieser Dinge in den anderen Bruderschaften bzw. Gemeinschaften ist, weiß ich nur vom Hörensagen. Aber Hörensagen-Informationen möchte ich nicht kolportieren.

Gnade und Frieden!
Danke für die Auskunft, Mellon!

Weißt Du auch, wie man in den erwähnten Bruderschaften zu den luth. Bekenntnisschriften steht? Die Kommunität St. Michael bezeichnet sich ihrer Internetseite nach, als lutherische Bekenntnisgemeinde?
Ich gehe einmal davon aus, daß dich nicht nur diese Bruderschaften interessieren.
Über manche habe ich an anderer Stelle ja bereits etwas geschrieben.

Unterschiede gibt es -so weit mein Eindruck- vor allem in der Gewichtung des Verhältnisses Hochkirchlichkeit - lutherische Konfessionalität. Diese Unterschiede sind auf den ersten Blick gering, lassen sich aber in der theologischen Argumentation deutlich erkennen.

Viele dieser Gruppen sind an erster Stelle hochkirchlich, haben also vor allem die una sancta catholica im Blick. Die lutherische Position ist eher von der hochkirchlichen abgeleitet, also entsprechend schon auch deutlich vertreten (Beispiel: Hochkirchliche St. Johannesbruderschaft).

Die Gegenposition sieht auf den ersten Blick die lutherische Konfession und erkennt hierin (und abgeleitet hiervon) das, was wir als hochkirchlich bezeichnen, für richtig (Beispiel: Ev.-Luth. Gebetsbruderschaft).

Beide Positionen haben natürlich ihre historischen Wurzeln, beim Gründer der Johannesbruderschaft Friedrich Heiler z.B. in seiner eigenen Biografie, die ihn zum Wanderer zwischen beiden Welten machte, bei der Ev.-Luth. Gebetsbruderschaft in ihrer Prägung durch den streng konfessionellen Lutheraner Martin Wittenberg (Nicht umsonst steht der Altbischof der SELK, Jobst Schöne, dieser Bruderschaft heute vor)

Ein weiterer Unterschied besteht in der Positionierung zur apostolischen Sukzession:
Einige dieser Gruppierungen haben in sich die bischöfliche apostolische Sukzession, also ihre Leitung ist von wem auch immer zum Bischof geweiht worden (Beispiele: Athanasiusbruderschaft (H.Echternach) und Johannesbruderschaft (F.Heiler)).
Andere befürworten den Gedanken der apostolischen Sukzession zwar, wollen dies aber allein in der Kirche, der sie angehören, verwirklichen und haben entsprechend keine bischöfliche Sukzession in ihren Reihen.
Zuletzt geändert von tanatos am Dienstag 6. November 2007, 11:22, insgesamt 1-mal geändert.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Marcus hat geschrieben: Ich würde da eher von einer Eingrenzung sprechen. Da das Festhalten an der abendländischen liturgischen Kultur in Verbindung mit liberalen (i.S.d. Liberalen Theologie) und modernistischen Gedankengut, die Hochkirchliche Bewegung zu einer reinen geistlosen Kulturpflegebewegung verkommen lassen würde, kann ich das nicht mehr als hochkirchlich ansehen.
Hallo Marcus,

diese Aussage ist historisch gesehen höchst problematisch.

Mit Friedrich Heiler, einem der Väter der evangelisch-hochkirchlichen Bewegung in Deutschland, stand schließlich ein ausgemachter Liberaler und Modernist Pate bei ihrer Entstehung.

Zudem kann man auch nicht übersehen, welchen Einfluß der Wunsch nach der "apostolischen Sukzession" gespielt hat. Die evangelisch-hochkirchlichen Gruppen haben in ihrer verzweifelten Suche nach Bischöfen, deren Sukzession formal von Rom anerkannt wurde, auf sogenannte "Vagantenbischöfe" zurückgegriffen. Diese Männer waren, um es vorsichtig auszudrücken, so etwas wie "kirchliche Abenteurer" und gewiß keine Horte konfessioneller Orthodoxie. Einige von ihnen standen pseudo-altkatholischen oder frei-katholischen Bewegungen nahe. Die "valide" Sukzessionskette nachweisen zu können war offenbar wichtiger als die theologische Ausrichtung dieser Männer. Warum etwa hat man seinerzeit nicht auf beispielsweise schwedische oder finnische lutherische Bischöfe zurückgegriffen?

Es scheint, daß das lutherisch konfessionelle Element bei der Entstehung der hochkirchlichen Bewegung eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Was natürlich Überschneidungen und Kontakte nicht ausschließt. Evangelische "Hochkirchlichkeit" aber über konfessionelle Orthodoxie definieren zu wollen, scheint mir historisch gesehen nicht möglich zu sein.

LG
SD
If only closed minds came with closed mouths.

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

@ Markus
Du fragst danach, wie diese Bruderschaften bzw. Gemeinschaften zu den lutherischen Bekenntnisschriften stehen. „Offizelle“ Stellungnahmen über die Haltung zum Konkordienbuch sind mir nicht bekannt.
Ich kann dazu soviel sagen, daß im „Hochkirchlichen Apostolat St. Ansgar“ es zum Weihegelöbnis eines Priesters gehört, sich „aus vollem Herzen und ohne jeden Vorbehalt auf die unveränderte Augsburgische Konfession und auf den Kleinen Katechismus Dr. Martin Luthers“ zu verpflichten.
Die „Kommunität St. Michael“ ist eine Gemeinschaft evangelisch-lutherischer Christen. Die gehören allerdings samt und sonders zu der unierten Landeskirche in Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Eine besondere Rolle spielen auch dort die CA und die beiden Katechismen Luthers.
In der „Bekenntnisbruderschaft St. Peter und Paul“ heißt es in der “Regel“: „In Treue zur Bibel und zum evangelischen Bekenntnis, insbesondere Luthers Kleinem Katechismus und der Confessio Augustana, bekennen wir uns mit dem Nizänum zugleich als unserer geistlichen Mutter zu der einen, heilige, katholischen und apostolischen Kirche …“
In der Ordnung und Regel der „St.Athanasius-Bruderschaft“ heißt es, daß sie sich als eine „geistliche Gemeisnchaft von Pastoren und Diakonen in evangelisch-lutherischen Kirchen und Gemeinden“ versteht. Das sagt gewiß auch etwas über die Haltung dieser Brüder zu den lutherischen Bekenntnisschriften.


@ Stephen Dedalus
Was ist ein „Vagantenbischof“? Kannst Du das bitte näher erläutern? Und: bitte, bitte wertungsfrei und vielleicht auch ohne auf vorherige Threads hinzuweisen?

