War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Pit
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War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Beitrag von Pit »

Hallo "Kreuzgängler",

an anderer Stelle habe ich gelesen, wie ein User (ich weiss leider nicht mehr exakt, wer es war), Dietrich Bonhoeffer als Atheisten bezeichnet hat. Nun, sollte derjenige diese Zeilen lesen, und sich angesprochen fühlen, wäre ich sehr interessiert, warum Dietrich Bonhoeffer Atheist gewesen sein soll.

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Gruß, Pit
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Linus
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Beitrag von Linus »

Ich hab das zwar nicht geschrieben, aber...

Nun, von dem was Bonhöffer uns hinterlassen hat, kann man mit sicherheit von "Gottgläubig" reden.
Wie es in seinem Herzen aussah, lässt sich aber schwer rekonstruieren.

In diesem Zusamnmenhang möchte ich aber Sir 21,26 nicht deuten müssen. :mrgreen:
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Linus hat geschrieben:Ich hab das zwar nicht geschrieben, aber...

Nun, von dem was Bonhöffer uns hinterlassen hat, kann man mit sicherheit von "Gottgläubig" reden.
Wie es in seinem Herzen aussah, lässt sich aber schwer rekonstruieren.

In diesem Zusamnmenhang möchte ich aber Sir 21,26 nicht deuten müssen. :mrgreen:
Hallo Linus,

ich weiss nicht, ob Du das als bewusste Provokation gemacht hast, aber der Begriff "gottglaeubig" ist im Zusammenhang mit Bonhoeffer wirklich schlimm. Immerhin wurde er von den Nazis ermordet. Als "gottglaeubig" bezeichneten sich alle Nazis, die keiner formellen Religion oder Kirche mehr angehoerten. Bonhoeffer jedoch darf man wohl getrost Christen bezeichnen. Ich empfehle dazu sehr die Lektuere seiner Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft unter dem Titel "Widerstand und Ergebung".

Gruss
St. D.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Zuletzt geändert von Juergen am Dienstag 14. März 2006, 13:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

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asderrix
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Beitrag von asderrix »

Hallo pit,

ich fand einen Link, der denke ich, deine Frage beantwortet.

http://www.heiligenlexikon.de/start.html?BiographienD/
Dietrich_Bonhoeffer.htm

lg
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Stephen Dedalus hat geschrieben:…aber der Begriff "gottglaeubig" ist im Zusammenhang mit Bonhoeffer wirklich schlimm. Immerhin wurde er von den Nazis ermordet. Als "gottglaeubig" bezeichneten sich alle Nazis, die keiner formellen Religion oder Kirche mehr angehoerten.
Ich mußte, als ich den Begriff las, an meinen Großonkel denken. Erst
vor ein paar Tagen habe ich’s so in seinem Totenschein gelesen. Er war
sicher kein Nazi, sondern von seinem Vater – was mein Uropa war – aus
Karrieregründen in die Waffen-SS gesteckt worden. Seine Konfirmations-
urkunde habe ich auch noch. Er hatte allerdings aus der evangelischen
Landeskirche austreten müssen. In der Waffen-SS war er als schmächti-
ger, sensibler Junge nur unglücklich. Dafür währte es nicht lang, bei der
ersten Feindberührung blieb er, gerade zwanzigjährig, mit Kopfschuß auf
der Walstatt.

Sein Vater dagegen wurde nach dem Krieg trotz NSDAP-Mitgliedschaft
(ebenso aus aus Karrieregründen) durch das Zeugnis eines Antifaschisten
als »überzeugter Gegner des Nationalsozialismus« erfolgreich entnazifziert.

Für meinen Großonkel Werner war es so eine Art letzter Halt, daß er sich
bei der Truppe wenigstens noch offiziell als „gottgläubig“ hatte einschrei-
ben lassen, nachdem er schwach genug gewesen war, alles andere mit sich
machen zu lassen. (Durchaus taten das nicht »alle Nazis«. Die waren eher
„konfessionslos“. Wer sich als echter Nazi freiwillig „gottgläubig“ nannte,
der wollte damit Gott irgendwie noch festhalten, mindestens irgendeinen
immanentistischen Glauben, sich aber von der Kirche absetzen.)

