Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Raimund J.
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Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Raimund J. »

Warum haben eigentlich diese protestantischen Pfingstler-Sekten in Brasilien so einen grossen Zulauf? Was macht sie attraktiv?
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Edi
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Beitrag von Edi »

Sie versprechen den Himmel schon auf Erden also Wohlstand und anderes mehr, mindestens ist das ein Gesichtspunkt, es gibt aber noch weitere.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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asderrix
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Beitrag von asderrix »

Edi hat geschrieben:Sie versprechen den Himmel schon auf Erden also Wohlstand und anderes mehr, mindestens ist das ein Gesichtspunkt, es gibt aber noch weitere.
Ja das ist sicher ein Punkt der ausschlaggebent ist.

Ich denke sie schaffen aber auch einen Rahmen, wo Menschen sich angenommen fühlen und das sollten wir von ihnen lernen.

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holzi
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von holzi »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Warum haben eigentlich diese protestantischen Pfingstler-Sekten in Brasilien so einen grossen Zulauf? Was macht sie attraktiv?
Hallo Raimund,
zunächst einmal möchte ich vorausschicken, dass ich hier insoweit befangen bin, als auch meine Frau, die aus Brasilien kommt, in so einer Pfingstkirche ist (Assembleia de Deus).

Warum haben diese Kirchen einen solchen Zulauf? Eine gute und schwer in Kürze zu beantwortende Frage.

1. Weil sie präsent sind! Vor Ort - auch in den abgelegensten Käffern im Busch. Es gibt keinen Pastorenmangel, da ja nahezu jeder, der sich predigen traut nach einem Schnellkurs in Theologie zum Pastor oder Presbyter (so heissen dort i.d.R. die Prediger ohne eigene Gemeinde) ernannt werden kann. Dagegen ist in einer Gesellschaft wie Brasilien, die durch ausgeprägtes Männlichkeitsbewusstsein gekennzeichnet ist (Machismo!) ein Dasein als zölibatärer katholischer Priester nicht erstrebenswert. Daher ergibt sich, dass nach wie vor ein großer Priestermangel besteht und immer noch eine sehr große Anzahl an Priestern "importiert" werden muss, vor allem aus Europa, aber auch zunehmend aus Indien, den Philippinen oder sogar aus Afrika!
Die katholischen Pfarrer haben dann eben Pfarremeinden mit bis zu 100.000 Gläubigen zu betreuen und haben dafür maximal ein bis zwei Kapläne. Der Einsatz von Laien als Katechisten und Liturgiehelfern wird dann unabdingbar, auch wenn aus Rom immer wieder mal Querschüsse kommen. Aber der "padre" als Bezugs- und Respektperson rückt somit in eine größere Distanz. Diese Abwesenheit wissen dann die omnipräsenten Evangelikalen zu nützen, indem sie enge persönliche und emotionale Bindungen innerhalb der Gemeinden fördern, sei es durch gemeinsame Gebete, Haus- und Krankenbesuche, Ausflüge etc.

Auch das oft übertrieben politische Wirken mancher Anhänger der radikaleren Form der Befreiungstheologie hat die katholische Kirche in vieler Hinsicht diskreditiert.

2. Ein weiterer Schwachpunkt der katholischen Kirche in Brasilien (und Lateinamerika überhaupt) ist die mit dem Priestermangel einhergehende ungenügende religiöse Bildung. Der größte Teil der einfachen Gläubigen hat nur sehr wenig Ahnung von Theologie, wenige lesen die Bibel, noch weniger kennen die Kichenväter, den Katechismus etc. Dafür blüht die Volksfrömmigkeit mit all ihren Auswüchsen, Aberglauben und Absonderlichkeiten wie dem Synkretismus der Afrobrasilianischen Reigionen. Es gibt die echten Marienanbeter, es werden die absonderlichsten "Heiligen" wie ein gewisser Padre Cicero angebetet (sic!) etc. Umso leichter tun sich dann die Evangelikalen, katholische "Irrtümer" und Häresien anzuprangern und selbst Auswege aus dem "Sündenpfuhl" aufzuzeigen. (im Stil der Chick-Traktate)