Man griff seinerzeit wahrscheinlich nicht auf schwedische oder finnische lutherische Bischöfe zurück, weil
1. der schwedische Erzbischof Nathan Söderblom es abgelehnt hatte, damals Heiler zum Bischof zu weihen und nach dessen Bischofsweihe - wenn ich mich recht erinnere - die Beziehungen zu Heiler abbrach.
2. Griffen auch andere nicht auf die Schweden zurück, weil vermutlich eine Anfrage ohne Erfolg geblieben wäre und die schwedische "Sukzessionskette“ als unsicher gilt und es von manchen bestritten wurde und noch wird, daß die schwedischen lutherischen Bischöfe im traditionellen Sinne in der apostolischen Sukzession stehen.
1974 erschien dazu ein Aufsatz von Georg Schwaiger im 35./36. Band der „Würzburger Diözesan Geschichtsblätter“, die vom Bischöflichen Ordinariatsarchiv Würzburg herausgegeben wurden. Demnach war Laurentius Petri der erste lutherische Bischof Schwedens, der 1531 nach römischen Formular gültig zum Bischof geweiht worden war. Petri weihte 1534 einen und 1536 zwei Bischöfe. Nach welchem Ritus, ist allerdings unbekannt. Danach gab es in Schweden 39 Jahre lang keine Bischofsweihen. Statt dessen wurden „Superintendenten“ eingesetzt. Einige ohne besondere Ordination, andere „nach Luthers Sitte“, wie es heißt. Keiner weiß jedoch, was darunter so richtig zu verstehen ist.
Schwaiger bezweifelt jedoch, ob man diese „Superintendenten“ als Bischöfe zu betrachten hat. Die neuen Titel könnten ein Hinweis darauf sein, daß man auch ein neues Amt beabsichtigt hat. Der schwedische König Gustav Wasa beabsichtigte sowieso, die Kirche zu schwächen, um sie sich so leichter untertan zu machen. Es ist ein auch in der deutschen Reformationsgeschichte zu beobachtendes Phänomen, daß die Landesherren sich der in der apostolischen Sukzession stehenden Bischöfe entledigen wollten, um an deren Stelle Superintendenten von ihren eigenen Gnaden setzen zu können und so die Kirche leichter regieren zu können.
Nach dem Tode Gustav Wasas und der Absetzung seines Nachfolgers wurde Johann III. schwedischer König. Der wollte das Bischofsamt wieder einführen, ging dabei jedoch sehr vorsichtig vor. Zunächst setzte er eine neue Kirchenordnung in Kraft, nach der wieder Bischöfe geweiht werden sollten. Dies jedoch nicht nach dem alten katholischen Formular, sondern nach einem neuen, schwedischen Ritus. Weihegebet war dort das Vaterunser. 1575 wurden die ersten Bischöfe nach diesem Formular geweiht. Konsekratoren waren vier der „Superintendenten“, bei denen allerdings zweifelhaft ist, ob sie selber gültig geweihte Bischöfe waren.
Die Selbstsicherheit der Schweden in dieser Frage ist also nicht recht begründet. Ich wage allerdings die Frage, ob die Schwedische Kirche tatsächlich Bischöfe in apostolischer Sukzession hat oder ob dies Amtsnachfolge im 16. Jahrhundert abgerissen ist, nicht zu entscheiden.

Gnade und Frieden!
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Mellon hat geschrieben: Was ist ein „Vagantenbischof“? Kannst Du das bitte näher erläutern? Und: bitte, bitte wertungsfrei und vielleicht auch ohne auf vorherige Threads hinzuweisen?
Hallo Mellon,

Ob ich das wertungsfrei kann, weiß ich nicht.

Auf eine kurze Formel gebracht: Ein Vagantenbischof ist ein Bischof, der seine Weihe rechtmäßig in einer apostolischen Kirche empfangen hat, sich danach aber äußerlich von dieser Kirche getrennt hat und trotzdem weiterhin seine Weihebefugnis - getrennt von dieser Kirche, sozusagen im Alleingang - ausübt. Ebenso bezeichnet man als episcopi vagantes Bischöfe, die ihre Weihe außerhalb der Gemeinschaft einer (verfaßten) apostolischen Kirche erhalten haben und ausüben. Kennzeichnend für die Vaganten ist in der Regel, daß sie Bischöfe ohne Kirchen sind oder nur Splitterguppen um sich scharen. Es fehlen kirchliche Disziplin (Unterwerfung unter kanonisches Recht) sowie die sichtbare und verbindliche Eingliederung in das Kollegium der Bischöfe.
Man griff seinerzeit wahrscheinlich nicht auf schwedische oder finnische lutherische Bischöfe zurück, weil
1. der schwedische Erzbischof Nathan Söderblom es abgelehnt hatte, damals Heiler zum Bischof zu weihen und nach dessen Bischofsweihe - wenn ich mich recht erinnere - die Beziehungen zu Heiler abbrach.
Mit welcher Begründung hat Erzbischof Söderblom abgelehnt? Ist das bekannt?

Zu den "unsicheren Suzkzessionen": Ich bin mittlerweile zu der festen Überezeugung gelangt, daß in der Westkirche überhaupt nur die Anglikaner und der Altkatholiken zweifelsfrei eine sichere apostolische Sukzession aufweisen können, die die beiden unverzichtbaren Elemente (successio verbi und successio ministrorum )aufweist. Ich bin allerdings geneigt, die nordischen Lutheraner hier hinzuzuzählen (den von Dir zitierten Aufsatz kenne ich, aber mir fehlt das historische Wissen über diese Vorgänge, um das konkret beurteilen zu können).

Die römische Kirche hat sich spätestens 1870 so weit vom apostolischen Glauben entfernt, daß ihre Weihen bestenfalls als zweifelhaft einzustufen sind. In der römischen Kirche ist die successio verbi nicht mehr gegeben. Solange die Dogmen von 1870 nicht aufgehoben werden, beschränken sich die römischen Weihen auf die Weitergabe einer äußeren Form. Man kann nur hoffen und beten, daß der Herr in ihnen überhaupt noch wirkt.
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

@Stephen, Mellon, tanatos

Habt recht herzlichen Dank für die Informationen. Die ev.-luth. Gebetsbruderschaft (leider nicht im Netz präsent) klingt für mich als künftiges Glied der SELK natürlich nicht uninteressant.