Ich will damit nur sagen, daß die Dinge oft nicht so einfach liegen und
man nicht vorschnell urteilen sollte. Andererseits hast du natürlich Recht,
daß der Begriff „gottgläubig“ wegen seiner semantischen Vorbelastung im
Falle Bonhoeffers sehr unpassend ist.
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Linus
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Beitrag von Linus »

Stephen Dedalus hat geschrieben:ich weiss nicht, ob Du das als bewusste Provokation gemacht hast, aber der Begriff "gottglaeubig" ist im Zusammenhang mit Bonhoeffer wirklich schlimm.
Nein das war keine absichtliche Provokation, jedoch ein peinlicher faux pas. Entschuldige. Ich "kenne" Bonhöffer relativ gut, hab einiges von ihm, bzw von seiner Familie gelesen.(meine Mutter ist "Bonhoeffer Fan").

Halte ihn für "fast schon katholisch" und bin mir ziemlich sicher dass er an der ewigen Kneiptafel (das ist die verbindungsstudentische Abteilung des Hochzeitsmals des Lammes) als Vertreter einer verehrlichen AV Igel Tübingen im MWR sitzt.
Zuletzt geändert von Linus am Donnerstag 19. Januar 2006, 20:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Robert,

Danke für Deine Ausführungen, die ich gut verstehen kann. (in dem genannten Zusammenhang)
Ebenso kann ich - genau wie Du - die Einstellung von Stephen verstehen. Denn der Begriff "gottgläubig" hat nun einmal einen negativen Beigeschmack.
Und ich bin überzeugt, daß man Dietrich Bonhoeffer ganz sicher als eines ansehen kann:
als einen überzeugten und - im besten Sinne - bekennenden Christen.
Aber mich würde es mal interessieren, wie Du und andere User hier die Theologie Dietrich Bonhoeffer betrachtet.

Gruß, Pit
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:…aber der Begriff "gottglaeubig" ist im Zusammenhang mit Bonhoeffer wirklich schlimm. Immerhin wurde er von den Nazis ermordet. Als "gottglaeubig" bezeichneten sich alle Nazis, die keiner formellen Religion oder Kirche mehr angehoerten.
Ich mußte, als ich den Begriff las, an meinen Großonkel denken. Erst
vor ein paar Tagen habe ich’s so in seinem Totenschein gelesen. Er war
sicher kein Nazi, sondern von seinem Vater – was mein Uropa war – aus
Karrieregründen in die Waffen-SS gesteckt worden. Seine Konfirmations-
urkunde habe ich auch noch. Er hatte allerdings aus der evangelischen
Landeskirche austreten müssen. In der Waffen-SS war er als schmächti-
ger, sensibler Junge nur unglücklich. Dafür währte es nicht lang, bei der
ersten Feindberührung blieb er, gerade zwanzigjährig, mit Kopfschuß auf
der Walstatt.

Sein Vater dagegen wurde nach dem Krieg trotz NSDAP-Mitgliedschaft
(ebenso aus aus Karrieregründen) durch das Zeugnis eines Antifaschisten
als »überzeugter Gegner des Nationalsozialismus« erfolgreich entnazifziert.

Für meinen Großonkel Werner war es so eine Art letzter Halt, daß er sich
bei der Truppe wenigstens noch offiziell als „gottgläubig“ hatte einschrei-
ben lassen, nachdem er schwach genug gewesen war, alles andere mit sich
machen zu lassen.

