Johannes Friedrich und die Bibel

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Jo
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Johannes Friedrich und die Bibel

Beitrag von Jo »

Ich habe vorhin im BR (BayerischerRundfunk)-Newsletter "Kirche" folgenden Text gelesen (ist ja schon bekannt, dieses Thema):
BR-Newsletter hat geschrieben:Der evangelische Landesbischof von Bayern, Johannes Friedrich, ist zum leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) gewählt worden. Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk machte Friedrich deutlich, dass er sich in diesem Amt vornehmlich als Ansprechpartner im ökumenischen Dialog versteht. Dabei stellt Friedrich vor allem in den Äußerungen des katholischen Ökumene-Kardinals Walter Kasper eine "Tendenzverschiebung" fest. Kasper hatte den Ausstieg der Protestanten aus dem katholisch-evangelischen Projekt der Einheitsübersetzung der Bibel als schweren Rückschritt bezeichnet. Er verstehe nicht, wie man sich einer gemeinsamen Bibelübersetzung entziehen und gleichzeitig Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft fordern könne. Das passe "beim besten Willen nicht zusammen". Landesbischof Friedrich warf dagegen der katholischen Kirche vor, bei der Einheitsübersetzung die "Geschäftsgrundlage" verlassen zu haben: "Wir wollten nicht aussteigen". Die Vorgabe Roms, dass bei der Übersetzung "in Zweifelsfällen auch die kirchliche Lehrtradition eine Rolle spielt", sei für Protestanten aber nicht hinnehmbar. "Für uns", so Friedrich im Bayerischen Rundfunk "kommt die Bibel vor der
Kirche". Das ganze Interview mit Landesbischof Friedrich in B5 am Sonntag, Kirchen.
Besonders interessant finde ich dabei den letzten Satz: "Für uns kommt die Bibel vor der Kirche"

Wie hätte denn v.a. das NT aufgeschrieben werden können, wenn es vorher die Kirche nicht gegeben hätte?
An diesem Beispiel sieht man auch, daß es wohl doch mehr Unterscheidungspunkte gibt, als man gemeinhin wahrhaben will.
Gut finde ich von beiden Seiten, besonders auch von Friedrich, daß sie doch in sich konsequent bleiben. Da würde ich mich als Protestant, der sich nach Luthers "sola scriptura" richtet, auch wundern, wenn ich plötzlich was von kirchlicher (=wohl katholischer) Lehrtradition annehmen müßte.

Gruß, Jo
Dies irae, dies illa, solvet sæclum in favilla: ... Quantus tremor est futurus, quando judex est venturus, cuncta stricte discussurus! ... Rex tremendæ majestatis, qui salvandos salvas gratis, salva me, fons pietatis ...

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Edi
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Beitrag von Edi »

Schau mal Hier her

Aus diesen Erörterungen geht etwas anderes hervor, als das was Friedrich erzählt hat.

Raphael

Re: Johannes Friedrich und die Bibel

Beitrag von Raphael »

Jo hat geschrieben:Besonders interessant finde ich dabei den letzten Satz: "Für uns kommt die Bibel vor der Kirche"
Das wäre doch 'mal ein wahrhaft evangelischer Grundsatz und eine wirkliche Neuerung: "Sola ecclesia!" 8)

GsJC
Raphael

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Edi
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Re: Johannes Friedrich und die Bibel

Beitrag von Edi »

Raphael hat geschrieben:
Jo hat geschrieben:Besonders interessant finde ich dabei den letzten Satz: "Für uns kommt die Bibel vor der Kirche"
Das wäre doch 'mal ein wahrhaft evangelischer Grundsatz und eine wirkliche Neuerung: "Sola ecclesia!" 8)

GsJC
Raphael
Luther kommt vor der Kirche hätte er besser sagen sollen, der dieser ist der Erfinder dieses Dogmas, das zu hunderten evangelischer Gruppen geführt hat, die sich alle "nur" auf die Bibel berufen.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Die ganze Diskussion ist ausgesprochen ärgerlich. Vor allem, weil die evangelische Partei ja gar nicht darauf gewartet hat, daß in der konkreten Arbeit an den Texten Konflikte auftreten, die sich nicht lösen lassen. Wir werden also nie erfahren, ob es denn wirklich Textstellen gegeben hätte, bei denen man sich nicht auf gemeinsame Formulierungen hätte einigen können. Und selbst dann wären ja noch Fußnoten etc. denkbar gewesen.