Die Sache mit der „Apostolischen Sukzession“ ist ohnehin ein heikles Thema. Die RKK wird nach meiner Einschätzung keine Apostolische Sukzession anerkennen, soweit ausschließlich Frauen an der Konsekration mitgewirkt haben oder eine Frau die Bischofsweihe empfangen hat. Da die Orthodoxen vor allem die Lehrsukzession betonen, werden sie im Grunde niemanden als Bischof anerkennen, der außerhalb der Orthodoxie steht. Für die RKK zählt die lückenlose Weitergabe des bischöflichen Amtes offenbar mehr als die Lehrsukzession. Sonst müsste sie es konsequenterweise jedem nicht römisch-katholischen Bischof absprechen, in der Nachfolge der Apostel zu stehen.

Mellon, Stephen und ich werden sicherlich darin übereinstimmen, dass das kirchliche Amt nicht von der allgemeinen Priesterschaft der Gläubigen, sondern vom Apostolat abzuleiten ist und eine ordentliche Ordination unter Handauflegung und Gebet erforderlich ist. In Sachen Frauenordination wird es zwischen uns, denke ich mal, kein gemeinsames Verständnis geben [Mellon und ich (-), Stephen (+)] Darüber hinaus sehe ich es im Gegensatz zu Euch jedenfalls nicht als erforderlich an, dass die apostolische Sukzession nur auf bischöflichen Wege weitergegeben werden kann. Da Jesus Christus Apostel und diese Ältesten und Bischöfe (beide Begriffe werden ja in der Schrift synonym) als Hirten eingesetzt haben und diese Hirten biblisch als „Hausverwalter Gottes“ bezeichnet werden, reicht es für mich bereits aus, wenn sie auf postoralem Wege weitergeben worden ist, also von Hirte zu Hirte. Auch die frühen Schriften (Clemensbrief, Didache, Apologie von Justin) kennen kein dreigliedriges Amt. Clemens verwendet selbst die Begriffe „Presbyter“ und „Bischof“ synonym. Und bei Ignatius habe ich den Eindruck, dass der Bischof bei ihm heute eher mit einem Pastor, das Presbyterium (=Ratsversammlung) mit dem Kirchengemeindevorstand und die Diakone mit Kirchendienern zu vergleichen wären. Justin schreibt z. B. von einem Vorsteher (steht der Eucharistiefeier vor) und Diakonen (teilen die Kommunion aus). Ich halte daher eigentlich nur das Hirtenamt als „Amt der Kirche“ für klar biblisch und frühtraditionell bezeugt. Das Diakonenamt ist für ein vom Hirtenamt abgeleitetes Helferamt, aber keine Vorstufe zum Priesteramt. Ob der ordinierende Hirte mit der Amtsbezeichnung Bischof einer ganzen Diözese vorsteht oder lediglich als Hirte mit der Amtsbezeichnung Pfarrer einer kleinen Pfarrgemeinde vorsteht, ist für mich daher unerheblich. Der Ordnung halber sollte natürlich eine Ordination von einem kirchenleitenden Amtsträger vorgenommen werden. Wichtig ist, dass derjenige, der einen anderen ordiniert, selbst ordinierter Hirte ist und als solcher auch das Hirtenamt in einer Gemeinde verwaltet. Insoweit stehe ich den ganzen Bischofsweihen, die im „stillen Kämmerlein“ von einem Vagantenbischof durchgeführt werden, auch sehr skeptisch gegenüber. Da stimme ich Stephen voll zu.

Nur das keine Missverständnisse aufkommen: Gegen eine lückenlose Weitergabe der Apostolischen Sukzession auf bischöflichem Wege, habe ich nichts einzuwenden und stehe ihr auch offen gegenüber, halte aber eine Apostolische Sukzession in Gestalt einer presbyterialen bzw. eine pastoralen Sukzession bereits für voll ausreichend.

Als nicht besonders dialogfördernd sehe ich es allerdings an, wenn Apostolische Sukzession (in bischöflicher Form), Gültigkeit der Eucharistie und die Heilsnotwendigkeit des Kommunionsempfangen so eng miteinander verknüpft werden, dass der Eindruck entstehen könnte, dass es außerhalb der Gemeinden mit dieser AS keine volle Heilsgewissheit wegen Ungültigkeit eines heilsnotwendigen Sakramentes geben kann. Einen solchen Beitrag habe ich mal im Internet gelesen. Dies wirkt gerade auf die Landeskirchen schon so polemisch, dass sie erst gar kein Interesse haben, sich weiter damit zu befassen.

@ Mellon

Mich würde es interessieren, weshalb künftige Priester bei Euch (St. Michael und St. Ansgar gehören ja praktisch zusammen) lediglich auf das AB und den Kleinen Katechismus verpflichtet werden?

LG

Marcus

P.S. Stephen, Du bist nicht zufällig Theologe, Kirchenhistoriker oder Konfessionskundler?

Raphael

Beitrag von Raphael »

Mellon hat geschrieben:Es ist ein auch in der deutschen Reformationsgeschichte zu beobachtendes Phänomen, daß die Landesherren sich der in der apostolischen Sukzession stehenden Bischöfe entledigen wollten, um an deren Stelle Superintendenten von ihren eigenen Gnaden setzen zu können und so die Kirche leichter regieren zu können.
Bemerkenswerterweise wird eine solch machtpolitische Denkweise des Monarchen für die anglikanische Reformation vehement abgestritten.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Mellon hat geschrieben: Der schwedische König Gustav Wasa beabsichtigte sowieso, die Kirche zu schwächen, um sie sich so leichter untertan zu machen. Es ist ein auch in der deutschen Reformationsgeschichte zu beobachtendes Phänomen, daß die Landesherren sich der in der apostolischen Sukzession stehenden Bischöfe entledigen wollten, um an deren Stelle Superintendenten von ihren eigenen Gnaden setzen zu können und so die Kirche leichter regieren zu können.
Ich bin eher der Auffassung, dass das überlieferte hierarchische Bischofssystem (die sog. Apost. Sukzession) sehr gut der staatlichen Kontrolle der Kirche diente.

Aus der Anglikanischen Kirche gibt es einige Abspaltungen, die dieses System aus theologischen Gründen ablehnten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Kongregationalisten. Sie wurden in England scheinbar nicht direkt aus Glaubensgründen, sondern aufgrund ihrer Kirchenstruktur verfolgt:

"Separatisten und Kongregationalisten sahen sich der ärgsten Verfolgung ausgesetzt, da sie mit ihrer Forderung nach Gemeindeautonomie zur Bedrohung für die Staatskirche und somit mittelbar auch für Herrschaftschaftsanspruch des englischen Königs wurden. Viele von ihnen gingen ins holländische Exil oder wanderten nach Nordamerika aus, während kleinere Gruppen in Großbritannien verblieben."

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kongregationalist

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

@ Stephen Dedalus
Deine Definition finde ich durchaus wertungsfrei. Sie scheint mir sogar die beste Definition zu sein, die ich bisher dazu gehört habe. Vielen Dank!