Ich will damit nur sagen, daß die Dinge oft nicht so einfach liegen und
man nicht vorschnell urteilen sollte. Andererseits hast du natürlich Recht,
daß der Begriff „gottgläubig“ wegen seiner semantischen Vorbelastung im
Falle Bonhoeffers sehr unpassend ist.
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asderrix
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Beitrag von asderrix »

Noch ein Link, ich habe mich noch nicht sehr viel mit Bonhoefer beschäftigt, kann also nur mal auf Funde im Netz hinweisen.

www.predigtenundprivates.de/bonhoeffer.htm
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Ewald Mrnka
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Re: War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Beitrag von Ewald Mrnka »

Pit hat geschrieben:Hallo "Kreuzgängler",

an anderer Stelle habe ich gelesen, wie ein User (ich weiss leider nicht mehr exakt, wer es war), Dietrich Bonhoeffer als Atheisten bezeichnet hat. Nun, sollte derjenige diese Zeilen lesen, und sich angesprochen fühlen, wäre ich sehr interessiert, warum Dietrich Bonhoeffer Atheist gewesen sein soll.

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Gruß, Pit
Ich war der böse Bube, der die Ikone angekratzt hat.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Zuletzt geändert von Juergen am Dienstag 14. März 2006, 13:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Pit
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Re: War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Beitrag von Pit »

Hallo Ewald,

dann kannst Du mir sicher auch die Frage beantworten, warum Dietrich Bonhoeffer Deiner Meinung nach Atheist war.
Nebenbei habe ich ihn nie als "Ikone" angesehen, denn - er war ein Mensch.

Gruß, Pit
Ewald Mrnka hat geschrieben:
Pit hat geschrieben:Hallo "Kreuzgängler",

an anderer Stelle habe ich gelesen, wie ein User (ich weiss leider nicht mehr exakt, wer es war), Dietrich Bonhoeffer als Atheisten bezeichnet hat. Nun, sollte derjenige diese Zeilen lesen, und sich angesprochen fühlen, wäre ich sehr interessiert, warum Dietrich Bonhoeffer Atheist gewesen sein soll.

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Petra
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Re: War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Beitrag von Petra »

Pit hat geschrieben:Hallo "Kreuzgängler",

an anderer Stelle habe ich gelesen, wie ein User (ich weiss leider nicht mehr exakt, wer es war), Dietrich Bonhoeffer als Atheisten bezeichnet hat.
Danke, Pit, dass du schon im Eröffnungsbeitrag darauf hingewiesen hast, dass dies nur ein (ein einziger!) User geschrieben hat. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass es noch jemand denkt.

Petra
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Beitrag von Petra »

Dann sollte der auch Manns genug sein, das zu schreiben *wart*

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Pit
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Re: War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Beitrag von Pit »

Hallo Petra,

ich hoffe auch, daß nicht noch mehr User Bonhoeffer für einen Atheisten halten, aber egal, wieviele es sind, sie sollten ihre Unterstellungen wenigsten belegen können.

Gruß, Pit
Petra hat geschrieben:
Pit hat geschrieben:Hallo "Kreuzgängler",

an anderer Stelle habe ich gelesen, wie ein User (ich weiss leider nicht mehr exakt, wer es war), Dietrich Bonhoeffer als Atheisten bezeichnet hat.
Danke, Pit, dass du schon im Eröffnungsbeitrag darauf hingewiesen hast, dass dies nur ein (ein einziger!) User geschrieben hat. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass es noch jemand denkt.
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Petra
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Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Pit, dazu sage ich nur:
Petra hat geschrieben:Dann sollte der auch Manns genug sein, das zu schreiben *wart*
*weiterwart*

Andreas01
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Re: War Dietrich Bonhoeffer Atheist ?

Beitrag von Andreas01 »

Pit hat geschrieben:ich hoffe auch, daß nicht noch mehr User Bonhoeffer für einen Atheisten halten, aber egal, wieviele es sind, sie sollten ihre Unterstellungen wenigsten belegen können.
Nein; der Eine sollte das im eigenen Interesse sofort zurücknehmen, sonst wird man ihn nicht mehr ernst nehmen, selbst wenn er in anderen Dingen die Wahrheit sagt.
Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Joh 10,10

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Vielleicht darf ich mal mit dem Versuch einer Interpretation einspringen.
Ich nehme an, Ewald habe nicht Dietrich Bonhoeffer persönlich als Indi-
viduum und seine konkreten Aussagen im Sinn gehabt, sondern ihn le-
diglich pars pro toto stellvertretend für den Protestantismus schlechthin
genannt.