3. Dazu kommt noch, dass die Pfingstkirchen, aber auch die traditionelleren protestantischen Kirchen wie Presbyterianer, Methodisten, Baptisten stark missionsorientiert sind und eine (neutral gesagt) sehr publikumswirksame Mitgliederwerbung machen, vor allem durch den Einsatz populärer Gospelmusik, durch Fernsehprogramme, Radio, Shows etc. Diese protestantischen Kirchen haben oft eine sehr hohe Finanzkraft, die sich aus großen Spenden, auch aus dem Ausland (USA!) nähren und können damit eine sehr aktive Offentlichkeitsarbeit machen. Kennzeichnend ist meist ein starker und hasserfüllter Antikatholizismus, der sich meist aus dem Eifer der Konvertiten speist.
Beispiele: Show da Fé (Show des Glaubens): http://www.ongrace.com/showdafe/
Igreja Universal do Reino de Deus: http://en.wikipedia.org/wiki/Universal_ ... dom_of_God
Assembleia de Deus:

Auswirkungen:

Diese Abwanderungsbewegung hat mehrere Auswirkungen: zum einen gibt es Priester, die den Kampf um die Masse aufgeben und sich nur noch ihrem kleinen Kreis der "Auserwählten" widmen, d.h., denjenigen, die wirklich aktiv und engagiert die Mitarbei in der Pfarrei suchen. Dass die anderen, die eher am Rande der Kirche stehen, also die Feiertagschristen, dabei auf der Strecke bleiben, wird von diesen Priestern in Kauf genommen.

Eine andere - eher gegensätzliche Strategie verfolgen die Priester, die hauptsächlich der charismatischen Bewegung nahestehen, wie Pe. Marcelo Rossi oder Pe. Jonas Abib als deren Hauptprotagonisten. Hier bedient man sich explizit der Elemente, die die Popularität der evangelikalen Pfingstbewegung ausmachen, wie emotional gestaltete Gottesdienste, Gospelmusik etc. Nun ist in Brasilien schon ein konservativ gestalteter Gottesdienst lebhafter und emotionaler als ein Lobpreisgottesdienst der Charismatiker in Deutschland, so ist dies nochmals eine Steigerung, die uns Europäern befremdlich vorkommen muss. Eben wie in der Tradition des Hl. Ambrosius, der die fremden orientalischen Hymnen als Attraktion in seinen Gottesdiensten in Mailand eingesetzt hatte.

Hier einige Links zu diesem Phänomen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Marcelo_Rossi
http://www.kath.ch/index.php?na=11,0,0,0,d,31063
http://video.google.de/videoplay?docid= ... 6090447924
http://www.padremarcelorossi.com.br/
http://www.cancaonova.com

Es wird also versucht, den katholischen Glauben über neue Medien wieder einem weiteren Kreis an Menschen nahe zu bringen. Mittlerweile konnte auch der Mitgliederschwund in der katholischen Kirche eingedämmt werden. Ich habe auch bei meinen vielen Besuchen in Brasilien über das Kolpingwerk (http://www.kolping.org.br) eine mittlerweile erhöhte Sensibilisierung gegenüber dieser Abwanderungsbewegung erfahren. Ein Pfarrer aus einer Stadtrandgemeinde von São Paulo, genauer gesagt aus der Pfarrei Santa Rita de Câssia in Carapicuiba (80.000 Katholiken und nur ein Kaplan) hatte einmal gesagt, dass wir derzeit in Brasilien und Lateinamerika die Zweite Reformation beobachten könnten.