Mit der zweifelsfrei sicheren apostolischen Sukzession ist das so eine Sache. Ich kenne kaum eine, die nicht bestritten wird:
- Die Römisch-Katholische Kirche bestreitet, daß die Bischöfe der Anglikaner und der schwedischen Lutheraner in der apostolischen Sukzession stehen.
- Die der episcopi vagantes wird bestritten, eben weil sie episcopi vagantes sind.
- Die der Altkatholiken könnte mit der von Dir formulierten Definition eines Vagantenbischofs ebenfalls bestritten werden, denn sie trifft auch auf den Bischof zu, dem alle altkatholischen Bischöfe die apostolische Sukzession verdanken. Als nämlich Dominique Varlet 1739 den Utrechter Bischof Meyndaerts konsekrierte, war er von seiner (römisch-katholischen) Kirche von seinem bischöflichen Amt längst suspendiert und noch dazu exkommuniziert worden. Er weihte also als ein Bischof, der seine Weihe rechtmäßig in einer apostolischen Kirche empfangen hatte, danach aber äußerlich von dieser Kirche getrennt war und trotzdem weiterhin seine Weihebefugnis - getrennt von dieser Kirche, sozusagen im Alleingang - ausübte.
- Die allermeisten Protestanten brauchen die apostolische Sukzession anderer Kirchen gar nicht zu bezweifeln, weil sie diese sowieso für eine Chimäre halten.
- Die apostolische Sukzession der Römisch-Katholische Kirche wird bezweifelt, weil man die successio verbi nicht mehr als gegen ansieht.
- Und vermutlich bestreiten die orthodoxen Ostkirchen überhaupt die apostolische Sukzession sämtlicher Westkirchen.

Mit welcher Begründung Söderblom die Weihe von Heiler abgelehnt hat, weiß ich nicht. Ich muß mich erst in meiner Bibliothek vergraben und noch einmal nachstöbern, ehe ich irgendwelchen Unfug erzähle. Ich vermute allerdings, daß es kirchenpolitische Gründe waren.
Ich verspreche, genauere Informationen nachzuliefern, sobald ich sie habe.

@ Marcus
Die presbyteriale Sukzession wird weitgehend bestritten. Aus dem Mittelalter gibt es einige wenige Fälle, die aber schon damals kritisiert wurden.
Die Lehre von der presbyterialen Sukzession geht, wenn ich das recht sehe, auf Äußerungen des Kirchenvaters Hieronymus zurück, den die Reformatoren auch eifrig zitieren. Vielleicht hätte Hieronymus allerdings über die Weihegewalt der Presbyter anders geurteilt, wenn er selber Bischof geworden wäre … Wer weiß?
Die Frage ist allerdings, ob zum Beispiel Luther, der ja rite geweihter Presbyter war, bei seinen Ordinationen wirklich das presbyteriale Charisma weitergeben wollte. Kürzlich ist ein Buch herausgekommen. Es handelt sich um die Dissertation von Dr. Martin Krarup: „Ordination in Wittenberg – Die Einsetzung in das kirchliche Amt in Kursachsen zur Zeit der Reformation“. (ISBN 978-3-16-1492-56-3) Mit Verlaub: beim Lesen dieses Buches standen mir manchmal die Haare zu Berge …
Das auf Luther zurückgehende „Weihe-“Gebet, mit dem über Jahrhunderte im Luthertum ordiniert wurde, ist sehr allgemein gehalten.
Da wird gebeten, daß Gott dem zu Ordinierenden den Hl. Geist geben möge „samt uns und allen, die zum Dienste deines Wortes berufen sind“. Wer sind diese? Nur die Ordinierenden? Oder die ganze Gemeinde? Denn sie spricht auf dieses Gebet das „Amen“. Wird hier wirklich um das das Amts-Charisma gebeten, von dem der hl. Paulus an Timotheus in 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6 schreibt? Wieso erbitten die Ordinierenden erneut darum? Haben sie denn das erbetene Charisma noch nicht erhalten? Paulus schreibt an Timotheus nicht, daß er die Gabe Gottes, die in ihm ist durch die Auflegung der Hände des Paulus, (immer wieder) neu empfangen solle, sondern daß er sie erwecken solle. Das ist m. E. nicht dasselbe.
Der Hl. Geist wird in diesem Ordinationsgebet darum erbeten, „daß wir deine Zeugen seien und treu und fest bleiben wider Teufel, Welt und Fleisch, damit dein Name geheiliget, dein Reich gemehret, dein Wille vollbracht werde.“ Ein ausgezeichnetes Gebet! Aber ist das nicht etwas, was man für jeden Christen erbitten muß und nicht nur speziell für die Amtsträger der Kirche? Eignet sich das nicht eher für eine Konfirmation, als für eine Ordination? Ist denn nicht jeder Christ berufen, Gottes Zeuge zu sein? Soll nicht jeder Christ durch Gottes Gnade „treu und fest bleiben wider Teufel, Welt und Fleisch, damit Sein Name geheiliget, Sein Reich gemehret, Sein Wille vollbracht werde“?
Warum ist dieses Ordinationsgebet so ohne konkreten Bezug zur erbetenen speziellen Gnadengabe, um die in der Ordination eigentlich gebeten werden müßte?
Oder was soll man davon halten, daß im schwedischen Luthertum das Vaterunser das Weihegebet für die Bischöfe war und vielleicht noch ist? Ein ausgezeichnetes Gebet! Zweifellos das beste, das es gibt. Und man könnte die Bitte „Dein Wille geschehe“ ja durchaus auch mit der Intention beten, daß es Gottes Wille ist, daß jener zu Weihende das bischöfliche Amts-Charisma empfängt, das er so bitter für die Ausübung seines hohen Amtes benötigt. Aber woher soll man wissen, mit welcher Intention gebetet wird, wenn nicht aus dem klaren Wortlaut des Gebetes? Warum diese Unklarheiten?

Ich will nicht sagen, daß die presbyteriale Sukzession unmöglich ist. Aber ich habe eben Fragen und ich verstehe die diesbezügliche große Zuversicht mancher nicht, eben weil ich mir durchaus nicht klar darüber bin, ob die Reformatoren, die den lutherischen Pastoren die Sukzession auf presbyterialem Wege vermittelt haben sollen, das überhaupt im Sinn gehabt haben.