Er hat sich dazu an anderer Stelle schon einmal geäußert:
Ewald Mrnka hat geschrieben:Mal ganz schnell aus der Hüfte (mit der Kalschnikow) geschossen, denn ich sammle gerade Reisig und die Scheite wollen auch noch gespalten werden; daher der grobe Holzschnitt:

Protestantismus neigt stets zu Aufklärung, zu Entmythologisierung und "Fortschritt". Die Tendenz kann man bereits in den Anfängen recht deutlich verfolgen.

Im Verlaufe der Entwicklung wird das Subjekt Gott nach und nach seiner anthropomorphisierenden Prädikate entkleidet. Gott wird zum Subjekt ohne Prädikate; sozusagen zum Punkt ohne Dimension.

Der Protestantengott ist ein Nichts, eine reine Abstraktion. Wenn der Mensch das Ebenbild Gottes ist, dann muß dieser Vorstellung eben ein Bild entsprechen. Das aber haben die Bilderstürmer exorziert.

Der tranzendente Gott ist tot - dafür haben sich die Protestanten höchst irdische Götter geschaffen: Die Vergottung des Menschen und des eigenen Ich.
In diesem Zusammenhang berief er sich auch auf Feuerbachs Abrechnung
mit dem Protestantimus.

Doch unabhängig von der Frage ob oder wie weit man ihm da folgen möch-
te, ist es eben doch problematisch, einzelne Personen derart stellvertretend
für eine Gruppe zu nennen, und dies erst recht, wenn sie für diese Gruppe
so untypisch sind wie Bonhoeffer zu seiner Zeit.
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Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Ich denke, Bonhoeffer als Atheisten zu bezeichnen trifft in einem gewissen Sinne schon zu. Man muss dazu einmal bedenken, in welchem Sinne Bonhoeffer und mit ihm bestimmte Theologen dieser Zeit "Theismus" verstanden haben.

Bonhoeffer hat in seinen letzten Tagen einmal von einem "religionslosen Christentum" gesprochen, das nach dem Ende der Hitlerdiktatur zu verwirklichen sei. Religion, Theismus - dies wurde verstanden als ein kulturell-philosophischer Aufbau auf die originale Botschaft Christi, eine jahrtausendealte Patina sozusagen, die sich auf das Kerygma der ersten Christen gelegt hatte und dieses in einer bestimmten Weise verfälscht hat.

Bereits der reformierte schweizer Theologe Karl Barth hat eine radikale Theologie des Wortes Gottes vertreten und alle religiösen, liberalen und philosophischen Zusätze verworfen. Er war geschockt von der Tatsache, dass selbst liberale protestantische Theologen Deutschlands sich für den Krieg des Kaiserreiches vierzehnachtzehn begeistern konnten, weil sie göttliches Walten aus der Geschichte herauslesen und in sie hineinlesen wollten. Barth wollte dies ein für alle mal beenden und sich nur an die aller Geschichte gegenüberstehende Offenbarung Gottes in Jesus Christus, dem letztgültigen Wort Gottes, halten.

Bonhoeffer hat im Zusammenhang des Verhältnisses der Kirchen zum Dritten Reich ähnliche Erfahrungen wie Barth gemacht und sich deshalb dafür ausgesprochen, Gott nicht in der Geschichte, nicht in der Tradition, nicht in der Philosophie, nicht in der Religion, nicht im "Theismus" zu suchen, sondern einzig im nackten Evangelium von Jesus Christus. Daher der Ausspruch vom "religionslosen Christentum".
Trotzdem, oder besser gesagt: gerade deswegen, kann man Bonhoeffer nicht des "Atheismus" im herkömmlichen Sinne zeihen - im Gegenteil.

Notabene: Ich achte Bonhoeffer als einen hervorragenden Theologen und bekennenden Christen und bewundere seinen Mut. Ich wehre mich aber gegen die pseudokatholische Heiligenverehrung, die ihm in vielen protestantischen Gemeinden entgegenschlägt.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

@Lieber Tacitus, das hast Du sehr schön dargestellt; dem ist nichts hinzuzufügen. Es geht doch nichts über unabhängige Geister und gediegene Fachleute .........die werden jedoch immer seltener, weil Ideologen und käufliche Federn gefragt sind.