Raimund J.
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Raimund J. »

holzi hat geschrieben: ...
Vielen Dank für diesen wirklich sehr guten und kompetenten Überblick über die dortige Situation. Jetzt ist mir einiges viel verständlicher.

Gruss
Raimund
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Dem schließe ich mich an!
Herzlichen Dank!
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sofaklecks
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Hmm

Beitrag von sofaklecks »

Sehr gut, Holzi!

Und jetzt Anschlussfrage:

Gelten diese Feststellungen cum grano salis (demnächst) auch bei uns?

Priestermangel. Auch hier.

Unkenntnis der religiösen Lehre und Aberglaube. Auch hier.

Ausnutzen jedweder Ungeschicklichkeit der Kirche bei der Verkündigung. Auch hier.

Und was tun wir?

Wir streiten uns um die alte Messe.

sofaklecks

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holzi
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Re: Hmm

Beitrag von holzi »

sofaklecks hat geschrieben:Sehr gut, Holzi!

Und jetzt Anschlussfrage:

Gelten diese Feststellungen cum grano salis (demnächst) auch bei uns?

Priestermangel. Auch hier.

Unkenntnis der religiösen Lehre und Aberglaube. Auch hier.

Ausnutzen jedweder Ungeschicklichkeit der Kirche bei der Verkündigung. Auch hier.

Und was tun wir?

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sofaklecks
Lieber Sofaklecks,

der Hauptunterschied zwischen Deutschland und Brasilien ist der, dass der Durchschnittsdeutsche mit Religion nicht viel am Hut hat - die Brasilianer dagegen sind recht religiös und haben starke Spiritualität. Auf diesem "religiösen Humus" wächst dann auch viel mehr als auf dem vertrockneten Boden Deutschlands.

Daher glaube ich nicht, dass Deutschland von dieser zweiten Reformationswelle so stark betroffen ist wie Lateinamerika, das wiederum von der ersten Reformation ja fast nichts mitbekommen hat.

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Linus
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Beitrag von Linus »

Ja ich kenne zwei "Natürlich sind wir Katholisch- Brasilianer", die hier wohnen und arbeiten. Problem dabei: Es sind auch Rudolf Steiner Schüler. Mit (m)einem Synkretismusvorwurf haben sie aber garkein Problem. Und beten tun sie auch.... :roll:
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

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Edi
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Beitrag von Edi »

Gestern kam eine Sendung bei K-TV über dieses Thema. Habe aber nur einen kleinen Teil davon mitgekriegt.
Die kath. Kirche sei dort derzeit aber wieder am Aufholen wurde gesagt und eine Menge an neuen geistlichen Initiativen aufgezeigt, wo Laien die Menschen in ihren Wohnungen besuchen usw.

Die Pfingstler sind ja oft dafür bekannt, dass öfters mal die Leute fast geradezu erpressen den Zehnten zu bezahlen, wobei ihnen auch Segen in jeder Hinsicht versprochen wird. Hat man genug Geld, kann man natürlich auch mehr missionieren und allzuviel theogische Ahnung brauchen deren Prediger auch nicht zu haben.
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Kurt
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Re: Hmm

Beitrag von Kurt »

sofaklecks hat geschrieben: Priestermangel. Auch hier.

Unkenntnis der religiösen Lehre und Aberglaube. Auch hier.

Ausnutzen jedweder Ungeschicklichkeit der Kirche bei der Verkündigung. Auch hier.

Und was tun wir?

Wir streiten uns um die alte Messe.
Zu Recht. Denn deren Abschaffung war Ursache und deren Wiederzulassung wird Lösung der Probleme sein. Das Thema geht mit den Problemen Hand in Hand.

Bembel
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Beitrag von Bembel »

Warum haben eigentlich diese protestantischen Pfingstler-Sekten in Brasilien so einen grossen Zulauf? Was macht sie attraktiv?
Vielleicht liegt das daran, daß so viele Katholiken und gerade die Priester Weicheier sind und statt zu ihrem Glauben zu stehen sich für diesen entschuldigen.