Die Art, wie die ev. Kirche hier agiert, läßt in der Öffentlichkeit vor allem den Eindruck entstehen, die katholische Kirche wolle den Bibeltext "manipulieren". Das ist erstens unzutreffend und zweitens ein bißchen schäbig.

Aber auch hier hat man den Eindruck, daß die Evangelischen sich profilieren wollen, weil sie sich zunehmend an die Wand gespielt fühlen.

Gruß
Stephen

TiLek
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Beitrag von TiLek »

Hallo hier eine kleine Presseinfo der VELKD zu diesem Thema:

Bedauern über Vorgaben der katholischen Kirche zur Einheitsübersetzung

Generalsynode der VELKD hofft, dass die Überarbeitung die ökumenischen Gesichtspunkte im Blick behält – Bitte an die Gemeinden, gegenseitiges Verständnis zu fördern
Klink b. Waren a. d. Müritz – Die Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) bedauert, dass es der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz „wegen ihrer unbedingten Verpflichtung gegenüber der römischen Instruktion ,Liturgicam authenticam’ nicht möglich war, die Voraussetzungen für eine gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland verantwortete Neubearbeitung der ,Einheitsübersetzung’ der Bibel zu schaffen“. In einer Entschließung zum Abschluss ihrer Tagung in Klink würdigten die 62 Kirchenvertreterinnen und -vertreter am 19. Oktober die „Einheitsübersetzung“. Sie war ursprünglich als eine einheitliche Bibelübersetzung der deutschsprachigen römisch-katholischen Bistümer geschaffen worden und unter Beteiligung der EKD zustande gekommen und hatte auch in evangelischen Kirchen und Gemeinden „als Zeichen ökumenischer Annäherung auf der Grundlage der Bibel hohe Wertschätzung erfahren“. Dies gelte, obwohl die Bibelübersetzung Martin Luthers in den evangelischen Kirche eine „hervorragende Bedeutung“ habe. Die Generalsynode gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass auch die kommende überarbeitete „Einheitsübersetzung“ auf Grund der vorhandenen Arbeitsbeziehungen zwischen evangelischen und römisch-katholischen Bibelwissenschaftlern die ökumenischen Gesichtspunkte im Blick behalte.

Die Generalsynode ermutigt in ihrem Beschluss die Gemeinden, ihre in den zurückliegenden Jahren erreichte Gemeinschaft mit allen ökumenischen Partnern weiter zu pflegen, Unterschiede in Bekenntnis und Spiritualität füreinander zu erschließen und damit das gegenseitige Verständnis zu fördern.


Klink, den 19.10.2005

Lieben Gruß Timm

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Bei der sog. "Einheitsübersetzung" erweckt schon das Wort den Eindruck als hätte man es hier mit einer Übersetzung zu tun, die gleichsam sowohl von der Katholischen Kirchen in Dtl. als auch von den Evangelischen Kirchen in Dtl. gemeinsam erarbeitet und auch benutzt wird.
Dem ist nicht so und dem war nie so.

Ein einfacher Blick auf die Herausgeber macht es deutlich:

Einheitsübersetzung

Herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen.