Es gibt Atheisten, die frömmer und gottnäher sind als religiöse Eiferer.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Ewald Mrnka hat geschrieben:@Lieber Tacitus, das hast Du sehr schön dargestellt; dem ist nichts hinzuzufügen.
Soweit ich Tacitus und Bonhoeffer (in dem, was ich von ihm kenne) richtig verstanden habe, ist Bonhoeffers Haltung alles andere als das, was man als "Atheismus" bezeichnen kann. Es geht ihm ja bei seiner Theorie des "religionslosen Christentums" nicht um die Abschaffung Gottes, sondern in erster Linie um eine religionslose Interpretation religioeser Begriffe, die auch dem modernen Menschen zugaenglich sind. Insofern wundere ich mich doch, wie Du oben eine solch merkwuerdige Aussage machen kannst und dann hier ploetzlich hymnisch zustimmst ...

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asderrix
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Beitrag von asderrix »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Insofern wundere ich mich doch, wie Du oben eine solch merkwuerdige Aussage machen kannst und dann hier ploetzlich hymnisch zustimmst ...
Und ich freu mich, da Ewald ja mit seiner Aussage Bonhoeffer also nicht sein Christsein absprach.

Ich gebe aber zu das ich die Erklärung von Tacitus und Ewald noch zweimal lesen muss um sie richtig zu verstehen.

Definitionsfrage:
Was ist ein Theist, was ein Atheist und ist Atheist gleich Nichtchrist?

lg asder
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Pit
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Beitrag von Pit »

@ Tacitus
Danke für Deine kurze und trotzdem "griffige" Darstellung der Theologie Dietrich Bonhoeffers.

@ Ewald
Du schreibst, nachdem Tacitus die theologische Sichtweise Dietrich Bonhoeffers - der übrigens evangelisch-lutherischer Christ war - näher "auseinandergewuselt" hatte:
"Es gibt Atheisten, die frömmer und gottnäher sind, als religiöse Eiferer."
Nun, wie darf ich diese Aussage von Dir auf Bonhoeffer beziehen, wenn die Aussage von Dir auf Bonhoeffer bezogen war? Oder habe ich Dich da falschverstanden?

Fragend, Pit
Ewald Mrnka hat geschrieben:@Lieber Tacitus, das hast Du sehr schön dargestellt; dem ist nichts hinzuzufügen. Es geht doch nichts über unabhängige Geister und gediegene Fachleute .........die werden jedoch immer seltener, weil Ideologen und käufliche Federn gefragt sind.


Es gibt Atheisten, die frömmer und gottnäher sind als religiöse Eiferer.
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Sehr bekannt ist auch seine Kritik an der billigen Gnade:
http://paxetbonum.de/index.php/2006/01/13/gnadenreich/

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Ich vermute mal, dass das Missverständnis durch solche Stellen ausgelöst wurde:
"Wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in einer Welt leben müssen -etsi deus non daretur (als wenn es Gott nicht gäbe)...Vor und mit Gott leben wor ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt hinausdrängen ans Kreuz, ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns."

Zum Verständnis folgende Überlegungen:
Diese Thesen klingen erst einmal deistisch: Gott lässt sich aus der Welt hinausdrängen klingt ähnlich wie Gott ist abwesend.

Ich glaube jedoch nicht, dass das gemeint ist.
Christus hat gebetet: Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, aber nicht wie ich will, sondern wie Du willst.
Zunächst steht also die Bitte an Gott um das "natürlich Schöne" im Vordergrund, aber dies schon eingebunden in die Unterwerfung unter den Willen Gottes, auch wenn er anders aussehen mag.

Wie sieht jedoch die Theologie des Augenblicks aus, in dem der Kelch nicht an einem vorübergeht? Das ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt, um Bonhoeffer hier zu verstehen, denn dann heißt die Nachfolge Kreuzesnachfolge, bei Christus sein heißt dann mit Christus sich aus dem Leben drängen lassen und gerade so bei Gott und bei Christus zu sein.

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