Die Freikirchler stehen jedoch zu ihrem Glauben und sind dynamisch

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Edi hat geschrieben:kann man natürlich auch mehr missionieren und allzuviel theogische Ahnung brauchen deren Prediger auch nicht zu haben.
Würden die heutiggewordenen Priester weniger historisch kritisieren, sondern ihr Charisma in einem schlichten, auf das Wesentliche beschränkten Glauben entfalten, wären sie weit wirkungsvoller als die Pfingstler. Letzter geben den Menschen das, wofür sich die Katholischen schämen.

Raimund J.
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Re: Hmm

Beitrag von Raimund J. »

holzi hat geschrieben:
sofaklecks hat geschrieben: Und jetzt Anschlussfrage:

Gelten diese Feststellungen cum grano salis (demnächst) auch bei uns?
Daher glaube ich nicht, dass Deutschland von dieser zweiten Reformationswelle so stark betroffen ist wie Lateinamerika, das wiederum von der ersten Reformation ja fast nichts mitbekommen hat.
Deutschland wird dagegen in den Gebieten die wirklich noch einen alltäglichen Bezug zum Katholizismus haben (d.h. vor allem in den ländlichen Gebieten) von einer sich verstärkenden Säkularisierungswelle getroffen sein.

Die Strukturreformen der Diözesen in denen Gemeinden - die bislang noch eine Quote von mind. 50% Kirchenbesuchern hatten - der Priester gestrichen wird, werden dem Volksglauben gar den Rest geben. Die zweite Säkularisation.
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holzi
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Beitrag von holzi »

Hier noch ein kleines Interview zum Thema (Links unten). Darin wird auch von den angestossenen Lösungen zum Erhalt des katholischen Glaubens gesprochen.
Zuletzt geändert von holzi am Donnerstag 10. Mai 2007, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.

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holzi
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Re: Hmm

Beitrag von holzi »

Raimund Josef H. hat geschrieben:...
Die Strukturreformen der Diözesen in denen Gemeinden - die bislang noch eine Quote von mind. 50% Kirchenbesuchern hatten - der Priester gestrichen wird, werden dem Volksglauben gar den Rest geben. Die zweite Säkularisation.
Richtig. Das ist aber eine komplett andere Entwicklung als in Lateinamerika.

Bembel
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Beitrag von Bembel »

Richtig. Das ist aber eine komplett andere Entwicklung als in Lateinamerika.
Wahrscheinlich erwähnen die Evangelikalen sogar Christus und sehen diesen nicht nur als Oberrevoluzzer, wie die lächerlichen Befreiungstheologen

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holzi
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Beitrag von holzi »

Bembel hat geschrieben:
Richtig. Das ist aber eine komplett andere Entwicklung als in Lateinamerika.
Wahrscheinlich erwähnen die Evangelikalen sogar Christus und sehen diesen nicht nur als Oberrevoluzzer, wie die lächerlichen Befreiungstheologen
Das ist richtig. Beispielsweise stelle ich zwar in der Kirche meiner Frau ein protestantisch-verengtes Glaubensschema fest, aber an Jesus Christus glaubt sie fest und innig, vielleicht mehr als so mancher Katholik. Und nach ihrer Rückkehr zu ihrer Kirche (sie war baptistisch getauft) bin auch ich wieder intensiver in die "Sache mit Jesus" eingestiegen, habe mich nach einigem Umherschauen, Nachdenken und Beten aber entschlossen, doch katholisch zu bleiben, dann aber richtig.