Warum ausdrücklich nur auf die CA und den Kleinen Katechismus verpflichtet wird, weiß ich nicht. Vielleicht, weil das die wichtigsten genuin lutherischen Bekenntnisschriften sind. Die anderen Bekenntnisschriften sind jedenfalls nicht „abgeschafft“. Apostolikum, Nizänum und Athanasianum stehen natürlich hoch im Kurs. Oder es wird in Schriften Bezug genommen auf die Schmalkaldischen Artikel oder auch auf die Solida Declaratio (wenn es zum Beispiel um das lutherische Bekenntnis zur immerwährenden Jungfräulichkeit der Mutter Gottes geht).

@ Lutheraner
Interessant sind hier die Bücher von Helmut Echternach: „Segnende Kirche“ und auch von Ernst Benz: „Bischofsamt und apostolische Sukzession im deutschen Protestantimus“, in denen der Widerwille und Kampf der Staatsmacht gegen Bischöfe von Gottes - und nicht etwa von des Landesherren Gnaden - schön dargelegt wird. Benz schreibt: "Die Landesherren hatten sehr rasch bemerkt, daß die Notkonstruktion Luthers die Erfüllung ihrer kühnsten Forderungen bedeutete. ... Nun war ihnen durch die Notlösung Luthers nicht nur die Aufsicht über das Kirchengut selbst, sondern auch über die Träger des kirchlichen Amtes zugefallen, und sie beeiltensich ganz gleichmäßig in den verschiedenen Territorien, sich dieses Aufsichtsrecht durch ihre Juristen möglichst eindeutig und möglichst für immer sichern zu lassen. ... noch nie ist ein Notzustand in der Geschichte so rasch legalisiert und in Paragraphen gebracht worden, wie dies beim landesherrlichen Summepiskopatsrecht der Fall war."

Bei den englischen Separatisten und Kongregationalisten ging es auch nach Wikipedia nur „mittelbar“ um den Machtanspruch des englischen Königs. Die kirchenpolitischen Forderungen der Separatisten und Kongregationalisten waren ja nur Konsequenzen ihrer dogmatischen Vorentscheidungen.

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Beitrag von Stephen Dedalus »

Marcus hat geschrieben: Darüber hinaus sehe ich es im Gegensatz zu Euch jedenfalls nicht als erforderlich an, dass die apostolische Sukzession nur auf bischöflichen Wege weitergegeben werden kann. Da Jesus Christus Apostel und diese Ältesten und Bischöfe (beide Begriffe werden ja in der Schrift synonym) als Hirten eingesetzt haben und diese Hirten biblisch als „Hausverwalter Gottes“ bezeichnet werden, reicht es für mich bereits aus, wenn sie auf postoralem Wege weitergeben worden ist, also von Hirte zu Hirte. Auch die frühen Schriften (Clemensbrief, Didache, Apologie von Justin) kennen kein dreigliedriges Amt. Clemens verwendet selbst die Begriffe „Presbyter“ und „Bischof“ synonym. Und bei Ignatius habe ich den Eindruck, dass der Bischof bei ihm heute eher mit einem Pastor, das Presbyterium (=Ratsversammlung) mit dem Kirchengemeindevorstand und die Diakone mit Kirchendienern zu vergleichen wären. Justin schreibt z. B. von einem Vorsteher (steht der Eucharistiefeier vor) und Diakonen (teilen die Kommunion aus). Ich halte daher eigentlich nur das Hirtenamt als „Amt der Kirche“ für klar biblisch und frühtraditionell bezeugt. Das Diakonenamt ist für ein vom Hirtenamt abgeleitetes Helferamt, aber keine Vorstufe zum Priesteramt. Ob der ordinierende Hirte mit der Amtsbezeichnung Bischof einer ganzen Diözese vorsteht oder lediglich als Hirte mit der Amtsbezeichnung Pfarrer einer kleinen Pfarrgemeinde vorsteht, ist für mich daher unerheblich.
Hallo Marcus,

Du hast natürlich völlig recht mit Deinem Hinweis auf das unklare Bild, das uns die biblische Überlieferung und die früheste außerbiblische Tradition zur Frage des dreistufigen Amtes bieten. Gerade aus diesem Grund aber finde ich es schwierig, hieraus die Legitimität einer presbyterialen Sukzession abzuleiten. Wir müssen, wenn wir auf die Praxis, Struktur (und auch Liturgie) der frühen Kirche sehen, sehr schnell eingestehen, daß wir vieles nicht wissen. Natürlich ist das Bild, das Ignatius vom Bischof als Vorsteher einer (Stadt)Gemeinde entwickelt, nicht deckungsgleich mit dem Bild eines Diözesanbischofs, wie es sich im Laufe der Kirchengeschichte dann weiterentwickelt hat. Daraus würde ich jedoch nicht schließen, daß Presbyterat und Episkopat austauschbar gewesen wären, auch nicht in der frühen Zeit. Es scheint mir aus den Quellen doch recht eindeutig zu sein, daß mit dem Aufkommen der Frage nach der apostolischen Autorität in der Kirche sehr schnell das Bewußtsein wuchs, die Bischöfe (und eben nicht die Presbyter) als Träger und Spender dieser apostolischen Autorität und Weihevollmacht anzusehen.

Nun kann man versuchen, unabhängig von dieser - wie gesagt sehr früh belegten - Tradition, eine abweichende Vorstellung aus den biblischen Belegen zu konstruieren, aber in meinen Augen bergen diese Versuche die Gefahr, hier in die Quellen Dinge hineinzuprojizieren, die dort nicht zu finden sind.
P.S. Stephen, Du bist nicht zufällig Theologe, Kirchenhistoriker oder Konfessionskundler?
Nein, von allem ein bißchen, aber nichts von alledem beruflich. ;)
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Lutheraner hat geschrieben:
Mellon hat geschrieben: Der schwedische König Gustav Wasa beabsichtigte sowieso, die Kirche zu schwächen, um sie sich so leichter untertan zu machen. Es ist ein auch in der deutschen Reformationsgeschichte zu beobachtendes Phänomen, daß die Landesherren sich der in der apostolischen Sukzession stehenden Bischöfe entledigen wollten, um an deren Stelle Superintendenten von ihren eigenen Gnaden setzen zu können und so die Kirche leichter regieren zu können.
Ich bin eher der Auffassung, dass das überlieferte hierarchische Bischofssystem (die sog. Apost. Sukzession) sehr gut der staatlichen Kontrolle der Kirche diente.

Aus der Anglikanischen Kirche gibt es einige Abspaltungen, die dieses System aus theologischen Gründen ablehnten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Kongregationalisten. Sie wurden in England scheinbar nicht direkt aus Glaubensgründen, sondern aufgrund ihrer Kirchenstruktur verfolgt:

"Separatisten und Kongregationalisten sahen sich der ärgsten Verfolgung ausgesetzt, da sie mit ihrer Forderung nach Gemeindeautonomie zur Bedrohung für die Staatskirche und somit mittelbar auch für Herrschaftschaftsanspruch des englischen Königs wurden. Viele von ihnen gingen ins holländische Exil oder wanderten nach Nordamerika aus, während kleinere Gruppen in Großbritannien verblieben."