Für die Psalmen und das Neue Testament auch im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Evangelischen Bibelwerks in der Bundesrepublik Deutschaland.
Also:
Die evangelische Seite hat sich nur der Übersetzung der Psalmen und des NT angeschlossen. Das übrige AT wird in dieser Übersetzung nicht akzeptiert.
Rezipiert wurde die Übersetzung in den ev. Kirchen auch kaum. Dort blieb man vielfach bei der Lutherübersetzung.
Selbst bei sog. "ökumenischen Gottesdiensten" wird, wenn sie von ev. Seite organisiert werden, nicht immer die Einheitsübersetzung genommen.

Lediglich auf kath. Seite nimmt man sie für alle liturgischen Feiern.


Ich persönlich finde es ehrlicher, wenn eine rein katholische Bibelübersetzung erarbeitet wird, als solch eine "Mogelpackung".
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Die ganze Diskussion ist ausgesprochen ärgerlich. Vor allem, weil die evangelische Partei ja gar nicht darauf gewartet hat, daß in der konkreten Arbeit an den Texten Konflikte auftreten, die sich nicht lösen lassen. Wir werden also nie erfahren, ob es denn wirklich Textstellen gegeben hätte, bei denen man sich nicht auf gemeinsame Formulierungen hätte einigen können. Und selbst dann wären ja noch Fußnoten etc. denkbar gewesen.

Die Art, wie die ev. Kirche hier agiert, läßt in der Öffentlichkeit vor allem den Eindruck entstehen, die katholische Kirche wolle den Bibeltext "manipulieren". Das ist erstens unzutreffend und zweitens ein bißchen schäbig.
Also, wenn katholischerseits die Nova Vulgata zum Maßstab erhoben wird, dann ist das manipulativ. Wenn gar einer vom Urtext redet, aus welchem zu übersetzen sei, und dabei den Masoretentext im Sinn hat, dann ist das sogar Betrug.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Also, wenn katholischerseits die Nova Vulgata zum Maßstab erhoben wird, dann ist das manipulativ....
Was willste denn zugrunde legen? Die Mandarine, ähm :kratz: Clementine :kratz: Clementina?

Wie auch immer:
Vor allem sollten sie mal langsam "in die Pötte" kommen; am 28.3.06 läuft die 5-Jahres-Frist zur Vorlages eines Plans bezüglich der Übersetzungen ab.

Ich weiß zwar nicht was passiert, wenn die Frist verstrichen ist; aber vielleicht legt ihnen dann ja jemand anderes einen Plan vor... :hmm:
Gruß Jürgen

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Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

TiLek hat geschrieben:Hallo hier eine kleine Presseinfo der VELKD zu diesem Thema:

Bedauern über Vorgaben der katholischen Kirche zur Einheitsübersetzung

...

Sie war ursprünglich als eine einheitliche Bibelübersetzung der deutschsprachigen römisch-katholischen Bistümer geschaffen worden und unter Beteiligung der EKD zustande gekommen und hatte auch in evangelischen Kirchen und Gemeinden „als Zeichen ökumenischer Annäherung auf der Grundlage der Bibel hohe Wertschätzung erfahren“.

...

Klink, den 19.10.2005

Lieben Gruß Timm
Ich denke,
das geht klar aus dem Text hervor,
dass es eine katholische Einheitsübersetzung ist.

Gab es denn innerhalb der deutschsprachigen katholischen Bistümer unterschiedliche Übersetzungen :hmm:
Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist...

!Nichts

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Linus
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Beitrag von Linus »

@ragnar

die einheizübersetzung heisst so, weil protestanten und katholen da gemeinsam übersetzt haben.
und weil man sie furchtbar gut verbrennen kann.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Ragnar
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@linus

Beitrag von Ragnar »

@linus
Linus hat geschrieben:@ragnar

die einheizübersetzung heisst so, weil protestanten und katholen da gemeinsam übersetzt haben.
und weil man sie furchtbar gut verbrennen kann.
Jaja,
es gibt halt immer Menschen,
die irgend was verbrennen möchten,
das hat Tradition...

Was macht Dich sicher,
dass Deine Variante die richtige ist?
Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist...

!Nichts

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