Und so lächerlich, wie du sagst sind diese Befreiungstheologen beileibe nicht. Wenn du mal im Sertão, d.h. in Nordostbrasilien gewesen bist und siehst, mit welcher Unterdrückung die Leute leben müssen, dann sind die Gedanken der Befreiungstheologie erstmal nicht so abwegig, wie es uns satten Europäern oft erscheint. Die einfachen Menschen, sowohl auf dem Land als auch in den Städten kämpfen oft buchstäblich gegen das Verhungern - während nur wenige Meter weiter Millionäre in für uns unvorstellbarem Luxus schwelgen. (z.B. in São Paulo das Nobelviertel Alphaville und der unmittelbar angrenzende "Alphavela" genannte Slum) Diese radikalen und krassen sozialen Verwerfungen provozierten auch ebenso radikale Lösungsansätze, bei denen eben manche Theologen auf Abwege geraten sind. Man dachte halt an Stellen wie im Jakobusbrief 2, 14 ff.

Also, lieber Bembel, mit reiner Schwarz-Weiss-Malerei kommt man in einem so vielfarbigen Kontinent wie Lateinamerika nicht weit! Auch der Kommentar von Radio Vatikan sieht das so.

sofaklecks
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Na fein

Beitrag von sofaklecks »

@Kurt

Wenn du mir versprichst, dass alles wieder so wird wie früher, bin ich der erste, der die Wiedereinführung des alten Ritus fordert.

Ich fürchte nur, dass das in etwa die Haltung des Neandertalers ist, der, als es vor der Höhle in Strömen giesst, zu seinem Kumpel sagt: "So ein Wetter gibt es auch erst, seit die mit Pfeil und Bogen schiessen!"

sofaklecks

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Peregrin
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Re: Na fein

Beitrag von Peregrin »

sofaklecks hat geschrieben: Ich fürchte nur, dass das in etwa die Haltung des Neandertalers ist, der, als es vor der Höhle in Strömen giesst, zu seinem Kumpel sagt: "So ein Wetter gibt es auch erst, seit die mit Pfeil und Bogen schiessen!"
Anthropogene Klimaveränderung war eben immer schon ein Renner.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Kurt
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Re: Na fein

Beitrag von Kurt »

sofaklecks hat geschrieben:@Kurt

Wenn du mir versprichst, dass alles wieder so wird wie früher, bin ich der erste, der die Wiedereinführung des alten Ritus fordert.

Ich fürchte nur, dass das in etwa die Haltung des Neandertalers ist, der, als es vor der Höhle in Strömen giesst, zu seinem Kumpel sagt: "So ein Wetter gibt es auch erst, seit die mit Pfeil und Bogen schiessen!"
Zum einen habe ich nichts von "es soll alles werden wie früher" geschrieben. Dein Einwurf zur Alten Messe bedurfte jedoch eines angemessenen Kommentars.

Zum anderen impliziert Deine Antwort in gewisser Weise, als sei der überlieferte Glaube bis 1970 etwa auf dem Stand der Neandertaler, während das, was danach kommt, irgendwie besser sei (so wie wir ja auch besser als die Neandertaler zu sein scheinen).

Ein wenig habe ich aber auch den Eindruck, dass sich selbst die Neandertaler eher den Pfingstkirchen anschließen würden, als der heutiggewordenen katholischen Kirche, die das Herz durch den Kopf ersetzt hat.

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Robert Ketelhohn
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Re: Na fein

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Kurt hat geschrieben:… als der heutiggewordenen katholischen Kirche, die das Herz durch den Kopf ersetzt hat.
Und zwar obendrein durch den Wirrkopf.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

sofaklecks
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Umgekehrt wir ein Schuh draus

Beitrag von sofaklecks »

Umgekehrt:

Ich habe immer die Auffassung vertreten, dass man den Gläubigen, die Gott lieber auf die frühere Weise begegnen wollen, diesen Weg nicht wegnehmen soll.

Nur lese ich das hier immer wieder wie die Ballade vom Schnee vom vergangenen Jahr, dass nach 1970 das wahre katholische Erbe samt und sonders über Bord geworfen wurde.