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kongregationalist
Hallo Mellon und Lutheraner,

man darf hier nicht den Fehler machen, anachronistisch zu argumentieren.

Generell gilt für mittelalterliche und frühneuzeitliche Staatswesen der Grundsatz, daß die politische Einheit mit der kultisch-religiösen Einheit einhergeht. Eine Abweichung in Glaubensfragen wurde als Bedrohung des Gemeinwesens gesehen und war daher nur in eng umrissenen Grenzen möglich, etwa in Form von Toleranzedikten für Juden. Eine abweichende Religion war immer eine Bedrohung des Gemeinwesens und des Souveräns. Der moderne Toleranzbegriff, heute positiv konnotiert, existierte damals nicht. Das Vorhandensein religiöser Minderheiten war nicht nur ein Zeichen von Schwäche des Monarchen oder Territorialherrn, sondern ebenso ein Indiz für die mangelnde Fürsorge für die wahre Kirche und das Seelenheil der Untertanen.

Dies änderte sich mit der Reformation nicht, wurde jedoch nur auf eine andere Ebene verlagert, besonders in Deutschland, wo sich moderne Staatlichkeit auf der Ebene der fürstlichen Territorialstaaten ausbildete und nicht auf der Ebene der Nationalstaaten (wie in Frankreich, England oder sonstwo). Am Grundsatz, daß der Monarch (oder Landesherr) die Religion bestimmte und Abweichung als Landesverrat betrachtet wurde, änderte dies nichts. In Deutschland wurde mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 dieses cuius regio eius religio-Prinzip reichsrechtlich verankert. D. h. die Landesherren bestimmten die Religion des Landes. In den protestantischen Territorien führte dies zum Aufbau eigener Landeskirchen, i d R mit dem Landesfürsten an der Spitze. In den katholischen Territorien verlief die Entwicklung aber nicht wesentlich anders. Auch hier maximierten die Landesherren ihren Einfluß auf die Kirche geschickt, etwa durch Ansiedlung und Förderung bestimmter Orden (Jesuiten!), Gründung eigener Hochschulen etc. Der Unterschied der Verquickung weltlicher und kirchlicher Macht in den einzelnen Territorialstaaten war daher nur von gradueller, nicht aber von grundsätzlicher Natur. Zudem standen den Territorialherren zahlreiche Möglichkeiten offen, durch Bündnisse mit auswärtigen Mächten (kath.-prot.) die jeweils eigene Position innerhalb des eigenen Staates zu stärken oder auf Kosten der Nachbarstaaten auszubauen.

Der Prozeß, den wir hier beobachten, läßt sich also imho nicht mit dem Begriff der "Schwächung" der Kirche beschreiben, sondern eher mit der Maximierung landesherrlicher Macht, indem die Integration kirchlicher Strukturen dazu genutzt wurde, frühabsolutistische Verhältnisse zu schaffen. Das war aber wie gesagt in katholischen wie in protestantischen Territorien identisch.

@Lutheraner

Die Bedrohung der Kongregationalisten war nicht nur "mittelbar". Es war der Kongregationalist Cromwell, der 1649 König Karl I. von einem kongregationalistischen Parlament zum Tode verurteilen und hinrichten ließ. England wurde für 11 Jahre Republik. Sie wollten nicht nur eine neue Religion einführen (das auch!) Die religiösen Forderungen der Puritaner mündeten unmittelbar in die Revolution.
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Beitrag von Lutheraner »

Stephen Dedalus hat geschrieben:@Lutheraner

Die Bedrohung der Kongregationalisten war nicht nur "mittelbar". Es war der Kongregationalist Cromwell, der 1649 König Karl I. von einem kongregationalistischen Parlament zum Tode verurteilen und hinrichten ließ. England wurde für 11 Jahre Republik. Sie wollten nicht nur eine neue Religion einführen (das auch!) Die religiösen Forderungen der Puritaner mündeten unmittelbar in die Revolution.
Danke für die Info, diesen Zusammenhang kannte ich noch nicht.
Ich habe einmal gelesen, dass die Calvinisten in Frankreich vor allem deshalb so stark bekämpft wurden, weil das Königreich Angst vor der Demokratie hatte - eine Gesellschaft mit einer weitgehend demokratischen Kirche fordert irgendwann auch eine demokratische Gesellschaft.

Das führt mich zu einem anderen Thema, das mich schon länger interessiert: Woran liegt es, dass in Nordamerika die Anglikanische Kirche so schwach vertreten ist? Das ist für die Kirche einer ehemaligen Kolonialmacht sehr außergewöhnlich. Sie hat zwar in den USA viele einflussreiche Leute hervorgebracht, im religiösen Spektrum der USA spielt sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Gibt es hier vielleicht nicht auch einen Zusammenhang zwischen dem Demokratiebestreben einer Gesellschaft und der Struktur ihrer Kirchen?

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Beitrag von Lutheraner »

Stephen Dedalus hat geschrieben: Du hast natürlich völlig recht mit Deinem Hinweis auf das unklare Bild, das uns die biblische Überlieferung und die früheste außerbiblische Tradition zur Frage des dreistufigen Amtes bieten.
Ist das so unklar? Ich dachte es gilt als erwiesen, dass ursprünglich nur die Bischöfe geweiht/ordiniert wurden und die aus dem Judentum übernommenen Gemeindeältesten (Presbyter) erst später zusätzlich zu den Bischöfen geweiht wurden, woraus die Priester entstanden.

Wenn das stimmt, dann hätte es ursprünglich nur eine einstufige Sukzession gegeben (falls es überhaupt schon von Anfang an die Intention einer Sukzession gab - bei der Ordination von Paulus und Timotheus spielte das so wie sie biblisch überliefert wurde nämlich scheinbar keine Rolle).