Und was die Wirrköpfe angeht, findet man die tatsächlich nur unter denen, die das Konzil für richtig und wichtig halten?

sofaklecks

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Robert Ketelhohn
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Re: Umgekehrt wir ein Schuh draus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

sofaklecks hat geschrieben:Und was die Wirrköpfe angeht, findet man die tatsächlich nur unter denen, die das Konzil für richtig und wichtig halten?
Nein. Schau z. B., was ich regelmäſsig zum Thema angeblicher Marienerſcheinungen, Privatoffenbarungen und überſteigerter Mariodulie und gar Mariolatrie ſage. Das gibt es querbeet durch die liturgiſchen Fraktionen.

Für verwirrend halte ich durchaus auch einige Dokumente des Vaticanum II, erſt recht aber viele Entwicklungen der Zeit nach dieſer Synode. Ausgeſprochen verwirrend finde ich allerdings auch bereits einige Äuſserungen des Vaticanum I.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Re: Umgekehrt wir ein Schuh draus

Beitrag von Kurt »

sofaklecks hat geschrieben:Nur lese ich das hier immer wieder wie die Ballade vom Schnee vom vergangenen Jahr, dass nach 1970 das wahre katholische Erbe samt und sonders über Bord geworfen wurde.
Vielleicht als schleichender Prozeß, wobei das nicht ausschließlich etwas mit dem Konzil zu tun hat. Aber wer sich über den Erfolg der Pfingstkirchen und auch anderer freikirchlichen Gruppierungen wundert, der sollte nicht a priori den berüchtigten Geist des Konzils als eineUrsache ausschließen. Die Kirche ist in der Tat komplizierter geworden, verwirrender, orientierungsloser. Sie bot auch in schwierigsten Zeiten über Jahrhunderte Halt, bei Krankheit, Not und politischer Verfolgung. Das, was vor 1970 unter widrigsten Bedingungen ging, geht heute - unter ebenfalls widrigen Bedingungen - nicht mehr. Die Kirche hat sich nämlich den widrigen Bedingungen angepasst, und wird dadurch zunehmend selber zu einer widrigen Bedingung für die Notleidenden.

Deswegen ist es angebracht, immer wieder nach Bewährtem zu schauen, und um Hilfe im Namen des Herrn zu bitten, der Himmel und Erde erschaffen hat.

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Esperanto
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Esperanto »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Warum haben eigentlich diese protestantischen Pfingstler-Sekten in Brasilien so einen grossen Zulauf? Was macht sie attraktiv?

Vor allem weil sie Empfängnsiverhütung erlauben und im Wohlstand nichts Verwerfliches sehen. Die Sekten ziehen Arme und Kranke an, da Jesus tatsächlich viele Kranke über pfingstlerische Fürsprache heilt (live täglich zu sehen bei dem netten Missionar R.R. Soares über RIT-TV, Eutelsat) und nach pfingstlerischer Lehre Gott die Seinen auch mit finanziellem Wohlstand segnet (wie im Alten Testament). Allerdings kostet es die Leute auch mehr, denn sie müssen den biblischen Zehnten ihres Einkommens an die Gemeinde zahlen, während es eine katholische Kirchensteuer in Brasilien ja gar nicht gibt, die Kirche also kostenlos ist. Außerdem gilt die kath. Kirche in Südamerika als mit den Reichen und Kolonisatoren verbandelt - da weicht man entweder auf afrikanische Kulte wie Umbanda oder eben die nordamerikanischen Kirchen aus.

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Re: Hmm

Beitrag von Esperanto »

sofaklecks hat geschrieben:Sehr gut, Holzi!

Und jetzt Anschlussfrage:

Gelten diese Feststellungen cum grano salis (demnächst) auch bei uns?

Priestermangel. Auch hier.

Unkenntnis der religiösen Lehre und Aberglaube. Auch hier.

Ausnutzen jedweder Ungeschicklichkeit der Kirche bei der Verkündigung. Auch hier.

Und was tun wir?

Wir streiten uns um die alte Messe.

sofaklecks

Nein, du kannst Südamerika nicht mit Europa vergleichen. Da herrschen ganz andere Bildungsbedingungen.

Kurt
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Kurt »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Warum haben eigentlich diese protestantischen Pfingstler-Sekten in Brasilien so einen grossen Zulauf? Was macht sie attraktiv?
Die Antwort des Heiligen Vaters:
zenit.org hat geschrieben:Benedikt XVI. erinnerte am Freitag mehr als 400 brasilianische Bischöfe daran, dass eine mangelhafte Verkündigung der Glaubenswahrheiten in hohem Maße für den Austritt von Katholiken aus der Kirche verantwortlich sei. Deshalb ermutigte der Papst zu einer „Pastoral der Annahme“, die die gelebte Solidarität mit einschließe. Vor allem die Armen und Notleidenden müssten die Nähe der Kirche verstärkt erfahren.
Man kann es nicht oft genug betonen!

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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Christian »

Kurt hat geschrieben: Die Antwort des Heiligen Vaters:
zenit.org hat geschrieben:Benedikt XVI. erinnerte am Freitag mehr als 400 brasilianische Bischöfe daran, dass eine mangelhafte Verkündigung der Glaubenswahrheiten in hohem Maße für den Austritt von Katholiken aus der Kirche verantwortlich sei. Deshalb ermutigte der Papst zu einer „Pastoral der Annahme“, die die gelebte Solidarität mit einschließe. Vor allem die Armen und Notleidenden müssten die Nähe der Kirche verstärkt erfahren.
Man kann es nicht oft genug betonen!
Das gilt leider nicht nur in Südamerika , wir in Europa sind auch viel "zu verfressen" geworden und das bezieh ich nicht nur auf den Klerus . Wir kranken alle an der Langeweile in dieser Gesellschaft , statt uns um die Verkündigung zu scheren .

Gruß ,

christian
Erst das Lazarett zeigt was Krieg ist.
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Kurt
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Kurt »

Christian hat geschrieben:Wir kranken alle an der Langeweile in dieser Gesellschaft , statt uns um die Verkündigung zu scheren .
Ja. Der Heilige Vater an gleicher Stelle:
„Die Menschen, die für den aggressiven Proselytismus der Sekten, der zu Recht Anlass zur Sorge gibt, am verwundbarsten sind und die nicht in der Lage sind, dem Ansturm des Agnostizismus, des Relativismus und des Laizismus standzuhalten, sind im Allgemeinen jene Gläubigen, die nicht ausreichend evangelisiert wurden und leicht zu beeinflussen sind, weil ihr Glaube schwach ist und mitunter konfus, wankelmütig und naiv.“
Klarer und deutlicher kann man es nicht mehr formulieren.

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Peregrin
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Peregrin »

Kurt hat geschrieben:
„Die Menschen, die für den aggressiven Proselytismus der Sekten, der zu Recht Anlass zur Sorge gibt, am verwundbarsten sind und die nicht in der Lage sind, dem Ansturm des Agnostizismus, des Relativismus und des Laizismus standzuhalten, sind im Allgemeinen jene Gläubigen, die nicht ausreichend evangelisiert wurden und leicht zu beeinflussen sind, weil ihr Glaube schwach ist und mitunter konfus, wankelmütig und naiv.“
Klarer und deutlicher kann man es nicht mehr formulieren.
Noch klarer wird es allerdings unter Hinzuziehung der alten Volksweisheit "der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken".
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Robert Ketelhohn
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Re: Protestantische Pfingstler-Sekten in Brasilien

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Peregrin hat geschrieben:.Noch klarer wird es allerdings unter Hinzuziehung der alten Volksweisheit "der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken".

Schau mal, was die Fische am Kopf haben (ich meine die lateinischen Fische):

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