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Lutheraner hat geschrieben: Danke für die Info, diesen Zusammenhang kannte ich noch nicht.
Ich habe einmal gelesen, dass die Calvinisten in Frankreich vor allem deshalb so stark bekämpft wurden, weil das Königreich Angst vor der Demokratie hatte - eine Gesellschaft mit einer weitgehend demokratischen Kirche fordert irgendwann auch eine demokratische Gesellschaft.
Ja, dieser Zusammenhang ist immer wieder hergestellt worden, von namhaften Historikern (z B Michael Walzer). In der Tat ist unübersehrbar, daß gerade im frühneuzeitlichen Europa in Regionen mit starkem calvinistischem Einfluß ständestaatliche Regierungsmodelle durchsetzen konnten (so etwa in der Schweiz, in den Niederlanden, aber auch in Böhmen vor 1618). In Deutschland jedoch war es eher so, daß die Landesherren, die sich der reformierten Form der Reformation anschlossen, ihre Machtbefugnisse nicht beschneiden lassen wollten.
Das führt mich zu einem anderen Thema, das mich schon länger interessiert: Woran liegt es, dass in Nordamerika die Anglikanische Kirche so schwach vertreten ist? Das ist für die Kirche einer ehemaligen Kolonialmacht sehr außergewöhnlich. Sie hat zwar in den USA viele einflussreiche Leute hervorgebracht, im religiösen Spektrum der USA spielt sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Gibt es hier vielleicht nicht auch einen Zusammenhang zwischen dem Demokratiebestreben einer Gesellschaft und der Struktur ihrer Kirchen?
Das kann sicher John besser beantworten als ich. Eine Reihe von Gründen sind in meinen Augen aber maßgeblich: Die amerikanischen Kolonien waren von Anbeginn an ein Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge aus England und Schottland. Es waren gerade die Puritaner, die in England in Opposition zur Kirche standen, die in die neue Welt übersiedelten. Dort bildeten sie presbyterianische und kongregationalistische Gemeinden, die mit der Church of England nichts am Hut hatten.

Religiöse Opposition und staatliches Unabhängigkeitsstreben kamen zusammen. Das Klima für die englische Staatskirche war schlecht. Die junge Episkopalkirche in den USA wurde von der Mutterkirche für ihre illoyale Haltung zur englischen Krone bestraft und konnte nur über die Verbindung zur schottischen Kirche überhaupt die Weihen von Priestern und Bischöfen sicherstellen.

Die Kirche von England hatte zwar ebenfalls ihre Priester und Missionare in Amerika, jedoch war man wesentlich weniger erfolgreich in der Mission als die anderen Gemeinschaften. Das größte Wachstum aller Kirchen in den USA verzeichneten die Methodisten, die seit etwa 1750 in Amerika aktiv waren. Ihre Kirchenstruktur konnte wesentlich flexibler auf die Bedürfnisse der amerikanischen Siedler eingehen als die starre anglikanische Kirche das konnte. Statt fester Kirchen versorgen Reiseprediger die Gemeinden, die oft hunderte von Meilen auseinanderlagen. Ein großer Teil der Verkündigung wurde durch Laienprediger übernommen, was bei den Anglikanern nicht erlaubt war. Diese dynamische, missionsorientierte Form der kirchlichen Arbeit war den Umständen viel besser angepaßt, daher wuchsen die Methodisten (ähnlich die Baptisten) so exponentiell. Die Anglikaner blieben die Kirche für das Establishment.
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Beitrag von Marcus »

Hallo zusammen!
Mellon hat geschrieben:
Das auf Luther zurückgehende „Weihe-“Gebet, mit dem über Jahrhunderte im Luthertum ordiniert wurde, ist sehr allgemein gehalten. Da wird gebeten, daß Gott dem zu Ordinierenden den Hl. Geist geben möge „samt uns und allen, die zum Dienste deines Wortes berufen sind“. Wer sind diese? Nur die Ordinierenden? Oder die ganze Gemeinde? Denn sie spricht auf dieses Gebet das „Amen“. Wird hier wirklich um das das Amts-Charisma gebeten, von dem der hl. Paulus an Timotheus in 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6 schreibt? Wieso erbitten die Ordinierenden erneut darum? Haben sie denn das erbetene Charisma noch nicht erhalten? Paulus schreibt an Timotheus nicht, daß er die Gabe Gottes, die in ihm ist durch die Auflegung der Hände des Paulus, (immer wieder) neu empfangen solle, sondern daß er sie erwecken solle. Das ist m. E. nicht dasselbe.
In früheren Taufagenden stand z. B. „Wir taufen Dich“...anstatt „Ich taufe Dich...“, womit ausgedrückt werden sollte, dass nicht der Pfarrer „in persona Christi“, sondern die Gemeinde die Taufe vollzieht. Da könnte man auch die Frage nach der Gültigkeit der Taufe aufwerfen, was, falls man sie verneinen sollte, weitreichende Folgen hätte. Ein bestimmtes verordnetes Ordinationsgebet gibt es eigentlich nicht. Man findet entsprechende Gebete nach meinem Wissen erst im 8. Buch der Apostolischen Konstitution. Ich würde daher dazu tendieren, auch so eine Ordination zur Not als gültig anzusehen, da der zu Ordinierende als (hoffentlich) berufener Diener Gottes das Amt nicht für sich oder für seinen vorgesetzten Geistlichen, sondern für die Gemeinde bzw. für die Herde Christi innehat. Ich glaube nicht, dass die vollzogenen Sakramente eines berufenen Dieners Christi nur deshalb unwirksam seien sollen, weil das Ordinationsgebet einige Fragen aufwirft, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Stephen Dedalus hat geschrieben:Du hast natürlich völlig recht mit Deinem Hinweis auf das unklare Bild, das uns die biblische Überlieferung und die früheste außerbiblische Tradition zur Frage des dreistufigen Amtes bieten. Gerade aus diesem Grund aber finde ich es schwierig, hieraus die Legitimität einer presbyterialen Sukzession abzuleiten. Wir müssen, wenn wir auf die Praxis, Struktur (und auch Liturgie) der frühen Kirche sehen, sehr schnell eingestehen, daß wir vieles nicht wissen.
Genau wird das auch niemand nachweisen können. Die Begriffe „Ältester“ („Presbyter“) und „Bischof“ waren ursprünglich, also im biblischen Zeitalter aber nach meiner Auffassung eher Amtsbezeichnungen für die Gemeindehirten. Man kann also zumindest mit einer gewissen Sicherheit sagen, dass es auf jedem Fall ein Hirtenamt nach göttlicher Ordnung zu geben hat. Die Diakone wurden als Helfer ihres Bischofs des Hirten verstanden. Die Presbyter galten etwas später als Vertreter ihres Bischofs (der jetzt über mehrere Gemeinden von der Hauptkirche aus die Hirtengewalt ausübte) in den Gemeinden, vor allem bei der Eucharistiefeier. Dadurch, dass die Presbyter zu Vorstehern (Pfarrern) der Ortsgemeinden wurden, übernahmen sie ja selbst das Amt eines Hirten ihrer anvertrauten Herde bzw. Gemeinde. Streng genommen stellt das heutige Diözesenbischofsamt genauso wie das Pfarramt also ein auf das ursprüngliche Hirtenamt der Kirche aufbauendes und entwickeltes Amt dar. Als Bischof wird der Vorsteher einer Diözese als Oberhirte seines Bistums bezeichnet. Die Bezeichnung Pfarrer oder Pastor steht für den Gemeindehirten. Eine solche Struktur widerspricht natürlich weder der biblischen noch der außerbiblischen Tradition, da jede Gemeinde ihre Struktur bzw. Verfassung (Adiaphora) weitgehend in eigener Autonomie regeln kann und das gestiftete und verordnete Hirtenamt ja letztlich im Bischofs- und Pfarramt weiterbestehen bleibt.

Daher spreche ich auch lieber von einer Apostolischen Sukzession in Gestalt einer pastoralen Sukzession als von einer presbyterialen Sukzession. Auch, wenn ich nicht zuletzt aus kirchenpolitischen Gründen, einer episkopalen Sukzession nicht abgeneigt gegenüber stehe und mich auch mit einem dreigliedrigen Amt anfreunden kann, so reicht mir bereits ein durch Handauflegungskette weitergebenes Hirtenamt (von Hirte zur Hirte) bereits aus. Das Apostolat, von dem einige Kirche das Amt ableiten, war z. B. auch nicht dreigliedrig. Jesus Christus hat mit dem Apostolat ein Amt gestiftet, die Apostel hatten wiederum als „Gesandte Jesu“ Hirten als Vorsteher der gegründeten Gemeinden eingesetzt und somit den Gemeinden das Hirtenamt gestiftet. Das dreigliedrige Amt kann aber natürlich als traditionell entfaltetes kirchliches Amt betrachtet werden.

LG

Marcus


P.S.

Mellon, wie interpretierst Du eigentlich folgenden Bibelvers(?):

„Laß nicht aus der Acht die Gabe, die dir gegeben ist durch die Weissagung mit Handauflegung der Ältesten. “ (1. Tim. 4, 14). An Timotheus´ Ordination haben also Presbyter als Konsekranten aktiv mitgewirkt

Stephen Dedalus
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Registriert: Dienstag 7. September 2004, 15:28

Beitrag von Stephen Dedalus »

Mellon hat geschrieben:
Das auf Luther zurückgehende „Weihe-“Gebet, mit dem über Jahrhunderte im Luthertum ordiniert wurde, ist sehr allgemein gehalten. Da wird gebeten, daß Gott dem zu Ordinierenden den Hl. Geist geben möge „samt uns und allen, die zum Dienste deines Wortes berufen sind“. Wer sind diese? Nur die Ordinierenden? Oder die ganze Gemeinde? Denn sie spricht auf dieses Gebet das „Amen“. Wird hier wirklich um das das Amts-Charisma gebeten, von dem der hl. Paulus an Timotheus in 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6 schreibt? Wieso erbitten die Ordinierenden erneut darum? Haben sie denn das erbetene Charisma noch nicht erhalten? Paulus schreibt an Timotheus nicht, daß er die Gabe Gottes, die in ihm ist durch die Auflegung der Hände des Paulus, (immer wieder) neu empfangen solle, sondern daß er sie erwecken solle. Das ist m. E. nicht dasselbe.
Nur weil ich's grade gelesen habe: Wie bis weit ins 20. Jahrhundert die Ordinationen gehandhabt wurden, kann man am Beispiel D. Bonhoeffers sehen. Als ihm eine Hilfspredigerstelle zugewiesen wurde, mußt auch schnell die Sache mit der Ordination erledigt werden. Er erhielt ein Schreiben folgenden Wortlauts:
Sie sind zur Ableistung der Hilfsdienstpflicht für den Dienst in unserer Provinzialkirche bestimmt. Ihre Ordination soll am Sonntag, dem 15. November 1931 vormittags um 10 Uhr, durch den Herrn Generalsuperintendenten D. Vits in der S. Matthäikirche erfolgen. ... Vor der Ordination sind 5,- RM Gebühren zur Bestreitung der Ordinationskosten (Vergütung für die Kirchenbeamten usw.) zu Händen des Küsters zu zahlen.
Robert Frick, ein Kirchenhistoriker, mit dem Bonhoeffer später in Bethel zusammengetroffen ist, wurde um die gleiche Zeit wie er von Vits ordiniert. Als Frick am fünfzigsten Jahrestag seiner Ordination etwas pathetisch auf diesen "wohl größten Tag im Leben eines Pfarrers" angsprochen wurde, meinte er, so hätte er das damals nicht erlebt. "Wenn man Pfarrer werden wollte, mußte man sich ordinieren lassen, und das war's." (Vgl. Ferdinand Schlingensiepen, Dietrich Bonhoeffer, S. 121f.)
If only closed minds came with closed mouths.

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Lutheraner
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Registriert: Donnerstag 9. November 2006, 10:50

Beitrag von Lutheraner »

Bei der ganzen Diskussion um Gültigkeit von Ämtern und Sakramenten darf man nie aus dem Auge verlieren, dass Gott kein Automat ist, der nur dann funktioniert (d.h. wirkt), wenn Menschen eine Handlung auf exakt einer bestimmten Art und Weise durchführen. Wichtiger als das richtige Ritual ist die richtige Intention. Kritisch wird es nur dort, wo die Intention nicht mehr stimmt. Deshalb ist die Bedeutung der Ordination auch wichtiger als angeblich ununterbrochene Sukzessionsketten. Wenn man sich nur auf letzteres verläßt, hat man keine Sicherheit mehr.

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tanatos
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Registriert: Sonntag 1. Juli 2007, 20:02

Beitrag von tanatos »

hallo,
es mag euch interessieren:
ein artikel, den kardinal kasper heute veröffentlicht hat, und in dem u.a. auch die bedeutung hochkirchlicher gemeinschaften in den evangelischen kirchen für die ökumene aus offizieller römischer sicht hervorgehoben wird:
http://www.zenit.org/article-13749?l=german

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Marcus
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Registriert: Dienstag 13. Juni 2006, 14:48

Beitrag von Marcus »

Danke für den Hinweis!

Ich habe im Internet auch etwas recheriert und habe dabei einen ausführlichen Beitrag von Pfarrer Gert Keller (Propst des Sprengels Ost der SELK) zum Bischofsamt gefunden. Aus Zeitgründen las ich den Beitrag bislang nur flüchtig, für ihn scheint aber jeder ev.-luth. Pfarrer ein Bischof und der röm.-kath. Diözesenbischof eben grad kein Bischof zu sein. Er dreht also den Spieß gerade um. Die historische Entwicklung des Bischofsamtes zeigt er ebenfalls auf.

www.lutherischebeitraege.de/Kelter_Bischofsamt.pdf

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